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Manuel
23:09 Uhr

Den ganzen Abend habe ich mich gezwungen, mein Büro nicht zu verlassen. Ich wollte sie nicht sehen, wie sie an dieser Stange tanzt.
Auch wenn sie nur trainiert, wollte ich das nicht mit ansehen.

Doch jetzt wo es ruhiger ist, will ich wissen, wo sie ist. Sind sie schon los?

Ich laufe durch den Flur in den Club und ziehe direkt die Blicke der 7 Mädels auf mich.
"Was.", brumme ich, weil sie mich anschauen, wie ein Auto.

"Nichts. Wir warten auf Kiara. Sie hat gleich Geburtstag und wir wollen in den Club.", teilt Rita mir mit, während ich mir Vodka in ein Glas einschütte.

"Aha. In welchen.", will ich nüchtern wissen und exe das Shotglas.

"Ins Le Reve.", erwidert sie zufrieden.
Schnaubend befülle ich mein Shotglas erneut.

War ja klar, dass Rita sie in so einen Nuttenclub bringt. Wohin auch sonst.

"Da kommt sie ja.", ruft Ines plötzlich, weshalb ich mich schnell umdrehe. Sie trägt ein schwarzes Kleid, es ist kurz, aber nicht zu kurz. Und es ist nicht so haut eng, wie das der anderen. Es betont ihre Hüften, aber trotzdem ist es keine zweite Haut.

Und obwohl sie zurecht gemacht ist, sieht sie nicht aus wie die anderen.

Sie sieht nicht aus, als würde sie heute Abend jemanden aufreißen wollen.

Sie sieht elegant aus.
Edel.
Wertvoll.

Und sie trägt bei weitem nicht so viel Make Up wie die anderen.

"Mund zu, Manuel.", lacht Rita laut, woraufhin ich meine Shot trinke. Ich kann kaum meine Augen von ihr nehmen, so hübsch sieht sie aus.

"Viel Spaß.", brumme ich und lasse die Mädels alleine.

"Bleib doch. Wir wollen hier anstoßen, wenn es Mitternacht ist. Und dann fahren wir rüber. Bleib doch solange.", ruft Rita mir nach.

Ich drehe mich um und schaue direkt zu Kiara, die mich überfordert anschaut.
"Nein, schon-"

"Kiara hat da sicherlich nichts gegen, oder Kiara?", unterbricht mich Rita und wendet sich an Kiara.
Die anderen Mädels haben sich schon hinten an den Tisch gesetzt.

"Nein. Nein, du kannst gerne dazu kommen.", nickt sie leicht. Rita klatscht in die Hände und läuft fröhlich zu den anderen, während Kiara und ich uns anstarren.
Ich bekommen kaum noch etwas mit; sogar die Musik im Hintergrund hört sich dumpf an.

Räuspernd stelle ich das Shotglas auf den Tresen und schaue dann wieder zu Kiara.
"Du- Also das Kleid, du-"

"Ist es zu kurz?", unterbricht sie mich schnell und schaut fragend an sich herunter. Während sie an dem Stoff rumzuppelt, betrachte ich ihren Körper noch einmal.

"Was? Nein. Quatsch. Ich meine nur, dass es toll aussieht. Also an dir. Also ich meine, dass du toll aussiehst. Richtig hübsch.", bringe ich ein Kompliment über meine Lippen.

Erleichtert schaut sie zu mir hoch.
"Danke.", lächelt sie, weshalb ich ebenfalls lächeln muss.
"Ich dachte schon, dass es zu kurz ist."

"Nein, es ist perfekt. Du siehst gut aus.", beteuere ich.

"Ich wollte dir gerade eben nicht den Mittelfinger zeigen. Tut mir Leid, ich war zu voreilig.", murmelt sie plötzlich und kommt mir näher.
Mein Herz beginnt zu rasen, als ich ihren Duft einatme.

Vanille.

"Ich hätte dich einfach nicht provozieren dürfen. Entschuldige.", bitte ich sie ebenfalls um Verzeihung.

"Kommt ihr? Wir wollen langsam vortrinken!", unterbricht Ines uns vom Ende des Raums und hält einen großen Cocktail hoch.
Lachend dreht Kiara sich um.

"Wir sollten dann mal.", spricht sie zu mir, woraufhin ich ihr zustimmend zunicke und hinter ihr her laufe.
Ines zieht sie zu sich auf Bank, während ich vor Kopf zwischen Rita und Melanie Platz nehme.

"Was will unser Chef denn trinken?", fragt mich Rita und deutet auf die vielen Flaschen Alkohol.

"Nichts.", lehne ich ab.
Sie verdreht die Augen und auch die anderen brummen genervt. Außer Kiara. Sie schmunzelt. Ich rutsche tiefer in den Stuhl, vergrabe meine Hände in den Taschen meiner Anzughose und strecke meine Beine unter dem Tisch aus, damit ich meine Füße überkreuzen kann.

"Und unser Geburtstagskind?", wendet sich Rita an meine Kleine und lässt mich aufhorchen.

"Ich? Sekt reicht. Ich möchte keinen starken Alkohol.", lehnt Kiara ab.
Stirnrunzelnd schaue ich zu ihr hoch, während sie ehrlich zu mir herüber schaut. Ihre Aussage überrascht mich und macht mich stolz zugleich.

Während die anderen einen Cocktail nach dem anderen bechern, beobachte ich Kiara, wie sie immer wieder ehrlich lacht. Es scheint ihr besser zu gehen, als an den Tagen zuvor. Aber trotzdem ist der Glanz noch immer nicht in ihre hübschen Augen zurückgekehrt.

Es freut mich, sie endlich wieder lachen zu sehen, und gleichzeitig beunruhigt es mich. Was mache ich, wenn sie mit uns abgeschlossen hat?

"Manuel, kannst du den Sekt holen? Er steht in der Kühltruhe. In 7 Minuten ist es so weit!", klatscht Rita aufgeregt in die Hände.
Normalerweise würde ich sowas nicht tun.

Nicht für Rita.

Aber heute geht es nicht um Rita sondern um Kiara.

"Ich helfe dir.", teilt Kiara mir mit und steht schnell von der Bank auf. Sie quetscht sich an Ines vorbei und stellt sich neben mich.
Leicht lächel ich sie an, bevor ich schweigend mit ihr in den Vorratsraum gehe.

"Du hättest ruhig was trinken können. Es ist schließlich dein Geburtstag.", spreche ich sie auf die Situation vorhin an.

"Mir ist nicht nach Alkohol. Ein Sekt reicht mir.", winkt sie ab und nimmt mir eine Sektflasche aus der Hand. Die Stimmung zwischen uns ist angespannt. Keiner weiß so recht, wie er sich verhalten soll.

Es ist das erste Mal, dass eine Frau mich so nervös macht, dass ich nicht weiß, wie ich ihr gegenüber treten soll. Wenn ich mich so verhalte wie immer, dann wirke ich vermutlich abweisend und arrogant.

Obwohl ich bei ihr genau das Gegenteil ausstrahlen will.

"Aber nicht wegen mir oder? Wenn du dich wegen mir unwohl fühlst, dann gehe ich. Das ist in Ordnung.", will ich nicht, dass sie wegen meiner Anwesenheit keinen Spaß haben kann.

"Was? Nein. Ich- Es ist schö-. Es ist gut, dass du mitfeierst."
Ihre Worte beruhigen mich, auch wenn sie sich korrigiert.

"Und gleich geht ihr in den Club?", hake ich noch einmal nach und schließe die Kühltruhe. Anstatt den Raum zu verlassen, lehnt sie sich gegen die Truhe und schaut auf den Vinylboden.

"Sieht so aus.", murmelt sie nicht gerade begeistert.

"Wenn du da nicht hin möchtest, dann musst du da nicht hin.", stelle ich klar, dass sie nichts gegen ihren Willen tun muss.

"Ich will nicht ganz so lange bleiben, aber dann muss ich alleine wieder zurück. Also muss wohl oder übel doch lange bleiben. Zumindest so lange, bis die anderen zurück wollen.", erklärt sie mir.

"Ich könnte dich abholen.", schlage ich ihr vor.

"Das würdest du tun?", fragt sie überrascht und stellt sich wieder aufrecht hin.

Ich nicke.
"Unter einer Bedingung."

Unbeeindruckt schaut sie mich an.

"Du hörst mir morgen zu und lässt mich dir alles erklären."

"Manuel.", schüttelt sie kraftlos den Kopf.
"Du erpresst mich."

"Nein. Ich erpresse dich nicht. Ich will das, was mir zusteht. Auch wenn ich für dich ein Mörder oder ein Psychopath bin. Aber das steht mir zu.", lasse ich mich nicht wieder von ihr abwimmeln.

"Das mit dem Psychopath, das- das war nicht okay von mir. Ich hätte das nicht sagen dürfen.", knickt sie ein.

"Spielt jetzt keine Rolle. Haben wir eine Abmachung?", schenke ich ihrer halben Entschuldigung keine Aufmerksamkeit.
Über sowas können wir morgen sprechen.

"Beeilt euch, in zwei Minuten ist es so weit!", ruft Ines laut aus dem Club, weshalb Kiara ertappt zur Tür blickt.

"Also?", dränge ich sie auf eine Antwort.

"Okay. In Ordnung.", geht sie auf meine Forderung ein und verlässt dann schnell den Abstellraum.
Erleichtert laufe ich ihr hinterher und trage ihr eine Flasche nach.

Auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist, ist es immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

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