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Manuel
"Manuel, du darfst sie nicht aus den Augen lassen.", ermahnt mich mein Onkel, nachdem er schwungvoll die Tür geöffnet hat.
Langsam hebe ich meinen Kopf, um ihm ins Gesicht zu schauen.
"Wie oft hatte ich dir das erklärt?", fährt er fort und schließt die Tür.
"Wo ist sie denn?", frage ich stirnrunzelnd und lege den Stift bei Seite.
"Jetzt in ihrem Zimmer. Ich habe sie im Hinterhof aufgegabelt.", erklärt er mir und setzt sich breitbeinig auf das kleine Sofa.
Seufzend fahre ich mir über das Gesicht und denke nach.
"Du hast ihr nicht gesagt, wer wir sind?", dämmert es meinem Onkel langsam. Ich spüre seinen feurigen Blick auf mir, während ich mein Gesicht noch immer in meinen Handflächen vergaben habe.
"Natürlich nicht.", nuschel ich gegen meine Hände, bevor ich wieder den Kopf anhebe.
"Ich wusste doch nicht, dass-. Sie soll das nicht wissen. Das zwischen uns ist doch gar nichts ernstes. Da läuft doch auch überhaupt nichts. Ihr Vater ist gewalttätig und du meintest, dass ich sie mitnehmen soll.", verteidige ich mich verzweifelt und gebe ihm die Schuld.
"Da läuft also nichts?", hakt er sicherheitshalber nach.
"Nein, überhaupt nichts. Ich habe ihr nur geholfen, so wie du es wolltest.", verschweige ich, dass ich sie geküsst habe.
Mein Onkel schaut nachdenklich auf seine Finger, die mit einem lockeren Faden von der Couch spielen.
"Und du bist dir ganz sicher, dass sie uns nicht kennt? Ich finde sie nett und sie passt zu dir. Eigentlich wollte ich sie in drei Wochen zu uns einladen."
"Sie kennt uns nicht und du wirst sie nicht einladen. Ich will sie auf keinen Fall da mit reinziehen.", lehne ich energisch ab.
"Eigentlich habe ich den Eindruck, dass sie schon mitten drin ist, Manuel.", kontert mein Onkel und suggeriert mir, als wüsste er längst, dass ich ihn anlüge.
Er hat seinen Kopf leicht nach rechts gebeugt und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen abwartend an.
"Wenn du sie da mit reinziehst, dann ja.", zicke ich zurück und verschränke die Arme vor der Brust.
Darf ich keine kleine Affäre haben?
Ich will nicht wissen, wie viele Affären mein Onkel vor Amara hatte. Und jetzt macht er hier einen Terz, weil ich vielleicht einmal was mit einem Mädchen haben.
"Manuel, du weißt, dass du die Frauen umbringen musst, die zu viel über uns wissen. Wir können uns keine Sicherheitslücken erlauben, die nur entstehen, weil du bei einer Minderjährigen schwach wirst."
Ertappt schaue ich ihn an.
"Wie gesagt.", brumme ich dennoch.
"Zwischen uns läuft nichts, eben weil sie Minderjährig ist."
"Meine Frau wird enttäuscht sein. Sie hätte die Kleine gerne beim Treffen in drei Wochen wiedergesehen.", seufzst er.
"Wenn du sie danach umlegst, kann sie gerne kommen.", brumme ich, obwohl ich das eigentlich nicht will.
Trotzdem wissen wir beide, dass sie nicht lange zu leben hätte, wenn sie zu viel weiß und nicht unter unserem Schutz steht.
"Ein Kinderspiel für mich.", zwinkert er mir provokant zu.
Mir ist durchaus bewusst, dass er mich testen will. Aber heute falle ich nicht drauf rein.
"Was weiß sie alles?", wird er nun ernster und setzt sich gerade hin.
Ich schüttel den Kopf, während ich im antworte.
"Nichts. Sie denkt, dass wir Unternehmer sind."
"Gut. Wenn du nicht willst, dass ihr was passiert, dann sollte das auch so bleiben. Und du musst darauf achten, dass sie nicht mit dir zusammen gesehen wird.", erklärt er mir zum x-ten Mal. Dieses Gespräch führen wir jedes Jahr mindestens einmal.
"Du weißt, dass ich dir hier nicht die Sicherheit geben kann, wie zu Hause in Mexiko. Deshalb ist es umso wichtiger, dass du so schnell wie möglich wieder zurück kommst. Wenn das hier alles geklärt ist, kannst du in das Haus deiner Eltern ziehen.", fährt er fort.
"Ich verzichte. Niemals kann ich dort wieder leben.", verneine ich.
"In Ordnung. Das akzeptiere ich. Dann sieh zu, das du genug verdienst, um dir in 6 Monaten ein Haus kaufen zu können."
Mein Onkel steht auf und nimmt sich einige Zettel von meinem Schreibtisch.
"Ich schaue mir das auf dem Heimweg an und melde mich dann zeitnah. Glaubst du, dass Tevez uns verarschen wollte?", fragt er mich, während er zur Tür herüber läuft.
"Ja, ziemlich sicher. Immerhin habe ich ihn ja schon umgelegt.", zucke ich mit den Schultern.
Miguels Mundwinkel zucken, bevor seine Hand die Türklinke umschließt.
"Das mit dem Bullen in Kolumbien klärst du aber noch."
"Bestimmt. Nur wann genau kann ich noch nicht sagen."
"Wir sehen uns in drei Wochen. Und ich erwarte, dass du Kiara mitbringst.", spricht er auffordernd und öffnet die Tür einen Spalt.
"Warum? Zwischen uns ist nichts.", runzle ich die Stirn.
"Wenn du deine Nervosität, dein Starren und deine Fürsorge als 'nichts' betiteln willst, okay. Wenn dir etwas an ihr liegt, dann bring sie mit. Wir kriegen das mit ihrer Sicherheit schon hin.", verabschiedet er sich und schlüpft dann durch die Tür.
Stumm starre ich auf die Tür, die langsam ins Schloss fällt. Natürlich kriegen wir das mit ihrer Sicherheit hin, nur will ich mir eigentlich erst gar keine Gedanken um ihre Sicherheit machen müssen. Sie soll davon einfach gar nicht erst betroffen sein.
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