Epilog
Kiara
11 Monate und 2 Wochen später
Ich sitze am gedeckten Tisch und schaue auf das Glas Saft vor meiner Nase.
"Du hast gesagt, dass du nicht mehr auf die Straße gehen willst. Und jetzt bist du doch gegangen.", ergreife ich gefasst das Wort, als ich Manuels Lackschuhe wahrnehme, die auf den glänzenden Marmorboden unserer Villa in Cabo San Lucas auf der mexikanischen Insel Baja California treffen.
Vor fast einem Jahr sind wir von Sao Paulo nach Mexiko gezogen, weil Manuel seine Geschäfte in Brasilien fertig gestellt hat und seine Anwesenheit nicht mehr zwingend notwendig war. Seitdem hat er sich nahezu komplett aus dem Straßengeschäft herausgezogen. Er arbeitet von zu Hause aus, hat das Netzwerk der Familie weiter ausgebaut und besucht nur im äußersten Notfall seine "Kunden".
Ich weiß nicht, ob er seit Jose wieder getötet hat, aber wir haben uns drauf geeinigt, dass es besser ist, wenn ich davon nichts weiß. Wenn er weiterhin tötet, dann macht er es jeden Fall so geschickt, dass ich nichts davon mitbekomme.
Keine blutigen Hemden, keine Blutspritzer auf den glänzenden Lackschuhen, keine aufgeschürften Hände.
"Ich musste etwas regeln.", erwidert er.
Belustigt schnaube ich, bevor ich mir eine Erdbeere zwischen die Lippen schiebe.
Es ist 10 Uhr morgens und er ist die ganze Nacht nicht zurückgekehrt. Cabo San Lucas ist bekannt für sein berauschendes Nachtleben und ich versuche die Gedanken zu unterdrücken, die mir einreden wollen, er sei in einem der vielen Strip Clubs mit Kollegen gewesen.
"Was musstest du regeln?", frage ich, obwohl ich weiß, dass er es mir nicht sagen wird.
"Hast du dir Nutten angeschaut, die du für deine Clubs einsetzen willst?"
"Ich bin, seit ich dich kenne, nicht in einem Strip Club gewesen. Ich war noch nie in meinem Leben in einem Puff oder Bordell. Das weißt du. Und du weißt auch, dass ich diese Nacht nicht dort gewesen bin. Hör auf, so zu sein. Es tut mir Leid, dass ich heute Nacht nicht da war und das ich mich nicht gemeldet habe.", erwidert er viel zu ruhig.
"Dann sag mir, wo du die letzten 24 Stunden gewesen bist? Seit gestern 8 Uhr morgens warst du weg. Glaubst du, dass ich dich erreichen konnte?", fauche ich fast schon gehässig und starre das Croissant auf meinem Teller mit Todesblicken an.
"Ich habe mir Sorgen gemacht.", füge ich leise hinzu.
"Das tut mir Leid.", erwidert er und scheint näher zu kommen.
Sein Parfum steigt mir in die Nase, während ich im Augenwinkel sehe, dass er um mich herum läuft.
"Es tut mir wirklich Leid, aber ich habe eine Erklärung. Hörst du mir zu und hörst auf, so zickig zu sein?", bittet er mich, während er mir einen Strauß mit roten Rosen hinhält.
"Für mich?", frage ich überrascht und kriege auf der Stelle ein schlechtes Gewissen.
"Natürlich. Oder siehst du hier noch jemanden?", schmunzelt er und beugt sich zu mir herunter, um meine Stirn zu küssen.
"Die sind wunderschön.", staune ich und rieche an den großen, roten Blüten.
"Schön, dass sie dir gefallen.", lächelt er leicht.
Er sieht nervös aus, fast unruhig wirkt er.
"Ist alles in Ordnung?", frage ich stirnrunzelnd und lege die Blumen zur Seite.
Er nickt.
"Lässt du mich ausreden?"
Mein Herz rutscht in die Hose.
"Was hast du getan?"
Er lacht leise.
"Lässt du mich ausreden?", fragt er erneut.
Unwillkürlich nicke ich, auch wenn ich mich vermutlich nicht dran halten kann.
Manuel setzt sich auf den Stuhl gegenüber von mir und legt fünf oder sechs Unterlagen zwischen uns.
"Ich war in Amerika."
"Du warst wo?", rufe ich laut und erwarte eine plausible Erklärung.
"Kiara, ruhig.", macht er eine beschwichtigende Handbewegung.
"Ich habe einen Teil meines Geldes bei einer amerikanischen Bank angelegt. Ich habe dort ein Konto eröffnet. Alle Einnahmen aus Brasilien laufen dort hin. In den letzten Monaten habe ich die Drogengeschäfte eingedämmt. Ich habe Anfang des Jahres ein Hotel in Los Angeles gekauft. Die Einnahmen decken den Verlust, den ich ohne den Drogenverkauf in meinen Clubs mache. Die restlichen Drogengeschäfte laufen mittlerweile so verschleiert, dass dort niemand hinter kommt."
Was will er mir damit sagen?
"Was ich damit sagen will: Unsere Einnahmen entstehen seit heute 00:00 Uhr komplett aus legalen Geschäften. Du musst dir keine Sorgen mehr machen. Uns kann niemand mehr etwas anhängen, es ist vorbei. Ich bin sauber, hörst du?"
"Aber-", stottere ich, weil ich es kaum glauben kann.
Manuel lächelt.
"Kein aber. Ich habe das getan, was du wolltest. Es war nicht leicht, aber ich habe es geschafft. Für dich, hörst du? Du musst keine Angst mehr haben."
"Manuel ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.", schüttel ich den Kopf.
"Du musst nichts sagen.", winkt er ab.
"Hier sind die Unterlagen. Die Verträge und Urkunden. Es ist alles legal und sauber."
Anstatt mir alle Unterlagen zu geben, schiebt er mir nur eine über den Tisch.
"Was ist das?", frage ich stirnrunzelnd, weil ich kein Englisch kann.
"Kiara.", spricht er mich an.
"Ich kann kein Englisch, was ist das?", frage ich erneut nervös. Auch wenn ich einige Worte verstehe und lesen kann, will ich mir nicht zu sicher sein. Ich habe einen Verdacht, aber ich werde es nicht aussprechen.
Während ich die Unterlagen mit zitternden Händen versuche zu entziffern, steht Manuel auf und kommt um den Tisch herum.
Mit Händen in den Hosentaschen bleibt er vor mir stehen, bevor er mich hochzieht.
Ruhig und zärtlich küsst er meine Stirn, dann geht er vor mir auf die Knie.
"Manuel, nein. Steh auf. Steh auf.", wimmere ich.
"Ich habe dir versprochen, dass du meine Frau wirst, wenn ich dein Leben nicht mehr zerstören kann. Ich habe das letzte Jahr nur dafür gearbeitet und ich war oft an dem Punkt, an dem ich dachte, dass es nichts wird.", beginnt er.
Während mir die Tränen in Bächen über die Wangen laufen, kniet er vor mir und lächelt mich an.
"Als ich vorgestern den Anruf aus Amerika bekommen habe, dass ich das Konto eröffnen kann und dass die Prüfung durch ist, war mir klar, dass ich dort sofort hin muss. Noch so eine Chance hätte ich nicht bekommen. Ich konnte das nicht wieder kaputt machen. Kiara, heirate mich. Ich verspreche dir, dass ich dir das Leben schenke, was du verdient hast. Ich verspreche dir, dass du ein Leben in Freiheit führen wirst, ohne Angst. Ich verspreche es dir. Werd' meine Frau, Pequenina. Por favor, te amo."
Der goldene Ring glitzert in der dunkelblauen Schmuckschatulle, während ich kaum noch etwas sehen kann.
"Ja, Ja ich heirate dich, Manuel.", weine ich laut und falle ihm um den Hals.
"Ich dachte, ich werde dich das nie fragen können.", lachte er leise und küsst meine Wange an die hundert Mal.
"Endlich wirst du meine Frau."
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