Kapitel 26
Kapitel 26
Die Kälte des Steinbodens kroch langsam an mir hoch. Obwohl ich in drei Decken eingehüllt war, die Steff (Simbas Frau) uns eben gebracht hatte. Grace neben mir zitterte im Schlaf und Hymnas Atem bildete kleine weiße Wölkchen. Wir lagen auf dem Boden von Simbas „Haus" und ich versuchte einzuschlafen. Doch viel zu viel ging mir durch den Kopf.
Was sollte ich wegen Saphrim machen? Er war die ultimative Waffe gegen Titania, so viel war klar. Und ich hatte ihn in der Hand. Weil ich sein Geheimnis kannte. Das Geheimnis, seiner Existenz würde ausreichen um Titania zu vernichten. Aber ich wollte ihn nicht ausnutzen. Nicht als Möglichkeit sehen meine Welt zu retten, weil ich seine dadurch zerstören würde. Ich mochte ihn... Und das war schlecht. Schlecht und gefährlich. Er hatte mich küssen wollen. Und ich hatte ihn küssen wollen. Er war verletzlich, das hatte ich sofort bemerkt. Und indem ich ihn mochte, wurde ich verletzlich. Also hatte letztendlich nicht nur ich Titania in der Hand, sondern sie auch mich. Ich könnte allen von ihrem versteckt gehaltenen Sohn erzählen. Aber sie könnte ihn umbringen. Saphrim hatte gesagt, dass sie dies nicht tun würde. Aber konnte man da so sicher sein? Wir redeten schließlich immer noch von Titania. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Leben sie schon auf dem Gewissen haben musste. Oder ich täuschte mich in Allem und das mit Saphrim war nur gestellt und von Titania gewollt gewesen. Dann wäre Saphrim böse und nützte mich aus. Ein harter Schmerz festigte sich in meinem Herzen. Dunkle Feen waren manipulativ und gefährlich. Wie könnte ich herausfinden, was es mit Saphrim auf sich hatte? Vielleicht wussten doch noch weitere Feen, dass er existierte. Ich konnte doch nicht die Erste gewesen sein, die aus Tollpatschigkeit einen Wandteppich heruntergerissen hatte, hinter dem sich eine versteckte Tür befand, die zum größten Geheimnis der dunklen Herrscherin führte. Naja, alltäglich klang das vielleicht doch nicht. Oder war es Schicksal gewesen? Vielleicht passierte ja wirklich alles aus einem Grund. Vielleicht war es vorausbestimmt gewesen, dass ich Saphrim treffen würde. Doch was hätte mir das Universum damit sagen wollen? Nein, es war unmöglich einzuschlafen. Wäre ich zu Hause, ganz zu Hause, gewesen, hätte ich Chris angerufen. Sie hätte mir geholfen. Egal um welche Uhrzeit. Aber ich war nicht zu Hause. Und damit musste ich mich abfinden. Ich war eine Fee und ich musste Titania besiegen. Da konnte ich weder Heimweh noch Liebeskummer gebrauchen! Ich raffte mich auf und ging nach draußen. Wahrscheinlich war es unglaublich gefährlich um diese Uhrzeit an solch einem Ort den Stein zu verlassen, obwohl es hier ja immer Nacht war. Doch auch das war mir egal.
Die Luft draußen war definitiv besser als die stickige Miefwolke, die von all den Feen im Stein gebildet wurde. Und so viel kälter als drinnen war es auch nicht. Ich schlug einen Weg ein, der an den Sklavenhäusern vorbei führte. In die entgegengesetzte Richtung des Schlosses. Wie beinahe jedes Mal, sah ich irgendwelche Gestalten in der Dunkelheit, weshalb meine Ausflüge ins Freie eher kurz waren. Dennoch hatte ich einen Plan geschmiedet. Ich würde Saphrim morgen erneut besuchen. Nur um ihn zu testen natürlich (und nicht, weil ich mir nichts sehnlicher wünschte, als von ihm geküsst zu werden *hust*). Dann würde ich Simba fragen, ob man auch abends im Schloss arbeiten könnte. Da würden die meisten Arbeiter weg sein. Somit wäre sie nicht mehr allzu gut beschützt und es würde weniger Zeugen geben. Bei Nacht würde ich mich in Titanias Zimmer schleichen. Ja, ein wirklich grandios lebensmüder Plan.
Ich saß auf dem Boden des Thronsaals und schrubbte ihn mit einem kleinen Tuch blitzeblank. Simba hatte sich dafür gemeldet, mich zu beaufsichtigen und Titania würde bald in ihr Bett gehen. Noch stand sie auf der Erhöhung im Saal und bemutterte ihren armen Sohn Lorosha. Eine Sklavin hatte ihn geschlagen. „Ich will ihre Flügel!", schrie er und schlug trotzig mit den Fäusten auf die samtigen Armlehnen seines Throns. Titania stand neben ihm und tätschelte seine Schulter. „Och, mein Schauriger! Du kannst sie nicht alle töten." Mit listigem lächeln sah sie auf ihn herab. „Ich kann, und ich werde jedem die Flügel nehmen, der es wagt, mir etwas anzutun!" Dabei wie er wieder trotzig gestikulierte musste ich lächeln. Er war so bemitleidenswert. „Du wagst es...", plusterte er sich auf und hetzte mit einem Flügelschlag zu mir rüber. Mit hochrotem Kopf hielt er die Luft an, als müsse er sich zusammenreißen mich nicht umzubringen.
„Du...", aha, jetzt hatte er mich also erkannt, „Du bist doch..." Er riss mich am Arm in die Höhe und schrie mir mit seinem fauligen Atem ins Gesicht. „Du selbstgefällige Hure!" Das ging nun zu weit! „Wer von uns beiden ist hier die Hure?", schoss ich ihm mit bösem Funkeln in den Augen entgegen. Überrascht, dass ich ihm antwortete sah er mich einen Moment einfach nur an. Anschmachtend und herablassend. So ein blasierter Ochse. Dann warf er mich mit gewaltiger Kraft auf den Boden. Als ich nicht wie erwartet zusammensackte (und bei seiner Stärke einige Knochenbrüche hätte erleiden müssen), sondern auf den Füßen landete und danach wieder zu ihm hochsah, raste seine Wut. Mit einem großen Fragezeichen als Gesicht drehte er sich wieder zu Titania um. „Ich will sie töten!", stieß er die Worte als zusammengepresste Wut hervor. „Lorosha, ich habe dir doch eben gesagt..." „Ich will sie töten!" Brüllte er mit ausgebreiteten Armen und sein Echo hallte bedrohlich von den Wänden des Saals wider. Simba hinter mir war unbemerkt näher getreten. Titania seufzte machterfüllt. „Na schön, aber es ist die Letzte, die ich dir geben kann." Mit einer abfälligen Geste warf sie ihrem Sohn einen glänzenden Dolch entgegen. Lorosha fing ihn mit sadistischem Lächeln auf. „So soll es sein!" Er drehte sich zu mir um.
Was sollte ich tun? Wegrennen? Ihn mit meinen Kräften töten? Dann wüsste Titania, wer ich war. Aber ich konnte mich nicht einfach töten lassen! So konnte es nicht enden! Ich war so weit gekommen – das würde ich mir nicht nehmen lassen. Das Funkeln in meinen Augen wurde stärker. Ich baute mich vor ihm auf. Das gefährliche Brennen in meinen Flügeln, machte mich nur noch stärker. Ich bündelte gerade einen großen Ball aus violetter Macht, als Simba sich zwischen uns warf. „Es tut mir leid, aber das kann ich leider nicht zulassen!" Verwirrt sah der Prinz erst Simba, dann mich an. Langsam schien er zu realisieren. In dem Moment zückte Simba ein grünleuchtendes Messer, das er ihm quer über die Brust zog. Langsam führte Lorosha seinen Finger zu der scharlachrot glänzenden Linie, in der grünes Feuer brannte. Er betrachtete den rotgetunkten Finger und das Blut, das von ihm ausgehend auf den kalten Marmorboden tropfte. Mit einem letzten geflüsterten „Du" sackte er in sich zusammen und war tot.
Titanias Schreie erreichten mich viel zu spät. Sie flog auf Simba zu und schoss immer wieder schwarze Energie auf ihn, während ihr dunkle Tränen über das blasse Gesicht rannen. Er lag nun am Boden und hielt sich zitternd die linke Seite seines Bauches. Meine mächtigen Flügel trugen mich zu ihm und brachten ihn hinter eine der dunklen Säulen. Ich pustete ihm einen Hauch meiner Energie auf die verletzte Stelle. Sein dunkelrot getränktes T-Shirt riss ich auf und legte es unter ihn. Schwarze Linien gingen von der klaffenden Wunde aus und zogen sich wie Wege weiter durch seinen Körper. Als meine Energie ihn erreichte, stoppten sie. „Geh. Besiege sie", krächzte er, bevor sein Kopf auf dem Boden aufprallte und er langsam die Augen schloss. Eine Träne rann über meine Wange. Ich hatte ihn noch nicht sehr lange gekannt. Aber er war mein Bruder gewesen! Dennoch stand ich auf und drehte mich zu Titania um. Wut machte mich stark.
Sie saß vor Lorosha, hatte seinen Kopf auf ihren Schoß gelegt. Mit zitternden Händen ballte ich meine Energie und schoss violette Blitze auf sie herab. Manche trafen sie und brannten sich durch ihr dunkles Seidenkleid. Aus den Wunden tropfte schwarzes Blut. Sie hob den Kopf. Eine letzte Träne löste sich aus ihrem Auge und vermischte sich auf dem Boden mit dem dunklen Blut ihres grausamen Sohnes. Plötzlich sprang sie wie eine Furie in die Höhe. Die zerfransten Fäden ihres Kleides schwammen drohend durch die Luft. Mit lauter und tiefer Stimme schrie sie auf und ließ schwarzen Nebel aus ihren Händen auf mich nieder. Dann fing sie fürchterlich hoch zu lachen an und donnerte vor mich nieder. „Ich habe auf dich gewartet", flüsterte sie in solch verrücktem Ton, das es mir eine Gänsehaut bereitete. Ich nutzte die Gelegenheit und schoss ihr mitten ins Herz. Schnell sprang sie wieder in die Luft. Weitere Blitze trafen sie, schwächten sie. Doch sie war noch immer stärker als ich.
Es war mehr als nur anstrengend, Energie von sich zu nehmen um sie abzufeuern. Ich spürte, wie mir mehr und mehr die Lebendenergie ausging. Ich könnte auch einfach sterben. Mich besiegen lassen. Das wäre so viel einfacher. Ich hatte schon zu viel mitgemacht. Wieso musste ausgerechnet mir so etwas passieren? Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mich von ihrer Energie erschießen zu lassen. Doch dann erfüllten mich tausende von Gefühlen gleichzeitig. Ich wurde dazu geboren, Titania zu besiegen. In diese Welt zu reisen und den Feen ein Gefühl von Hoffnung zu geben. Eine Person zu sein, der sie vertrauen konnten, weil ich sie retten würde. Weil ich es musste. Weil mein Leben noch nie einen Sinn gemacht hatte, bis ich in diese Welt gekommen war. Also riss ich mich zusammen.
Der schwarze Nebel hatte sich auf dem Boden des Saals ausgebreitet und stach wie Messer in meine Beine. Schreiend flog ich auf die gleiche Höhe wie meine Feindin. Ich hatte mir wirklich keinen guten Zeitpunkt ausgesucht, um gegen sie anzukämpfen. Ihr Sohn war tot, was sie mehr als nur wütend machte, die Arbeiter im Schloss waren weg und es gab niemanden, der meine Schreie hätte hören können. „Wieso schließt du dich mir nicht an? Es ist so viel trostspendender als zu sterben!" Wieder nutzte ich die Situation, in der sie abgelenkt war und schoss auf ihre schmalen Flügel. Sie zuckte zusammen und schrie auf.
Eine Bestimmung.
Immer wieder schoss ich auf sie. Sie zeigte Schwäche. Die dunkle Königin war schwach, verletzlich. Durch den Verlust ihres Sohnes geschwächt. Die Liebe macht schwach.
Eine Familie.
Ein weiterer Blitz, der sich aus meinen Handinnenflächen löste und gegen ihren zarten Körper prallte.
Ein Sinn.
Ein riesiger Strahl aus dunkler Energie sollte mich treffen. „Das ist dann wohl mein Ende", verabschiedete sich die Stimme der Verzweiflung von dieser Welt. Doch im letzten Moment hielt ich reflexartig meine Kette gegen sie. Der Strahl wurde reflektiert und traf sie selbst. Sie stürzte in den Nebel, ich konnte sie nur noch schwer erkennen. Einen riesigen Ball voller Energie schoss ich wieder direkt in ihr Herz. Als sie reglos liegen blieb sackte ich zufrieden zusammen. Meine letzte Energie war weg.
Ein Leben.
Bewusstlos prallte ich auf dem Boden auf. Wie der Nebel meinen Körper zerfleischte, bekam ich nicht mehr mit.
Mein Leben.
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Das ist Übrigens mein absolutes Lieblingskapitel!
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