Kapitel 8


Kapitel 8

Silvana war über und über in weiße Seide gekleidet. Ihre Schuhe konnte ich nicht sehen, da ihre mächtige Toga bis zum Boden reichte. Sie trug eine lange Kette, die an dünnen Fäden, einen unbeschreiblich schönen Stein hielt. Er war weiß und erinnerte mich an eine Marmortafel, doch gleichzeitig, schimmerte er silbern und zog neugierige Augenpaare der Feen und Feenmänner auf sich. Ihr Gesicht wirkte ebenso spitz und puppenhaft, wie das jeder Fee. Dennoch war sie wunderschön. Ihre Augen waren dunkelviolett, was sie sehr mysteriös wirken ließ. Ihr bodenlanges Haar war weiß, mit einem dezenten lavendellila Stich. Auf ihrem Kopf befand sich eine aus silbernem Stahl gefertigte Krone, die in kreisartigen Mustern den gleichen Stein einschloss, den sie schon als Kette trug. Die Feen waren niedergekniet und senkten respektvoll den Kopf, als Silvana ihre Aufmerksamkeit mir schenkte: „Wie ich sehe, ist unsere Retterin bereits angekommen. Ich heiße dich willkommen, in dem Reich, welches nur die Wissenden sehen. Willkommen in Relantia, Mona!" Sie breitete die Arme aus und schloss mit einer Bewegung alles um sie herum ein. „Ich fühle mich geehrt, Silvana, Königin der Feen. Doch wundert es mich, dass ihr meinen Namen kennt." Sie schmunzelte. „Manche Dinge kommen schnell ans Licht, Andere werden nie enträtselt. Und diese Ansprache gibt es hier bei uns nicht. Wir duzen einander. Eine höfliche Anrede wird hier keiner kennen. Du musst noch viel lernen mein Kind."

Sie schaute wieder ihr Feenvolk an. „Doch nun lasst uns das Festmahl einnehmen, mit dem wir beschenkt wurden." Sie lächelte jeden einzelnen Dorfbewohner an und nahm dann Platz am Kopf des unendlich langen Tisches. Sie deutete auf den Platz neben ihr. „Mona, lasse du dich doch neben mir nieder. Felicity wird dir ebenfalls Gesellschaft leisten." Während ich mich neben die Königin der Feen setzte, und Felicity neben mir her flog, positionierten sich einige Wachmänner neben Silvanas Platz. „Es freut mich, dich hier zu haben, junge Fee. Falls du einige Fragen hast, was ich nicht bezweifle, so kannst du sie nun stellen." Obwohl mir eben erst viele Fragen beantwortet wurden, sprudelte ich los: „Ihr, ähh, du nanntest mich eine Retterin, dabei wusste ich vor kurzer Zeit nicht einmal, dass diese Welt existiert. Wie sollte hier bekannt sein, dass ich die bin, auf die ihr alle wartet, wenn ich es selbst nicht wusste? Was unterscheidet mich von den anderen Feen? Wovor soll ich euch retten? Ich habe die ungeborenen Feen gesehen. Ist es üblich, aus einem Kokon zu schlüpfen? Denn sie werden von dem Gespinst um sie herum genährt. Oder nicht?" Ich unterbrach mich selbst, weil ich merkte, wie ich vom Thema abwich.

Silvana schmunzelte. Der Hauch von Überlegenheit stand ihr gut. Doch ihre Augen strahlten so viel Geborgenheit aus, dass ich in ihr eine Art gute Freundin oder eine Mutter sah. „Es ist vollkommen normal Fragen zu haben. Einige werde ich beantworten können, bei Anderen sollte die Antwort von Felicity genügen." „Ich danke dir, Majestät." „Ich tue nur meine Pflicht, kleine Freundin. Doch nun: Koste unsere Speisen, sie werden neue Geschmäcker auf deiner Zunge entfalten." Sie zwinkerte mir zu, während sie einen kleinen Happen Unkrautpüree in ihren Mund führte. Hatte sie überhaupt meine Fragen beantwortet? Egal, ich kostete etwas von dem glibbrig grünen Püree. Aber zu meinem Erstaunen, war das ungewöhnliche Essen nahezu göttlich. Es war, als würde ich jede einzelne Farbe schmecken, als ich den Regenbogenkuchen kostete. Auch die Einhornpopel lösten in meinem Mund ein Glücksgefühl aus, das eine weitaus stärkere Wirkung als Schokolade hatte. Ja sogar Oma Friedas Weihnachtsplätzchen konnten mit diesem Essen nicht mithalten! Als wir uns sattgegessen hatten, standen einige Feen auf, um Arbeiten zu erledigen oder in ihren Blüten schlafen zu gehen. Nachdem sich auch Felicity entschuldigend zum gehen gewandt hatte, blieben nur noch Silvana, ein paar Wachposten und ich zurück. Sie schenkte ihr und mir eine rote Flüssigkeit ein.

„In deiner Welt ist es als Wein bekannt, hier nennt man es Cedron." „Cedron." Versuchte ich ihre komische Aussprache nachzuahmen. Sie nickte und wir tranken. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass der Wein unglaublich lecker war. „Ich komme am besten direkt zum Punkt", sie stellte mit ernster Miene den Kelch Wein auf den hölzernen Tisch. „Wir leben in großer Gefahr. Man mag es kaum glauben, aber auch die Feen haben hasserfüllte Feinde. Ich fange am besten mit einer alten Geschichte an, die bei den hellen Feen in den Lehrbüchern auftaucht." Ich setzte mich kerzengrade hin. Und Silvana begann mit seidenweicher Stimme zu erzählen:

„Vor etlichen Monden, damals als es die Zeitrechnung noch nicht gab, schlüpften in einer stürmischen Nacht, zwei Feen aus ihren Kokons. Die Mutter der beiden, brachte das Seidengespinst damals vor einigen Wochen zur Welt, an diesem Tag, sollten die Zwillinge schlüpfen. Ihre Mutter war besorgt. Es schien einem Feenbaby besser zu gehen, als dem anderen. Der schwachen Fee wurden ihre Kräfte von ihrer Schwester genommen. Daher kam es, dass in jener Nacht ein hilfloses und eher tot als lebendiges Feenwesen, die Welt erblickte. Die Flügel nicht entfaltet und zusammengekauert. Während diese Fee beinahe starb, wurde das gesunde Feenwesen in einen anderen Raum gebracht. Ihre Mutter musste schnell handeln, doch ihr viel es viel leichter, als alle geglaubt hätten. Wenn man einer Fee, ihre Kräfte nimmt, so ist es, als würde man sie aussaugen. Doch die Mutter gab sich mit einem Lächeln der Situation hin und gab dem hilflosen Feenwesen, ihren ganzen Lebenssaft. Der Königin fiel es leicht, ihre kleine Prinzessin zu retten. Das einzige, um das sie sich sorgte, war die Zukunft der Zwillinge. Sie hatten keinen Vater, da dieser im Kampf für das Gute, dem Leben entrissen wurde. Wer würde sie also erziehen? Wer würde sie auf den Thron vorbereiten? Wer würde ihnen helfen, ihre magischen Fähigkeiten einzusetzen und sie zu trainieren? All diese Aufgaben, gab sie ihrer Pognuan. Diese zog die Feenmädchen auf und erfüllte die Versprechen, die ihr die Feenkönigin am Sterbebett gegeben hatte. Die starke Tochter nannte sie Titania, die schwache Silvana. Während Silvana immer stärker wurde und ihre magischen Kräfte ausübte, zog sich Titania der Dunkelheit zu. Sie trainierte ihre Fähigkeiten auf andere Weise, auf verbotene Weise. Als der Tag ihrer Krönung bevorstand, kamen wieder die üblichen Fragen auf: Würde es funktionieren, wenn zwei so unterschiedliche Prinzessinnen zusammen herrschen würden? Und würden sie es ohne den Rat ihrer Eltern schaffen? Doch während das Volk sich diese Fragen stellte, und Silvana ein hübsches Königinnenkleid nähte, plante Titania eine ganz andere Zukunft. Sie hatte trainiert. Sie war in etwa so stark geworden, wie Silvana. Doch sie würde nicht mit ihr zusammen herrschen. Sie gab Silvana die Schuld am Tod ihrer beider Mutter und verfluchte sie. Ihre Kräfte waren böse geworden. Als sie zusammen zum Thron schritten, schoss sie einen schwarzen Blitz auf die Seile, die den prächtigen Kronleuchter hielten. Er wäre auf Silvana herabgestürzt, wäre die Zofe, die sie beide aufzog, nicht zu ihr geeilt und hätte sie weggestoßen. Stattdessen wurde die treue Frau von dem tonnenschweren Kronleuchter erwischt. Sie opferte ihr Leben, für das von Prinzessin Silvana. Titania flüchtete wütend mit einem Gefolge von schwarzen Schmetterlingen in einen verlassenen Teil des Feenreichs. Dort begann sie ein anderes Volk auf grausame Weise zu regieren. Im hellen Teil des Landes, herrschte von da an Silvana, die ihr Volk beschenkte und es ihm gut gingen ließ. Immer wieder versuchte Titania das gesamte Königreich an sich zu reißen, doch das Volk der weißen Feen, besiegte sie immer wieder."

Sie machte eine lange Pause und trank reichlich viel Cedron. „Das ist die Geschichte, die jedes Kind im hellen Königreich kennt. In Wahrheit war es um einiges schrecklicher." Sie hatte den Blick auf den Tisch gerichtet. Zu viel Traurigkeit und Qualen standen in ihrem Gesicht. „Weißt du, warum ich dir diese Geschichte erzählt habe?" Ich konnte es mir denken. „Weil es kein Märchen ist, sondern die Geschichte, der Entstehung beider Königreiche." Beantwortete ich leise ihre Frage. Sie nickte. Endlich sah sie mir ins Gesicht. „Versprich mir, dass du nichts unversucht lässt um unser Königreich zu Retten! Du wurdest dazu bestimmt. Nur du kannst meine grausame Schwester besiegen." „Ich verspreche es!" Sagte ich viel entschlossener als ich mich fühlte. „Gut. Das ist gut." Silvana schenkte uns beiden Wein nach. „Eine Frage habe ich allerdings noch. Was unterscheidet den geplanten Angriff von Titania von denen, die sie bisher ausgeübt hat? Warum braucht ihr jetzt meine Hilfe?" „Wir Feen nehmen unsere Kraft aus Zeichen. Ich trage immer besondere Steine bei mir, die die Energie meines Zeichens, den Stern, bündeln und mir somit bei Entscheidungen helfen und mir Energie geben. Alle hundert Jahre, gibt es eine Sternenfinsternis. Eine Zeit, in der ich keine Kraft zum Regieren habe. Keine Kraft um meine magischen Fähigkeiten einzusetzen. Doch während meine Kräfte schwinden und ich immer schwächer werde, holt sich Titania ihre Kraft aus der Dunkelheit, in der keine Sterne leuchten. Sie wird neue magische Fähigkeiten entwickeln. Und wenn sie niemand stoppt, könnte sie unbesiegbar werden." Sie schaute besorgt auf den Edelstein ihrer wunderschönen Kette. „Das werde ich nicht zulassen!" Ich stand reflexartig auf um meinen Worten mehr Macht zu verleihen, was nicht nötig gewesen wäre, denn sie hallten durch den ganzen Wald und zitterten nur so vor Macht. Auch Silvana stand auf. „Es freut mich das zu hören!"

Sie nickte einem Krieger zu und er trat vor. Er reichte der Feenkönigin eine silberne Schatulle. Silvana öffnete sie. „Da du schon von deiner Oma, diese wertvolle Kette bekamst, habe ich deinen Feenstein als Armband herstellen lassen." Es wunderte mich gar nicht mehr, dass sie Dinge wusste, die ich nicht erwähnt hatte. Sie zog eine silberne Schnur heraus, an deren Ende ein wundervoller, kleiner Stein befestigt war. Sie legte mir das Armband um, der Stein leuchtete auf, als er meine Haut berührte, und ich fühlte mich stark und wie von Energie erfüllt. Ich betrachtete den Stein genauer. Er war rundlich und in einem wunderschön tiefen schwarz. Er war mit vielen dünnen Linien durchzogen, die silbrig funkelten, wenn man ihn gegen das Licht hielt. Er erinnerte mich an die unglaublichen Flügel, die mich schon bei meiner Verwandlung zu einer anderen Fee gemacht hatten, als alle Anderen. Sie waren größer und breiter als die, der anderen Feen. Sie gingen mir bis zu den Knien und weit über meinen Kopf hinaus, während zum Beispiel Felicitys Flügel, nur so breit waren, wie ihre Schultern. Auch die Flügel von Silvana waren lang und mächtig, doch etwas dünner als die Meine. „Ich werde nun meine Blüte aufsuchen und eine Weile schlafen. Das solltest du auch tun, morgen wird ein harter Arbeitstag, aus dem du dich nicht zurückziehen kannst." Sie zwinkerte mir zu und flog davon. „Aber wie soll ich meine Blüte finden?" Rief ich ihr panisch hinterher, doch sie schien mich nicht zu hören.


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