18.
"Sensei", jammerte Mari, "warum müssen wir solche dämlichen Missionen machen? Wir sind Shinobi, keine Tierjäger."
Ich seufzte.
"Beschwer dich mal nicht. Als ich Genin war, musste ich Katzen wieder einfangen. Weißt du, wie schwer es ist, Hokage-sama zu überreden, euch nicht sowas machen zu lassen? Ihr könnt glücklich sein, wenigstens größere Tiere zu bekommen", erklärte ich und deutete mit dem Kopf auf den Bären, welcher bis vor einer Stunde noch Dorfbewohner am Stadtrand belästigt hatte.
"Ja, ja, schon klar. Sie klingen wie eine alte Frau, Sensei", lachte sie und ich zog eine Augenbraue nach oben.
"Wie bitte? Ich bin siebzehn Jahre alt, nur so zur Erinnerung", knurrte ich und sie winkte hektisch ab.
"N-natürlich, so war das nicht gemeint!"
"Yuna-sensei, können wir jetzt nach Hause gehen?", fragte Tairu mit müdem Blick in den Augen, woraufhin ich missbilligend mit der Zunge schnalzte.
"Es ist gerade erst Mittag, wir werden noch eine ganze Weile trainieren."
Er seufzte ließ seinen Kopf in den Nacken fallen.
"Ich will schlafen..."
Ich verdrehte die Augen, ignorierte seinen Kommentar jedoch.
"Also gut, ich werde mich bei Hokage-sama zurückmelden, ihr drei geht schon mal zum Trainingsplatz. Bis ich wieder da bin, übt ihr eigenständig."
Ich machte mich auf zu Minato, meine Schüler gingen in die andere Richtung.
Bei seinem Büro angekommen, klopfte ich an und betrat auf seinen Befehl hin den Raum.
"Ah, Yuna, du bist wieder da. Wie lief die Mission?", fragte er lächelnd.
"Keine Probleme, den Bären habe ich zum vereinbarten Ort gebracht. Gibt es sonst noch etwas für uns zu tun?", antwortete ich.
"Naja", murmelte er, "ich bin mir nicht sicher, ob die Mission angemessen ist, aber ich hätte noch einen C-Rang für euch."
Überrascht weiteten sich meine Augen, allerdings sagte ich nichts.
"Es handelt sich lediglich um das Überbringen einer Nachricht, nichts sonderlich wichtiges. Aber...", er machte eine kurze Pause und fragend legte ich den Kopf schief.
"Yuna, hast du schon einmal etwas von einem Orochimaru gehört?"
Ich zuckte kurz zusammen, dann nickte ich.
"Ja, er ist ein gesuchter Verbrecher."
"Also, wir haben einige Jōnin losgeschickt, um einige seiner alten Labore zu untersuchen, aber wir haben gerade die Information erhalten, dass es noch ein weiteres Versteck in der Nähe gab. Natürlich sind alle bereits verlassen, aber Fallen sind nicht auszuschließen. In dieser Schriftrolle befindet sich der Standort des neues Labors", erklärte Minato ernst.
"Und wir sollen ihrem Trupp die Rolle überbringen", schlussfolgerte ich und er nickte zustimmend.
"Ich werde dir die Entscheidung überlassen, schließlich geht es hier um dein Team. Ihr arbeitet bereits seit drei Wochen zusammen, also solltest du die Fähigkeiten der drei am Besten einschätzen können."
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Das Team würde sich sicherlich über diese Mission freuen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das schaffen würde.
Auch wenn sie schon verlassen waren, die Verstecke gehörten immer noch zu Orochimaru.
Was, wenn das alte Gefühle zurück brachte?
Andererseits mussten wir nur die Informationen übergeben und dann wieder verschwinden, also keine große Sache...
"Ich mach's", noch bevor meine Entscheidung gänzlich getroffen war, hatte ich zugestimmt.
"Okay, hier ist die Rolle. Und denk dran: sollte irgendetwas schief laufen - aus welchem Grund auch immer - solltet ihr euch zurückziehen."
"Keine Sorge, es wird nichts passieren", lächelte ich und verließ mit der Schriftrolle das Gebäude.
Am Trainingsplatz angekommen bot sich mir das gleiche Bild wie sonst auch: Mari bombardierte die arme Trainingspuppe mit Angriffen, Fuji meditierte und stärkte somit ihre Chakrakontrolle und Tairu... naja, der schlief.
"Mari, Fuji, herkommen! Tairu, aufwachen und antreten!", wies ich an und alle drei taten, wie geheißen.
"Hört mal, ich habe von Hokage-sama eine weitere Mission für uns bekommen. Es ist eine aus der C-Klasse."
Maris Augen begannen zu funkeln, aber ich hob eine Hand, um sie zu beruhigen.
"Nicht zu früh freuen. Wir sollen lediglich eine Nachricht überbringen."
"Und das ist kein D-Rang?", hakte Fuji leise nach.
"Ja, die Umgebung könnte etwas gefährlich sein, aber keine Sorge", erklärte ich.
"Toll! Gehen wir dann jetzt los? Sie erklären uns aber alles genau auf dem Weg, oder?", rief Mari begeistert und ich schmunzelte.
"Aber natürlich. Jedes kleine Detail. Und jetzt kommt, wir müssen uns etwas beeilen."
"In dem hier sind sie auch nicht", seufzte Tairu, als wir das bereits dritte leere Höhlensysteme verließen.
"Es sind nur noch zwei weitere, in einem von dem werden sie sein", grummelte ich.
"Warum konnte der Hokage uns nicht einfach sagen, wo dieser Trupp ist?", jammerte er und ich rollte mit den Augen.
"Wie ich schon öfters sagte, weiß er nicht genau, in welchem der Verstecke sie sich befinden. Wie denn auch, wenn der letzte Bericht vor zwei Tagen kam?"
"Ja, ja, schon kapiert", schmollte er.
"Aber das ist doch mega cool! Ich meine, in diesen dunklen Gänge und verlassenen Laboren rumzulaufen, ist total aufregend!"
"M-Mari, sag sowas nicht. Ich finde das irgendwie gruselig", widersprach Fuji ihrer Schwester leise.
"Du bist ja auch ein Angsthase", lachte Tairu und kassierte dafür einen Schlag auf den Hinterkopf von Mari.
"Jetzt kommt schon, bewegt euch. Ihr könnt auch unterwegs streiten", lachte ich und wir machten uns auf den Weg zum nächsten Versteck, welches zum Glück recht nah an diesem lag.
"Wofür war das gerade eben?", beschwerte Tairu sich und Mari streckte ihm die Zunge raus.
"Weil du schon wieder Fuji geärgert hast. Ich sag dir doch ständig, dass du damit aufhören sollst, klar?"
"Nein, ist schon gut, Mari", murmelte Fuji, was die anderen allerdings nicht davon abhielt, weiter zu streiten.
"Sensei, tun sie doch irgendwas", bat Fuji mich, was ich allerdings mit einer Handbewegung abtat.
"Lass sie nur. Ich glaube, das tut ihnen ganz gut. Außerdem würden sie sich irgendwann nicht mehr stoppen lassen."
Eine Weile ging es so weiter, bis ein zerfallener Wachturm direkt am Rand einer steilen Klippe in Sichtweite kam.
Mit einem Handzeichen bedeutete ich meinen Schülern, anzuhalten.
"Ihr drei-"
"'Wartet hier, ich sehe mich kurz um', schon klar, das haben sie bisher jedes Mal gesagt", schmunzelte Tairu und ich nickte lächelnd.
"Ganz genau."
Sie versteckten sich hinter einem Gebüsch, während ich vorsichtig um den Turm herum schlich.
Als ich einen jungen Mann in Konoha Uniform sah, entspannte ich mich.
"Wer ist da?", fragte er laut, als er mich bemerkte und ich winkte das Team zu mir.
"Wir sind auf Befehl des Hokage hier, mein Name ist Uchiha Yuna. Wir haben eine Botschaft für Sie", erklärte ich und er nickte langsam.
"Was für eine Botschaft?"
"Es geht um ein weiteres Versteck, über das sie noch nicht informiert worden sind", sagte ich und reichte ihm die Schriftrolle.
Er öffnete sie und überflog den Inhalt, dann verstaute er sie in einer Tasche.
"Entschuldigung", setzte er an, machte dann aber eine kurze Pause, "könnten Sie bitte einen Moment hier warten? Ich gehe dann mein Team informieren. Und ich fände es nicht gut, ohne Absicherung hier draußen."
"Klar doch. Wir warten hier, bis Sie wiederkommen", bestätigte ich und er betrat den Turm.
"Sensei, dürfen wir auch rein? Nur ganz kurz", bettelte Mari mit großen Augen.
"Vergiss es. Ab hier ist unsere Aufgabe vorbei, sobald er da ist, gehen wir zurück", erwiderte ich streng und sie machte einen Schmollblick.
"Versuchs gar nicht, Mari. Sowas wirkt bei Sensei ni-"
Tairu wurde von einem gellenden Schrei aus dem Inneren des Turmes unterbrochen.
"W-was war das?", rief Fuji verängstigt und ich schüttelte den Kopf.
"Keine Ahnung, ich werde gleich nachsehen."
Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren, ich wusste nicht, was in dieser Situation die beste Entscheidung wäre.
Natürlich könnten wir einfach abhauen und bei Minato melden, oder alleine reingehen und die drei draußen lassen.
Es wäre allerdings auch möglich, mit ihnen reinzugehen, dann wären sie im Ernstfall nicht auf sich allein gestellt.
Verdammt.
Was war die beste Möglichkeit?
Was würden Sarutobi-sensei oder Chōza-sensei machen?
"Ihr drei... bleibt hier, ich bin gleich wieder da. Kommt auf keinen Fall rein und wenn irgendwas passiert, verschwindet ihr sofort von hier", gab ich die Befehle.
"Aber Sensei! Ist es nicht zu gefährlich, da alleine reinzugehen?", widersprach Mari.
"Keine Sorge, ich bin ja schließlich ein hervorragender Jōnin, das schaff ich schon. Außerdem will ich nicht, dass euch was passiert, okay? Also tut, was ich euch sage", lächelte ich und legte ihr eine Hand auf den Kopf.
"J-ja, in Ordnung."
Mit einem aufmunternden Lächeln drehte ich mich um und betrat das Innere des zerfallenden Gebäudes.
Mit einem quietschenden Geräusch zog ich mein Katana und blickte mich argwöhnisch um.
Das Innere des Turms war nichts besonderes, nur ein leerer Hohlraum mit verwittertem Holz und zerbrochenen Steinen, allerdings entdeckte ich ein Loch im Boden, die Abdeckung war zur Seite geschoben.
Mit klopfendem Herzen stieg ich eine morsche Leiter hinab, an deren Ende mich ein unbeleuchteter Gang erwartete.
Ich formte ein paar Fingerzeichen und zündete mit einem kleinen Feuerball einen der rumliegenden Stöcker an.
Mit dieser Fackel in der einen und dem Katana in der anderen lief ich leise weiter, bis ich an einer Weggabelung ankam.
Ich konzentrierte Chakra in meinen Augen, um das Sharingan zu aktivieren.
Inzwischen konnte ich es wieder mit allen drei Tomoen benutzen, allerdings verwendete ich es nur sehr selten.
Rechts war nichts verdächtiges zu sehen, links konnte ich aber ein schwaches und relativ weit entferntes Chakra wahrnehmen, welchem ich folgte.
So ging das einige Zeit lang weiter und das Chakra wurde immer stärker und deutlicher.
Ich sprang erschrocken zurück, als mein Fuß gegen etwas stieß.
Kurz stand ich still da, machte dann wieder einen Schritt nach vorne und beleuchtete mit der provisorischen Fackel den Boden.
Es war der Ninja von vorhin, er lag mit aufgerissenen Augen und mehreren Verletzungen in einer großen Blutlache.
Ich beugte mich hinunter, um seinen Puls zu fühlen, doch das war nicht mehr notwendig, als er zitternd den Kopf hob.
"Y-yuna-san... hel-helfen Sie... mir", keuchte er und aus seinem Mund kam ein großer Blutschwall.
"Was ist passiert? Wer hat das getan?", fragte ich und setzte ihn etwas auf, mir war bewusst, dass ich ihn nicht mehr retten konnte.
"Hil...fe"
Sein Kopf fiel zurück in seinen Nacken und sein Körper erschlaffte.
Ich legte ihn langsam wieder ab und erhob mich.
Mein Magen zog sich zusammen, als ich nur wenige Meter entfernt weitere Leichen entdeckte.
Insgesamt waren es fünf, vermutlich das komplette Team.
Ich stieg über sie hinweg, wobei meine Füße auf dem blutigen Untergrund schmatzende Geräusche machten.
Was mich verwunderte war, dass nirgendwo Anzeichen eines richtigen Kampfes zu sehen waren, nicht ein Kratzer in der Wand oder rumliegende Waffen.
Es schien fast so, als hätten sie gar nicht die Möglichkeit gehabt, sich zu verteidigen.
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus, betäubte meinem Körper und ich blieb schwer atmend stehen.
Ich kannte nicht viele, die eine ganze Gruppe Jōnin so ohne weiteres ausschalten könnten und nur einer von denen hätte einen Grund, hier zu sein.
Für mich war es glasklar, dass das Chakra, welches ich die ganze Zeit verfolgte, zu ihm gehörte.
Mein Verstand schrie mich an, umzudrehen und mich mit meinem Team so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen, damit Konoha einen Elitetrupp zusammenstellen und ihn fangen könnte.
Nicht nur mein Verstand, sonder jede Faser meines Körpers sagte mir das, aber mit langsamen Schritten setzte ich meinen Weg fort.
Immer weiter, bis zur nächsten Abzweigung.
Dann rechts herum.
Um eine Ecke.
Dann geradeaus.
Das Chakra schien mich zu erdrücken, als ich auch das nächste Mal rechts weiter ging, etwas vor mir konnte ich eine Ecke erkennen.
Doch kurz bevor ich dort angekommen war, verschwand mein Wegweiser und wie eingefroren blieb ich stehen.
Ich spürte einen leichten Windhauch, durch welchen das Feuer meiner Fackel erlosch und plötzlich war es komplett dunkel.
Hatte er mich bemerkt?
Diese Frage beantwortete sich bloß den Bruchteil einer Sekunde später, als ich ein kaltes und scharfes Stück Metall an meiner Kehle spürte.
"So sieht man sich wieder, Orochimaru."
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