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Kiara
"Warum also beschützt du ihn so?", fragt er leise.
In seiner Frage schwingt Fassungslosigkeit mit, die er zwar versucht zu verstecken, aber kläglich scheitert.
"Er ist mein Vater.", flüstere ich und streiche mir die Träne vom Kiefer.
"Er ist gewalttätig, Pequenina.", schüttelt er fast unauffällig den Kopf.
"So jemand ist kein Vater."
"Ich kann ihn doch nicht anzeigen.", flüstere ich.
Ich kann doch meinen eigenen Vater nicht verraten? Was passiert dann mit meiner Schwester? Sie werden sie in ein Heim stecken. Sie wird völlig alleine sein.
"Wie oft soll er dich noch schlagen?", stellt er mir eine unangenehme Frage.
Mittlerweile hat er sich gegen die beigefarbene Wand gelehnt und seine Arme vor seinem Oberkörper verschränkt.
"Pequenina, wenn du ihn nicht anzeigst, dann kümmere ich mich darum. Aber ich sehe nicht zu, wie er sich immer wieder an dir auslässt, das kannst du vergessen.", spricht er vehement zu mir und drückt sich von der Wand ab, um um den Tisch herumzulaufen.
"Nein, bitte. Ich brauche nur Zeit.", wimmere ich, weil ich nicht will, dass er mir diese Entscheidung abnimmt.
"Ich gebe dir Zeit, aber ich versorge nicht noch einmal deine Wunden, wenn sie wegen ihm sind."
Manuel zieht mich überraschenderweise in seine breiten Arme. Er schließt sie um mich und drückt mich gegen seine Brust, während seine rechte Hand auf meinem Hinterkopf ruht und er mit dem Daumen sanft über meine Haare fährt.
Zögernd lege ich meine Arme um seine Hüfte und will ihn am liebsten gar nicht mehr loslassen. Sein Parfüm gemischt mit seinem Aftershave steigt mir in die Nase und beruhigen mit gleichzeitig zu der Wärme, die er ausstrahlt.
"Für meine Schwester ist er ein guter Vater.", flüstere ich.
"Das will ich nicht bestreiten. Aber dir tut er weh und das sehe ich nicht weiter mit an.", flüstert er in gegen meine Haare.
"Du musst dich da nicht einmischen. Ich kriege das auch alleine hin."
Er stößt ein raues Lachen aus.
"Auch wenn ich wollen würde, kann ich es nicht mehr. Ich kann mich da definitiv nicht mehr raushalten."
"Du könntest einfach so tun als-"
"Als?", unterbricht er mich und drückt mich von sich weg.
"Vergiss es, darüber diskutiere ich jetzt nicht auch noch.", beendet er das Thema.
"Komm, ich mache deine Wunden sauber.", fordert er mich auf ihm zu folgen und greift nach meinem Handgelenk.
Bestimmend aber trotzdem sanft zieht er mich hinter sich her in das kleine Bad am Ende des Erdgeschosses. Das braun-goldene Mosaik an den Wänden strahlt in dem warmen Licht und spiegelt exakt den Stil wieder, der sich in der ganzen unteren Etage zeigt.
Alles glänzt wie in der Meister Proper Werbung.
"Setz dich da hin.", meldet er sich zu Wort und schließt die Tür hinter sich, nachdem er auf den Badewannenrand gezeigt hat.
Während ich auf die Wanne zu laufe, hockt er sich kurz hin, um aus dem Holzschrank unter dem Waschbecken Watte, Desinfektionsmittel und Salbe herauszuholen.
"Bist du allergisch gegen irgendwas?", fragt er mich, während er die alkoholhaltige Flüssigkeit auf die Watte in seiner Hand träufelt.
"Nein, nicht dass ich wüsste.", schüttel ich den Kopf.
Manuel legt seine warmen Finger um mein Kinn und drückt meinen Kopf leicht zurück, bevor er sich zu mir herunter beugt und die feuchte Watte sanft auf meine Lippe drückt.
Es brennender Schmerz durchzieht meine Lippe, weshalb ich zurückzucke.
"Aua, das brennt."
Ein leichtes Lächeln huscht über sein Gesicht.
"Stell dich nicht so an."
"Das brennt wirklich.", brumme ich und ziehe meinen Kopf erneut zurück, als er mit der Watte wieder näher kommt.
"Wenn es doch so sehr brennt, warum willst du dann nichts gegen deinen Vater tun?", flüstert er provokant und drückt mir mit einer schnellen Bewegungen die Watte auf die Lippe.
"Manuel!", meckere ich laut, doch diesmal kann ich meinen Kopf nicht wegziehen.
Seine rechte Hand hat sich um meinen Hinterkopf gelegt und sorgt dafür, dass ich mich nicht mehr bewegen kann.
"Pscht, ist gleich vorbei.", spricht er ruhig und schaut mir direkt in die Augen.
Er ist mir so nah, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren kann.
"Es brennt, Manuel."
"Das sagtest du bereits.", kontert er leise lachend und entfernt die weiche Watte.
Schnell hebe ich meine Hand und will auf meine Lippe fassen, doch er reagiert blitzschnell und schließt seine Finger um mein Handgelenk.
"Nicht anfassen."
Er schaut mich noch einen Augenblick an, bevor er meine Hand langsam loslässt und sich von mir entfernt.
Nüchtern wirft er die blutige Watte in den Mülleimer, der einige Meter neben ihm steht, bevor er sich noch einmal die Hände wäscht und desinfiziert. Dann nimmt er die Creme in die Hand und tupft sie vorsichtig auf meine Lippe.
"Die wird bestimmt noch etwas länger so dick bleiben.", merkt er an und stellt die Creme auf den Rand des Waschbeckens.
"Bin ich ja gewohnt.", flüstere ich und drücke mich am Rand der Wanne ab.
"Nichts worauf man stolz sein kann.", stichelt er arrogant und lehnt sich gegen das Waschbecken.
"Keine Sorge, Stolz bin ich nicht."
"Bin ich mir bei dir nicht so sicher. Du lässt dich schlagen, aber jammerst rum, wenn das Desinfektionsmittel auf deiner Lippe brennt.", reizt er mich weiter und schaut von oben auf mich herab.
"Ich kann den Moment kaum abwarten, wenn dir mal jemand mit puren Alkohol auf einer offenen Wunde herumdrückt.", schimpfe ich beleidigt und schiebe ihn an die Seite, um mir selber die Hände zu waschen.
"Dazu wird es bestimmt kommen. Die Frage ist nur, ob du dann hier bist, um das zu erleben.", korrigiert er mich belustigt und beobachtet mein Spiegelbild.
"Ich werde alles dafür tun, um das mitzuerleben.", versichere ich ihm und trockne mir die Hände ab, bevor ich mich umdrehe.
Er mustert mich auffällig, während ich am Waschbecken lehne, und schiebt seine Hände tief in die Taschen seiner Anzughose.
"Da bin ich ja mal gespannt."
Ich stoße mich mit rasendem Herz vom Waschbecken ab. Sein Blick lädt mich förmlich ein ihm näher zu kommen, doch er spricht es nicht aus.
Er ist clever, wirklich clever.
"Danke.", flüstere ich in sein Ohr, während ich meine Hände sanft auf seinen breiten Schultern ablege und mich leicht zu ihm hochziehe.
Ich lege meine Lippen sanft auf seiner Wange ab und hauche ihm einen federleichten Kuss auf seine raue Haut.
Seine Bartstoppeln kratzen an meiner Haut, doch das hält mich nicht davon ab ihm einen weiteren Kuss auf den Kiefer zu hauchen.
Unter meinen Händen merke ich, wie er sich anspannt und fühle mich einen Augenblick überlegen.
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