Kapitel 13

Kapitel 13

Felicity zog mich zur Seite. „Was hast du da eben mit deinen Flügeln gemacht?" Sie sah schockiert aus. „Keine Ahnung, ist einfach so passiert." Eigentlich war das ja auch die Wahrheit. Dass ich das Gespräch zwischen ihr und Silvana mitgehört hatte, musste ich ihr ja nicht unter die Nase reiben. „Wie das ist einfach so passiert? Willst du mir erzählen, dass du einfach auf dem Weg zum Abendessen warst, als deine Flügel anfingen zu leuchten?" Mit einem hysterischen Lachen musterte sie mich. „Eine Fee verändert nicht einfach so ihre Flügel. Es ist ein Geschenk ihres Zeichens. Prinzessinnen verändern ihre Flügel, wenn sie gekrönt werden. Du wurdest erst vor ein paar Tagen verwandelt. Du kannst deine Flügel nicht verändern!" Es kam mir eher so vor, als würde Felicity mit sich selbst reden. Als müsse sie sich überzeugen, dass sie einfach nur träumte und gleich wieder aufwachen würde. „Ich könnte das Buch fragen", murmelte ich anscheinend zu laut, denn sofort schoss Felicity zurück: „Welches Buch?" Anstelle ihr zu antworten, packte ich die protestierende Fee und zog sie in meine Blüte. Schnell klopfte ich gegen das Glas des Glühwürmchens um in der stockdunklen Blüte wenigstens etwas zu sehen. Hektisch flog ich zu meinem Bett und wühlte in der Tasche. Erleichtert zog ich das antike Buch meiner Großmutter heraus und schlug es auf. Aber durch meine kleine Feen-Hand veränderte es sich nicht. Es war nur auf eine für Feen geeignete Größe geschrumpft. Die gleichen Runen tauchten auf, die auch schon durch meine Menschenhand erschienen waren. Sie tanzten über das vergilbte Papier und wurden zu Texten auf den ausgefransten Seiten. Mit großen Augen betrachtete mich Felicity während ich mit voller Konzentration versuchte etwas über die Flügel einer Fee herauszufinden. Ein Gefühl leitete mich zur richtigen Seite. „Aha!" ich las schnell den kurzen Text auf der Seite. „Hier steht, dass nur Flügel einer Fee königlichen Blutes verändert werden können. Diese Verwandlung verheißt Neuanfang und Neufindung. Man verändert auch sein Inneres. Wenn eine Fee eine Verwandlung durchlebt, erlangt sie meist neue Fähigkeiten, wird mächtiger und stärker. Bei schwachen Feen kann eine Verwandlung allerdings tödlich sein. Sie überleben die Schmerzen und Krankheiten, die auf eine Verwandlung folgen nur selten. Wenn eine Fee Schmerzen verspürt, kann Wasser mit Mondsteinelixier helfen." „Nichts, was ich nicht schon wüsste", murmelte Felicity und strich vorsichtig über das Buch. Sofort wurde es wieder zu dem Kinder-Buch, das Levin kannte. Verwundert zuckte Felicity zurück. „Es nimmt nur bei mir seine wahre Gestalt an." Ich spürte, wie wahr die Worte waren, als ich sie aussprach. „So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen." Mit großen Augen betrachtete sie das Buch. „Ja, und das von einer Fee mit Zauberkräften zu hören ist wirklich überwältigend." Sie knuffte mich freundschaftlich in die Seite. Wir liefen zu dem kleinen Tisch mit den Stühlen und setzten uns. Mit einer Handbewegung tauchte ein Teeservice auf und wir kochten uns einen Tee. Vergaßen das Abendessen und dass Silvana wahrscheinlich ganz Ralantia nach uns absuchen ließ. All das hatte eine sehr beruhigende Atmosphäre, die mich mein Heimweh und all meine Sorgen vergessen ließ. Wie dumm es von mir gewesen war, zu glauben, dass ich alle Probleme vergessen könnte, obwohl die Wesentlichen noch nicht mal begonnen hatten.

„Silvana möchte dich ins dunkle Königreich schicken." Platzte Felicity plötzlich heraus. Obwohl ich gerne das Gegenteil behauptet hätte, antwortete ich: „Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Wie sonst sollte ich Titania besiegen?" „Ich dachte, du würdest schlimmer reagieren." „Ich hab mich nicht drauf vorbereitet, aber in meinem Innern wusste ich es." „Das ist gut. Silvana möchte dich testen. Deine Fähigkeiten trainieren lassen." Ich nickte und stellte die hübsche Teetasse wieder auf den Tisch. „Werde ich alleine gehen?" Ich wollte gar nicht fragen, ich konnte es mir schon denken. Nur ich konnte Titania besiegen. „Nein! Um Himmels Willen! Wir werden dir eine kleine Gruppe von wichtigen Personen zusammenstellen, die dir helfen." Überrascht naschte ich von den Obsthäppchen, die neben der Teekanne standen und wendete mich wieder Felicity zu. „Das heißt ich werde nicht allein aufbrechen? Darf ich mir die Personen selbst aussuchen?" „Ja. Aber ich werde dir helfen." „Machen wir dann eine Art Casting? Wie bei Topmodel!" Ich sah sie an und wir mussten lachen. „Ja, so könnte man es nennen." Sie lächelte. „Wirst du mitkommen?" Ihr Lächeln verblasste und sie stand auf. „Wir werden sehen." „Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte." Das Zittern in meiner Stimme ließ meine Flügel gefährlich leuchten. „Mona", sie strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, so wie es meine Mutter getan hatte, als ich ein kleines Kind gewesen war. Sofort bekam ich Heimweh, was meine Flügel traurig hängen ließ. „Ich werde dir eine gute Gruppe von Feen zusammenstellen. Aber ich werde hier nicht weg können." „Wieso nicht?" „Mein Laden." Sie versuchte, in meinen Augen Verständnis zu finden, traf aber nur auf von Wut überspielte Traurigkeit und Selbstzweifel. „Dein Laden ist also wichtiger, als der Kampf gegen die dunkle Königin?" Meine Flügel entfalteten sich und verliehen meinen Worten Macht. „Du nähst lieber Knöpfe an Stofffetzen, als unzählige Leben zu retten?" Ich machte einen Schritt auf sie zu, sie einen zurück. „Verfalle nicht dem Bösen, meine Retterin." Sie schüttelte verständnislos den Kopf und verschwand hinaus in die Dunkelheit. Sie ließ mich mit glitzernden Augen und verlorenem Selbstbewusstsein zurück. Ich schüttete meine Handtasche aus und war heilfroh, dass ich ein gutes Buch mitgenommen habe. Mit besagtem Buch kuschelte ich mich in mein Bett und verfiel der Fantasy-Welt von Harry Potter. Ich las die Bücher seit ich acht Jahre alt war immer wieder. Ich liebte sie einfach. Sie hatten mir geholfen meine Grundschule zu überstehen. Damals hatte meine Mutter nämlich ihren damaligen Freund verlassen. Er hatte sehr an meiner Mutter gehangen und hatte sie noch Monate nach der Trennung verfolgt. Er hatte bei uns geklingelt und war in meiner Grundschule aufgetaucht, hatte mich mit zu ihm nach Hause nehmen wollen. Als meine Mutter davon erfahren hatte wurde alles um geplant. Wir hatten unsere Telefonnummer geändert und waren weggezogen von der gewohnten Großstadt in ein riesiges Haus in einem weit entfernten Dorf. Meine Oma war damals mit uns gekommen und hatte sich ein Haus in unserer Nähe gesucht. Mum hatte mich in der Grundschule angemeldet und sich dabei in meinen ehemaligen Deutschlehrer verliebt. Er war nach ein paar Monaten bei uns zu Hause eingezogen und wenig später war Mum mit meinem kleinen Bruder schwanger gewesen. Sie hatte sich ein neues Leben aufgebaut und ihren Stalker vergessen. Bei all diesen Erlebnissen war ich jeden Abend unendlich dankbar gewesen, dass ich mich in ein Bett legen und meine Harry Potter Bücher lesen konnte. Sie trösteten und erinnerten mich an viele schreckliche aber auch schöne Dinge. Also fing ich an, zu lesen.

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