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Manuel

Sie sagt nichts, sondern probiert erneut an ihr Glas zu kommen.

Erfolglos.

"Schau mich an.", spreche ich auffordernd.

Sie ignoriert meine Worte und starrt stattdessen gegen meine Brust.

"Kiara, schau mich an.", wiederhole ich mich strenger.

Als sie endlich ihren Blick hebt und mir in ins Gesicht schaut, streiche ich ihr die Strähnen aus dem Gesicht hinters Ohr.
"Ich bereue es, weil ich mich nicht kontrollieren konnte. Ich hätte dich nicht küssen dürfen, aber ich habe mich nicht unter Kontrolle gehabt, verzeih mir."

"Für sowas entschuldigt man sich nicht, Baby.", zitiert sie mich mit meinem Hauch Unsicherheit und entlockt mir ein raues, leises Lachen.

"Doch, doch das tut man. Ich hätte mich beherrschen müssen und das habe ich nicht getan. Du bist hier, weil du meine Hilfe brauchst und nicht, damit ich mich in dieser Situation an dich ranmache.", erkläre ich ihr und reiche ihr endlich das Glas.

"Ich wollte das aber."
Ihre Stimme ist diesmal lauter und energischer.

"Kiara, du solltest sowas nicht sagen. Erst recht nicht, wenn du in diesem Fummel vor mir stehst. Wer hat dir das überhaupt verkauft? Du solltest sowas überhaupt gar nicht kennen.", spreche ich mit einem ermahnender Unterton und führe meine Finger kurz an den Saum ihres Kleides, um den Stoff zu spüren.

Zart wie ihre Haut.

Geheimnisvoll wie Kiara persönlich.

"Ich dachte, du bist ein Mann und ich das Kind. Sollte ein Mann dann nicht mit den Aussagen von Kindern klar kommen?", provoziert sie mich und leckt den letzten Tropfen Wasser von ihrer Unterlippe.
Sie tut das nicht mit Absicht, das weiß ich. Sie ist viel zu unschuldig, als das bei ihren Taten eine Intention hinter stecken könnte.

Sie ist einfach so.

Unschuldig und kopflos.

"Du solltest aufhören, so mit mir zu reden.", ermahne ich sie und nehme ihr das leere Wasserglas aus der Hand, um es neben mich in die Spüle zu stellen.

"Geh schl-"

"Bring mich doch dazu.", unterbricht sie mich.

"Bitte?", frage ich, weil ich glaube mich verhört zu haben.
"Auf einmal so vorlaut?"

"Ein Kind eben.", zuckt sie mit den Schultern und setzt sich auf die Küchentheke.

"Hör auf.", lege ich ihr ans Herz, dass sie sich nicht mit mir anlegen sollte, und senke meine Hände, damit sie meinen Schritt verdecken.
Es ist ihr unangenehm, wenn ich wegen ihr hart werde, aber trotzdem legt sie es wieder drauf an.

"Womit?"

"Damit. Los, komm da runter.", lasse ich nicht mit mir spielen und überbrücke die zwei Meter, um sie von der Theke zu heben.

Kreischend versucht sie meine Hände von ihrer Hüfte zu bekommen.

Vergeblich.

Lachend stelle ich sie auf den Boden vor mir ab, bevor sie schnell lachend meine Hände von ihrer Hüfte schiebt.

"Bettelst um meine Lippen aber mit meinen Händen auf deinem Körper kommst du nicht klar?", drehe ich den Spieß um und sperre sie mit meinen Armen zwischen der Küchenzeile und mir ein.

"Was?", haucht sie atemlos, bevor ihr Lachen endgültig von ihren vollen Lippen verschwindet.

"Hör auf mit mir zu spielen und mich in den Wahnsinn zu treiben. Bitte. Du kennst mich nicht, vergiss das nicht."

"Ich kann dich doch kennenlernen.", fragt sie eine Spur zu enttäuscht.

"Nein. Du solltest mich lieber nicht kennenlernen. Glaub mir.", verpasse ich ihr einen Dämpfer.

"Okay.", flüstert sie, während ihre Pupillen immer kleiner werden.
"Verstanden.", flüstert sie und bückt sich, um leichter unter meinen Armen herzugehen. Sie läuft einige Schritte, bevor sie sich zu mir umdreht.

"Gute Nacht."

"Schlaf gut, Pequenina.", flüstere ich zurück und gehe zum Kühlschrank, um mir Rum in ihr Glas einzugießen.
Ich weiß, dass ich sie verletzt habe. Aber es ist zu ihrem Besten. Sie kennt mich nicht und weiß gar nicht, was für ein schlimmer Mensch ich bin. Sie weiß nicht, was es bedeutet mit mir zusammen zu sein.

Sie weiß ja weder, dass ich zur Mafia gehöre, noch dass ich die Mafia bin.

Dieses unschuldige Ding denkt, ich sei ein einfacher Unternehmer. Es wäre viel zu kompliziert, ihr das alles zu erklären.
Ihr Leben ist schon so verkorkst, es wäre nicht von Vorteil, wenn sie dann auch noch Teil meines verkorksten Lebens wird.

Im Gegenteil.
Es wäre rücksichtslos von mir, wenn ich nur auf meine Wünsche eingehe und damit ihr Leben kaputt mache.
Ich fülle mir das Glas zum zweiten Mal mit Rum, in der Hoffnung, dass ich dann etwas runter komme und meine Gedanken nicht mehr um dieses Mädchen schwirren.

Der kalte Rum kühlt und erhitzt gleichzeitig meine Kehle und der starke Alkohol lässt meine Gedanken kurzzeitig verschwinden.
"Kiara Santos, was machst du nur mit mir?"

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