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Kiara
Manuel hat mich ins Haus gebracht und ist gerade im Badezimmer verschwunden, während ich auf dem Bett sitze und warte.
Dass er jetzt wirklich noch mal los muss, gefällt mir nicht.
"Julio holt dir gerade den Koffer. Er bringt ihn dir hoch. Pack einfach alles ein, ich packe meine Sachen dann später dazu.", erklärt er mir, während er aus dem Bad kommt. Er hat seinen Mantel abgelegt, zieht ihn aber auch nicht wieder an.
Während er an mir vorbei läuft, fällt mein Blick auf seine Waffe, die hinten in seinem Hosenbund steckt.
Als er meinen unsicheren Blick sieht, dreht er sich schnell zu mir, sodass ich die Waffe nicht mehr sehen kann. Dann zieht er sein Jackett über und verdeckt das tödliche Metall.
"Ich mache mich dann auf den Weg. Soll ich dir für den langen Flug noch etwas aus dem Supermarkt mitbringen?"
Seine Frage überrascht mich.
Es hört sich an, als wäre er ein ganz normaler Kerl. Als würde er schnell einen Termin bei der Bank wahrnehmen und seiner Frau danach etwas zu essen mitbringen.
Aber so ist er nicht.
"Vielleicht Kekse. Und Fanta.", nuschel ich und versuche mein gekränktes Gefühl zu überspielen.
"Kekse und Fanta. Bringe ich mit.", nickt er abschließend und führt seine rechte Hand an mein Kinn, um meinen Kopf hochzudrücken.
Schnell küsst er mich zum Abschied.
"Bis gleich."
Ich habe keine Zeit ihm zu antworten, weil er da schon durch die Tür verschwunden ist. Alleine bleibe ich zurück und höre noch kurz, wie er sich mit Silvia und Julio unterhält, bevor auch die Haustür zuschlägt und er das Haus endgültig verlassen hat. Durch das Fenster schaue ich zu, wie er die Waffe aus seinem Hosenbund zieht, bevor er sich ins Auto setzt. Die Waffe hat er auf den Beifahrersitz gelegt; dann startet er den Wagen.
Als ich die Rücklichter des teuren Audis nicht mehr sehen kann, setze ich mich zurück aufs Bett.
"Er ist bald wieder da.", erschreckt mich Julio.
Mit großen Augen drehe ich mich schnell um, während Julio mir den Koffer vor das Bett stellt.
"Julio. Ich wusste nicht, dass du das stehst."
"Tut mir Leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.", lächelt er entschuldigend und entfernt sich einige Schritte vom Bett.
"Du kannst mich duzen.", spreche ich etwas an, was mir schon die ganze Zeit nicht aus dem Kopf geht.
Julio schüttelt den Kopf.
"Lieber nicht, danke."
"Warum?", frage ich irritiert und schaue ihn stirnrunzelnd an.
"Weil ich nicht will, dass Ihr Freund mir eine runter haut.", lacht er leise.
"Das hat er doch nicht zu bestimmen. Ich will, dass du mich duzt.", bestimme ich.
"Kiara, wie gesagt. Besser nicht. Das ist schon in Ordnung so. Packen Sie jetzt ihren Koffer, er wird in zwei Stunden zurück sein."
Er winkt kurz, dann verlässt er mein Zimmer und zieht die Tür hinter sich zu.
Ich atme tief ein und aus, bevor ich den Koffer packe. Viele Sachen habe ich nicht, aber trotzdem freue ich mich, die schöne neue Kleidung anzuziehen. Vor allem die weiche Unterwäsche sticht mir ins Auge. Absichtlich platziere ich sie ganz oben, damit Manuel sie nicht übersehen kann.
Auch wenn ich nicht glaube, dass er nicht in die Tasche geschaut hat, will ich ihn ein wenig ärgern.
Ich stelle mich noch schnell unter die Dusche, bevor ich mir die bequeme Jogginghose und einen Hoodie anziehe, den ich zusammen mit Silvia gekauft habe. Unruhig packe ich die letzten Sachen in den Koffer, bevor ich nach unten gehe.
Julio und Silvia sitzen am Tisch und unterhalten sich, während Julio eine Mandarine schält.
"Hey.", begrüße ich die beiden unsicher.
"Oh mi nina, schön dich zu sehen. Es tut mir so Leid."
Silvia ist ruckartig aufgestanden und führt mich zu einem Stuhl.
"Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte euch nicht die Schuld geben dürfen.", entschuldige ich mich schnell.
"Nein nein, du musst dich nicht entschuldigen. Wirklich nicht. Manuel hat mir erzählt, dass du dich arg erkältest hast. Geht es dir wieder besser? Wir haben uns große Sorgen gemacht, Manuel war gar nicht mehr er selbst. So habe ich ihn noch nie gesehen.", seufzt sie bemitleidend.
"Es war nur eine schlimme Erkältung, es geht mir wieder gut. Manuel hat sich Sorgen gemacht?", hake ich nach und nehme Julio ein Stück der Mandarine ab, die er mir freundlicherweise kommentarlos hinhält.
"Und wie. Ich kannte den Jungen kaum noch. Er wollte nicht mal mehr meine Tamales essen. Wenn er hier war; es war nicht oft, aber wenn er hier war, hat er sich nur schnell frische Sachen geholt. Dann ist er immer gestresst auf und ab gelaufen und hat mich nach Tipps gefragt. Er wusste nicht, wie er dir helfen kann. Mein kleiner Junge war wirklich verzweifelt.", erklärt sie mir traurig und setzt sich wieder auf ihren Stuhl.
"Habe ich es Ihnen nicht gesagt?", flüstert Julio und reicht mir noch ein Stück Mandarine, bevor Silvia das Memorie-Spiel auf den Tisch stellt.
"Du spielst doch mit, oder Kleines? Wir müssen uns die Zeit vertreiben, bis Manuel wieder da ist.", lächelt sie und öffnet das Spiel.
"Ja. Ja gerne.", stimme ich zu und esse das zweite Stück Mandarine.
"Gut. Julio, misch mal die kleinen Karten. Ich hole dir einen Tee, Kleines.", teilt Silvia uns mit und steht dann vom Stuhl auf.
"Manuel weiß Sie sehr zu schätzen. Sie sind ihm sehr wichtig. Egal für was Sie sich entscheiden - das sollten Sie dabei nicht vergessen."
Julios Stimme ist leise und rau, während er die viereckigen Kärtchen mischt.
"Danke.", flüstere ich gekränkt.
Auch wenn ich es vor mir herschiebe, hat Julio recht. Ich muss mich entscheiden. Irgendwann muss ich das tun.
Ganz oder gar nicht - das hat auch Manuel schon anklingen lassen.
Aber jetzt steht erstmal das Wochenende an. Ich will darüber jetzt nicht nachdenken.
"Hier. Pfefferminztee. Manuel meint, den magst du so gerne.", spricht sie fröhlich und stellt mir den dampfenden Tee direkt vor die Nase.
"Danke, Silvia.", lächle ich leicht.
Woher weiß Manuel, dass ich Pfefferminztee am liebsten mag?
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