Ein Fenster zur Vergangenheit
Diesmal etwas kürzer und mit "geklautem" Kapitelnamen. ;) Aber es gibt kaum Musik, die die Stimmung in diesem Gespräch so genau wiedergibt!
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Ein Fenster zur Vergangenheit
Schweigend folgte ich ihn einen ausgestorbenen Korridor entlang zu den verlassenen Klassenzimmern für Veteidigung gegen die dunklen Künste. Er hielt mir die Tür zu seinem Büro auf und trat nach mir ein.
Der Raum war groß und gemütlich eingerichtet, mit ein leeren Auquarium in einer Ecke und zwei unausgepackten Koffern in der anderen. Lupin stellte den Bücherstapel auf einem kleinen Beistelltisch ab und entfachte mit einer schnellen Bewegung des Zauberstabs einige Holzscheite im Kamin, ehe er zwei Stühle aus dem hinterem Teil des Raums holte und sie in die Nähe des Kamins stellte.
„Setz' dich.“
Ich setzte mich. Er seufzte und fuhr sich durch das ergrauende Haar.
„Ich glaube, wir haben uns gestern vielleicht etwas unglücklich kennengelernt“, begann er schließlich. Darum ging es also. Ich ließ mein Blick zum Fenster schweifen, wo man einen guten Ausblick über die Ländereien hatte.
„Es tut mir Leid, dass ich sie gestern so respektlos angefahren haben, Professor“, erwiderte ich tonlos, in der Hoffnung, dass das Gespräch so möglichst schnell beendet werden konnte. Doch Lupin schien davon nur wenig zu halten. Er schnaubte nur.
„Adriana … bitte, fang nicht so an ...“ Er versuchte mir in die Augen zu schauen und seufzte schließlich entnervt. „Adi ...“
Ich fuhr zusammen, als hätte er mich angeschrien. Er hingegen ergriff seine Chance und machte sich meine plötzlich Aufmerksamkeit zu nutze. „Der Geist deiner Mutter war gestern bei mir.“
„Hat sie zumindest mit Ihnen gesprochen?“, fragte ich tonlos. „Mich hat sie nämlich ignoriert.“
Er seufzte wieder und fuhr sich mit der Hand über das müde Gesicht. „Das ist eines der Dinge, über die ich mit dir reden möchte. Dieser Geist … diese Abbildung ...“ Nun schweifte auch sein Blick zum Fenster hinaus. „Es ist schwer für uns Lebende zu begreifen, wie Geister entstehen. Für den Sterbenden ist es eine Entscheidung die er im Bruchteil einer Sekunde macht. Es ist ein Echo der magischen Energie, die irgendwo zwischen der Welt der Toten und der Welt der Leben gefangen ist. Im Ministerium versuchen sie schon seit Jahrzehnten diesen Zustand zu verstehen. Aber nicht immer bleibt …alles in dieser Welt erhalten. Man sagt, dass Geister wohl primär dann entstehen, wenn der Sterbende Angst vor dem Tod hat ...“ Er atmete tief durch und ich fragte mich, was er mir wohl damit sagen wollte.
„Also hatte meine Mum Angst, als sie gestorben ist?“, fragte ich leise.
„Deine Mutter war … war immer eine bemerkenswert mutige Frau, Adriana“, fuhr er schließlich nach mehreren Minuten der Stille fort. „Natürlich hast du sie besser gekannt als ich, aber ich habe sie noch als Schülerin erlebt, sie hatte nie Angst vor ihrem eigenen Tod. Vor einigen Wochen habe ich einen Brief von ihr erhalten ...“ Er stand auf und ging zu einem der Koffer. „Ich weiß nicht genau, wann sie ihn abgesendet hat … Ich war in den letzten paar Jahren nur äußerst schwer zu erreichen. Ich weiß nicht, ob sie dir von meinem kleinen Problem erzählt hat ...“
„Sie sind ein Werwolf.“
Er hielt kurz inne und fuhr dann nickend fort. „Dann weißt du also Bescheid. Nun gut, dann bleibt mir mindestens dieses Geständnis erspart.“
„Weiß Dumbledore bescheid?“, fragte ich schnell.
Er lachte. „Ich wäre ein Narr, so etwas vor Professor Dumbledore zu verstecken. Er würde mich in weniger als einem Monat enttarnen ...“ Er warf einen weiteren Blick aus dem Fenster. „Außerdem habe ich dieses Problem nicht erst seit gestern. Schon als Schüler war ich auf die Hilfe des Schulleiters angewiesen, um die Vollmonde ohne weitere Vorfälle zu überstehen.“ Seufzend zog er aus einem Seitenfach einen Pergamentumschlag und ließ sich wieder mir gegenüber auf den Stuhl fallen. „Außerdem nehme ich für die Dauer meiner … Verwandlungen … einen Gefallen von Professor Snape in Anspruch, dem er ohne die direkte Bitte des Schulleiters wahrscheinlich nicht nachkommen würde.“ Er lachte humorlos. „Hier ...“ Er reichte mir den Umschlag, doch ich öffnete ihn nicht. „Wie auch immer … Deine Mutter hatte nie Angst vor der Tatsache, dass sie sterben könnte … sie hatte Angst vor dem, was mit dir passieren könnte, wenn sie nicht mehr da wäre. Nun bin ich natürlich kein Experte, wenn es um die genau Natur von Geistern geht, aber ich nehme an, dass nur diese Angst um dein Wohlergehen im Diesseits hängen geblieben ist ...“ Er verzog das Gesicht. „Dieses Gespenst, das nun durch das Schloss streift … das ist nicht deine Mutter. Ich habe heute Nacht versucht mit ihr zu reden … Ihr einziges Begehren ist es, für deine Sicherheit zu sorgen, das ist das einzige was sie in dieser Welt zurückgelassen hat. Sie wird weder dich noch mich ansprechen, solange es nicht ihrem Zweck zugute kommt. Alle anderen Gespenster in diesem Schloss haben ihren Intellekt, ihre Erinnerungen und ihre Persönlichkeit in der Welt der Lebenden zurückgelassen. Dieser Geist, der so aussieht wie deine Mutter … er ist nicht mehr als ein entferntes Echo ihrer Angst.“
„Passiert das oft?“
Er zuckte mit den Schultern. „Es gibt keine Zahlen oder Statistiken dazu, zumindest keine, von denen ich weiß. Aber es gibt so viele, die erzählen, dass ihre verstorbenen Eltern oder Freunde auch nach dem Tod über sie wachen … Ich denke, dass daran etwas Wahres ist. Ich glaube, dass viele Verstorbene irgendwo zwischen Leben und Tod ausharren und warten … Vielleicht machen nicht alle den Schritt und kommen als Geist gänzlich zurück in diese Welt, aber ich bin davon überzeugt, dass sie trotzdem da sind. Unsere Wahrnehmung ist so beschränkt … es gibt sicher vieles, dass sich unseren Augen entzieht.“
„Aber eigentlich ist es sinnlos, oder?“, fragte ich nach einiger Zeit des Schweigens. „Sie kann mich nicht beschützen, sie ist ein Geist, sie kann nur zuschauen.“
Er legte nachdenklich den Kopf schief. „Das würde ich nicht so sehen. Sie kann sprechen … auch wenn sie es nur selten tut. Sie kann ihre Worte gezielt nutzen, um andere Leute dazu zu bringen, dich zu beschützen. Sie hat mich angefleht, auf dich Acht zu geben.“
„Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen“, sagte ich schnell. „Auf mich Acht geben, meine ich.“
Lupin schüttelte nur den Kopf. „Damit wären wir beim zweiten Punkt, den ich mit dir besprechen will, Adriana … Ich bin dein Pate und ich werde alles menschenmögliche tun um dich zu beschützen. Ich … ich habe dich seit Jahren nicht mehr gesehen und ich weiß genau, wie das auf dich wirkt. Aber deine Mutter und ich, wir haben vor vielen Jahren beschlossen, dass es so das beste ist.“ Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht. „Nachdem … nachdem dein Vater verurteilt wurde, wurden auch unsere Treffen seltener. Das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe, war bei deiner Einschulung in die Muggelschule. Sie wollte es lange nicht zugeben, aber ich habe sie immer an Sirius erinnert. Ich kann es ihr nicht verübeln, ich war einer seiner besten Freunde. Außerdem haben wir uns Sorgen um dich gemacht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis du anfangen würdest, fragen über mich zu stellen und deine Mutter hatte damals bereits beschlossen, dich über die wahre Identität deines Vaters im Dunkeln zu lassen. Außerdem … hat sich zu dieser Zeit mein … Wolfsproblem sehr aggressiv gezeigt und ich habe mich ein wenig … zurückgezogen.“ Ich konnte nicht anders, als meinen Blick über die vielen Narben in seinem Gesicht wandern lassen. „Um ehrlich zu sein, habe ich erst vor etwa zwei Monaten wieder angefangen, Kontakt zur zivilisierten Welt aufzunehmen … Dumbledore hatte mich aufgespürt.“ Er schaute mich nun unverwandt an und griff zögerlich nach meinen Händen. „Hätte ich irgendwie geahnt, in welcher Gefahr du dich befindest oder das deine Mutter gestorben ist … Bitte glaube mir, ich wäre augenblicklich gekommen!“
Ich schluckte und nickte, denn … auch wenn ich im Zug so eine große Wut auf ihn verspürt hatte, machten seine Worte Sinn. Meine Mum hatte nie schlecht über ihn geredet und wenn Dumbledore persönlich ihn nach Hogwarts geholt hatte, dann konnte auch ich ihm vertrauen.
„Was soll ich jetzt machen?“, fragte ich zögerlich. „Die Dementoren greifen mich an und außerhalb der Schule streifen gleich zwei Mörder durch die Gegend …“
Seine Miene wurde finster. „Ehrlich gesagt? Ich weiß es nicht. Die ganze Nacht habe ich mir den Kopf zerbrochen, doch ich kann dir nur sagen, pass auf dich auf und melde dich bei mir, wenn etwas komisches passiert. Bleib in den Ferien im Schloss und streife nicht allein über die Ländereien …, von Hogsmead ganz zu schweigen.“
„Bin ich nicht sicher, solange ich auf dem Schulgelände bleibe?“, fragte zögerlich. „Hermine erzählt immer, dass es mit allen möglichen Schutzzaubern belegt ist.“
Lupin verzog das Gesicht. „Bei Victoria Henry mag das zutreffen, aber Sirius Black ist … nun ja, ich habe meine Schulzeit mit ihm verbracht und ich kann dir mit aller Sicherheit sagen, dass Sirius alle geheimen Wege ins Schloss noch tausend mal besser kennt. James, Peter, dein Vater und ich haben sie damals in unserer Schule alle entdeckt und oft von ihnen Gebrauch gemacht … Und wenn es um die Dementoren geht, so weiß ich nicht, welchen Schutz sie wirklich bieten sollen. Schließlich konnte er sie schon einmal überlisten, nichts spricht dagegen, dass es ihm noch ein weiteres Mal gelingen könnte.“
Ein langes, bedrückendes Schweigen folgte dieser Ankündigung. Ich versuchte das Gehörte irgendwie zu verarbeiten, doch es gelang mir nicht wirklich. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir die dunklen Wipfel des Verbotenen Waldes. Irgendwas ging am Waldrand vor sich. Schüler liefen zwischen den äußersten Bäumen umher und auf dem Weg zwischen Wald und Schlosstor konnte ich Hagrid erkennen, der irgendwas in den Armen trug … das etwas blutete!
Erstaunt lehnte ich mich vor und Lupin folgte meinem Blick. „Ach du meine Güte“, verkündete er mit bleicher Miene. „Ist das ein Schüler?“
Die Augen zusammenkneifend erkannte ich ein paar Haarsträhnen mit charakteristischer hellblonder Farbe und stöhnte. „Was auch immer passiert ist, es sieht so aus, als wäre Hagrid seinen Job schon wieder los.“
„Wegen eines verletzten Schülers?“, fragte Lupin mit hochgezogenen Brauen. „Das würde mir dann doch etwas überzogen vorkommen, Verletzungen passieren gerade bei so praktischen Fächern nun einmal.“
„Sag das einmal Lucius Malfoy“, erwiderte ich bitter und mein Pate wurde noch ein wenig blasser.
„Du meinst doch nicht etwa, das ist -“
„Draco Malfoy … du wirst noch die Ehre haben und ihn persönlich kennenlernen. Wir haben unsere Veteidigung gegen die dunklen Künste Kurse immer gemeinsam mit den Slytherins ...“
„Bei Merlins Barte ...“ Er erhob sich und eilte zur Tür. „Damit wird Rubeus alle Hände voll zutun haben … Lucius Malfoys Sohn … wir sehen uns später im Unterricht“, und er verschwand durch die Tür auf den Korridor hinaus.
Zögernd warf ich einen Blick auf eine große Wanduhr in der Ecke. In zwanzig Minuten begann die Kräuterkundestunde. Das beste würde es wohl sein, wenn ich vor dem Unterricht noch einige Seiten für meine äußerst spannenden Arithmantik-Hausaufgaben lesen würde … Der Unterricht in Pflege magischer Geschöpfe war ja scheinbar von Malfoy frühzeitig beendet worden …
Ich schnappte mir mein Buch von Lupins Bücherstapel und folgte ihm auf den noch ausgestorbenen Gang. Doch dank des aufschlussreichen Gesprächs mit Lupin, hielten mich meine wirren Gedanken von jeglicher Arbeit ab.
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