Unerwünschter Besuch zu Halloween
Unerwünschter Besuch zu Halloween
Nach mehreren Wochen straffen Unterrichtsprogramm hatte ich mich schließlich auch an den zusätzlichen Arbeitsaufwand gewöhnt, den die dritte Klasse mitgebracht hatte. Nicht nur das, mittlerweile hatte die Mischung aus Unterricht, Quidditchtraining und Duellierclub angefangen Spaß zu machen, auch wenn ich es anderen gegenüber wahrscheinlich nie zugegeben hätte.
Arithmantik und Verteidigung gegen die dunklen Künste wurden meine neuen Lieblingsfächer und auch Zauberkunst und Verwandlung machten wieder Spaß, nachdem ich langsam aber sicher auf den Wissenstand der anderen kam.
Bloß auf Kräuterkunde, Zaubertränke, Geschichte der Zaubererei und Pflege magischer Geschöpfe hätte ich getrost verzichten können. Kräuterkunde und Geschichte hatte ich schon immer schlimm gefunden, aber nachdem Draco Malfoy von einem Hippogreifen verletzt worden war, waren die Pflege magischer Geschöpfe – Stunden mit Hagrid so öde geworden, dass keiner sie mehr mochte. Und in Zaubertränke war ich eigentlich durchgehend so zornig auf Snape, dass ich nicht selten vor Wut die falsche Zutat in den Zaubertrank rührte oder etwas von meinem Gebräu verschüttete. Snape schien sich daran nicht zu stören und konzentrierte seinen Spott und seine schlechte Laune weiterhin auf Neville, der mittlerweile so große Angst vor den Stunden hatte, dass er einmal sogar vor lauter Panik in Tränen ausgebrochen war.
An dieser Stelle zog ich einen Schlussstrich und machte mich mit Neville auf den Fersen auf in den ersten Stock, wo die Verwandlungsklassenräume lagen. Mit angehaltenem Atem ging ich von Tür zu Tür, bis ich an einer die gedämpfte Stimme unserer Hauslehrerin hörte. Ich hob die Hand um anzuklopfen, doch Neville hielt mich mit erschrockenem Gesichtsausdruck zurück.
„D-das ist wirklich nicht nötig … w-was soll sie denn von mir denken?“, fragte er mit weitaufgerissenen Augen.
„Aber Snape schikaniert dich jede Stunde!“, erklärte ich entrüstet. „Er hat bestimmte Freiheiten als Lehrer, aber das geht darüber weit hinaus. Professor McGonagall ist unsere Hauslehrerin und ob du es glaubst oder nicht: Sie mag dich. Wenn wir ihr erzählen wie Snape dich behandelt, dann wird sie dir helfen!“
Doch Neville blieb standhaft. „I-ich will nicht, dass sie meinetwegen durch die Schule rennt. Es wird schon g-gehen.“
Skeptisch erwiderte ich seinen entschlossenen Blick. „Bist du sicher?“
„I-ich bin es gewohnt, d-dass er mich nicht leiden kann. Mit ein bisschen mehr Schikane k-komm ich schon klar.“
Seufzend ließ ich die Hand sinken. „Neville, du bist ein verdammter Sturkopf“, sagte ich mit finsterem Gesichtsausdruck. „Aber wenn er dich nocheinmal zu schlimm ägert, dann gehst du zu McGonagall, in Ordnung?“
Er nickte. „Ich k-komm schon klar. Aber d-danke.“
Als wir uns wieder dem Klassenzimmer in den Kerkern näherten, hatten wir bereits zehn Minuten verpasst und Neville schien ein bisschen nervös deswegen.
„Wenn er irgendwas dazu sagt, dann sag ich ihm sowas von die Meinung!“, flüsterte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und Neville warf mir einen letzten unsicheren Blick zu, bevor ich die Hand hob und an die Tür klopfte. Im nächsten Augenblick schwang sie auf und die Blicke der gesamten Klasse lagen auf uns. Zögernd traten wir ein.
„'Tschuldigung dass wir zuspät sind, wir hatten noch was zu klären“, sagte ich mit angespannter Stimme und musterte Snape, der uns mit unergründlichem Gesichtsausdruck beobachtete. Ich konnte förmlich sehen, wie er seine Gedanken ordnete und den Mund öffnete – zweifelslos, um irgendeinen schnippischen Kommentar in Richtung Neville abzufeuern. Unsere Blicke trafen sich und die Aussage meines Blickes war wahrscheinlich überdeutlich: 'Wag es ja nicht!'
Er schien inne zuhalten und zu meiner großen Überraschung ließ er sich auf seinen Stuhl hinter dem Pult fallen und zog die Augenbrauen. „Setzen Sie sich, bevor Sie Wurzeln schlagen.“
Sein Tonfall war kalt, aber das erwartete Donnerwetter blieb aus. Ich warf Neville einen letzten Blick zu – Erleichterung spiegelte sich in seinem Gesicht wieder – dann trennten wir uns und ich setzte mich auf meinem Platz auf der linken Seite des Klassenzimmers neben Parvati und Hazel. Beide warfen mir neugierige und verwirrte Blicke zu, also erzählte ich ihnen im Flüsterton was eben vorgefallen war. Am Ende schauten beide sehr beeindruckt aus der Wäsche.
„Manchmal frag ich mich ja wirklich, ob Neville in Hufflepuff vielleicht besser aufgehoben wäre“, sagte Parvati leise und mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. „Aber dann passieren immer wieder solche Dinge und ich weiß wieder, warum er bei uns in Gryffindor ist.“
Der Rest der Stunde verging glücklicherweise schnell und ohne weitere große Vorfälle. Ich schaffte es sogar, das mein Schwelltrank am Ende genau die Farbe hatte, die er haben sollte und so hatte ich einen kleinen Moment der Hochgefühle, als ich ein bisschen davon abfüllte und nach vorne zum Lehrertisch brachte. Snape betrachtete mich die ganze Zeit mit zusammengezogenen Brauen von seinem Stuhl aus, sagte aber nichts weiter. Zufrieden verließ ich das Klassenzimmer und machte mich auf den Weg zur Großen Halle, wo ich Lillia und Ginny traf und mit ihnen zusammen Mittag aß.
Auch die Quidditchsaison hatte nun offiziell begonnen und das Quidditchfeld war eigentlich jede freie Minute von einer der vier Hausmannschaften belegt. Der Spielplan war veröffentlicht worden und den Auftakt würde Slytherin gegen Gryffindor machen, irgendwann Mitte November. Wood war voll in seinem Element und erstellte Taktikpläne, recherchierte Flugmanöver und trieb uns mit ergreifenden Reden immer wieder zu neuen Höchstleistungen an.
Das Wetter wurde nicht besser, aber unsere Laune wurde es. Das Team war in Bestform. Ich hatte einige Nachmittage mit Fred und George für die Position des Treibers geübt und es machte wirklich Spaß, sobald man den Dreh raus hatte. Natürlich konnte niemand das Dreamteam Fred und George besiegen, aber es war eine lustige Abwechslung, die launischen Klatscher nach bewegten Objekten zu schießen.
Nach einem besonders eisigen Montagabend kam ich mit den Zwillingen wieder zum Gryffindorgemeinschaftsraum hinauf, nur um die Schülerschaft in großem Aufruhr zu erleben. Der erste Hogsmeadtermin wurde bekannt gegeben. Fred und George mussten sich ihr breites Grinsen beim Gedanken daran verkneifen und ich musste mich mit der Tatsache zufrieden geben, dass ich wohl als einzige Drittklässlerin in der Schule bleiben würde.
„Harry kann auch nicht mitkommen“, erklärte Hermine in einem sehr fehlgeschlagenen Versuch, meine Laune zu heben.
„Ja und Harry ist auch super toll auf mich zu sprechen“, antwortete ich finster.
Sie schaute schuldbewusst drein. „Ich glaube nicht, dass er dich nicht mehr mag ...“, versuchte sie vorsichtig. „Ich dachte auch, dass er ein bisschen schneller wieder zu Vernunft kommt, aber manchmal brauchen Jungs halt etwas länger.“ Sie grinste und ich musst wider Willen lachen.
Auch Fred und George hatten ein schlechtes Gewissen, weil sie nach Hogsmead durften und ich nicht.
„Ich kann auch einfach hier bleiben!“, erklärte George am Freitag vor Halloween mit fester Miene, auch wenn ich wusste, wie gern er dorthin wollte. Also winkte ich nur ab.
„Geh schon! Ihr braucht doch Vorräte aus Zonkos! Wie wollt ihr euer Unheil-Image aufrechterhalten, wenn euer Vorrat an Stinkbomben und Feuerwerkskörpern zur Neige geht?“
„Fred kann das Zeug mitbringen!“ George blieb standhaft und ich musste lachen.
„Ich kann doch nicht diejenige sein, die euch beide auseinander bringt. Nein, Gred und Forge Weasley gibt’s nur im Doppelpack!“
„Dann schicken wir Lee Jordan für uns los!“, wandte Fred ein.
Ich seufzte und zog drei Galleonen aus meiner Tasche. „Jetzt hört auf. Ich weiß, ihr wollt nach Hogsmead und ich werde euch nicht aufhalten, verstanden. Es ist echt süß, dass ihr bleiben wollt, aber keine Angst, ich finde schon was, was ich in der freien Zeit tun kann.“ Ich drückte George das Geld in die Hand. „Ich möchte eine Kostprobe von allem, was es im Honigtopf gibt. So viel wie ihr nur irgendwie tragen könnt!“
Sie nickten betreten.
Der Halloween-Morgen kam und ich sortierte vor dem Frühstück schon einmal die Schulsachen, die ich in der Zwischenzeit erledigen wollte. Wenn ich schon nicht nach Hogsmead konnte, dann konnte ich zumindest alle Hausaufgaben für die nächste Woche erledigen, damit ich mir morgen einen freien Tag machen konnte.
Parvati und Hermine warfen mir immer wieder mitleidige Blicke zu, doch ich ignorierte sie geflissentlich und machte mich etwas später auf dem Weg zum Frühstück, so dass die meisten schon auf dem Weg zum Schultor waren, als ich mich an den Gryffindortisch sinken ließ.
Auch die Zwillinge waren schon in Aufbruchsstimmung, kamen aber nochmal zu mir gelaufen, als sie mich am sich stetig leerenden Tisch entdeckten.
„Macht euch 'nen schönen Tag!“, flüsterte ich George zu und er grinste.
„Lern' nicht zuviel, sonst habe ich ein schlechtes Gewissen wegen meinen ZAGs“, antwortete er und drückte mir einen Kuss auf die Wange, ehe er mit Fred zu Lee Jordan und Isabelle Blake verschwand, die an der Tür auf die beiden gewartet hatten.
Tatsächlich blieben mehrere Fünftklässler dieses Wochenende in der Schule, um sich weiter auf ihre Prüfungen vorzubereiten. Doch ich kannte nur wenige von ihnen, also hielt ich mich an Ginny und Lillia, die ebenfalls jede Menge Hausaufgaben zu erledigen hatten. Wir setzten uns alle zusammen in die Bücherei und schafften es tatsächlich zwei oder drei Stunden konzentriert unsere Aufgaben zu erledigen.
„Kannst du mir den Entwaffnungszauber nochmal erklären“, fragte Lillia nachdem sie eine geschlagene halbe Stunde in ihrem Lehrbuch nach einer besseren Erklärung für den Zauber gesucht hatte. „Lupin hat ihn schon dreimal erklärt und die meisten haben es mittlerweile verstanden, aber bei mir funktioniert er immer noch nicht.“
Ich blickte von meiner Arithmantikaufgabe auf und schaute mich in der Bibliothek um. Außer uns waren keine anderen Schüler hier und auch von Madam Pince war gerade nichts zusehen, also zog ich vorsichtig meinen Zauberstab aus der Tasche und richtete ihn auf Lillia.
„Expelliarmus!“
Mit einem kleinen Schwung des Handgelenks wurde meiner Cousine der Zauberstab aus den Fingern gerissen und segelte geradewegs in meine Hand. Ihre Augen wurden groß.
„Wow, also einfach so aus dem Handgelenk ...“ Sie schnippste mit der zauberstablosen Hand durch die Luft. „Aber warum funktioniert es dann bei mir nie?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht musst du mehr Willenskraft reinstecken. Stell dir vor, dass du deinen Gegenüber anschreist, dass er dir den Zauberstab geben soll. Mach es, als würde da Malfoy vor dir stehen. Stell dir seine miese, bleiche Visage vor, dann sollte es klappen.“ Ich lachte und gab ihr ihren Zauberstab zurück. „Sonst bist du immer ziemlich unheimlich geworden, wenn es um ihn ging.“ Auch Lillia lachte und richtete dann den Zauberstab auf mich. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck schloss sie die Augen und zog die Stirn in Falten. „Expelliarmus!“
Erst dachte ich, dass nichts geschehen war, dann schnippte mir der Zauberstab aus der Hand und Lillia fing ihn geschickt auf, nur um ihn im nächsten Moment mit ihrem eigenen Zauberstab unter ihrem Umhang zu verstecken.
Madam Pince war um eines der Bücherregale gebogen und starrte uns nun aus kleinen dunklen Augen an. „Ihr habt doch nicht etwa hier drinnen gezaubert, oder?“, fragte sie schneidend und ihr Blick flog über die aufgeschlagenen Bücher vor uns, zweifellos auf der Suche nach irgendeinem Regelverstoß, den sie uns zur Last legen konnte.
„Aber natürlich nicht, Madam Pince, das würde ja die Bücher gefährden!“, antwortete Ginny schnell und ohne die Miene zu verziehen. Sie war wahrhaftig eine sehr talentierte Lügnerin.
Madam Pince starrte sie einige Sekunden lang herausfordernd an, dann verzog sie sich zu ihrem Tisch im Eingangsbereich der Bibliothek, von dem sie uns immernoch im Blick hatte.
Mit schuldbewusstem Gesichtsausdruck reichte mir Lillia unter dem Tisch meinen Zauberstab und ich ließ ihn grinsend in meiner Tasche verschwinden. „Gut gemacht!“, flüsterte ich leise. Ein Blick zur Bibliothekarin sagte mir, dass sie uns von nun an fest im Blick hatte.
Nachdem wir alles erledigt hatten, verließen wir so schnell wie möglich die Bibliothek, auch um den scharfen Blicken von Madam Pince zu entgehen. Im Gemeinschaftsraum war nicht viel los, also gingen wir ein bisschen nach draußen auf die Ländereien. Es war zwar noch immer eiskalt, aber der Himmel war klar und solange wir in Bewegung blieben war es erträglich.
Nach einer großen Runde um den See herum, einem Gespräch mit den Wassermenschen, bei dem Lillia als Dolmetscher fungierte und einem Abstecher zu Hagrids Hütte setzten wir uns auf die Stufen vor dem Eingangsportal. Langsam zogen wieder Wolken vor die Sonne und der Wind wehte wieder etwas stärker.
„Wie läuft's eigentlich beim Quidditch?“, fragte Ginny nach einiger Zeit nachdenklich, den Blick Richtung Quidditchfeld gewandt. „Ich nehme einfach mal an, dass Slytherin keine Chance haben wird, oder?“
Ich lachte und rieb mir die kalten Hände. „Auf keinen Fall. Wir sind topfit und ich hab Oliver noch nie so aufgeregt erlebt. Er brennt förmlich vor Tatendrang. Wenn wir diesmal verlieren, dann muss wirklich etwas Schlimmes passieren.“ Ich schaute zum Himmel hinauf, wo ein Wolkenfetzen den anderen jagte, als wäre es ein einziges großes Quidditchfeld und die Wolken Spieler. „Es könnte nur sein, dass es für die Zuschauer etwas unangenehm wird. Das Wetter scheint ja leider nicht wirklich besser zu werden.“
Lillia grinste. „Als könnte so ein bisschen kühler Wind und Regen uns aufhalten!“ Sie trug trotz der niedrigen Temperaturen ihren dünnen Sommerumhang und hatte die Ärmel ihrer Uniform hochgekrempelt, als wäre es Mitte Juni.
„Dich vielleicht nicht“, sagte Ginny mit einer Grimasse. „Aber ich würde wirklich lieber auf dem Besen sitzen und mich bewegen, als in dieser Saukälte auf der Tribüne zu sitzen und darauf zu warten, dass Harry endlich den Schnatz fängt.“
„Du hättest dich echt noch für das Team bewerben sollen“, gab Lillia zu bedenken. „Klar, es ist vollständig, aber als zusätzliche Ersatzspielerin hätten sie dich bestimmt genommen – so wie Adi. Du kannst so gut fliegen!“ Sie grinste wieder. „Erst recht im Gegensatz zu mir.“
Ginny zuckte nur mit den Schultern und stocherte mit einem Stock im lehmigen Boden herum. „Nächstes Jahr kann ich es ja mal probieren. Aber Mum und Dad hätten sich eh nicht noch einen Rennbesen leisten können. Die Besen von Fred und George waren schon so teuer …“ Sie schüttelte den Kopf. „Und die waren gebraucht.“
„Irgendwie würden wir schon das Geld zusammengekratzt bekommen!“, versprach ich ihr mit feierlichem Ton und sie lachte, während über uns die langsam untergehende Sonne das Quidditchfeld der Wolken in ein rötliches Licht tauchte.
Auf dem schmalen Weg von den Schultoren her sah man die ersten Schüler, die laut schnatternd, mit vollen Taschen und aufgeregten Gesichtern aus Hogsmead zurückkehrten. Wir blieben einfach auf unserer Position auf der Treppe, bis Fred und George zwischen den Schülermaßen auftauchten und mir einen extrem großen, schweren und prall gefüllten Beutel mit Süßigkeiten in die Arme fallen ließen. Grinsend öffnete ich ihn und schaute mir die Lakritzzauberstäbe, Schokokugeln und Zuckerfedern hatten. Es sah tatsächlich so aus, als hätten sie von allem etwas mitgebracht und als hätte alles zusammen weit mehr als dir drei Galleonen gekostet, die ich ihnen gestern gegeben hatte.
Ginny warf meinen Süßigkeiten einen neidischen Blick zu. „Mir habt ihr nichts mitgebracht?“, fragte sie mit Kleinkinder-Stimme.
Die Zwillinge lachten. „Mum würde es uns nie verzeihen, wenn wir ihr kleines Mädchen mit Süßigkeiten vollstopfen würden“, erklärte Fred mit ernstem Gesichtsausdruck. „Außerdem gibt es jetzt erstmal ein Halloween-Festmahl, kommt schon; Ich sterbe vor Hunger!“
Wir standen auf – ich mit dem Beutel unterm Arm – und drängelten uns durch die Schüler, die noch laut miteinander redend den Eingangsbereich verstopften. In der Großen Halle war es noch ziemlich leer, weil die meisten noch schnell zu den Gemeinschaftsräumen geeilt waren, um ihre Einkäufe in Sicherheit zu bringen. Wir machten uns stattdessen eine schnellere Variante zunutze, indem Fred und George uns eine geheime Niesche in der Nähe der Küche zeigte, wo wir unsere neuen Süßigkeitenschätze und den Zonkos Einkauf der Zwillinge unauffällig verstecken konnten und so waren wir mit die ersten, die die festlich geschmückte Halle betraten.
Tausende von ausgehöhlten Riesenkürbissen mit schrecklichen, leuchtenden Fratzen schwebten unter der Decke, die den wolkigen Abendhimmel wiedergab. Glitzernde Spinnenweben spannten sich über Tische und Fenster, Kessel und Kürbisse voller Süßigkeiten ragten zwischen den Köstlichenkeiten auf den Haustischen heraus und Fledermäuse flatterten durch die Luft und landeten immer mal wieder auf einem der Kürbisse. Kurz fragte ich mich, ob vielleicht Eridanus kleine Fledermaus dabei war, um ein Auge auf mich zu haben.
Die Zwillinge hingegen waren gedanklich bereits beim Essen und ich konnte es ihnen nicht verdenken. Kürbispasteten, gebackenes Gemüse, Kürbissuppe, Süßkartoffeln und Fleisch in allen erdenklichen Zubereitungsarten stapelten sich auf den voll beladenen Tischen. Grinsend suchten wir uns einen Platz ganz vorne in der Nähe des Lehrertischs, in der Hoffnung, dass Dumbledore auch dieses Jahr wieder irgendeine besondere Show aus dem Hut ziehen würde.
„Guten Appetit“, wünschte uns Dumbledore vom Lehrertisch aus und hob seinen Krug. Er hatte seine üblichen Gewänder gegen einen schwarzen Hut mit aufgestickten Spinnenweben und einen mit kleinen lachenden Kürbissen verzierten Umhang eingetauscht. Das war zwar modisch etwas eigen, aber als Albus Dumbledore konnte man wahrscheinlich selbst so ein Outfit mit Würde tragen.
Grinsend begannen Fred und George ihre Teller vollzuladen, bis sich das Essen darauf türmte und auch ich griff mir gebackenen Kürbis und Bratkartoffeln von einer der nächsten Platten.
Langsam füllte sich die Halle und die Stimmung wurde ausgelassener. Grinsend schaute ich zu, wie Ginny mutig wie immer in eine Scheibe Brot bis, die durch einen Zauber so aussah, als hätte sich auf ihr eine dicke Schimmelschicht gebildet. Lillia wurde schon beim Gedanken daran übel und probierte etwas von ihrem Kürbischilli … erst sagte sie lange Zeit nichts, dann wurde ihr Gesicht plötzlich rot und sie griff hastig nach ihrem Krug. Lachend nahm auch Ginny sich einen Löffel von ihrem Teller, verzog jedoch keine Miene. „Kann sein, dass es ein bisschen scharf ist“, sagte sie nachdenklich einige Augenblicke später und Lillia hustete vorwurfsvoll, das Gesicht noch immer etwas rot.
Als es langsam wieder lauter in der Halle wurde und die meisten mit dem Essen fertig waren, stand Dumbledore auf und klatschte in die Hände. Augenblicklich verstummten die Schüler und alle Blicke wurden auf ihn gerichtet. Er lächelte.
„Wie jedes Jahr, möchte ich euch auch dieses Jahr wieder etwas für die Halloween-Stimmung bieten!“, rief er strahlend und hob den Zauberstab. Die Torflügel öffneten sich und rund ein Duzend Musikinstrumente schwebten in den Raum, von ihren Musikern war allerdings keine Spur.
„Und so haben wir keine Mühen gescheut und aus dem fernen Amerika eine Darbietung der besonderen Art für euch ins Land zu holen.“ Leise scheppernd positionierten sich die Instrumente vor dem Lehrertisch, eine Bratsche schwebte nur wenige Zentimeter entfernt über unseren Köpfen in der Luft. „Beinahe zweihundert Jahre alt und noch immer einwandfrei gestimmt und perfekt im Takt: 'Die ResonanzKörperlosen'! Happy Halloween!“
Alle klatschten, lachten und verstummten dann wieder, als die Geige vor uns einen einzelnen langgezogenen Ton spielte. Dann ging es los und das körperlose Orchester stimmte eine schwungvolle Melodie an, zu der jeder in der Halle – ob er wollte oder nicht – mit dem Bein im Takt mitwippen musste. Nach dem ersten Stück und kurzem Applaus, ging es mit einem zweiten, etwas schwerfälligerem Lied weiter, das einem einen Schauer über den Rücken jagte und die Geige über uns stieß hin und wieder so klagende Schreie aus, dass Lillia und ich jedes Mal zusammenzuckten.
Die Vorführung endete mit einem dritten Stück, diesmal wieder schnell und mitreißend. Als eine kleine, silberne Trompete in der Nähe des Hufflepuff-Tischs schließlich den letzten Ton spielte, hob Dumbledore unbemerkt den Zauberstab und plötzlich kamen aus den Süßigkeiten-Kesseln auf den Tischen abertausende von kleinen schwarzen Spinnen, Tausendfüßlern und Käfern gekrabbelt. Nicht wenige Schrien, so auch ich und George hob grinsend eines der kleinen Viecher in die Luft. Bei näherem Hinsehen konnte man erkennen, dass es in Wirklichkeit Schokokäfer, Pfefferminz-Tausendfüßler und Lakritzspinnen waren und George schob sich genüßlich einen der Tausendfüßler in den Mund, was nochmals für Geschrei und Gelächter sorgte.
In diesem Moment verschwanden auch die Speisen von den Tischen und wurden vom Nachtisch ersetzt und obwohl wahrscheinlich alle bereits lange satt waren, wurde nocheinmal reingehauen. Siruptorte, Karottenkuchen, Zitronenbrausebonbons und jede Menge andere Süßigkeiten türmten sich nun auf den Tischen und ich probierte zögerlich eine Schüssel Schokopudding, die aussah wie Friedhofserde – stilecht mit Miniaturgrabstein und Lakritzspinne.
Als wir endlich ausreichend gesättigt und mit zufriedenen Mienen den Abschluss des Festes erwarteten, überraschten uns die Hogwartsgespenster auch noch mit einem streng eingeübten Formationsflug durch die Große Halle. Es war nun beinahe um neun und alle Schüler waren totmüde.
Langsam standen wir auf und schlurften in Richtung der Treppe, um im Gedrängel der anderen zum Gemeinschaftsraum und endlich ins Bett zu kommen. Es ging nur äußerst schleppend voran und so merkte ich erst gar nicht, dass sich ein Stau vor dem Portraitloch gebildet hatte, bis ich äußerst unsanft in einen Siebtklässler stolperte.
Neben mir hatten sich Fred und George neugierig auf die Zehenspitzen gestellt und versuchten nun einen Blick auf die Ursache des Staus zu erhaschen. Plötzlich traf mich unsanft ein Ellenbogen in der Seite und ich drehte mich genervt um. Percy Weasley drängelte sich mit zutiefst arroganter Miene durch die versammelten Gryffindor. „Lasst mich bitte durch!“, herrschte er die umstehenden an und George stöhnte.
„Oh nein, er 'schulsprechert' schon wieder!“
„Was ist denn eigentlich los?“, fragte ich die beiden, doch sie zuckten nur mit den Schultern.
Plötzlich fiel Stille über die Schüler und man konnte wieder Percy holen. Plötzlich klang seine Stimme sehr ernst und eindringlich. „Jemand muss Professor Dumbledore holen, schnell!“
Wir wechselten erschrockene Blicke und der Geist des Fast Kopflosen Nicks kam durch die Wand geschwebt. Er warf einen kurzen Blick auf das Bild und keuchte.
„Können Sie Professor Dumbledore für uns holen, Sir Nicholas?“, fragte Percy den Geist ernst und das Hausgespenst nickte so heftig, dass ihm beinahe der Kopf von den Schultern fiel. Ohne noch etwas weiteres zu sagen, schwebte er mitten durch die Schüler hindurch und verschwand ihm Sturzflug durch die Treppe.
„Was ist denn nun verdammt nochmal los?“, fragte Fred ungehalten, und ein paar Zweitklässler mit bleichen Gesichtern drehten sich zitternd zu uns herum.
„Jemand hat das Portrait der Fetten Dame aufgeschlitzt!“, erklärte ein kleiner Junge mit weitaufgerissenen Augen. „Es wurde ganz übel zugerichtet!“
Im nächsten Moment drängte sich Professor Dumbledore mit langen Schritten durch die Gryffindors. Durch die Gasse, die er schuf, konnte ich einen kurzen Blick auf das Bild werfen. Drei tiefe, grobe Schnitte zogen sich durch die alte Leinwand, sodass die Farbe an vielen Stellen aufgesplittert war und von der Fetten Dame war weit und breit nichts zu sehen. Behutsam ließ Dumbledore eine Hand über die alte, zerstörte Farbe gleiten, ehe er sich umdrehte und einer Reihe Lehrer entgegensah, die nun ebenfalls die Stufen erklommen.
„Wir müssen die Fette Dame suchen!“, erklärte er mit todernstem Gesicht. „Professor McGonagall, bitte gehen Sie sofort zu Mr Filch und sagen ihm, er soll jedes Gemälde im Schloss nach ihr absuchen.“
Unsere Hauslehrerin nickte und wollte sich gerade umdrehen, als Peeves von einem der höheren Stockwerke zu uns herabgeschwebt kam. „Da werdet ihr kein Glück haben!“, kicherte er hämisch und rutschte wenig elegant das Treppengeländer herab.
„Was meinst du damit, Peeves?“, fragte Professor Dumbledore und das Lächeln des Poltergeists erlosch. Nicht einmal er war so doof und legte sich mit Albus Dumbledore an, selbst wenn dieser noch einen Spinnenwebenhut und einen Kürbisumhang trug.
„Sie geniert sich, Herr Oberschulleiter. Will nicht gesehen werden. Sieht fürchterlich aus. Hab sie durch das Landschaftsgemälde oben im vierten Stock rennen sehen, Sirr, sie hat sich hinter den Bäumen versteckt.“ Er lehnte sich verschwörerisch vor. „Hat etwas Schreckliches gerufen, armes Ding!“
Angespanntes Tuscheln ging durch die Schüler, als sich Dumbledore seinerseits vorlehnte. „Hat sie gesagt, wer es war?“
„Oh ja, Herr Professor Doktor Dumbledore“, säuselte Peeves mit einem Gesichtsausdruck, der dem wichtigtuerischen Gesichtsausdruck von Percy sehr ähnlich war. „Er wurde sehr zornig, als sie ihn nicht einlassen wollte, verstehen Sie.“ Ein ganz schlechtes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit und wurde im nächsten Moment von Peeves bestätigt. „Übles Temperament hat er, dieser Sirius Black!“
Sofort brach wildes Durcheinander aus und George packte mich mit panischem Blick am Arm. Auch Dumbledore warf mir einen langen Blick zu, ehe er den Zauberstab hob und sich mit einem purpurroten Funkenschauer Aufmerksamkeit verschaffte. „RUHE! Alle Gryffindorschüler begeben sich nun sofort und ohne in Panik zu verfallen zurück in die Große Halle. Professor Snape, bitte schicken Sie Ihre Schüler ebenfalls dorthin. Professor Lupin, bitte kümmern Sie sich um die Hufflepuffs und Ravenclaws und Professor McGonagall, Sie trommeln bitte sofort alle Lehrkräfte zusammen; Wir müssen das Schloss nach Sirius Black durchsuchen!“
Mit klopfendem Herzen folgte ich den anderen in die Große Halle. Georges Hand ruhte die ganze Zeit auf meinem Arm, aber das konnte mich nicht beruhigen. Black war im Schloss gewesen und war es vielleicht immer noch. Er hatte versucht in den Gemeinschaftsraum zu kommen, obwohl er wusste, dass dort keine Schüler waren. Es konnte sein, dass er noch immer ganz in der Nähe war.
Immer wieder schaute ich über die Schulter, als könnte er plötzlich einfach so hinter mir erscheinen, doch ich blickte immer nur in die verängstigten Gesichter meiner Mitschüler.
In der Großen Halle angelangt ließ ich mich auf die Bank des Hufflepuff-Tischs sinken und verbarg das Gesicht in den Händen. „Hey ...“ George legte einen Arm um mich und zog mich noch etwas näher zu sich heran. „Wenn er so töricht war und einfach so nach Hogwarts kommt, dann finden ihn die Lehrer bestimmt noch heute Nacht. Stell dir das doch einmal vor. Der ganze Wahnsinn hätte endlich ein Ende!“
Doch ich konnte bei so einer Vorstellung nur ungläubig den Kopf schütteln. „Er ist aus Askaban ausgebrochen und jetzt schon wieder an den Dementoren vorbei ins Schloss gekommen – ganz zu schweigen von all den anderen Schutzzaubern, die das Schloss umgeben. Ich glaube kaum, dass er sich hier lange aufhalten wird, wenn sein Plan fehlgeschlagen ist. Wer weiß, vielleicht wollte er sowieso nur ein bisschen Panik verbreiten und dann wieder verschwinden oder das Ministerium auf eine falsche Fährte locken.“
Langsam trudelten auch die anderen Schüler ein und im Flüsterton wurden die Neuigkeit weitergesagt. Ich fühlte mich elend, wie ich hier auf der Bank saß und mich auf Georges Schulter lehnte, während irgendwo da draußen mein mörderischer Vater durch die Gegend spukte.
Als Professor Dumbledore wenig später in die Halle kam und das weitere Vorgehen erklärte, hörte ich kaum zu. Ich war müde und niedergeschlagen und wollte nichts mehr, als in mein Bett im Schlafsaal … Schließlich räumte der Schulleiter mit einem Schlenker seines Zauberstabs die Haustische an die Seiten und beschwor Hunderte von purpurroten Schlafsäcken, die den Boden der gesamten Halle bedeckten und wünschte uns gute Nacht. Die Tür wurde von außen verriegelt und die Vertrauensschüler übernahmen unter Percys Anweisungen das Ruder.
Seufzend verzog ich mich mit den Zwillingen in eine Ecke, die etwas abseits von den anderen lag, kroch mit Umhang und Uniform in den Schlafsack und schloss die Augen, während um uns herum die restlichen Schüler im Flüsterton die wahnsinnigsten Geschichten austauschten. Immer wieder hörte man die eine Frage: 'Wie ist er ins Schloss gekommen?'
„Schlaf!“, flüsterte George neben mir und legte einem Arm um mich. Langsam kam ich seiner Anweisung nach und sank in einen unruhigen Schlaf, der immer wieder von Albträumen durchbrochen wurde.
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