Die Flucht
Die Flucht
Der Plan war in der Theorie so simpel, wie der Stoff aus dem ersten Jahr in Hogwarts. Er würde sich in seine Hundegestalt verwandeln, sodass die Dementoren ihn nicht länger als Menschen wahrnahmen, dann durch die Gitterstäbe entwischen und solange rennen, bis ihm weder die menschlichen noch die unmenschlichen Wärter von Askaban noch eine Gefahr waren. Dann würde er warten, bis das Schuljahr wieder begann und sich nach Hogwarts stehlen, um irgendwie an Pettigrew zu kommen. Der Verräter, der gleichzeitig seine Karte in die Freiheit war. Wenn er es nur schaffen würde, ihn zu bekommen, könnte er zu seiner Tochter zurückkehren. Es gab keinen Gedanken, der ihn je mehr beflügelt hatte.
Eridanus würde ihm helfen. Würde ihn versorgen und aufpassen, dass er nichts unüberlegtes Tat. So war es immer gewesen, auch als sie jung gewesen waren. Damals, bevor Eridanus seinen Tod vorgetäuscht hatte, um den Klauen seines Elternhauses zu entwischen. Und so, wie sie es später getan hatten, als Sirius selbst sich von seiner Familie losgesagt hatte und Eridanus sich ihm in Hogwarts offenbart hatte. Als kleine, unscheinbare Fledermaus. Ein nicht gemeldeter Animagus. Er war sich sicher, dass die Animagi-Liste des Ministeriums kaum noch irgendeine Aussagekraft hatte. Ohne den kleveren Ravenclaw wäre den Rumtreibern damals die Verwandlung in Animagi sicherlich um einiges schwerer gefallen …
Schwere Schritte vor der Tür. Er lag regungslos auf seinem Lager. Das Gesicht Richtung Decke, die Augen geschlossen. Es tat ihm beinahe ein wenig Leid um diesen Wärter, der nun wahrscheinlich gerade durch die Gitterstäbe hineinspähte. Schließlich würde er die Verantwortung tragen, wenn alles nach Plan lief.
Die Schritte entfernten sich, doch er blieb noch einige Sekunden liegen. Es gab keinen Grund zur Eile, auch wenn jede Zelle seines Körpers sich danach sehnte, diesen Ort sobald wie irgend möglich zu verlassen. Überstürztes Verhalten gefährdete nur den Plan, soviel hatte Eridanus ihm eingebläut. Apropos Eridanus …
Das kaum hörbare Flügelschlagen einer kleinen Fledermaus erfüllte die Luft und Sirius schlug die Augen auf. Seine Finger zuckten voller Tatendrang.
„Bereit?“, flüsterte er mit kratziger Stimme.
Die Fledermaus - Eridanus - flatterte ein paar mal um seinen Kopf herum, unfähig eine eindeutige Antwort zu geben, dann verschwand sie durch die Gitterstäbe auf dem Gang vor der Zelle. Ungeduldig richtete Sirius sich auf. Adrenalin schoss durch seine Adern und sein Herz hatte sicherlich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr so wild geschlagen. Nicht seit er von Pettigrews Verrat gehört hatte und seinen ehemaligen Freund in dieses Muggeldorf verfolgt hatte. Er hätte ihn umgebracht, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, das wusste er genau. Er wäre zum Mörder geworden ... oh ja ... wenn er nur die Möglichkeit gehabt hätte. Nur ein paar Sekunden früher in diesem Muggeldorf.
Als die Fledermaus wieder in die Zelle geflogen kam und sich auf seinem Knie niederließ, konnte er nur noch mit Mühe still sitzen. Der Tatendrang war unerträglich. Doch die Rückkehr Eridanus' konnte nur eins bedeuten. Die Luft war rein. In wenigen Augenblick würde er sich wieder in Freiheit befinden.
„Wir sehen uns, Bruderherz“, flüsterte er. Dann sprang er auf und verwandelte sich noch in der Bewegung. Die Fledermaus flatterte dicht über seinem Kopf. Die dreckige, zerlumpte Gefängniskleidung lag auf dem Boden der Zelle. Er packte sie mit seiner Schnauze und zerrte sie auf die ausgebeulte Matraze in der alle seine Pläne und Hoffnungen versteckt waren. Dann trat er zurück und die Fledermaus ließ etwas darauf fallen.
Weil Phoenixfedern sich so leicht entzündeten, waren sie nur für speziell ausgebildete Hexen und Zauberer erhältlich. Zauberstabmacher waren solche speziell ausgebildeten Personen. Augenblicklich ging das alte Material der Matraze in Flammen auf und mit ihr alles, was Hinweise auf sein weiteres Vorgehen geben könnte. Beinahe lautlos würde es niederbrennen und wenn die nächste Wache vorbei kommen würde, dann würde nur noch ein Haufen Asche übrig sein.
Mit hämmerndem Herzen stand er vor den Gitterstäben seiner Zelle und steckte die Schnauze hindurch. Er war so dürr, es musste einfach passen. Er hatte extra an Essen eingespart, damit dieser Teil des Plans gelingen würde.
Ein Schritt, erst der Kopf, dann der Körper, die Beine vorsichtig über die Schwelle gehoben und mit ein wenig Kraft – war er frei! Der Triumph der ihn erfüllte, ließ ihn schwankend im Gefängnisgang stehen. Alle Sinne betäubt von dieser einen Wahrnehmung. Nach so vielen Jahren hatte er die Zelle tatsächlich hinter sich gelassen.
Er hob den Hundekopf und schaute hinauf zu der reglosen Gestalt des Dementors. Das Wesen, das ihn all die Jahre mit seiner Anwesenheit gefoltert hatte, nahm keinerlei Notiz von ihm. Es war tatsächlich geglückt und er wurde nicht wahrgenommen. Nur mit Mühe konnte er sich ein Heulen oder Bellen der Freude verkneifen.
Die kleine Fledermaus schwirrte ein weiteres Mal um seinen Kopf herum. Es wurde Zeit zu gehen. Noch war es nicht vorbei …
Er setzte sich in Bewegung, so schnell, wie es ein ausgezehrter und magerer Hundekörper es eben schaffte. Es war nur ein kurzer Gang, dann eine Treppe. Eridanus kannte den Weg und flog voraus. Er jagte hinterher. Er handelte nur noch aus Instinkt. Würde ihm jetzt jemand in die Quere kommen … seine tierischen Instinkte würden wohl vollends Übermacht gewinnen.
Nur mit Mühe passierte er die nächste Kurve ohne in die Wand zu rennen. Nicht mehr weit. Sein Bruder hatte ihm den Weg deutlichst beschrieben. Man kam nicht durch die offiziellen Eingänge, ohne erfolgreich gewisse magische Kontrollen und Barierren zu passieren, aber einem Hund reichten andere Fluchtmöglichkeiten. Sie waren jetzt nur noch ein Etage über dem Meeresspiegel. Mehr als genug um unverletzt den Fluchtversuch zu wagen.
Ein Fenster in der Mauer. Ohne Gitterstäbe, weil es sowieso zu klein für einen Menschen war. Er passierte weitere Dementoren, als er auf das kleine Fleckchen Freiheit zuraste. Dann – Schritte. Auf dem Gang direkt vor ihnen. Neben dem Fenster ging der Gang um eine Ecke und dort war jemand. Ein Wächter. Sirius kam schlitternd zum Halt und warf den Kopf herum. Eridanus flatterte mit den Flügeln und flog weiter. Sie konnten es schaffen … sie mussten.
Angst, eiskalt und erbarmungslos schnürrte seine Kehle zu. Angst, wie nur Dementoren sie sonst erzeugen konnten. Sie würden ihn bekommen, würden ihn wieder einfangen, wieder in die verdammte Zelle stecken … Es würde enden, hier und jetzt. Er hätte das hier schon vor so vielen Jahren machen sollen, aber was hätte es ihm genutzt. Erst jetzt hatte er die einmalige Möglichkeit, seinen Ruf wiederherzustellen. Seine Familie zurückzugewinnen. Adriana.
Die Schritte stoppten und er setzte sich wieder in Bewegung, der Gedanke an seine Tochter füllte jede Zelle. Er war kurz vor dem Fenster und sah aus dem Augenwinkel den Wachmann, der mit dem Rücken zu ihm stand, dann segelte er durch die Luft.
Eiskalter, belebender, frischer Wind zog an seinem dunklen, dreckigen Fell, dann schlug er auf das Wasser auf, durchbrach die Oberfläche, wurde von den Wellen der Nordsee verschluckt. Die Kälte des Wasser stach durch sein nasses Fell, setzte ihn für einige Sekunden unter Schock, ehe er wieder wusste, wie er seine Beine benutzte. Es brauchte alle Kraft, die er aufbringen konnte, um sich an die Oberfläche zurückzukämpfen. Und es war noch lange nicht geschafft. Er musste aus dem Anti-Apparier-Schild des Gefängnisses heraus.
Das Meer war nicht still, es tobte und schlug Wellen, die ihn immer wieder verschluckten und nach unten zu ziehen versuchten. Er wusste nicht, wie lange er es durchhalten konnte, denn mit jedem Pfotenschlag wurde das nasse Fell schwerer und der Körper langsamer. Ein gurgelndes Heulen entwich seinem Maul. Die Fledermaus über seinem Kopf flatterte wieder um seinen Kopf herum, ermutigte ihn, nur noch ein Stück.
Adriana.
Er mobilisierte seine letzten Kräfte. Verlangte seinem Körper all das ab, was der Aufenthalt in Azkaban ihm noch gelassen hatte.
Nur noch schemenhaft nahm er wahr, wie sich Eridanus neben ihm verwandelte, nahm es als Aufforderung es ihm nachzutun. Zusammen sanken sie unter die Wasseroberfläche. Dann fanden die Hände seines Bruders seinen Arm, bleiche Finger griffen zu und das beinahe vergesene Gefühl des Apparierens machte sich bemerkbar. Als würde man durch eine enge Röhre gequetscht ... Dann spürte er nichts mehr.
***
In einem kleinen Hinterzimmer des Zauberstabgeschäftes von Mr Ollivander in der Winkelgasse landeten mit einem leisen Plopp zwei Personen. Beide waren triefend nass und zitterten vor Kälte. Einer von beiden sank augenblicklich bewegungslos zu Boden, der andere Griff nach seinem Zauberstab, der auf einem kleinen Beistelltisch bereit lag und beugte sich über den Bewusstlosen am Boden.
Hinter ihnen trat eine Gestalt aus dem Halbdunklen des Verkaufsraumes.
„Oh … tatsächlich. Buche und Drachenherzfaser, 13 einviertel Zoll, unnachgiebig und launisch. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.“ Mit abwesendem Gesichtsausdruck reichte Mr Ollivander seinem Assistenten eine Wolldecke. „Höchst bedauerlicher Weise wird dieser Zauberstab wohl längst zerstört sein. Ein Jammer. Wir werden sehen, welcher Zauberstab diesmal der Richtige ist. Azkaban verändert die Leute.“ Er wartete, bis Eridanus seinen Bruder in die Decke gehüllt hatte, dann berührte er ihn am Arm. „Halte dir immer vor Augen, welches Risiko du hier eingehst, Eridanus“, mahnte er mit gesenkter Stimme. Dann verschwand er ohne jedes weitere Wort über eine Treppe in den Wohnräumen direkt über dem Laden.
„Ja, Meister“, flüsterte Eridanus, ehe er sich wieder seinem kleinen Bruder zuwandte.
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Tadaaa! Und er ist frei!!! Und ich bin es jetzt auch ... oder auch nicht, weil ich jetzt für zwei Wochen mit meiner Familie im Urlaub sein werde ... Uploads sind unwahrscheinlich, allerdings werde ich weiter schreiben, das heißt es wird sofort weitergehen, sobald ich wieder meinen Computer vor der Nase haben werde, versprochen ;)
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