Kapitel 9
Kapitel 9
Ein Wachposten kam auf mich zu. „Ich werde dir zeigen, wo dein Schlafgemach ist. Mona, die Edle." Verwirrt sah ich ihn an. „So heißt du, oder nicht? Dein Name ist Mona und er bedeutet: die Edle." Bestimmt machte er einen Schritt vorwärts und flog los. Ich sprang in die Luft und atmete erleichtert auf, als ich sah, dass ich flog und nicht auf den Boden knallte. Der Feenmann flog zu einer dunkelvioletten Blüte in einem Baum und öffnete sie mit einer Handbewegung.
Er nickte mir zu und flog weg. Jetzt hatte ich Zeit, mir die Blüte von Innen anzusehen. Wie erwartet waren die gewölbten Wände violett. Ich setzte einen Fuß in den Raum und die Blüte schloss sich wieder. Links neben mir stand eine Art Bett. Es war aus Holz geschnitzt und ein großes Blatt diente als Decke. Daneben befand sich ein kleines Tischchen, auf dem ein Glas mit einem Glühwürmchen stand. Es erhellte den ganzen Raum mit gelblichem Licht. Weiter hinten war ein hölzerner Tisch, auf dem mundgerechten Früchte in einer Blattschale standen. Die dazugehörigen Stühle waren mit geschwungenen Linien bemalt. An der Blütenwand hing ein großer Spiegel, der aus dem gleichen dunklen Holz gemacht war, wie alles Andere hier. Der Schrank daneben war gewaltig groß, dafür, dass ich bis jetzt nur ein Kleid besaß. Das musste unbedingt geändert werden! Ich riss den Schrank auf. In seinem Innern waren mehrere leere Kleiderbügel und viele leere Fächer. Nur ein Kleidungsstück konnte ich finden. Einen Schlafanzug. Die Hose war quietsch-rosa und hatte kleine Schmetterlinge aufgedruckt. Das passende Oberteil war ebenfalls rosa und hatte einen großen hellblauen Schmetterling als Abbild. Seufzend zog ich ihn an. Ich musste Felicity fragen, wo man hier shoppen gehen konnte! In einer kleinen Kommode lag eine Haarbürste und weitere Pflegeartikel. Die Blüte hatte sogar ein kleines Fenster mit lilafarbenen Gardienen. Alles wirkte sehr niedlich und gemütlich. Ich legte mich in das Bett. Es war unheimlich bequem. Mit einem Seufzen, löschte das Glühwürmchen sein Licht und ich schlief ein.
Durch ein dumpfes Klopfen wachte ich auf. Im Halbschlaf murmelte ich etwas von wegen: „Mama, ich habe doch schulfrei." Aber das Klopfen hörte nicht auf. Schläfrig machte ich die Augen auf und blickte auf die lila Wand. Ich war ja gar nicht zu Hause! Ich war in Ralantia, dem Feenreich! Ich sprang auf. Unbewusst flog ich zur Wand der Blüte. Sie öffnete sich und vor meine Füße fiel Felicity. „Wuahh!" Sie stellte sich schnell wieder auf und klopfte sich den Blütenstaub von ihrem hübschen Kleidchen ab. Ihre Locken kräuselten sich, als sie mich anlächelte: „Komm, wir müssen los!" Sie wollte losfliegen, doch ich hielt sie zurück. Schließlich hatte ich ja noch den peinlichen Schlafanzug an! Verwundert sah sie mich an. Zähne knirschend deutete ich an mir herab. Mit einem Kichern flog sie ins Innere der Blüte. „So kannst du natürlich nicht gehen!" Die Blüte schloss sich hinter ihr. „Was du nicht sagst!" „Hey, sei nicht so zickig!" Sie zwinkerte mir zu. „Also", sie öffnete meinen Kleiderschrank, „du hast ja gar keine Klamotten!" Sie sah mich verwundert an. „Ja, das habe ich auch schon festgestellt. Kann ich nicht einfach das Kleid von gestern..." „Nein! Auf keinen Fall! Du kannst Silvana doch nicht im gleichen Kleid wie gestern begrüßen." Kopfschüttelnd stellte sie eine kleine Tasche ab. „Wollen wir doch mal sehen." Sie öffnete sie und steckte ihre Hand hinein. Als sie sie wieder rauszog, hielt sie ein wunderschön blaues Kleid in den Händen. „Wie ist das möglich?" Ich trat zu ihr und nahm das glitzernde Kleid in die Hände. „Zauberei." Antwortete sie ganz gleichgültig. Als sie meinen ungläubigen Blick sah fügte sie hinzu: „Jedes Feenwesen kann Zaubern. Die Einen mehr, die Anderen weniger!" Sie schloss die Tasche und ging zur Kommode, während ich den grässlichen Schlafanzug auszog. Das Kleid passte wie angegossen. Es war marineblau und funkelte von oben bis unten. An der Taille lag es eng und wurde bis zu den Knien immer weiter. Dort endete es in schwarzer Spitze. Meine Flügel schienen einfach durch den Stoff des Kleides durchzuwachsen, ohne es zu beschädigen. Ich setzte mich an die Kommode, auf der ein kleinerer Spiegel zum Schminken stand. Ich versuchte es auch mit der Zauberei und wünschte mir mein komplettes Schminkrepertoire von Zuhause in die oberste Schublade der Kommode. Und als ich sie aufzog, lagen hübsch geordnet meine Lidschattenpalletten neben der Mascara und in einer Schachtel der Concealer, den ich jeden Tag benutzte. In einer Art Becher, standen all meine weichen Pinsel. „Krass!", sagte ich wiedermal sehr intelligent als ich meine Mascara aufdrehte und mir damit meine Wimpern tuschte. Felicity nahm sich die Haarbürste und begann, meine Haare zu endzausen. „Es ist außergewöhnlich, das ein Zauberspruch zwischen den Welten beim ersten Versuch gelingt." Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern, doch in Wirklichkeit freute ich mich wie ein kleines Kind. Felicity flocht meine Haare zu einem dichten Bauernzopf, der einfach wunderschön elegant war. Ab diesem Moment wurde sie eine Art große Schwester, die ich nie gehabt hatte. „Felicity, wie alt bist du eigentlich?" „Hundertfünf." Sagte sie ganz gelassen. „Hundertfünf?!" Ich glaubte es nicht. „Wie alt werden Feen denn im Durchschnitt?" „Durchschnittlich ungefähr Sechshundert Jahre. Die Feen königlichen Blutes können tausende Jahre alt werden." Sie flog zu ihrer Tasche und hing sie sich über die Schulter. „Und nun komm! Es wartet ein spannender Arbeitstag auf uns." Die Blüte öffnete sich und ich flog Felicity nach, zu einem dichten Baum, der ein kleines Schildchen am Stamm trug: Felicitys Kleiderstübchen.
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