12.

Die ganze Zeit über starrte ich auf die Uhr, deren Zeiger sich quälend langsam über das Zifferblatt bewegten.
Tsunade behandelte Jiraiya inzwischen schon seit mehreren Stunden und draußen war es dunkel geworden, aber ich dachte gar nicht daran, nach Hause zu gehen.
Mit einem Mal schwang die Krankenhaustür auf und ein aufgeregter Naruto stürmte herein.
"Wo ist er?", wollte er von einer Krankenschwester wissen, welche ihn überfordert anstarrte.
"Jiraiya wird noch operiert", verkündete ich und Naruto fuhr zu mir herum.
"Was ist passiert?"
Kurz zögerte ich, schließlich konnte es gut sein, dass Jiraiyas Auftrag geheim gewesen war.
"Er ist auf einer Mission verletzt worden, mehr weiß ich auch nicht."
Ich zuckte mit den Schultern und deutete auf die Stühle im Wartebereich, die fast alle unbesetzt waren.
"Im Moment kann keiner von uns etwas tun, also sollten wir versuchen, geduldig zu sein, bis Tsunade fertig ist", schlug ich vor und sah, dass er mit sich kämpfte, schließlich aber nickte.
"Ich glaube, du hast Recht", murmelte er, "ich kann nichts für ihn tun."
Wir ließen uns auf den Plätzen nieder und ich musterte Naruto von der Seite.
Ich hätte ihn gerne gefragt, wie sein Versuch, Sasuke zurückzuholen gelaufen war, allerdings zweifelte ich daran, dass er es geschafft hatte.
Und darüber zu sprechen, würde ihn nur noch mehr deprimieren, also sagte ich nichts.
"Wie lange bist du schon hier?", brach er nach einer Weile die Stille und kurz überlegte ich.
"Ungefähr vier Stunden, wenn ich mich nicht irre."
"Wie kommt es, dass du dich so sehr um ihn sorgst?"
In seiner Stimme klang Neugier, aber vor allem versuchte er vermutlich, nicht daran zu denken, dass sein Meister sterben könnte.
"Ich habe früher viel mit Jiraiya zusammengearbeitet", antwortete ich zögernd, "und auch mit Tsunade. Wir haben viel zusammen erlebt, also stehen wir uns sehr nahe."
Naruto hatte gerade den Mund aufgemacht, sprang jedoch mit einem Mal auf.
"Wie sieht es aus?", wollte er sofort wissen und ich richtete meine Aufmerksamkeit auch auf Tsunade, die auf uns zukam.
"Für's erste ist er außer Gefahr, aber noch hat er es nicht ganz überstanden. Ich kann nicht sicher sagen, wann er wieder bei Bewusstsein sein wird und außerdem wurde seine Kehle teilweise zerstört, weshalb er auch eine längere Zeit nicht mehr in der Lage sein wird, zu sprechen", verkündete sie und erleichtert atmete ich auf.
Er war nicht tot, das war die Hauptsache.
"Du hast hervorragende Arbeit geleistet", lächelte ich und legte Tsunade eine Hand auf die Schulter, "du solltest dich etwas ausruhen."
Sie nickte langsam, wandte sich dann aber zu Naruto.
"Du kannst ruhig zu ihm gehen, aber er wird vermutlich erst in ein paar Tagen wieder aufwachen."
"Vielen Dank", erwiderte er und lief an ihr vorbei in den Raum, aus dem sie gekommen war.
Wortlos verließen wir beide das Krankenhaus, doch nach einer Weile blieb sie stehen.
"Ich glaube nicht, dass ich nach Hause gehen will", murmelte sie, deutete auf das leuchtende Schild ein paar Häuser weiter und ich seufzte.
"Gerne, wir können wahrscheinlich beide ein bisschen Alkohol gebrauchen."

"Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen, warum bin ich nur so dämlich?", beschwerte  sie sich bereits völlig betrunken.
"Er hätte es trotzdem gemacht", erwiderte ich und leerte mein Glas in einem Zug.
"Aber ich hätte ihm wenigstens Verstärkung geben können", jammerte sie weiter und wir schenkten uns gleichzeitig nach, während eine Bedienung noch zwei Flaschen auf den Tisch stellte.
Da ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr so viel Sake getrunken hatte, wurde mir bereits schwummrig.
"Weißt du Tsunade, ich hab langsam echt keinen Bock mehr auf dieses beschissene Leben", seufzte ich und verständnisvoll nickte sie.
"Die jungen Leute können sich glücklich schätzen, ohne Krieg aufgewachsen zu sein", erwiderte sie, auch wenn ich ein bisschen Konzentration brauchte, um sie zu verstehen.
"Und jetzt stell dir vor!", rief ich und hob einen Finger, "ich musste das schon drei Mal machen!"
Einige der anderen Gäste warfen uns irritierte Blicke zu, aber das nahm ich kaum wahr.
"Hokage zu sein ist beschissen", murmelte sie und kippte ein weiteres Glas herunter.
"Mein Bruder war ein riesiges Arschloch", murrte ich, "aber wir haben immer zueinander gehalten."
Sie ließ ihren Kopf auf die Tischplatte fallen und murmelte irgendetwas von Dan und Jiraiya, aber das bekam ich kaum mit.
"Glaubst du, der alte Rikudō hat mich verflucht?", fragte ich argwöhnisch, "und damit mein ich nicht diesen Mist von wegen Wiedergeburt, sondern dass alle, die mir wichtig sind sterben!"
Sie gab ein zustimmenden Laut von sich.
"Nimm dich besser in Acht, sonst erwischt's dich auch", warnte ich sie und lehnte mich in meinem Stuhl nach hinten.
"Ich glaub langsam, dass diese sinnlosen Kriege nie enden. Früher hatte ich Spaß am Kämpfen aber auf Dauer ist das doch scheiße", beschwerte ich mich und realisierte nicht, dass Tsunade bereits schnarchend die Augen geschlossen hatte.
"Tsunade-sama!", ertönte plötzlich eine laute Stimme und alle Blicke wanderten zum Eingang, wo Shizune aufgebracht die Bar betrat.
"Tsunade-sama, du musst dich ausruhen!", befahl sie und blieb wütend vor unserem Tisch stehen.
"Shizune", jammerte ich, "niemand hört mir zu, wenn ich darüber rede, wie sinnlos mein Leben ist!"
Genervt stöhnte sie auf und hievte die noch immer schlafende Tsunade hoch.
"Tsuki, hilf mir. Wir bringen sie nach Hause", ordnete sie an und stöhnend erhob ich mich und torkelte hinter ihr her.
Nachdem ich den beiden durch das halbe Dorf nachgelaufen war und Tsunade schließlich in ihrer Wohnung war, begleitete Shizune auch mich nach Hause.
"Ich will aber nicht schlafen", protestierte ich, als sie mich durch die Tür schieben wollte.
"Hör mal, wenn du da nicht sofort rein gehst, wirst du das bereuen", drohte sie und ich schluchzte leise auf.
"Kein Grund, so gemein zu sein!"
Sie seufzte.
"Tut mir Leid. Aber weder Tsunade noch du solltet euren Kummer wegen Jiraiya einfach mit Alkohol ertränken! Er ist noch nicht tot und für seine Behandlung muss Tsunade in guter Verfassung sein. Außerdem bist du noch nicht einmal volljährig und dürftest keinen Alkohol trinken!"
Überrumpelt starrte ich sie an, bevor ich den Kopf hängen ließ und schließlich in die Wohnung schlurfte, wo ich sofort auf die Couch fiel und einschlief.

Von einem lauten Klopfen wurde ich brutal aus meinen Träumen gerissen und schnellte hoch, was ich jedoch sofort bereute.
Denn ein unglaublicher Schmerz machte sich in meinem Kopf breit und fluchend hielt ich mir die Stirn.
"Tsuki! Mach auf!", drang eine Stimme von der Tür und mit einem leichten Klingeln in den Ohren öffnete ich dem Besucher.
"Was ist?", wollte ich leidend wissen und die Frau musterte mich von Kopf bis Fuß.
"Was ist denn mit dir passiert?", wollte sie wissen, machte jedoch eine wegwerfende Handbewegung und fuhr fort.
"Hör zu, du wurdest für eine Mission unter meiner Leitung eingeteilt und ich erwarte dich in zwanzig Minuten am Westtor, kapiert?"
Ehe ich antworten konnte, hatte sie die Tür zugeknallt, was eine weitere stechende Welle des Schmerzes durch meinen Kopf zucken ließ.
"Verdammte Scheiße", murrte ich und wankte ins Bad, um mir eine handvoll kaltes Wasser ins Gesucht zu klatschen.
Als ich aufblickte ähnelte mein Spiegelbild mehr einer Leiche und außerhalb eines Kampfes hatte ich mich selten so nah am Tod gefühlt.
Um genau zu sein, war das letzte Mal, als ich einen solchen Kater hatte...
"Ach verdammt, jetzt muss ich schon wieder an ihn denken", grummelte ich und drehte das Wasser in der Dusche auf.
Während ich mich schnell wusch und wieder anzog, wanderten meine Gedanken zu dem Abend zurück, als ich mich in Amegakure mit Orochimaru besoffen, ihm meine Liebe gestanden hatte und mit ihm zusammen gekommen war.
"Irgendwie such ich mir immer die dämlichsten Augenblick für sowas aus", murmelte ich ärgerlich vor mich hin, als sowohl mein Gehirn als auch meine Brust sich zusammenzuschnüren schienen.
Anschließend schulterte ich meinen Rucksack, legte die Waffentaschen um und verließ überraschenderweise rechtzeitig das Haus.
Als ich nur wenige Minuten später am Treffpunkt ankam, zog die Frau anerkennend die Augenbrauen hoch.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du pünktlich bist. Du bist sogar die erste aus dem Team."
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und fassungslos starrte ich sie an.
"Was ist denn jetzt dein Problem?", wollte sie verdutzt wissen, doch schnell winkte ich ab und gleichgültig zuckte sie mit den Schultern.
Nervös schluckte ich, als ich mich mit dem Rücken zu ihr drehte.
Ohne Zweifel.
Sie war Anko.
Wahrscheinlich hatte ich sie vorher nicht erkannt, weil jede meiner Gehirnzellen damit beschäftigt war, mich auf den Beinen zu halten, aber ich war mir sicher.
"Können wir dann los?", wollte eine bekannte Stimme hinter mir wissen und freudig drehte ich mich um.
"Yamato, schön, dich wiederzusehen."
Er nickte lächelnd und wand sich wieder an Anko, wobei ich bemerkte, dass Sai hinter Yamato stand.
"Ja, wir sind vollständig", erwiderte sie und wir setzten uns in Bewegung.
"Unser Auftrag ist es, Kabuto Yakushi zu finden und nach Konoha zu bringen. Nach Orochimarus Tod stellt er eine große Bedrohung dar", erklärte sie knapp, "es gibt Grund zur Annahme, dass er in der Nähe von Kusagakure ist."
Stumm setzten wir unseren Weg fort, während ich die ganze Zeit über das Gefühl hatte, dass Sai mich beobachtete.
Aber ich interessierte mich mehr für Anko als für ihn, da ihr Chakra sich merkwürdig verändert hatte, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte.
Zwar war es normal, dass es sich stetig weiter entwickelte, aber ein Teil davon erinnerte mich seltsamerweise an Orochimaru.
Und das konnte wohl kaum etwas gutes bedeuten.
Wir redeten kaum miteinander, nur ab und zu wechselten Yamato und Anko ein paar Worte, wenn es um den weiteren Verlauf der Mission ging, aber ich hielt mich zurück.
"So, hier werden wir über Nacht bleiben", beschloss Anko nach einer Weile, als die Sonne bereits am Untergehen war und schnell errichteten wir ein kleines Lager.
Ich übernahm mit Sai die erste Wache, während die anderen beiden sich hinlegten.
"Du magst mich nicht besonders, oder?", wollte Sai wissen und überraschte drehte ich mich zu ihm.
"Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, hast du Konoha hintergangen", bemerkte ich trocken, doch das änderte nichts an seinem schmalen Lächeln.
"Auch Naruto und Sakura haben mich akzeptiert, warum kannst du mir nicht vertrauen?"
"Hör Mal, das ist nichts persönliches", erwiderte ich, "aber ich habe keine Lust, mit jedem hier Freundschaft zu schließen. Ich erledige meine Aufgabe und mehr nicht."
"Interessant", murmelte er, "und warum? Was hast du gegen Kameraden?"
Ich schnaubte.
"Das geht dich überhaupt nichts an."
"Also willst du nicht, dass wir Kameraden werden?", schlussfolgerte er und wortlos nickte ich.
Mein Blick wanderte in den Himmel, wo der halbe Mond sich zwischen ein paar Wolken hervor kämpfte.
Den Rest der Wache versuchte Sai nicht noch einmal, sich mit mir zu unterhalten und schließlich weckten wir die anderen, woraufhin ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

"Hier ist es", verkündete Anko und deutete auf ein verlassenen Gebäude vor uns, dann wandte sie sich an Sai, "kannst du ihn mit deinen Tieren finden?"
Er bereitete sein Jutsu vor und schickte lauter Mäuse in das Haus, woraufhin wir in angespanntes Schweigen verfielen.
"Hast du Kabuto aufgespürt?", wollte ich nach einer Weile wissen, als er ruckartig die Augen öffnete und er nickte, woraufhin Anko sofort Befehle erteilte.
"In Ordnung. Sai, du gehst mit Yamato, Tsuki kommt mit mir. Wir-"
Mit einem Mal sprang Yamato auf und starrte irritiert auf seine Handfläche.
"Was ist los?", wollte Anko leicht genervt wissen und wir erhoben uns ebenfalls.
"Naruto scheint die Versiegelung gebrochen zu haben", verkündete Yamato blass und meine Augen weiteten sich.
"Bedeutet das, der Kyuubi wurde befreit?", fragte ich entgeistert, doch er schüttelte den Kopf.
"Noch nicht ganz, aber es sind schon sechs Schwänze! Das ist ein Notfall!", rief er und bevor jemand etwas sagen konnte, war er bereits losgelaufen und verschwand zwischen den Bäumen.
Verunsichert schaute ich Anko an, die sich auch nicht sicher zu sein schien, was sie tun sollte.
Einerseits waren wir zum ersten Mal so dicht an Kabuto dran, aber der Kyuubi war eine deutlich größere Bedrohung.
Wortlos rannte ich Yamato hinterher, ohne auf die aufgebrachten Rufe von Anko zu reagieren.
"Dieses Monster wird Konoha auch nie in Ruhe lassen, oder?", murrte ich und versuchte, nicht daran zu denken, was das letzte Mal passiert war, als ich dem Ding gegenüberstand.
Ich musste mich beeilen.

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