Grüne Augen & Sommersprossen ||

Als ich Johanna endlich eingeholt habe, guckt sie mich nur verwirrt an, weil ich vor lachen immer noch nicht richtig atmen kann. „Was ist denn mit dir los?" Ich brauche noch ein paar Sekunden, bis ich ihr antworten kann. Als ich mich beruhigt habe, kann ich ihr endlich berichten, was passiert ist. „Warum guckst du so komisch?" frage ich Johanna. Sie schaut mich so schief an, wie wenn mehrere Leute in einer witzigen Situation sind, du aber als einziger nicht weißt, was los ist. „Liam also? Soso." Sie hört einfach nicht auf zu grinsen. Plötzlich wird mir alles klar. „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ausgerechnet ICH was von ihm will." Ihre Vermutung klingt für mich so dämlich, dass ich mir gegen die Stirn schlage. „Ach komm schon! Du bist hübsch, witzig, intelligent und hast absolut kein Interesse an einer Beziehung? Die Jungs würden dir doch zu Füßen liegen. Ich glaube du hast keine Ahnung, was du verpasst. Wenn man jeden Abend allein verbringt wird man einsam." Ich rolle mit den Augen und gehe an ihr vorbei. „Das ist mal wieder eine maßlose Übertreibung. Erstens: Ich bin überhaupt nicht immer alleine! Donnerstags habe ich Training und meistens bin ich mit dir zusammen. Und wenn du deine süßen Pärchenabende mit Lukas machst, sitze ich in meinem Bett, mit einer großen Pizza und gucke die Serien die ICH will. Wenn ich dauernd mit jemandem über die Auswahl diskutieren müsste, so wir ihr zwei, dann würde ich persönlich wahnsinnig werden." Sie versucht mich noch weiter zu überzeugen, aber ich habe ja nicht mal die Möglichkeit, ihn zu kontaktieren. Das Einzige, was ich über ihn weiß, ist dass er Liam heißt, dass er dunkle, mittellange Haare hat, grüne Augen, Sommersprossen auf der Nase und auf den Wangen und dass er ein bisschen größer als ich ist. Und, dass er kleine Grübchen hat, wenn er lächelt. „Selbst wenn ich ihn kontaktieren wollte, wüsste ich ja gar nicht wie." Darauf hat selbst Johanna keine Antwort. Sie weiß, dass ich Recht habe. Endlich sind wir am Eingang angekommen. Ich bin einfach froh, dass Johanna wieder ein anderes Thema hat, als mein nicht existentes Liebesleben. „Also. Wie genau kommen wir da jetzt runter? Oder hast du das in deinem genialen Plan nicht bedacht, dass der einsturzgefährdete Teil der Katakomben nicht frei zugänglich sein wird?" Ich muss lachen, als mir bewusst wird, dass Johanna wirklich nicht darüber nachgedacht hat. Sie ist sichtlich enttäuscht darüber, dass der Eingang mit einem Gittertor und Vorhängeschloss gesichert ist. „Ach komm schon. Wir können heute auch was anderes machen. Du darfst dir irgendwas aussuchen!" Sie tut mir wirklich Leid, denn ich weiß wie sehr sie sich gefreut hätte, da runter zu gehen. Als ich sehe, wie sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht breit macht, freue ich mich zuerst, dass ich sie aufheitern konnte, doch im nächsten Moment wird mir bewusst, was ihr vorschwebt. Ich lasse mich ins Gras fallen. „Ernsthaft? Du kannst dir nichts besseres überlegen, als mich mit Jungs zu nerven?" Sie lässt sich neben mir zu Boden und nimmt übermotiviert meine Hände. „Nerven? Ich will dir nur alle Türen offen halten. Wenn du jetzt nicht gehst, hast du wahrscheinlich nie wieder die Möglichkeit, dich mit ihm zu unterhalten." Ich stöhne. „Ich kann mein Angebot nicht mehr zurückziehen oder?" Als Antwort kriege ich nur ihre Hand, die sie mir entgegen streckt, als Aufforderung aufzustehen und ein energisches Kopfschütteln. Als wir uns auf den Weg zurück zur Küche machen, scheint der ganze Enthusiasmus, den Johanna vorher noch für die Katakomben verspürte, in Motivation, mich unbedingt mit diesem Liam zusammen zu bringen, umgeschlagen zu sein. Nicht, dass das ungewöhnlich war für sie. Einmal hatte sie mir ganz stolz von ihrem neuen Nähprojekt erzählt. Den ganzen Tag in der Schule und zu Hause hat sie davon gepredigt, dass sie nie wieder Klamotten kaufen müsse und jetzt verstaubt ihre Nähmaschine irgendwo auf den Dachboden der Kestners. Sie ist eben eine liebenswürdige Chaotin. Als wir die bekannte Treppe erreichen, die durch das Gemüsebeet runter zur Sommerküche führt, wird mir schlagartig bewusst, was wir gerade vor haben und ich werde ein bisschen nervös. Zu Johannas Enttäuschung sind die Jungen nicht mehr da. Ein wenig Erleichterung macht sich in mir breit. Ich zucke mit den Schultern „Tja. Alle weg. Wie auch immer wollen wir nicht vielleicht zu mir gehen und was machen?" Johanna ist aber immer noch in Gedanken. Sie würde offensichtlich nicht so einfach aufgeben. Gerade als ich das Gefühl bekomme, sie würde sich vielleicht endlich zum Gehen bewegen lassen, hören wir entferntes Rufen. Sie grinst und zieht mich am Arm hinter die Ecke. Nach ein paar Sekunden kommen die Jungen wieder und kümmern sich offensichtlich wieder ums Essen. Als einer der Letzten betritt Liam mein Blickfeld. Er schaut auf den Boden und scheint in Gedanken versunken zu sein. Ein anderer Junge stupst ihn an und sagt irgendwas, was ich nicht verstehen kann. Danach lacht er und auch Liam lächelt, schaut aber weiter auf den Boden. Ich muss ihn wohl angestarrt haben, weil Johanna mich leise auslacht. „Du bist verknallt" flüstert sie. Ich spüre, wie ich rot werde. Er ist hübsch. Mehr nicht. Johanna murmelt irgendetwas unverständliches und bevor ich mich versehe, zieht sie mich mit und wir schlendern schnurstracks auf Liam und seine Freunde zu. Einer von ihnen entdeckt uns, stößt Liam an, der daraufhin aufschaut und jetzt höre ich es deutlich, dass sein Freund ihm zuflüstert „Wenn man vom Teufel spricht."
Viele der Jungs gehen weiter, während zwei von ihnen bei Liam bleiben. Wir stehen jetzt vor einander und ich weiß nicht warum, aber als sich unsere Blicke treffen, muss ich lächeln und ich schaue schnell auf den Boden. Einen kurzen Moment herrscht unangenehme Stille zwischen uns. Johanna ergreift das Wort und fragt die Jungs wie sie heißen. Der kleine, mit dem Liam vorhin einen Schwertkampf ausgetragen hat, heißt Fabian und hat kurze blonde Haare. Der andere, von dem ich nicht sagen kann, ob er gleich groß oder ein bisschen größer is als Liam, heißt Phillip. „Ich bin Johanna, das ist Elis und du brauchst dich nicht vorstellen, ich weiß, dass du Liam bist." Ich laufe rot an und werfe ihr einen Blick zu, der so was sagen soll wie Wow das musste jetzt wirklich sein oder? Ich glaube, sie liebt es, mich bloßzustellen. Liam lacht verlegen. Philipp fragt Johanna, ob Fabian und er ihr zeigen sollen, was sie kochen. Aus Reflex schüttle ich leicht den Kopf. Es ist so offensichtlich was sie versuchen. Natürlich sagt Johanna ja und im vorbeigehen lächelt sie mir noch einmal zu, dann sind Liam und ich allein. „Sorry dafür. Sie versucht mich schon ewig mit jemandem zu verkuppeln." entschuldige ich mich. Liam reibt sich den Kiefer. „Tja du hast wohl Eindruck hinterlassen. Die anderen ziehen mich schon die ganze Zeit damit auf, dass ich nicht ganz bei der Sache sei und wohl mit dem Kopf immer noch bei dem Mädchen von vorhin was vielleicht nicht ganz falsch ist." Er lacht verlegen und ich merke wie ich rot werde. Ich muss lächeln und schaue aus Verlegenheit auf den Boden. „Naja, ich wusste einfach nicht, ob ich dich nochmal wieder sehe. Ich kenne ja nur deinen Namen."
„Eigentlich kennst du nicht mal den." Verwirrt schaut er mich an. „Elis ist mein Spitzname." Ich heiße eigentlich Elisabeth. Ich mag den Namen, aber ich habe Erfahrungen damit gemacht, dass sich Leute darüber lustig machen, dass ich so einen altmodischen Namen habe. Johanna fand, dass der englische Name Alice erstens zu mir passe und zweitens Elis nur anders ausgesprochen wäre. Seitdem nennt sie mich so und mir gefällt der Spitzname.
„Jedenfalls habe ich mir die ganze Zeit überlegt, wie ich dich kontaktieren könnte." Er wirkt ein bisschen frustriert bei der Antwort. „Lass mich raten, dir ist nichts eingefallen." Er schüttelt den Kopf. „Naja ich könnte dir ja helfen." Ich ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und entsperre es. Er macht das gleiche und ich nehme daraufhin sein Handy in die Hand und tippe meine Handynummer in das Feld für neue Kontakte, während er erwartungsvoll auf das Display schaut. Als ich bei meinem Namen angekommen bin, wird mir plötzlich heiß. Was soll ich eingeben? Elisabeth? Elis? Elis mit einem Emoji? Und wenn ja, welchem? Ich tippe schließlich nur Elis und gebe ihm sein Handy zurück. „So, jetzt kannst du mir ganz ohne Kopfzerbrechen schreiben."  Johanna muss uns beobachtet haben, denn sobald Liam sein Handy wieder in die Hosentasche gesteckt hat, steht sie wieder neben mir. „So wir müssen dann auch los." sagt sie und zieht mich ohne Vorwarnung mit sich mit. Liam schaut uns hinterher und ruft „Ich schreib dir!" Ich schaue nur mit einem Lächeln zurück, bevor Johanna mich um die nächste Ecke zieht.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top