- 80 -

Manuel
18:03 Uhr

"Da ist er ja, unser mexikanischer Frauenschwarm.", begrüßt mich Pelé grinsend und breitet ironisch die Arme aus, als er mich auf der Türschwelle stehen sieht.

"Halt die Klappe.", brumme ich, schlage jedoch trotzdem lachend bei ihm ein. Pelé ist mein bester Kumpel. Wir haben uns in Mexiko in der Grundschule kennengelernt und sind seitdem in Kontakt.

"Theo, Hi. Kommt rein. Ich habe kochen lassen.", erklärt er und zieht uns in seine große Wohnung.
Er wohnt in Bogota direkt im Stadtzentrum in einem der hohen Wolkenkratzer und arbeitet als Bänker.

Hin und wieder hilft er mir bei einigen Deals und sorgt dafür, dass das Geld fließt.

"Was gibt es denn?", frage ich und ziehe mein Jackett aus. Während ich es aufhänge, hält er mir und Theo eine Zigarette hin, die ich ihm dankend aus der Hand nehme und ihm dann schließlich auf den Balkon folge.

"Nichts besonderes. Steak und Salat.", winkt er ab und hält das Feuerzeug an meine Zigarette, die schon zwischen meinen Lippen steckt.

"Bei dir in Brasilien ist ja ganz schön was los.", wechselt er schließlich das Thema und schaut mich mit zuckenden Mundwinkeln an.

"Was meinst du?", räuspere ich mich und schaue über die Stadt.

Auch Theo sieht mich erwartungsvoll an. Vermutlich kann er es kaum abwarten meinem Onkel alles zu erzählen.

"Das hübsche Mädchen an deiner Seite.", grinst er schließlich.

Ich schaue kurz zu ihm herüber, aber kann mir ein Zucken meiner Mundwinkel und ein anschließendes Schmunzelnd nicht verkneifen.

"Ah Ah. Hab ich dich erwischt?", lacht er leise und boxt mir spielerisch gegen den Oberarm.

"Ich muss nochmal kurz telefonieren.", fällt mir plötzlich wieder ein.
Auch um von dem Thema abzulenken. Während ich mich von beiden abwende, rufe ich bei Julio in Sao Paulo an.

"Ja Boss.", meldet er sich recht schnell.

"Und? Muss ich mich wiederholen?", frage ich lediglich warnend und ziehe an meiner Zigarette.

"Nein. Sie sitzt hier auf dem Sofa im Büro, während ich arbeite.", erklärt er mir.

Das sie eigentlich nicht in mein Büro sollte, lasse ich jetzt mal außen vor.
"Gib sie mir.", fordere ich ihn nüchtern auf.

Kurz höre ich ihn mit ihr sprechen, bevor ihre zarte Stimme ertönt.

"Kiara. Du weißt doch. Ich habe meine Augen überall.", erinnere ich sie warnend.
Sie braucht nicht denken, dass sie mir auf der Nase rumtanzen kann.
Das braucht sie wirklich nicht denken. Regeln sind Regeln, auch wenn wir eine etwas andere Beziehung führen.

"Ich habe gar nichts gemacht.", meckert sie mich beleidigt an.

"Unter 'gar nichts' verstehe ich aber etwas anderes, als dich auf dieser Bühne zu sehen, Madame.", werde ich deutlich und mache ihr klar, dass sie nicht lügen braucht.

"Also Manuel-", beginnt sie wütend, doch ich unterbreche sie.

"Pass auf, wie du mit mir redest, Baby. Ich diskutiere das nicht mit dir. Du gehst heute Abend nicht mehr in den Club. Es ist zu gefährlich."

"Manuel-"

"Kiara!", unterbreche ich sie diesmal ein Stück lauter.
"Wir hatten das Thema. Bitte. Es hat sich heute einiges geändert, also bitte hör auf mich. Por Favor."

"Du kannst mich mal. Rede nicht so mit mir.", faucht sie plötzlich.

Ich befeuchte meine Lippen und schaue zu Pele und Theo herüber, die mich beide belustigt anschauen. Natürlich lauschen sie.
Genervt drehe ich mich weg und widme mich wieder Kiara.
"Dann hör auf mich. Bitte, Kiara. Ich bin morgen Mittag wieder in Brasilien. Dann hole ich dich direkt ab."

"Ach leck mich doch.", flucht sie und legt auf.

Ich schließe die Augen und atme tief durch, bevor ich mein Handy verschwinden lassen.

"Temperamentvoll, die Kleine.", merkt Pele an und zieht genüsslich an seiner Zigarette.

"Erst seit Kurzem.", brumme ich und drücke die Zigarette am Balkongeländer aus.

"Das ist also deine neue Flamme?", will er neugierig wissen und setzt sich auf eines der Sofas auf dem Balkon.
Die lauwarme Luft fließt um meinen Körper und lässt mich aufatmen.

"Das ist nicht so einfach.", beginne ich und setze mich zu ihm.
Wir schauen beide über die Stadt, während Theo vor uns am Geländer lehnt.

Ich denke nach.
"Eigentlich wollte ich sie rauswerfen. Sie war noch Minderjährig.", erkläre ich ihm.

"Wow."
Stutzig sieht er mich an.

"Keine Ahnung, Pele. Sie hat sich durchgesetzt und dann ist ihr Vater aufgetaucht und hat sie verprügelt. Mein Onkel war zufällig da und hat mir gesagt, dass ich sie mitnehmen soll. Und dann habe ich sie irgendwann einfach geküsst. Das ist einfach so passiert", erkläre ich ihm die Kurzfassung.

"Und jetzt kommst du da nicht mehr raus?"

Ich schüttel den Kopf.
"Will ich auch gar nicht. Nur ist es nicht so einfach. Sie weiß, was ich mache und ich denke, dass sie damit ganz gut klar kommt. Aber sie will sich eben nichts sagen lassen."

"Schwierig. Du musst gut aufpassen, aber das wirst du ja wissen.", merkt er an.

"Ja. Sie wird ausrasten, wenn ich ihr sage, dass sie nicht mehr alleine raus kann.", zwinge ich mir ein Lächeln auf, weil ich mir jetzt schon genau vorstellen kann, dass sie mich hauen wird. Sie will sich nicht einsperren lassen und das will ich eigentlich auch nicht.

Wirklich nicht.

Aber solange ich keine andere Möglichkeit gefunden haben, werden wir darum nicht herum kommen.

"Lerne ich sie am Wochenende kennen?", fragt er plötzlich und lehnt sich leicht vor.

"Ja. Ich bringe sie mit. Zumindest habe ich das geplant.", nicke ich.

"Schön, dass ich endlich mal eine Frau kennenlerne, die meinem besten Kumpel den Kopf verdreht hat.", ärgert er mich und will mich aufmuntern.

"Sie ist klug. Und rein. Sie hat viel erlebt, so viel Mist. Ich will ihr ein Leben geben, in dem sie sicher ist und sich um nichts mehr sorgen muss. Aber das kann ich nicht und ich habe Angst, dass sie das früher oder später auch merkt.", offenbare ich ihm.

Tatsächlich habe ich Angst.

Seit dem Tod meiner Eltern habe ich zum ersten Mal wieder Angst.

"Man erzählt sich hier, dass sie sowas wie eine Nutte ist? Verzeih mir das Wort.", hakt er zaghaft nach.

"Ich weiß. Andres hat mir heute das Gleiche erzählt. Aber das ist nicht wahr. Ich habe dafür gesorgt, dass sie sich nicht prostituiert. Ich kann mir sowas nicht erlauben, wenn meine Clubs unter Aufsicht des Staates stehen. Das wäre ein riesiger Skandal.", kläre ich ihn auf.

"Ich hätte auch nicht gedacht, dass du dich wirklich ernsthaft auf eine richtige Nutte einlässt.", lacht er leise.

"Du musst ehrlich zu ihr sein. Wenn dir so viel an ihr liegt - und ich glaube, dass dir noch viel mehr an ihr liegt, als du es hier zugibst - dann musst du mit ihr sprechen. Aber fahr sie nicht so an wie gerade und versuch dich nicht mit aller Macht durchzusetzen. Dann macht sie bestimmt dicht und das bringt dich nicht weiter.", erläutert er mir vor dem Hintergrund meines Telefonats mit ihr.

"Vielleicht wird sie es verstehen. Aber sie wird definitiv nicht ewig warten. Also warte nicht zu lange.", fügt er hinzu und klopft mir ermutigend auf die Schulter.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top