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Kiara
"Ich brauche keine Sachen. Ich habe noch alles bei dir. Außerdem schlafe ich immer nackt.", provoziere ich ihn absichtlich.
Er soll sich nicht ständig zurückhalten und mir eine Abfuhr geben, nur weil ich noch nicht 18 bin. Ich will, dass er mich berührt.
Und nicht einfach nur so.
Richtig.
Ich höre ihn fassungslos schnauben, während er sein Handy in die Anzughose schiebt und den Laptop in die Hand nimmt.
"Okay."
"Was machst du denn jetzt mit Frauen wie mir?", mache ich weiter.
"Das ist nichts für deine Ohren.", schüttelt er den Kopf und schließt den Club ab, bevor er an mir vorbei geht.
"Hm, du musst es mir ja nicht erklären. Du kannst es mir ja auch einfach zeigen.", zucke ich unschuldig mit den Schultern und folge ihm.
Er stößt ein raues Lachen aus, bevor er die Tür zum Flur öffnet und wir durch die Hintertür den Club verlassen.
Anscheinend hat er seinen Wagen noch einmal umgeparkt. Er wirft zuerst seinen Laptop auf die Rückbank, dann geht er um sein Auto herum, um mir die Tür zu öffnen.
"Ich rate dir ein letztes Mal, mich nicht weiter zu provozieren. Ist das klar?", raunt er mir zu, nachdem er seine Finger um mein Kinn gelegt hat und mich zwingt ihn anzusehen.
Als ich etwas erwidern will, drückt er mich ins Auto, schnallt mich an und schlägt dann die Tür kraftvoll zu. Als er ums Auto herum geht, erkenne ich deutlich die Beule in seiner Anzughose, bei der er sich nicht einmal mehr die Mühe macht, sie zu verstecken.
"Wieso bist du eigentlich bis zum Ende geblieben?", wechsel ich das Thema, nachdem er sich auf der Fahrersitz gesetzt und den Motor gestartet hat.
"Habe vorgearbeitet. Ich habe heute Mittag einen Termin, du bist dann kurz alleine.", teilt er mir beiläufig mit und lenkt den schweren Wagen vom Hinterhof.
Die Sonne erleuchtet die Stadt in einem dunklen Orange und verdrängt langsam den weißen Mond, der noch am Horizont steht.
"Wo musst du denn hin?", frage ich ihn und rutsche tiefer in den Sitz, weil mich langsam die Müdigkeit einholt.
"Haben einen Geschäftstermin am Rand der Stadt."
Er achtet genau darauf, was und vor allem wie viel er sagt. Jedenfalls habe ich oft das Gefühl, als würde er mir nicht alles von sich preisgeben wollen.
Aber vermutlich tut man das bei Affären auch nicht.
"Worum geht es denn?"
Manuel befeuchtet seine Lippen und es kommt mir so vor, als sei er gestresst. Als würde ihn meine Fragerei stressen.
"Ich bin wohl zu neugierig, sorry. Du musst es mir natürlich nicht sagen.", ziehe ich meine Frage wieder zurück und schaue aus dem Seitenfenster, vor dem sich die wunderschöne Stadt auftut.
Die wunderschöne, dreckige Stadt. Die für die einen das Paradies zu sein scheint und für die anderen die Hölle.
Für Leute wie Manuel das Paradies und für Leute wie mich die Hölle.
"Es ist zu gefährlich für dich, wenn du etwas weißt.", findet er plötzlich doch seine Stimme wieder.
"Glaub mir, auch wenn es sich anders anfühlen mag, versuche ich dich zu schützen.", fährt er fort.
"Ich komm' schon klar, Manuel.", nicke ich.
Ich bin es ja nicht anders gewohnt, oder?
"Was trage ich denn an der Trauerfeier?", wechsel ich das Thema, weil ich ein Schweigen zwischen uns gerade nicht aushalten würde.
"Für die Kirche ein schlichtes, schwarzes Kleid. Oder ein schlichten, schwarzen Anzug. Geht beides. Röcke gehen auch immer. Hauptsache schlicht und schwarz." überlegt er laut.
"Okay. Silvia wird da sicherlich was für mich finden."
"Sicherlich.", bestätigt er mir nickend.
"Für die Feier am Abend sollte es eine dunkle Farbe sein, nur kein schwarz mehr. Dunkelgrün, Dunkelblau, Dunkelrot, Dunkelgrau. Und es darf etwas gewagter sein, aber trotzdem elegant. Nicht zu kurz.", führt er weiter aus und zuppelt gleichzeitig an meinem Kleid herum, um mir zu signalisieren, dass dieses hier eindeutig zu kurz wäre.
"Welche Farbe würdest du bevorzugen?"
"Das sage ich dir nicht. Sonst machst du dir einen Spaß daraus.", stellt er mit zuckenden Mundwinkeln fest.
Seine Stimme ist rau, aber ruhig. Gewählt. Kein Flüstern, aber auch kein normaler Tonfall.
"Wie kommst du darauf?", frage ich ironisch.
"Denkst du wirklich, dass ich-"
"Ja.", unterbricht er mich.
"Genau das denke ich. Und ich liege damit goldrichtig."
Kichernd schließe ich die Augen.
"Wenn du meinst.", murmel ich belustigt und versuche mich den restlichen Weg zu entspannen. Meine Füße tun höllisch weh und mein Kopf hämmert von dem starken Bass im Club.
Jetzt, wo es wirklich zum ersten Mal still ist, höre ich die leise Musik, die durch das Auto schwebt.
Mozart.
Ganz sanft und sachte.
Bevor ich einschlafe fliegen meine Gedanken zu Manuel, der eigentlich nicht den Eindruck macht, als würde er klassische Musik hören. Und doch passt sie zu ihm.
Zu seiner eleganten und gleichzeitig selbstbewussten, arroganten Seite. Sie passt zu seinen teuren Anzügen, seinen italienisches Lackschuhen, die so sauber sind, dass man sich darin spiegeln kann.
Ich würde meine Hand drauf verwetten, dass ich mir in den Lackschuhen meinen Lippenstift nachziehen könnte, ohne irgendwo überzumalen.
So sauber sind sie.
Und dann gibt es den Teil von Manuel, der anscheinend weiße Nikes trägt, Jogginghosen und stinknormale Hoodies.
Doch eigentlich bin ich mir gar nicht sicher, ob er die Nikes wirklich trägt. Sie stehen in seinem Flur, aber man erkennt keinen Dreck. Keine Spur von Feuchtigkeit, Sand, Staub oder Matsch. Keine kleinen Steinchen.
Nichts.
Stehen sie dort nur zur Deko, genauso wie seine Jogginghosen und Hoodies im Schrank als Deko hängen?
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