Kapitel 21
Kapitel 21
Mit einem leisen „Suuuuiiiipp" zog ich den Reisverschluss, meiner Tasche zu. Es klopfte an die weiße Flügeltür, meines Gästezimmers im Perlenschloss. „Bereit?", fragte Hymna und setzte sich auf mein Bett. Mit einem verzogenen Lächeln schüttelte ich den Kopf. „Wie könnte ich es schaffen, die mächtigste Person der Welt zu besiegen?" „Man muss nur dran glauben." Ich musste schmunzeln. „Das gleiche hat mein Bruder kurz vor meiner Abreise gesagt." „Dann ist dein Bruder ein sehr weiser Mann." „Er ist vier!" „Das festgelegte Alter spielt keine Rolle. Viel wichtiger ist, das Alter des Verstands", zitierte Hymna meine Trainerin Neo. „Ich habe erst eine Stunde Training bei Neo gehabt. Wie soll ich Titania besiegen?" Wieder fraß sich der Selbstzweifel durch mein Inneres. „Das Training bei Neo war lediglich dazu da, dich auf dem Weg durchs dunkle Königreich vorzubereiten. Auf den eigentlichen Kampf gegen meine Tante, kann dich niemand vorbereiten." „Auf welches Gebiet bist du spezialisiert?" „Ich sehe in jedem etwas Gutes. Auch, wenn es von dunkler Magie verdeckt ist." Das würde ich niemals schaffen. Meiner Meinung nach, waren zumindest die Menschen eher oberflächlich. In der Feenwelt schien dies nicht wirklich aders zu sein. Schließlich wurde ich wegen meiner Flügel angesehen, als sei ich ein Affe mit drei Beinen, der Karaoke sang. „Ich glaube, ich habe keine Spezialisierung", sprach ich den Zweifel, der seit meiner Ankunft bei mir blieb aus. „Aber das ist doch nicht schlimm! Fiona und Miron haben den Fortschritt, Grace besitzt Hexenkräfte, Jose kennt sich mit Einhörnern aus, Zac ist gut im Reparieren du Blue ist Liebenswert. Alle sind verschieden. Und du bist niemals 'nur' der Retter. Schubladendenken kann ich gar nicht ausstehen. Es gibt für jede Tat eines Geschöpfes einen Grund. Eine Sache, die an ihnen festhaftet und ihren Charakter verändert. Die meisten setzen dann eine Maske auf. Meine Spezialisierung ist, hinter diese Maske zu Blicken." Sie musste schmunzeln. "Das ist auch der Grund, warum ich Grace nicht so biestig sehe." „Das hast du in ihnen gesehen?" Sie nickte. Ich war sprachlos. Es ist schon eine Kunst, andere zu täuschen, aber die Täuschung zu übersehen und etwas Gutes herauszusuchen, war noch mal eine ganz andere Sache. „Was siehst du in mir?", fragte ich hoffnungsvoll. Sie beugte sich vor und sah mir tief in die Augen. Nach einer gefühlten Ewigkeit sprach sie weiter. „Du hast viele Facetten. Mut, Neugierde, Führungsqualitäten, Intelligenz, Ehrlichkeit... Doch was heraussticht ist der Drang nach Antworten." Sie lächelte mich an. „Siehst du Böses in mir? Wegen meiner Flügel?" Ich sprach schnell aus Angst, sie könne weggehen. „Deine Flügel sind einzigartig." Sie strich über meine schwarzen Schwingen. „Dunkle Feen haben schwarze Flügel." Ich biss die Zähne zusammen. „Doch deine Flügel sind nicht nur schwarz. Sie schimmern. Und sind mit silbernen Adern durchzogen." „Also bin ich nicht Böse?" Ich hasste es, wie Feen immer in Rätseln sprachen! „Mona, denkst du meine Mutter würde mich mit einer bösen Fee weggehen lassen?" Ermutigend klopfte sie mir auf die Schulter und stand auf. „Ich hoffe, dass du nun bereit bist. Länger können wir nicht warten."
Der Abschied war ohne viel Drumherum passiert, lediglich Silvana hatte uns bis hoch über die Wolkendecke nachgewunken und vorher unsere Einhörner bereitmachen lassen. Miron und Fiona waren Händchenhaltend durch den blauen Himmel geritten, Blue und Zac (den Jose ununterbrochen neidisch anstarrte, weil er und nicht sie mit Blue redete) hatten sich besser als gedacht verstanden, die Krieger hatten Unmengen von Waffen angeschleppt und wir Übrigen, hatten uns über so ziemlich Alles und Jeden unterhalten. Die verbleibende Woche flogen wir genauso weiter, ohne Rast zu machen. Mir hatten die armen Einhörner Leid getan, doch Jose meinte, sie könnten einen Monat lang ohne Nahrung auskommen. Gelegentlich gaben wir ihnen Wasser und streichelten sie als Ermutigung. Aber Jose sollte es wissen, sie war schließlich unsere Expertin.
Inzwischen waren acht Tage vergangen und wir hatten uns merkbar der Grenze genähert. Es war dunkler und spürbar kälter geworden. Das schienen auch die Anderen bemerkt zu haben. Jose kuschelte sich nun doch an Blue heran und Fiona vergrub ihr Gesicht in Mirons weißem Fellmantel. Grace, Hymna und ich liefen hinter Zac her, der mit einem der zwölf Kriegern eine Liste von Arten zu Sterben führte. Als ich gerade die Worte Flügelbruch, Motivverleugnung und Kälte auffing, meldete sich ein Krieger, den wir „Landkarte" getauft hatten, weil seine Fähigkeit ein wundersam ausgeprägtes Karten und Orientierungsregister war, zu Wort. „Es sollte nur noch ein paar Stunden dauern." Landkarte fröstelte und sein Atem bildete kleine weiße Wölkchen, die hoch in den grauen Himmel schwebten. „Und dann wären wir wo?" Ich zog meine Jacke noch etwas weiter zu und rückte meine Mütze zurecht, die durch den eisigen Wind verrutscht war. „Im dunklen Königreich." „Wir sollten einen Plan machen. Wir können doch nicht ohne Plan ins dunkle Königreich gehen. Die töten uns sofort!" Alle waren stehengeblieben und sahen Miron an. „Ja. Das hatte ich bis jetzt erfolgreich verdrängt", sagte ich beleidigt, „nur ich kann gehen. Ihr Anderen werdet getötet, sie erkennen euch an den weißen Flügeln." „Kommt gar nicht in...", fing Fiona an, doch Miron hielt sie zurück. „Sie hat recht. Wir sollten uns verstecken und nur im Notfall zur Hilfe kommen." „Aber...", fing auch Grace an, doch ein Krieger hielt ihr eine Hand auf die Schulter und die sonst so unaufhaltsame Grace verstummte. Waren Hymna und ich jetzt etwa die Einzigen, die keine Beziehung hatten? „Aber wo..?" Fragte Hymna und beantwortete meinen Blick auf Graces Schulter mit einem aufmunternden Lächeln. „Es wird wohl kaum jemand zu uns kommen und sagen „Hey, ich hab ein Haus frei und lasse mich gerne von Titania töten, also kommt her Eindringlinge, was mein ist, ist euer!", spöttisch zog sie eine Augenbraue hoch. „Wen kennen wir im dunklen Königreich?" Jose überlegte fieberhaft. Ich sah Grace an, die langsam aber sicher meine Gedanken zu lesen begann. „Genial!", rief sie aus. „Du sollst meine Gedanken in Ruhe lassen, Grace!", ich seufzte. „Das ist eine schreckliche Idee, eine ganz und gar grauenvolle!" Doch trotz meines Schlechtmachens, sprach sie es laut aus. „Jonathan!" „Jonathan?", wiederholten Miron, Zac, Blue und ein paar nicht so stille Krieger im Chor. „Jonathan!", wiederholten jetzt auch Jose und Hymna. „Er weiß nicht mal, dass ich existiere!", versuchte ich sie weiter davon abzuhalten. Vergebens, denn wenig später wurde, die vom Zaubertrank beschwipste, Grace unsere neue Landkarte.
813 Reads! Omg. Ihr seid wirklich der Hammer!!
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