12.

Einer und noch ein halber Tag vergingen und es fühlte sich wie eine kleine Ewigkeit an.
Vor allem, da niemand Zeit hatte, mich im Krankenhaus besuchen zu kommen und mir nachts ein immer wiederkommender Albtraum den Schlaf raubte.
Gerade war ich ein bisschen durch das Zimmer gelaufen und hatte darüber nachgedacht, ob ich heute hier raus gelassen werden würde.
Schließlich war ich wieder komplett ausgeruht und konnte es gar nicht abwarten, wieder auf Missionen zu gehen.
Als ich meine Decke wieder bis knapp unter die Brust zog, klopfte es an der Tür.
"Yuna-san?"
Ein blonder Mann mit himmelblauen Augen trat zögernd herein und blieb mitten im Raum stehen.
"Minato-san. Was gibt es? War die Mission erfolgreich?", hakte ich nach.
"Nun ja... was das betrifft... ich..."
Er verstummte wieder und ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.
"Was ist passiert?"
"Es ist so, Yuna-san... Obito ist... tot."
Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich hielt den Atem an, für einen Augenblick schien die Welt um mich herum still zu stehen.
Warum?
Nur weil ich nicht dabei gewesen war.
Warum?
Tränen bildeten sich in meinen Augen.
Das... konnte einfach nicht sein.
"D-das ist nicht wahr", murmelte ich.
"Es... tut mir so Leid...", setzte er an.
"Nein! Das ist nicht wahr! Obito- er- er kann nicht tot sein! Er ist stark und... und Kakashi und du waren auch da! Das ist doch unmöglich."
Ich starrte ihn wütend an und meine Stimme war nur noch ein leises Flüstern.
"Beruhige dich bitte. Ich weiß, dass es schwer ist, das zu begreifen, aber es ist die Wahrheit."
Ich schnellte aus dem Liegen in eine sitzende Position hoch.
Er sagte, er wüsste etwas davon?
Nein.
Nein, das tat er nicht.
Er hatte nicht einmal halb so viel Ahnung wie ich, also sollte er den Mund halten.
Saki, Izuna, Madara, so viele andere und jetzt auch noch Obito?
Das durfte nicht sein.
Ich hielt das langsam nicht mehr aus, alle in meiner Umgebung starben, während ich immer weiter machen musste.
"Warum...?", schluchze ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, doch es wurden nur immer mehr.
Natürlich tat es ihm auch weh, schließlich hatte er einen Schüler verloren, aber ich kümmerte mich gerade einen Dreck um seine Gefühle.
"Ich hätte es verhindern können. Wenn ich bei ihm gewesen wäre, ich... ich... bin so schwach!"
Frustriert schlug ich auf die weiche Decke vor mir ein, bis sich eine Hand auf meine legte.
"Es war mein Fehler, Yuna. Gib dir nicht dir Schuld daran, du hast nicht falsch gemacht."
Der Ausdruck in seinen Augen war ehrlich, aber seine Worte waren nicht wahr.
Es war mein Versagen, welches daran Schuld war, wenn ich sparsamer mit meinem Chakra gewesen wäre, hätte ich mit auf die Mission kommen und Obito retten können.
"Ich habe dich direkt nach dem Hokage informiert, also muss ich es noch Tomoko-san sagen. Entschuldige mich bitte."
Er verließ mit gesenktem Kopf das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Mit trübem Blick ließ ich mich wieder in die Kissen fallen und starrte an die Decke.
Es war, als würde sich alles wiederholen.
Ich lerne jemanden kennen, fange an, ihn zu mögen und dann verlässt er mich.
Einfach so und ohne, dass ich etwas dagegen tun könnte.
Einfach weg.

Stimmen.
Laut und voller Angst.
Verzweiflung und Panik klangen in meinen Ohren nach und ich presste mir die Hände an den Kopf.
Krampfhaft hielt ich meine Augen geschlossen, denn mir war klar, was ich sehen würde.
Ein riesiges Schlachtfeld.
Tausende von gesichtslosen Leichen, grausam zerstückelt oder nur mit einem präzisen Schlag ermordet.
Auf ihren Kleidungen wären die Wappen jeglicher mir bekannter Clans abgebildet.
Und die Stimmen würden noch immer nicht verstummen.
Nur ich alleine wäre dort, unfähig mich zu bewegen und mir gegenüber ein Schatten.
Er hätte die Gestalt einer Frau mit langen, struppigen Haaren und das einzig farbige wäre ihr roter Mund, blutverschmiert und zu einem breiten Grinsen verzogen.
Sie würde mir Sachen zuflüstern, dass ich hierfür verantwortlich wäre, dass die Stimmen aus Hass auf mich schrieen.
Und so viel mehr.
Und obwohl ich versuchte, nicht hinzuschauen, öffnete ich meine Augen.
Und es war, wie es auch die letzten Nächte gewesen war.
Die Leichen, die Stimmen, der Schatten.
Aber etwas war anders.
Denn meine Muskeln führten alle Befehle aus, ich konnte laufen.
Und dann rannte ich, rannte immer weiter über die Ebene, wich den Toten aus und versuchte, vor dem Schatten zu fliehen.
Doch was ich auch tat, die Gestalt verfolgte mich, schien alle meine Bewegungen nachzuahmen.
"Geh weg! Lass mich in Ruhe!", rief ich verängstigt, als Antwort bekam ich ein raues Lachen.
"Warum? Willst du dich denn immer noch vor der Wahrheit verstecken? Das wird dir nichts mehr bringen. Du hast es schon bemerkt, oder?"
Ich stolperte über eine Leiche und landete unsanft in deren Blut.
Als ich mich wieder aufrappeln wollte, erstarrte ich.
Anders als der Rest hatte dieser Tote ein Gesicht, und dieses war mir mehr als bekannt.
"I...zuna?"
Mit vor Schock aufgerissenen Augen kniete ich im Dreck und starrte meinen Bruder an.
"Ja, genau. Das ist er, dein lieber kleiner Bruder, den du immer beschützen wolltest."
Wieder ein kaltes Lachen.
"Ach, ich vergaß. Du bist Schuld an seinem Tod. Weil du ihn nicht beschützen konntest. So wir alle anderen. Sieh nur, wer hier alles noch liegt."
Sie machte eine ausschweifende Handbewegung und ohne, dass ich es wollte, folgte ich ihr mit dem Kopf.
Saki, Madara, Orochimaru, Yahiko, Obito.
"Was... ist das für ein Ort?", brachte ich schließlich hervor.
Warum lagen ihre Leichen um mich verstreut?
Ich verstand überhaupt nichts mehr.
"Du hast sie getötet. Denk doch mal nach, Idiotin, du bist an jedem ihrer Tode Schuld. Selbst dein Schützling ist tot, obwohl du dich doch so selbstlos vor ihn geschmissen hast. Du hast damals dein Leben weggeworfen, wäre er damals schon gestorben, wäre alles besser gewesen."
Langsam schüttelte ich den Kopf.
"Du lügst. Das ist nicht wahr!"
"Oh doch, das ist es. Und da weißt du."
Tsuki!
Tsuki-nee-san.
Tsuki.
Tsuki-sensei!
Yuna!
Mit einem lauten Schrei fiel ich vornüber.
Ich wollte ihre Stimmen nicht hören, wie sie meine Namen riefen wie früher.
Ich wollte dem Schatten nicht glauben.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
"Jetzt sieh dich nur an. So erbärmlich. Du hast so viele Chancen bekommen und kannst dich trotzdem nicht ändern. Willst du nicht auch wissen, wer als nächstes durch deinen Fehler verschwinden wird?"
Ich riss meinen Kopf hoch und sah mich panisch um.
Was meinte der Schatten damit?
"Vielleicht Genma. Oder Ebisu. Gai? Chōza? Kakashi? Rin? Anko? Minato? Jiraiya? Tsunade? Sarutobi-sensei?"
Als ich mich mit wild klopfendem Herzen umdrehte, lagen dort hinter der Schattenfrau auch diese elf.
Ihre leeren Augen sahen mich direkt an und ich vernahm ihre gequälten Schreie.
"Hör auf! Warum tust du mir das an? Bitte... hör auf...", flehte ich zitternd, doch sie hockte sich nur vor mich.
"Es tut mir Leid."
Zum ersten Mal hörte ich wirklich etwas wie Bedauern in ihrer leisen Stimme.
Ich blinzelte verwirrt und als ich die Augen wieder öffnete, saß ein weinendes Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und gleichfarbigen Augen mit gegenüber.
Sie... war ich.
Mein erstes Ich, die Frau, die Madara seine Schwester nannte und Saki ihre Freundin.
"Aber es ist wahr. Oder würdest du dich selbst anlügen? Du solltest aus dieser Wahrheit lernen, deshalb bin hier."
Ich verstand es noch immer nicht.
Was meinte sie damit, 'daraus lernen', was sollte das bedeuten?
"Weil ich nichts mehr ändern kann, will ich wenigstens, dass du glücklich bist", redete sie unbeirrt weiter.
"Und wie?! Wie soll ich denn glücklich werden, wenn das, was du sagst wahr ist?!", platze es aus mir heraus.
"Halte dich von allen fern! Wenn du niemanden an dich heran lässt, tun dir ihre Tode nicht mehr weh!"
Ein verzweifeltes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und ihre Augen blickten flehend direkt in meine.
Bewegungslos starrte ich zurück, während mein Gehirn ihre Worte zu verstehen schien.
Dann stand ich ruckartig auf und zart zurück.
"Nein."
Sie legte den Kopf schief.
"Was?"
"Ich sagte nein", wiederholte ich. "Ich werde nicht all die Bande aufgeben, die ich über die Jahre geschaffen habe, nur weil du Fehler gemacht hast. Natürlich kann ich sie nicht wieder ungesehen machen, aber ich bin nicht mehr wie damals. Ich bin nicht mehr du."
Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln und sie verbarg das Gesicht hinter ihren Händen.
"Warum? Du weißt doch, wie sehr es schmerzt! Wie kannst du dann nur so positiv nach vorne schauen?! Verdammt!"
Es war ein schrecklicher Anblick, wie mein altes ich dort im Dreck kniete, mit blutverschmierten Beinen und sich die Seele aus dem Leibe weinte, schrie und mich verfluchte.
Wie von alleine bewegte sich mein Körper auf sie zu und ich legte eine Hand auf ihren Kopf.
Sie schaute mich hoffnungsvoll an.
"Wir sind eins, das ist mir bewusst. Ich weiß, wir haben viel erlebt. Aber ich gehe trotzdem weiter. Bitte, ich flehe dich an, schau mir zu. Ich werde unser Leben verändern."
Sie lächelte.
"Du bist so naiv, Yuna. Danke."

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