Kapitel 17


Kapitel 17

Von außen klopfte wieder einmal jemand gegen meine Blüte. Es fühlte sich an, als hätte ich gerade einmal zwei Stunden geschlafen. Müde öffnete ich ein Blütenblatt, das wie ein Tor einer Burg auf den Boden fiel. Vor der Blüte stand Blue und tappte unschlüssig vom einen Bein aufs Andere. „Was gibt's?", fragte ich und unterdrückte ein Gähnen. „Ähh. Du solltest dich langsam fertig machen. Bald reiten wir ins Schloss." Verwirrt sah ich an ihm vorbei ins Dunkle. „Blue. Es ist mitten in der Nacht." Er nickte übermütig. „Ja, ich weiß. Beeil dich, damit wir übermorgenfrüh im Schloss sind." Er drehte sich um und ich fiel wieder ins Bett. Anscheinend hatte ich vergessen, die Blüte zu schließen, denn Sekunden später schüttelte Blue das Glühwürmchen und sagte entsetzt: „Mona! Du musst dich beeilen!" Er riss mir meine Bettdecke weg und zwang mich somit aufzustehen. Langsam trottete ich zu einem Blütenblatt an der Wand und ging hindurch, so wie es Felicity mir gezeigt hatte. Fiona hatte mir gestern nämlich erzählt, dass Feen durchaus wussten, dass es so etwas wie ein Badezimmer gab. Zum Glück, ich zog es nämlich nicht vor, nackt in einem See zu Baden oder so. In der Mitte des kleinen Zimmers stand eine riesige Nussschale, die wohl als Badewanne dienen sollte. An der Wand wuchs eine große rosafarbene Blume, die den Kopf so senkte, dass sie mich wirklich an eine Dusche erinnerte. Sie besaß sogar zwei Blätter, die man drehen konnte! Böser Fehler: Sofort ergoss sich ein sanfter Strahl Wasser über mich und meinen scheußlichen Schlafanzug. Jetzt hatte ich wenigstens eine Ausrede, um ihn wenigstens im Schloss nicht anzuziehen. Schnell duschte ich mich und zog einen wunderbar flauschigen Bademantel an. Langsam wurde ich wach. Eine typisch menschliche Toilette gab es auch, nur dass diese hier aus Holz gefertigt war. Ich machte mich in Windeseile fertig. Auf meinem Bett lag der kleine Beutel, den ich von Felicity bekommen hatte. Auf einem beiliegenden Zettel las ich: Guten Morgen Mona! Packe deine liebsten Sachen ein, das Nötigste findest du allerdings auch im Schloss.

Unterzeichnet hatte Silvana. Schnell packte ich das Buch und etwas Make-up ein. Falls ich etwas vergessen sollte, würde ich es einfach herzaubern. Das Armband und die Kette, waren meine wichtigsten Besitztümer, aber die trug ich immer bei mir. Mit gepackter Tasche und einem unaufhaltsamen Kribbel der Neugierde im Bauch, flog ich zum Stamm des Hauptbaumes, wo die Einhörner, Silvana, Josephine, Fiona und Grace schon warteten. Zac lehnte sich lässig an den Baumstamm und zwinkerte mir zu. Wie gerne hätte ich die Augen verdreht! Eine kutschenartige Trage in weiß, mit Samtvorhängen und silbernen Verschnörkelungen stand neben einer Gruppe Krieger. „Das dürfte dann wohl das Verkehrsmittel sein, mit dem Silvana reist", flüsterte mir Grace mit rollenden Augen zu. „Sie ist die Königin", flüstere ich vorwurfsvoll zurück. Blue kam –gehetzt wie immer- angeflogen. „Der Proviant ist gepackt und die Einhörner sind für eine Woche satt gezaubert!" Er schwang sich auf ein dunkelblaues Einhorn, das wirklich vortrefflich zu ihm passte, und schaute erwartungsvoll in die Runde. Auch die Anderen stiegen auf ihre Tiere und umkreist von Silvanas Wachmännern sprangen wir in die Lüfte. So hoch, dass ich die Feen nur noch in Ameisengröße, und den Wald als einen großen lilafarbenen Fleck sah.

Grace holte zittrig Luft, behielt aber die Kontrolle. Fiona strahlte übers ganze Gesicht und Silvanas Wachen schauten genauso unerreichbar drein, wie immer. An der Spitze flog Blue. Er leitete uns vorbei an vielen anderen Wäldern, mit Feen, die für die unterschiedlichsten Dinge bekannt waren. Ich sah Wälder in Form von hell- und dunkelblauen, roten, gelben, orangenen und ganz klassischen grünen Flecken. Die Feenwelt war groß, größer als man erwartet, wenn man von Wäldern als Dörfer für Feen redete. Wir schwebten vorbei an unzähligen Seen und Flüssen, die als Blick aus der Höhe ein wundersames Muster ergaben. Dieses Muster erinnerte mich an die Hieroglyphen aus meinem Buch. Was hätte ich dafür getan, es schnell hervorzuholen und das seltsame Bild aus Wasser nachzuschlagen. Aber das ging nicht. Schließlich ritt ich gerade auf einem Einhorn und wurde von zwei dutzend Männern beobachtet. Wir flogen noch etwas höher. Ich näherte mich einer schneeweißen Wolke. Fiona flog dicht neben mir, sie streckte ihre Hand aus und berührte das riesige Bündel aus zuckerwatteartigen Fäden. Ich machte es ihr nach, es kitzelte ein bisschen. Man könnte es mit dem Griff in ein Schaumbad vergleichen. Doch das wäre maßlos untertrieben gewesen. Es ging weiter und aus beginnendem Tag, wurde endende Nacht. Meine Müdigkeit konnte ich nun nicht länger unterdrücken und auch Grace fielen immer wieder die Augen zu. Fiona lag schon mehr auf ihrem Einhorn, als zu sitzen und schien nicht mehr wach zu sein. Die Krieger, die uns umgaben, wiesen nicht einen Hauch von Müdigkeit auf. „Können wir einfach einschlafen", fragte ich einen Wächter, der neben mir flog. „Du kannst schlafen, wir passen auf. Aber in deiner Tasche findest du ein Seil, binde dich um den Bauch deines Einhorns, damit du nicht runterfällst." „Ich danke ihnen." „Ihnen? Ich allein habe dir diese Frage gestellt." Verwirrt sah er mich an. „Entschuldigung. Eine Angewohnheit aus der Menschenwelt. Man nennt Fremde und Hochgeborene anstelle von einem „du" so." „Hier kommt es nicht auf den Geldstand an. Hier entscheidet nur das Blut." Etwas ratlos nickte ich. Auch er senkte den Kopf und ritt dann ungestört weiter durch den Himmel. Ich holte das Seil aus der Tasche und band es mir um. Dann befestigte ich es an der Unterseite von Calis Bauch. Grace machte das Gleiche und sicherte auch Fiona. Dann fiel auch ich in den Schlaf.

Durch ruckartige Bewegungen wachte ich auf. Meine Augen waren noch geschlossen, aber ich war wach genug um zu merken, dass ich nicht mehr auf Caliphas Rücken saß. Schnell riss ich die Augen auf. Ich schaute hinab. Unter mir war ein riesiges Meer. Weit unter mir. Ich war immer noch auf der selben Höhe, wie die Wolken. Ich sah nach oben und atmete erst einmal aus. Erleichtert zog ich mich an dem Seil nach oben, das mich an Calis Bauch festhielt. Mit aller Kraft schwang ich mich wieder auf den Rücken des Einhorns und sah mich um. Fionas und Graces Einhörner flogen direkt nebeneinander. Sie saßen seitwärts auf ihnen und frühstückten. Josephine schwebte vorne neben Blue. Mit einer knappen Bewegung meines Beines, gesellten sich auch Cali und ich zu ihnen. „Guten Morgen, Mondschein!", rief Fiona mit vollem Mund. „Wie weit sind wir?", fragte ich und nahm mir etwas von ihrem Kürbisbrot. „Heute Nacht kommen wir an. Aber wir sind ja schon über dem Neverending-Sea. Vielleicht also auch früher." „Neverending-Sea?" Grace verdrehte mal wieder die Augen: „Was lernt n' ihr in dem Kasten? The Neverending-Sea ist das Meer, auf dem sich Silvanas Schloss befindet. Das nie endende Meer." Fiona führte die Erklärung weiter fort. „Es wird durch königliches Blut geöffnet und wächst in Perlenglanz aus dem glitzernden Wasser." Sie seufzte glücklich. „Und ich darf es betreten!" Sie strahlte übers ganze Gesicht und nippte an ihrem Kräutertee. „Wo ist Titanias Schloss?", fragte ich neugierig. Fiona verschluckte sich an ihrem Tee und senkte die Stimme. In ihrem Gesicht war nichts mehr von Freude und Glück zu sehen. „Es gibt viele Legenden über das Schloss der dunklen Königin. Eine Karte, auf der es eingezeichnet ist, existiert nicht. Man sagt, dass es am anderen Ende der Feenwelt sei.  Der Punkt, an dem es am weitesten von Silvanas Schloss entfernt wäre." „Und woher weiß ich, wann ich das dunkle Königreich betrete?" „Es ist das Land der nie endenden Nacht. Der Mond verlässt niemals seinen Platzt und die Sonne ist verbannt. Du spürst es, wenn du die Grenze zur dunklen Welt überschreitest. Dort regieren Hass und Traurigkeit. Die Königin herrscht über alles. Die Bewohner ängstigen sich vor ihrer Königin! Kannst du dir das vorstellen?" Sie schaute Grace an, die nicht einmal einen blöden Spruch zu Fionas Geschichte gesagt hatte, so wie sie es sonst immer tat. Sie zuckt mit den Schultern. Aber zuerst nie endendes Meer und jetzt nie endende Nacht? Die Feen waren so dramatisch! „Kann schon sein. Vor dem, was über Titania in unseren Büchern steht, kann man sich nur fürchten." „Was steht denn in den Büchern?" Fiona setzte gerade an, zu erzählen, als Silvanas mächtige Stimme hinter uns ertönte. „Meine Damen. Ich freue mich, dass ihr euch so gut versteht. Ihr könnt euch langsam fertig machen. Wir werden in Kürze unser Ziel erreichen." „Aber ich sehe das Schloss noch gar nicht", sagte ich verwundert. Leise wiederholte Fiona einen Satz, der anscheinend aus einem Lehrbuch stammte: „Es wird durch königliches Blut geöffnet und wächst in Perlenglanz aus dem glitzernden Wasser." „Genau Fiona. Das Schloss befindet sich zu unserem Schutz unter Wasser. Wenn ich es rufe, erscheint es auf einem Berg aus Kristall." Ohne ein weiteres Wort, und als wäre dieser Satz das normalste auf der Welt gewesen, stieg Silvana wieder in ihre Kutsche und wir waren alleine. Natürlich wusste jetzt keiner von uns mehr, was wir eben noch hatten bereden wollen. So manipulativ hätte ich Silvana nicht eingeschätzt.

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