Kapitel 27

Kapitel 27

Langsam konnte ich wieder meinen Hörsinn einsetzen. Mein ganzer Körper schmerzte höllisch. Das Dröhnen in meinem Kopf machte es unmöglich, die Augen zu öffnen. „Wo habt ihr sie hingebracht?" „Becrosna. Dort wird sie nicht rauskommen." Die zwei Männer lachten. „Was hast du mit ihr vor?" „Ich habe da so eine Idee. Ich denke, dass sie Mona gut gefallen wird!" „Dafür müsste sie aber erstmal aufwachen..." „Keine Sorge, das wird sie. Der Trank lässt langsam nach. Ihre Schmerzen werden wiederkehren. Dadurch wird sie aufwachen." „Eine tolle Methode, nach drei Tagen geweckt zu werden!" „Möchtest du sie etwa ewig schlafen lassen?" Langsam konnte ich meine Augen öffnen. Ich lag in einem Bett, das mit hässlich blauer Karobettwäsche bezogen war. Am Bettrand saß Simba, er hielt meine Hand aber das spürte ich gar nicht. Sein Arm lag in einer Trage und seinen Kopf zierte ein Verband. „Sie ist wach", sagte er zu einer Person, die am Fuß des Bettes stand.

Meine Sichtweise war verschwommen, sodass ich ihn erst nach einer Weile erkannte. Dann setzte ich mich ruckartig auf. Wie dumm von mir – sofort schmerzte jede Faser meines Körpers. „Aphi", krächzte ich heiser. Er kam zu meinem Bett und nahm meine Hand. „Wie kannst du mir nur so einen Schrecken einjagen!", schimpfte er resigniert. Ich schmiegte vorsichtig meinen Kopf in die Kuhle seines Halses. Er setzte sich neben mich und seufzte. Simba humpelte langsam aus dem Zimmer. „Ich hab dich vermisst", nuschelte Saphrim in meine Haare. Ich schlang meine Arme um seinen Bauch. Ich hatte ihn auch schrecklich vermisst! Und er war hier. Bei mir. Und nicht bei Titania. Wo war die eigentlich? Hatte ich es geschafft? Wurde sie besiegt? „Denk nicht so viel, das verlangsamt den Heilungsprozess!" Er streichelte über meinen Oberschenkel. „Wo bin ich?", fragte ich immer noch heiser. „Im Krankensaal." „Das erklärt die Bettwäsche", murmelte ich, setzte mich, diesmal langsam, aufrecht hin und rieb mir den Kopf. „Du bist Königin und das Erste, an das du denkst ist Bettwäsche?" Saphrim lächelte sein ganz eigenes Lächeln. Dann verstand ich seine Worte. Als er sah, wie ich ihn anstarrte, lachte er. Dann beugte er sich vor und küsste mich. Vollkommen perplex wich ich zurück.

„Aber... Ich dachte, das ginge nicht...", flüsterte ich. Doch im Innern wollte ich nichts mehr, als ihn endlich zu küssen. Dann nährte ich mich ihm wieder. „Jetzt schon", sagte er zwischen zwei Küssen, die immer länger andauerten. Er fuhr mit seinen Fingern durch meine Haare. Drückte mich immer tiefer in die Federn des Krankenbettes und ich küsste immer heftiger zurück. Bis uns ein Räuspern auseinanderschnellen ließ. Die komplette Gruppe bestehend aus Grace, Jose, Hymna und Fiona hatte sich im Türrahmen versammelt und schaute peinlich berührt in verschiedene Richtungen. Saphrim lächelte mir noch unverschämt zu und ging dann mit einem selbstzufriedenen Grinsen an meinen Freundinnen vorbei. Als die Tür geschlossen war brach natürlich lauter Tumult aus und jeder stellte mir mindestens zehn verschiedene Fragen gleichzeitig und durcheinander. Wieder musste ich lächeln. Sie waren alle so schrecklich süß. Grace schnipste kurz und alle verstummten.

„Anscheinend geht es dir wieder gut", meinte sie mit vielsagendem Blick zur Tür, durch die Saphrim eben verschwunden war. Ich knuffte sie in die Seite. „Wie lange war ich weg?" „Drei Tage", sagte Fiona und pikste Grace in den Bauch, „du sollst nicht über mich zaubern. Ich bestimme selbst, was ich tue!" Mit rollenden Augen sah Grace mich wieder an. „Du hast es geschafft. Du hast die Königin der dunklen Feen besiegt." Mit anerkennendem Nicken wandte sich Hymna an mich. „Sie ist in Becrosna. Eine Art Gefängnis aus Macht. Dort kann sie nicht entfliehen." „Und du bist Königin!", meinte Fiona aufgeregt und hüpfte auf dem Bett rum. „Inwiefern?", fragte ich vorsichtig. „Du bist rechtmäßige Thronerbin, hast deine Aufgabe als Retterin erfüllt und Titania besiegt. Silvana wird zurücktreten und du kannst regieren", erklärte Hymna. „Und wenn ich das nicht will?" Fassungslos sahen sie mich an. „Natürlich willst du!", protestierte Fiona. „Du kannst solch ein Angebot doch nicht ablehnen!", meinte auch Grace. Ich zuckte die Schultern. Es war bestimmt fürchterlich anstrengend und aufwendig Ralantia zu regieren. Vor allem die Bewohner des dunklen Königreichs mussten doch vollkommen verängstigt sein. Wie konnten sie je wieder jemandem vertrauen? Allerdings... bestimmt auch interessant... „Du musst", meinte Jose, die wie immer am stillsten war, schlicht. Fragend sah ich sie an. „Silvana kann nicht die Kontrolle über beide Teile haben. Du solltest mindestens einen übernehmen." Es klopfte. „Wir sollten...", meinte einer der Wachen von Titania. Oder waren sie jetzt meine Wachen? Die Mädchen murmelten zustimmend und halfen mir aus dem Bett. Ich musste noch drei komische Substanzen runterschlucken und eine harte Tablette zerkauen, dann durfte ich ihnen hinterher humpeln.

Mein gesamter Körper war unter dem hässlichen Krankenhausnachthemd mit Verband umwickelt. Wie Blitze zuckten Erinnerungen an meinen Kampf mit Titania in mein Gedächtnis zurück. Ich sah mich Energie abfeuern. Lorosha, wie er vom Nebel in Fetzen gerissen wird. Titania, die in einer schwarzen Blutlache liegt. Und Simba, wie er sich aus dem Saal rettet. Von da an war alles weg. Die Zaubertränke linderten den Schmerz, sodass ich nach ein paar Minuten beinahe ohne Probleme laufen konnte. Wir gingen in einen Saal, der kleiner als der Thronsaal war. Eine Art übergroßes Büro mit einem riesigen Tisch in der Mitte. Mit dem Rücken zu mir saßen drei Personen. Silvana, Blue und... „Felicity!" Es war ein Freudenschrei, der mir entfuhr, als ich sie sah und in die Arme schloss. „Dir geht es gut", murmelte sie erleichtert in mein Nachthemd hinein. Ich spürte, wie warme Tränen auf meine Schulter tropften. Dann hielt ich sie vor mich. Verlegen wischte sie sich die Tränen aus den Augen. „Endlich habe ich dich wieder!" Sie drückte mich noch kurz und gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. Dann setzten wir uns an den Tisch. „Es freut mich, dass es dir gut geht." Silvana nippte an ihrem Weinglas. „Glaub mir, mich auch", sagte ich und nahm einen großen Schluck. „Ich weiß, dass es wahrscheinlich sehr kurzfristig für dich ist... Aber wir können nicht mehr länger warten." Sie winkte einen Diener zu sich, der ihr ein Pergament reichte. „Ich überschreibe dir Ralantia. Es gehört dir."

Etwas verwundert darüber, dass sie einfach so eine gesamte Welt besaß zögerte ich. Dann nickte ich langsam. „Ich werde Ralantia regieren", verkündete ich feierlich und meine Freundinnen fingen an zu grinsen. „Aber", ihr Grinsen erlosch, „ich möchte, dass du mir hilfst." Ungläubig sah mich Silvana an. „Aber... Nur dir gehört diese Welt." „Die Welt kann nicht besessen werden", stellte ich erstmal klar. „Mir ist bewusst, dass jemand gebraucht wird, der einige Dinge regelt und an den man sich wenden kann. Aber ich werde nicht über das Volk bestimmen. Es wird Regeln geben. Und die müssen befolgt werden. Doch das bezwecke ich nicht durch Erzwingen und Ausnutzen von Macht, die Feen sollen die Regeln befolgen wollen. Ich werde die Grenze zwischen den Königreichen schließen. Feen mit schwarzen, wie auch Feen mit weißen Flügeln werden entscheiden dürfen, wo sie hingehören. Keine Feenbabys werden mehr getötet oder weggeschickt, weil sie nicht aussehen wie die Masse. Außerdem wird die Sklaverei abgeschafft." Mein Blick wanderte zu einem Dienstmädchen, das gerade dabei war, ein Regal abzustauben. Sie lächelte. „Doch für all das benötige ich deine Hilfe." Ich sah Silvana an. „Das Volk kennt mich nicht. Wie soll es mir da vertrauen können? An ihrer Stelle würde ich auch niemandem vertrauen. Aber über dich wissen die Leute nur gutes." Ich lächelte und prostete ihr zu. Das ganze Reden hatte meinen Hals furchtbar ausgetrocknet. Nach dem Leeren zwei ganzer Gläser Wein hatte noch immer niemand etwas gesagt. Silvanas schmale Mundwinkel zuckten in die Höhe. „Wenn du es wünschst." Dann unterschrieb sie das Pergament, das zu silbernem Staub zerfiel. Ein Wachposten kehrte ihn auf und ließ ihn in einen Kelch rieseln. Dieser wurde mit Wein aufgefüllt. Silvana, wie auch ich tranken aus ihm. Damit war der Krieg zwischen Gut und Böse beendet. Zumindest glaubte ich das. Aber wer hätte auch ahnen können, dass man Gut und Böse nicht einfach voneinander trennen konnte? Woher hätte ich wissen sollen, wie manipulativ manche Feen doch sind du mit welcher Trüge sie mich beeinflussen konnten?

ENDE


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