Unsichtbare Blicke
Und siehe da: Ein neues Kapitel ohne zwei Monate Pause :D Ich bin selbst ein wenig überrascht. Diesmal sogar wie versprochen mit einem kleinen Sirius Anhang, für alle die ihn schon vermissen ;)
Ich hoffe es gefällt euch und wünsche allen ein entspanntes Wochenende,
lg. magicstarlight
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Unsichtbare Blicke
Der letzte Morgen im Fuchsbau war so chaotisch, wie es sich für eine Abreise bei den Weasleys gehörte. Bis alle Koffer unten in der Küche standen, war es schon wieder elf Uhr und Mrs Weasley war bereits mit den Nerven am Ende, obwohl ihr noch ein ganzer Tag voller Schuleinkäufe bevorstand. Mr Weasley war bereits wieder im Ministerium und würde erst am Abend zu uns in den Tropfenden Kessel kommen, weshalb sie völlig auf sich allein gestellt war und besonders gereizt auf alles reagierte.
„Wir reisen mit Flopulver“, erklärte Mrs Weasley unnötiger Weise, als endlich alle in der Küche zusammengedrängt stand. „Da wir ja leider kein Auto mehr haben ...“ Rons Kopf lief scharlachrot an. „... muss es eben so funktionieren.“ Irgendwie erinnerte die ganze Situation sehr an unsere Abreise nach Ägypten, nur dass wir da noch mehr Leute gewesen waren.
Ron warf einen Blick auf die Uhr, die auf dem Kamin stand. „Wir müssen langsam los, Mum, Hermine hat gesagt, dass sie um elf im Tropfenden Kessel auf uns wartet.“
„Nun gut, Ron, wer geht zuerst?“
Innerhalb weniger Augenblicke verschwanden wir einer nach dem anderen in smaragdgrünen Flammen. Nach dem wir zwei Mal die Strecke Ägypten-England per Flopulver gereist waren, war die Reise zum Tropfenden Kessel angenehm kurz. Ich landete sogar einmal ausnahmsweise ohne zu stürzen außerhalb des Kamins im Gasthaus und fand mich beinahe augenblicklich in einer Umarmung Hermines wieder.
„Oh Adriana … wie geht es dir?“
Überrumpelt starrte ich ihr ins besorgte Gesicht. „Äh … Ich freu mich auch, dich zu sehen, Hermine.“
Sie winkte ab. „Ach, du musst mir später alles ganz genau erzählen. Ich bin beinahe verrückt geworden, als ich alle diese Artikel im Tagespropheten gelesen habe. Du musst jetzt unglaublich vorsichtig sein, kaum zu glauben, dass sie ihn noch nicht gefasst haben ...“ Sie hätte sicherlich noch ewig so weiter geredet, wenn nicht just in diesem Moment Ron aus den grünen Flammen gestiegen werde. Hermine schaute mich fragend an und ich schüttelte hastig den Kopf, ehe ich beseite trat, damit sich die beiden Freunde begrüßen konnten.
„Hast du schon irgendwo Harry gesehen?“, fragte Ron sofort, doch Hermine schüttelte nur den Kopf.
„Ich habe schon den Wirt gefragt und der hat gesagt, Harry ist gerade unterwegs. Müsst ihr auch noch alle eure Hogwartssachen für dieses Jahr besorgen?“
Ich nickte. „Wir waren nur vor Ägypten einmal kurz hier, um alles nötige einzukaufen, aber da hatten wir ja die Hogwartsbriefe noch nicht.“
„Apropos Ägypten“, begann Hermine, als gerade die Zwillinge mit gerade mal zwei Sekunden abstand aus dem Kamin kamen. „Wie wars?“
„Unglaublich!“, kam es von Ron und mir zugleich.
„Redet ihr über Ägypten?“, fragte Fred vergnügt. „Denn es war mehr als nur unglaublich. Glaubt mir, irgendwann müssen wir da noch einmal hin.“
„Wie war Frankreich?“, fragte ich zurück und Hermine begann übers ganze Gesicht zu strahlen. „Es war wirklich unheimlich interessant und das Wetter war so warm und sonnig, ich musste mich erst wieder an britische Regenschauer gewöhnen.“
„Wem sagst du das ...“, stöhnten die Zwillinge.
Sobald alle wieder beisammen waren, bezogen wir die Zimmer. Damit Hermine, Ginny und ich in einem Zimmer schlafen konnten und keiner ein Einzelzimmer nehmen musste, half uns Tom der Wirt kurzerhand dabei, eines der Betten aus dem Nebenzimmer herbei zu hieven. Sonst blieb es alles wie gehabt. Mr und Mrs Weasley bekamen ein gemeinsames Zimmer, ebenso wie Fred und George und – was auf wenig Begeisterung traf – Ron und Percy. Ron wollte, wie er es ausdrückte lieber ' mit einem Ghul ein Zimmer teilen' als mit Percy, während der ältere Bruder felsenfest davon überzeugt gewesen war, dass er als Schulsprecher nun ein Einzelzimmer bekommen würde. Doch bei Mrs Weasley trafen beide mit ihren Forderungen auf eine undurchdringliche Wand, so dass sie es schließlich aufgaben und grummelnd ihr Doppelzimmer bezogen.
„Brauchst du fürs nächste Jahr auch so viele Bücher?“, fragte ich Hermine beiläufig, während wir das wenige, was wir heute benötigen würden, aus den Koffern räumten.
Sie seufzte. „Und wie. Mum und Dad haben mir sogar ein bisschen mehr Geld gegeben, damit es für alles reicht. Kommst du später kurz mit nach Gringotts? Ich muss noch die Pfund wechseln, bevor wir einkaufen.“
„Na klar, ich brauch auch noch ein paar Galleonen. Hoffentlich reicht das Geld noch eine Weile. Ich will nicht wieder welches von ihm bekommen.“
Sie warf mir einen geschockten Blick zu. „Er hat dir Geld geschickt?“
„Ja, so wie er mir auch andauernd Geschenke zu Weihnachten geschickt hat. Davon habe ich dir ja erzählt. Ich hoffe, jetzt wo er auf der Flucht ist, wird es noch schwieriger für ihn, unbemerkt solche Sachen zu verschicken.“ Daraufhin erwiderte sie nichts weiter und warf mir nur hin und wieder besorgte Blicke zu.
„Machst du dir große Sorgen?“, fragte sie schließlich nach einigen Minuten der Stille.
„Auch ...“, gestand ich.
„Auch?“
„Vor allem bin ich unglaublich wütend, dass er mir das antut ...“ Ohne es zu wollen, wurde meine Stimme lauter. „Er schafft es einfach immer wieder, mein Leben zu versauen. Und jetzt, jetzt verdächtigt mich auch noch das Ministerium, es ist einfach unglaublich frustrierend.“
Sie runzelte die Stirn und ließ den Pullover, den sie gerade aus ihrem Koffer geholt hatte zurücksinken. „Wie meinst du das mit dem Ministerium?“
Kurzerhand erzählte ich ihr die Kurzfassung von dem, was ich von Dora erfahren hatte, woraufhin sie mich mit offenem Mund anstarrte. „Nicht dein Ernst!“
„Leider doch. Scheinbar brauchen sie irgendwen als Schuldigen, damit sie nicht als völlig unfähig angesehen werden.“
„Das ist ja unerhört“, ereiferte sie sich weiter, doch ich winkte nur ab.
„Ich werde einfach versuchen, dieses Jahr besonders vorsichtig zu sein, dann kommt weder Black an mich heran, noch brauche ich irgendetwas vom Ministerium befürchten.“
Hermine lachte leise. „Als ob es funktionieren würde, wenn wir uns sowas vornehmen. Irgendwas passiert in Hogwarts immer.“
Da hatte sie wohl recht. Ich erwiderte ihr Lachen und versuchte die düsteren Gedanken auf später zu verschieben, als Ginny den Kopf zur Tür hereinstreckte. „Hey, was gibt es hier zu lachen? Ich will mitlachen! … Was auch immer. Ihr sollt langsam runterkommen, wir wollen los, damit wir heute noch alles zusammenbekommen.“
Als wir unten ankommen, standen bereits alle anderen bereit und Mrs Weasley scheuchte uns augenblicklich in den kleinen Hinterhof des Tropfenden Kessels, wo wir durch den geheimen Eingang in die Winkelgasse traten.
Die eng gewundene Gasse war so voll und belebt wie immer. Der helle Eindruck wurde lediglich durch die Fahndungsplakate gedrübt, von denen beinahe überall das ausgezehrte Gesicht meines Vaters auf die Passanten hinabblickte. Die Augen vernebelt vom Irrsinn und den Mund zu einem schrecklichen Lachen verzogen. Ich bemühte mich stets, an ihnen vorbei zusehen … so gut es eben ging, wenn er überall war.
Während Hermine an einem der Schalter in Gringotts ihr Muggelgeld bei einem griesgrämigen Kobold gegen Galleonen eintauschte, fuhr ich mit den Weasleys erst zu ihrem und dann zu meinem Verließ. Viel war in diesem tatsächlich nicht zu finden, aber es würde noch eine Weile reichen müssen, also nahm ich nur das Nötigste.
Als wir endlich wieder an der Oberfläche angekommen waren, begann der Einkaufstripp durch die Winkelgasse und auch wenn ich dieses Mal nur wenig Geld dabei hatte, war es trotzdem lustig die bunten Auslagen der Läden zu betrachten.
Vor Flourish & Blotts zog Hermine ihre zusammengefaltete Bücherliste aus der Tasche und was mir zuerst ins Auge stach war, dass es zwei Blätter waren.
„Äh … Hermine?“ Verwirrt schaute ich ihr über die Schulter. „Warum musst du das alles kaufen?“
Sie lachte und reichte mir die zwei Bätter, damit ich sie ungläubig betrachten konnte. „Das sind einfach meine Schulbücher. Ich habe dir ja gesagt, dass es dieses Jahr eine ganze Menge sind. Später muss ich dann wohl erstmal gucken, wie ich sie alle in den Koffer bekomme. Er wird sicher unglaublich schwer.“ Sie seufzte.
„Hermine ...“, stöhnte Ron. „Du hast ja genau soviel Bücher auf deiner Liste wie Percy und der bereitet sich bereits die ganzen Ferien lang auf seine UTZs vor.
„Na und? Schaden kann es ja wohl kaum, wenn ich mich in den nächsten jahren ein paar mehr Fachgebieten zuwende als du.“
Ein paar mehr war tatsächlich eine Untertreibung. Neben den sechs Büchern, die ich bereits auf meiner Einkaufsliste gefunden hatte, waren da auch noch 'Häusliches Leben und gesellschaftliche Sitten britischer Muggel' von Wilhelm Wigworthy, 'Zaubermanns Silbentabelle', 'Runenübersetzung für Anfänger' von Gulbert Groomes und 'Historische Hintergründe alter Runenschrift' von Simonean Stemmler.
„Braucht ihr auch das Monsterbuch der Monster?“, fragte George stirnrunzelnd in die Runde. Bis auf Ginny und Percy nickten alle zustimmend. „Na dann ...“ Er warf uns ein schiefes Grinsen zu. „Das wird bestimmt lustig!“
„Warum?“, hackte Ginny sofort nach und die Zwillinge deuteten breit grinsend auf das Schaufenster des Buchladens, indem ein riesiger Käfig mit Büchern stand. Allerdings erkannte man erst auf den zweiten Blick, dass es Bücher waren, weil diese damit beschäftigt waren, sich gegenseitig zu schnappen und zu zerfetzen. Überall schwirrte Papier durch den Käfig und einige der unterlegenen Bücher sahen irgendwie nicht mehr sonderlich verkäuflich aus.
Auf einem großen Schild über dem Käfig stand: 'Das Monsterbuch der Monster - Neu im Sortiment!' Und mit Tinte war 'Jetzt zum halben Preis' daneben gekritzelt worden.
„Oh … ich will auch so eins, Mum!“
Mrs Weasley schaute ihre Tochter entgeistert an. „Ganz bestimmt nicht Ginny! Wir kaufen dir die Bücher, die auf deiner Liste stehen.“
„Das ist unfair! Alle bekommen solche niedlichen Bücher und ich gehe wieder leer aus“, beschwerte sich die einzige Weasley-Tochter mit unversöhnlichem Gesichtsausdruck.
„Niedlich?“, fragte Hermine, wobei sie ihren geschockten Blick nicht vom Schaufenster wenden konnte.
„Ich bekomme auch kein solches Buch, Ginny und ich bin darüber mehr als froh“, versuchte Percy zu vermitteln, was ihm nur ein Augenverdrehen seiner Schwester einhandelte.
„Ach Perc, du zählst nicht. Also Mum, bitte!“
„Nein Ginny. Du kannst dir ja Rons Buch anschauen, wenn du willst.“
Mit einer schmollenden Ginny im Schlepptau betraten wir den Buchladen, der vom Schnappen und Rascheln der Monsterbücher erfüllt war. Der Verkäufer, ein kleiner Mann mit lichtem Haar, starrte uns entsetzt an.
„Bitte, bei Merlin, sagt mir nicht, dass ihr alle Monsterbücher braucht“, brachte er entsetzt hervor und für einen Moment lang war ich mir sicher, dass er in Tränen ausbrechen würde, so verzweifelt schaute er drein.
„Nicht alle“, sagte Mrs Weasley schnell. „Wir brauchen nur … eins, zwei … fünf Stück, bitte.“
„Fünf“, echote der Mann unglücklich. „Na wenn es denn sein muss, dann bin ich sie mindestens los. Blöde Viecher.“ Er bewaffnete sich mit dicken Handschuhen, die ein wenig nach Backhandschuhen aussahen, und einem langen Stock, ehe er sich dem Bücher-Gemetzel im Käfig zuwandte. Vorsichtig öffnete er die Käfigtür und drehte sich dann noch hastig zu uns herum. „Ach ja, könnte einer von ihnen mir vielleicht die Lederstreifen reichen, die dort auf dem Schreibtisch liegen? Wir müssen den Dingern einen provisorischen Maulkorb verpassen, sonst zerfetzen sie ihnen die restlichen Einkäufe.“
Hilfsbereit wie sie war, ging Mrs Weasley dem Verkäufer zur Hand, während dieser einen scheinbar einstudierten Text herunterrasselte. „Der Hersteller garantiert, dass die Bänder fünf Tage lang halten. Wir dauerhaften Schutz empfehlen wir daher Gürtel oder unzerreißbare Runenbänder. Haftung für zerstörtes Eigentum jeglicher Art übernimmt Flourish & Blotts verständlicherweise nicht. Die Monsterbücher sind von der sonst üblichen Umtauschregel ausgeschlossen! So ...“
Nachdem fünf Monsterbücher für einige Sekunden ihre temporäre Freiheit genossen hatten, ließ sich der Verkäufer von einem nach dem andere die Bücherlisten vorlesen, wobei er bei Hermine deutlich länger brauchte als bei den anderen.
„Oh schau mal, es hat sogar kleine Augen!“, rief Ginny entzückt, während der Mann mit Hermines Bücherliste von einem Regal zum nächsten eilte. Sie deutete auf das gefesselte Monsterbuch, das Ron ganz oben auf seinem Bücherstapel balancierte.
„Oh wie wunderbar, es kann sogar genau planen, wohin es mich beißt“, erwiderte Ron wenig begeistert. „Ich habe echt keinen blassen Schimmer, wie wir die Dinger im Unterricht öffnen sollen, ohne dass die ganze Klasse danach im Krankenflügel landet.“
Seine Schwester schnaubte. „Du bist wirklich unfair, Ron. Diese Bücher sind sicherlich nur missverstanden. Und ich finde sie ganz reizend!“
„Du kannst ja gerne mit dem Teil kuscheln, wenn du willst“, bot er sarkastisch an. „Aber wenn du danach eine Kurzhaar-Frisur hast, dann bist du selber Schuld!“
„Hast du was gegen kurze Haare?“, fragte ich ihn grinsend, während Hermine einen ersten Stapel Bücher auf dem Schreibtisch abstellen musste, weil er zu schwer wurde.
„Nein, natürlich nicht!“, antwortete Ron schnell. „Ich meinte ja nur, dass ... - Hey!“ Ginny hatte ihrem Bruder blitzschnell das Buch vom Stapel geschnappt und fummelte nun den Knoten auf. „Lass das los zu!“
Sie ignorierte ihn grinsend und einen Augenblick später war das Monsterbuch der Monster frei. Allen machten sich auf das Unausweichliche gefasst, aber nichts da. Innerhalb weniger Sekunden lag das Ding schnurrend wie eine Katze in Ginnys Armen.
„Wie hast du das gemacht?“, keuchte Ron, doch seine Schwester schüttelte nur mit einem ziemlich fiesen Lächeln den Kopf.
„Das bleibt ein Geheimnis zwischen mir und dem Buch!“
„Ginny, du müsst es mir einfach verraten!“
Sie lachte. „Nichts da ... Darf ich deinem Buch eigentlich einen Namen geben, Ron? Ich finde 'Harry' wäre ein ganz wundervoller Name.“
Nach dieser Etappe des Einkaufs waren alle mit furchtbar schweren Beuteln beladen, aber am Ende waren wir noch lange nicht, also schoben wir uns schicksalsergeben und ächzend durch die anderen Einkaufenden in Richtung Ollivander's, wo Ron sich einen neuen Zauberstab zulegen wollte, nachdem sein alter nun völlig den Geist aufgegeben hatte.
Je näher wir dem Zauberstabladen jedoch kamen, desto unruhiger wurde ich. Zum ersten Mal stellte ich mir die Frage, was wohl Eridanus von seinem Bruder dachte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der geheimnisvolle Black mir etwas Böses wollte. Bei Merlin, wenn es so wäre, dann hätte er nun schon mehr als genug Möglichkeiten gehabt, um mich auszuschalten. Andererseits hatte ich die Geschenke meines Vaters von ihm bekommen und ich wusste noch immer nicht, ob Eridanus sie wirklich weitergeleitet oder selbst geschickt hatte.
Mein Blick wanderte über die Fenster über dem Geschäft. Bei allen waren dicke Vorhänge zugezogen, doch in dem Fenster ganz recht bewegte sich der Vorhang wie im Wind. Plötzlich erfüllte mich das Gefühl, beobachtet zu werden und ich packte Georges Arm.
„Was ist?“
„Ich habe keine Ahnung, aber ich will hier weg“, flüsterte ich ihm drängend zu.
Er starrte mich entgeistert an. „Was - ist - los?“
Kopfschüttelnd schaute ich wieder nach oben, wo man nicht mehr als die unschuldigen Vorhänge sah. „Ich weiß es nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir beobachtet werden.“
Nun schauten auch die Zwillinge misstrauisch nach oben, doch auch sie konnten nicht mehr sehen, als ich gesehen hatte.
„Mum?“, rief George kurzentschlossen. „Wie wär's, wenn wir schonmal weiter gehen? Ihr könnt ja zusammen den Zauberstab kaufen und wir sind schon mal zusammen bei Madam Malkin's.“
„Sie kann sowieso nicht von allen gleichzeitig die Maße nehmen, also können wir uns ja genauso gut aufteilen“, fügte Fred schnell hilfsbereit hinzu.
„Wisst ihr was, das ist tatsächlich keine schlechte Idee, ihr beiden“, stimmte ihre Mutter langsam zu. „Ja ... wir kommen euch dann gleich nach.“ Sie drückte Fred ein paar Sickel in die Hand. „Baut aber ja keinen Mist.“
„Aber Mum, warum sollten wir?“, fragte George mit gespielter Empörung. Er klang allerdings nur halb bei der Sache. Bevor seine Mutter etwas weiteres sagen konnte, schob er mich die Straße entlang und um die nächste Ecke herum, sodass Ollivander's nicht länger in Sicht war.
„Was war denn jetzt los?“, fragte Fred verwirrt, während er um die Ecke spähte und zusah, wie der Rest der Gruppe den Zauberstabladen betrat.
Ich konnte unterdessen nur hilflos mit den Schultern zucken. „Ganz ehrlich? Ich habe nicht den geringsten Schimmer, aber ich bin mir unglaublich sicher, dass uns jemand von den Fenstern über dem Laden aus beobachtet hat.“
„Denkst du, Eridanus möchte wieder was von dir?“, fragte George stirnrunzelnd.
„Keine Ahnung, aber wenn das Ministerium schon denkt, dass ich was mit der ganzen Ausbruchssache zutun habe, dann will ich bestimmt nicht, dass ein totgeglaubter mit mir Kontakt aufnimmt. Er soll bloß wegbleiben, bis sich das Ministerium wieder beruhigt hat.“
George murmelte etwas wie: „... er kann gerne auch sonst wegbleiben ...“, blieb ansonsten aber still und nickte nur. „Was denkst du Fred, was sollen wir jetzt machen?“
Fred zuckte mit den Schultern. „Also Madam Malkin's wäre wirklich gar keine schlechte Idee. Meine Umhänge waren Ende des letzten Jahres schon viel zu kurz, ich brauche unbedingt Neue. Was meinst du, Adi?“
„Ich glaube fast, meine Umhänge sind mittlerweile auch wieder zu kurz“, stimmte ich zu und zwang ein Lächeln auf meine Lippen. Damit war es beschlossen.
Trotzdem konnte ich auf dem Weg zur Schneiderei nicht umhin, mich andauernd nach unsichtbaren Beobachtern umzusehen.
Sirius Black stand im staubigen Obergeschoss des Zauberstabgeschäftes und starrte gedankenverloren an die gegenüberliegende Wand, die ihn mit ihrem dreckigen Grau kaum aufmuntern konnte. Er fühlte sich eingefercht, gefangen in den kleinen dreckigen Zimmern die aussahen, als wären sie nie zuvor bewohnt worden. Täglich saß er von morgens bis abends im Halbdunkel, weil er die Vorhänge aus Sicherheitsgründen nicht öffnen durfte. Für einen Mann, der zwölf modrige Jahre in Askaban verbracht hatte, war dies sicher eine Verbesserung … gleichzeitig sehnte sich seine Seele wie nie zuvor nach wirklicher, greifbarer Freiheit.
Von den Strapazen der Flucht hatte er sich schnell erholt. Der Moment, indem er hier erwacht war, würde für immer als eine seiner glücklichsten Erinnerungen gespeichert sein. Sollte er jemals wieder einem Dementor begegnen, dann wusste er genau, wie er seinen Patronus beschwören würde. Er würde die Augen schließen und daran denken, wie er sich gefühlt hatte … damals.
Er hatte die Augen aufgeschlagen und in die Sterne gestarrt … nun gut, es waren nicht die wirklichen Sterne gewesen, aber für diesen kurzen Moment war es nah genug an der Wirklichkeit gewesen.
Es war der dunkelblaue Stoff eines Himmelbettes gewesen. Jemand hatte ihn so verhext, dass man in ihm fremde Galaxien und Planeten sehen konnte und es gab tatsächlich nichts schöneres, als mit einem solchen Ausblick den Tag zu beginnen.
Nach den Sternen war ihm aufgefallen, dass zum ersten Mal in zwölf Jahren die Anwesenheit der Dementoren fehlte und die Erkenntnis war unvergleichbar gewesen. Er war frei. So frei, wie man eben sein konnte, wenn einen in Kürze das ganze Ministerium verfolgen würde. Und doch … er hatte es aus Askaban herausgeschafft und war seiner Rache und seiner Familie ein Stückchen näher gekommen.
In diesem Moment hatte er sich unbesiegbar gefühlt, auch wenn er in Wirklichkeit nicht einmal die Kraft gehabt hatte, um sich allein aufzusetzen. Dafür hatte er ja einen verschollenen großen Bruder, der sich mehr als fürsorglich darum gekümmert hatte, dass er wieder zu seiner alten Stärke zurückfand.
Und mit alter Stärke war die Zeit vor Askaban gemeint! Sirius Black war nicht länger ein Gefangener.
Zumindest hatte er das damals gedacht. Nun war er sich nicht mehr ganz so sicher.
Seufzend trat er an eines der Fenster und schob den Vorhang ein klein wenig zur Seite, um einen Blick auf die Straße zu erhaschen. Er war immer vorsichtig. Zwar schaute in der Regel niemand zu den Obergeschossen der Geschäfte hinauf, andererseits wollte er für einen einfachen Blick hinunter auf die Straße nicht seine neu-gewonnene Freiheit aufs Spiel setzen.
Es war der letzte Tag vor Schulbeginn und die Straßen waren zum Bersten voll mit Schülern und ihren Familien … so wie eigentlich auch schon die ganze vergangene Woche lang. Ab morgen würde es schlagartig ruhiger werden, das wusste er. Alle diese Kinder würden in Hogwarts sein. An einem Ort, an den er selbst erst noch einen Weg finden musste.
Selbstverständlich kannte er mehr als genug Geheimgänge in die Schule … oder besser, er wusste, wo vor vielen Jahren einmal welche gewesen waren. Trotzdem konnte er sich nicht sicher sein, wo die Dementoren aufgestellt werden würden, vor denen ihn Eridanus gewarnt hatte. Er erschauerte beim bloßen Gedanken daran. Es gab keine Kreaturen, die er mehr verabscheute.
Nichtsdestotrotz war er sich sicher, dass er einen Weg finden würde. Er war nun schon so unfassbar weit gekommen … da würde er auch noch diese letzte Hürde meistern. Für James und Lily … aber auch für Adriana und für seine verstorbene Frau, die er nie hatte heiraten können.
Doch wie auch bei allem anderen musste er sich auch hierbei Zeit lassen. Eridanus hatte ihn einen Narr genannt, weil er seinen Patensohn beobachtet hatte, kurz bevor dieser in den Fahrenden Ritter gestiegen war. Ja sicher, es war leichtsinnig gewesen, einfach so durch die Muggelstraßen zu spazieren, andererseits gab es keine bessere Verkleidung als seine Animagusgestalt. Man durfte nicht vergessen, dass er mit Hilfe des großen schwarzen Hundes sogar die Dementoren getäuscht hatte. Und auch wenn es sein Bruder natürlich nur gut meinte, musste er auch anmerken, dass er die meiste Zeit seines Lebens auch allein zurecht gekommen war …
Er schreckte aus seinen Gedanken auf, als er einen Haufen lauter Kinder mit ihrer Mutter die Straße hinabschlendern sah. Und er brauchte nur wenige Bruchteile einer Sekunde, um die Verbindung zu einem kleinen Zeitungsfoto zu ziehen, dass ihn schon einmal aus einer Art Depression zurückgeholt hatte. Es gab keinen Zweifel, spätestens als er das dunkelhaarige Mädchen in ihrer Mitte sah, dass sich gerade lachend das kurze Haar aus dem Gesicht strich.
Seine Finger begannen zu zittern, weshalb er mit ihnen fest den Fensterrahmen umklammerte. Doch es half nichts. Sie zitterten weiter. Nun bemerkte er auch, dass er geradezu keuchte und das auf der Treppe, die vom Laden hier herauf führte, schnelle Schritte näher kamen.
„Bruder?“
Er drehte sich nicht um. Wie konnte er auch? Er durfte keinen einzigen Augenblick verpassen, durfte nicht einmal blinzeln. Da unten war Adriana. Nicht mehr als ein paar Meter weiter unten, aber er war hier oben und durfte nicht nach unten. Es war ein irrsinniger Zufall, dass sie gerade jetzt vorbeikam, aber warum auch nicht.
„Bruder!“
Starke Arme packten seinen Oberkörper und rissen ihn vom Fenster weg, ehe er doch noch entdeckt werden konnte. Die Vorhänge fielen flatternd zurück an ihren Platz.
„Nicht jetzt Eridanus … da unten ist meine Tochter!“ Am Ende des Satzes brach seine Stimme und er konnte nur noch stumm auf das erneut abgedunkelte Zimmerfenster deuten.
„Sirius, reiß dich zusammen!“, zischte sein älterer Bruder beschwörend.
„Du musst mich loslassen! Da unten ist Adi ...“
„Ich weiß … bitte, kleiner Bruder.“ Eridanus ließ nicht los. Stattdessen verschloss er die Tür zur Treppe mit einem Tritt und zerrte seinen Bruder soweit wie nur irgend möglich vom Fenster weg. Und, auch wenn Sirius seit seiner Gefangenschaft durchaus an Gewicht zugelegt hatte, war dies für ihn nicht gerade ein Kraftakt. „Wenn ich dich jetzt loslasse, reagierst du dann vernünftigt?“, fragte er leise und eindringlich.
Sirius dachte einige Sekunden lang über die Frage nach, dann schüttelte er stumm den Kopf. Er konnte den Blick nicht von den braunen Vorhängen wenden, die ihm, frech wie sie waren, die Sicht auf seine Tochter versperrten.
„In Ordnung … in Ordnung. Dann warten wir.“
Und sie warteten. Eine Uhr in der Ecke zeigte tickend die Zeit, die verging. Regungslos verharrten sie dort und schauten zu, wie Staubflusen im schwachen Lichtschein durch das Zimmer tanzten, als wäre nichts passiert. Als wäre da draußen nicht gerade die wichtigste Person in seinem Leben vorbei gegangen.
„Kann ich dich jetzt loslassen?“, fragte Eridanus schließlich und Sirius nickte seufzend.
Langsam und wachsam löste der ältere Black seinen Griff und als sein Bruder keine Anstalten machte, etwas unvernünftiges zutun, schritt er langsam zum Fenster hinüber und warf einen flüchtigen Blick auf die Winkelgasse hinab.
„Sie ist nicht mehr da, Sirius.“
Sein Bruder nickte, blieb aber in der Zimmerecke stehen. Nicht einmal im Traum würde er je wieder durch diese Fenster schauen. „Ich will sie wiedersehen, Erid ...“, flüsterte er mit rauer Stimme.
„Ich weiß ...“
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