19.

Für den Bruchteil einer Sekunde breitete sich ein undefinierbarer Ausdruck auf Madaras Gesicht aus, ich war nicht sicher, ob es Überraschung oder Unglaube war.
Dann lachte er auf und die Kälte in seiner Tonlage ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
"Was ist daran so lustig?", fragte ich jedoch und versuchte, möglichst entspannt zu klingen.
"Du bist wirklich erbärmlich."
Mit voller Wucht stieß ich ihn von mir und sprang auf, um ihn anzugreifen, doch vorher donnerte eine riesige Sandwelle auf ihn herab und er sprang zur Seite.
Auch ich wich aus, als das Jutsu des Kazekage ihn weiter verfolgte.
Verdammt, konnte man hier nicht einmal in Ruhe seinen Bruder zurück ins Jenseits befördern?
"Du siehst nicht einmal aus, wie meine Schwester", spottete Madara laut, während sich das blaue Gerippe seines Susano'o um ihn herum bildete.
Bei dem Anblick des Riesen schoss Adrenalin durch meinen Körper und irgendwie schaffte ich es, meine gesamte Kraft aufzuwenden und mein Chakra zu meinen Augen zu leiten.
Das altbekannte Gefühl des Mangekyou übermannte mich, als ich Fingerzeichen bildete und ebenfalls mein Susano'o beschwor.
Es sah lächerlich winzig aus neben seinem, irgendwie mickrig.
"Ich hab dich auch nicht ganz so blass in Erinnerung", erwiderte ich schnippisch, "Aber du solltest doch wissen, dass man nicht nur auf das Äußere achten sollte."
Tatsächlich meinte ich, etwas Zweifel auf seinem Gesicht zu sehen, vielleicht, weil er mein Chakra inzwischen erkannt hatte oder ihm die Gestalt meines Susano'o vertraut war.
Allerdings konnte es auch bloß Einbildung gewesen sein, denn den Bruchteil einer Sekunde später donnerte eine riesige blaue Faust in meine Richtung und brachte das schimmernde Knochengebilde um mich herum gefährlich zum Schwanken.
Ich wusste, dass ich das Susano'o nicht lange aufrecht erhalten können würde, also entschloss ich mich, jede Sekunde der begrenzten Zeit zu nutzen.
Noch bevor das Skelett wieder ins Gleichgewicht kam, steuerte ich es in Madaras Richtung und gleichzeitig mit einem Gegenschlag auf Kopfhöhe donnerten die beiden Körper gegeneinander.
Für einen Moment fühlte es sich an, als hätte ich die Oberhand, doch bloß einen Augenblick später hatte Madara mich nach hinten gestoßen und die Erde kippte unter mir weg.
Einen überraschten Aufschrei zurückhaltend fiel ich, meine unterbrochene Konzentration ließ das Susano'o verschwinden, also raste ich ungebremst auf den Wüstenboden zu.
Hektisch versuchte ich, mich aufzurichten und auf die Landung vorzubereiten, doch das Mangekyou zu verwenden hatte mich noch mehr Kraft gekostet, als erwartet und meine Muskeln gehorchten mir nicht vollkommen.
Doch bevor ich mir beim Aufprall mehrere Knochen brechen konnte, wurde mein Sturz von etwas weichem abgefedert, unter mir sah ich eine dünne Sandschicht, die mich sicher nach unten beförderte.
Als ich mit beiden Beinen auf festem Grund stand, kehrte der Sand zum Kazekage zurück, welcher mich bloß eines kurzen Blickes würdigte, bevor er zusammen mit Naruto einen weiteren Angriff auf Madara startete.
"Tsuki! Was war das denn?" Neben mir tauchte Naruto - oder vermutlich eher einer seiner Doppelgänger auf - und beäugte mich neugierig. "Ich wusste gar nicht, dass du das kannst."
Da war so vieles, das er nicht wusste.
"Es verbraucht Kraft, deswegen benutze ich es eigentlich nie."
"Aber seit wann hast du denn das Mangekyou?"
Im Moment hatte ich wirklich Besseres zu tun, als mir eine Ausrede auszudenken, also seufzte ich bloß.
"Ich erklär's dir später, ja?"
Ohne auf eine Antwort zu warten, kniff ich die Augen zusammen und versuchte, mein Chakra wieder dort zu sammeln.
Es dauerte ein wenig, denn ich war mit meinen Kräften schon ziemlich am Ende.
Ein Bild von Madara als Kind schoss mir durch den Kopf und die Geräusche des heftig tobenden Kampfes dämpften sich leicht.
Er war ein toller Bruder gewesen, hatte sich immer um alle gekümmert.
Dass er so geworden war, war kaum vorstellbar, doch Kriege veränderten Menschen, vor allem, wenn man alleine war.
Vermutlich der einzige Grund, aus dem ich nicht völlig durchgedreht war, waren die Freunde, die ich in jedem meiner Leben an meiner Seite gehabt hatte, sie hatten mir gezeigt, dass es noch so viel mehr gab als den Tod und das Verderben auf dem Schlachtfeld.
Ich wusste nicht, wie genau die Shinobi — vor allem Naruto — versuchten, ihn zu bekämpfen, allerdings brachte es nichts, der Lärm wurde immer lauter, doch Madara war zu stark.
Mit einem Mal gab es eine heftige Erschütterung in dem Chakra, das ich leicht wahrnahm und ich sah auf, suchte ihn.
So etwas hatte ich noch nie gespürt.
"Was ist passiert?", fragte ich den vor Angst zitternden Shinobi neben mir.
Dieser deutete mit blanker Panik im Gesicht auf Madara, der sich inzwischen wieder auf den großen Felsen neben dem zweiten Tsuchikage zurückgezogen hatte.
"Er hat das— das Rinnegan!"
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
Nein.
Nein, das durfte nicht wahr sein.
Gerade, als meine Knie sowohl vor Erschöpfung, als auch vor Verzweiflung nachgeben wollten, legte sich ein Schatten über die Wüste.
Ich hob den Blick und was ich sah verschlug mir den Atem.
Ein Felsbrocken, so gewaltig, dass es ein Meteorit oder etwas Ähnliches sein musste.
Madara hatte einen gottverdammten Meteoriten aus dem Himmel gezogen.
Wie am Anfang dieser aussichtslosen Schlacht konnte ich den Angstschweiß riechen, die Gebete hören und die Flüche.
Das hier würde niemand überleben.
Naja, ein oder zwei vielleicht, die außergewöhnliche Verteidigungstechniken beherrschten oder sehr, sehr schnell rennen konnten.
Aber der Großteil dieser Leute würde in wenigen Sekunden tot sein.
Zumindest dachte ich das für einen Moment.
Doch dann erhob sich Oonoki.
Er flog dem Felsen entgegen, stemmte sich gegen ihn und der Kazekage unterstützte ihn mit seinem Sand.
Als sie mit vereinten Kräften den Meteoriten aufhielten, brachen erleichterte Rufe aus, doch ich war alles andere als zuversichtlich.
Und verdammt, ich hasste es, Recht zu haben, denn nur wenige Augenblicke später brach noch einer aus der Wolkendecke hervor, donnerte gegen den ersten und ließ die Erde unter uns erbeben.
Madara machte keine halben Sachen.
Es geschah so schnell, dass ich gerade noch einige Rippen meines Susano'o um mich herum beschwören konnte, bevor der Aufprall mich von den Füßen riss.
Um mich herum vermischte sich das Krachen des Steines mit den letzten Schreien der Ninja, während ich zusammengekauert betete, dass meine Kraft mich nicht im Stich lassen würde. Nur wenige Meter von mir entfernt wurde eine junge Frau mit Iwagakure Uniform unter einem abgesplitterten Felsbrocken begraben und ich schloss die Augen.
Ich konnte diese Zerstörung nicht mit ansehen.
Dann tu es nicht.
Ich erstarrte.
Ja, warum sollte ich weiter leiden?
Ein verrückter Gedanke schob sich in meinen Kopf; Was, wenn ich meinen Schutz einfach auflösen würde?
Was, wenn ich in Richtung des Meteoriten laufen und mich einfach erschlagen lassen würde?
Dieser Krieg konnte nicht gewonnen werden, ob mit, oder ohne mich, warum also hier bleiben?
Doch etwas hielt mich davon ab.
Nein, nicht etwas, jemand.
Tenten und Lee, Naruto, Fuji, Mari und Genma, Orochimaru und Tsunade und Jiraiya, der noch immer im Koma lag.
Und Madara, den ich endlich zurück ins Jenseits befördern wollte.
Also hielt ich mit aller Kraft mein Susano'o aufrecht, bis sich eine gespenstische Stille in der Wüste ausbreitete.
Gelblicher Rauch vernebelte mir die Sicht, doch langsam suchte ich mir einen Weg zwischen den Trümmern, stolperte über Leichen und krabbelte über große Felsen, bis ich Stimmen hörte.
Es waren der Kazekage und das Mädchen mit dem großen Fächer aus Suna.
Bei ihnen waren außerdem Naruto, Oonoki und zwei andere, die ich nicht kannte.
Doch vor allem spürte ich noch immer Madara, also umging ich die Gruppe und folgte seinem Chakra.
Er war nicht weit weg, auf den Trümmern eines großen Felsbrocken, direkt neben dem zweiten Tsuchikage.
Seine völlig gleichgültigen Augen lagen auf mir, während ich über die zerbrochenen Felsen kletterte und mich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm aufbaute.
"Du lebst noch", sagte er kühl und ich schnaubte.
"Tatsächlich? Tja, du nicht."
Er schien das nicht sonderlich lustig zu finden, denn er zog bloß ein Schwert aus der Hand eines Ninja, der leblos am Boden lag und deutete mit der Spitze direkt auf mich.
"Gib mir einen Grund, aus dem ich dich nicht sofort töten sollte."
"Nenn mich sentimental, aber ich würde meine Schwester erstmal fragen, wie es ihr geht", sagte ich, "Warum sie nicht tot ist oder—"
Ohne, dass meine Augen seiner Bewegung folgen konnten, überquerte er die Distanz zwischen uns und packte mich am Hals.
"Du bist nicht Tsuki."
Obwohl mir das Atmen schwerfiel, reckte ich mein Kinn in die Höhe.
"Sieh mir in die Augen und sag das nochmal."
Tatsächlich sah er mich direkt an, öffnete den Mund und schwieg.
Das hatte ich mir gedacht.
"Madara—"
Die Stimme, mit der der zweite Tsuchikage sprach, klang deutlich zu jung für ihn, doch Madara hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen.
"Das ist meine Angelegenheit, halt dich da raus."
Zeit, um mir über die Beziehung der beiden Gedanken zu machen, hatte ich nicht, denn Madara ließ mich los, seine Augen durchbohrten mich.
"Ich habe gesehen, wie du gestorben bist."
"Das Leben ist nicht fair", sagte ich bloß, "Und auch nicht logisch. Ich habe drei Leben gelebt, seit Hashirama mich aufgespießt hat."
Er streckte die Hand aus.
"Kämpf auf meiner Seite."
Es überraschte mich, aber irgendwie hätte ich es kommen sehen sollen.
Ich schüttelte den Kopf.
"Du bist verrückt."
"Ich mache, was nötig ist."
Ich spuckte ihm vor die Füße.
"Ich weiß nicht, was mit dir passiert ist, aber das hier ist Wahnsinn. Was hast du überhaupt vor?"
Er zog eine Augenbraue in die Höhe.
"Du vertraust mir nicht?"
"Natürlich nicht!", schnaubte ich, "Sieh dir nur an, was du getan hast!"
"Sag bloß, du hast Mitleid mit diesen—" Er warf einen beinahe angewiderten Blick über die verstreuten Leichen, "diesen Maden?"
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
"Das sind Menschen, über die du redest. Menschen mit Familien und Freunden und—"
"Seit wann bist du so verweichlicht?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich bin nicht verweichlicht, ich bin erwachsen geworden."
"Jemand so Schwaches wie du hat es nicht verdient, den Namen meiner Schwester zu tragen", knurrte er.
Ich öffnete den Mund, um mich zu verteidigen, doch bevor ich das konnte, hob er seine Hand und ich spürte einen dumpfen Schlag.
Durch einen Schleier bekam ich noch mit, wie ich auf den Steinen aufschlug, Schmerz durchzuckte meinen Kopf, bevor alles schwarz wurde.

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