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Kiara
Hatte ich gerade Wohnung gesagt? Hatte ich gesagt, dass seine Affären morgens die Wohnung verlassen müssen?
Ich korrigiere mich.
Sein Haus.
Sie müssen sein Haus verlassen.
Sein Haus, dass so prachtvoll am Rand des Regenwaldes steht. Der Klinker, der aus Kalksandstein ist, leuchtet im Abendrot. Die braunen Ziegel und die braunen Zierleisten an den Fenstern geben ihm einen spanischen Touch.
Kleine Cypressen stehen rechts und links der Einfahrt und hinter dem Tor ragen Palmen empor. Schmale Beete umranden das Haus, gefüllt mit kleinen Palmen, Ananas-Pflanzen und Bananenbäumen. Orange-rote Bromelien sorgen für Farbtupfer in den sonst dunkelgrünen Beeten.
"Das ist deins? Was genau arbeitest du noch mal?", frage ich geplättet nach und steige aus seinem Wagen aus.
"Unternehmer bin ich.", ruft er mir über das glänzende Autodach zu. Mit dem Kopf in meinem Nacken schaue ich mir jedes noch so kleine Detail seines Hauses an. Es sieht ruhig aus, freundlich. Fast schon einladend.
Doch es hat auch etwas geheimnisvolles.
Etwas, das mir Angst macht. Es gibt mir das Gefühl, als wären Dinge hinter seiner Fassade, die ich besser nicht kennenlernen will.
Und genau das gleiche Gefühl habe ich auch bei Manuel.
"Komm, es gibt gleich etwas zu Essen und dann zeige ich dir dein Zimmer.", unterbricht er meine Beobachtungen und läuft mit meiner Tasche in seiner Hand an mir vorbei zu der kleinen Treppe, die zur großen Eingangstür führt.
"Ist dein Onkel auch Unternehmer?", frage ich ihn neugierig, weil er auch ziemlich schick ausgesehen hat.
"Ja, meine ganze Familie ist Unternehmer.", nickt er und schließt die dunkelbraune Holztür mit den milchigen Glasscheiben auf.
Er schiebt die Tür auf und lässt mir den Vortritt. Der Steinboden glänzt, die Wände sind in einem hellen Sandton gestrichen. Auch wenn ich dunkelbraune Möbel unschön finde, passen sie perfekt hier rein.
Es scheint, als wäre das ganze Haus in diesen Tönen gehalten. Beige, weiß, dunkelbraun und gold. Die Lichter leuchten warmweiß und lassen einen direkt wohlfühlen.
"Gerade aus ist das Wohn- und Esszimmer, hier rechts ist die Küche.", erklärt er mir und stellt meine Tasche auf die Steintreppe, die nach oben führt. Er schließt die Tür hinter sich und nimmt mir seinen Mantel ab, den ich noch immer um die Schultern hängen habe.
"Wie lange wohnst du hier schon?", frage ich ihn und sehe mich noch immer um.
"Das ist mein Büro, da hast du nichts verloren, Pequenina.", übergeht er meine Frage schnell und zieht mich zurück.
"Ich bin seit einem halben Jahr hier."
"Warum darf ich nicht in dein Büro?", runzle ich die Stirn.
"Da liegen diskrete Sachen, die dich nichts angehen.", antwortet er direkt und schiebt mich ins Wohn- und Esszimmer.
Erst jetzt nehme ich den Duft von köstlichem Essen war.
"Was gibt es denn zu Essen?"
"Das musst du Silvia fragen, ich weiß es nicht.", schüttelt er den Kopf und platziert mich auf einem der acht Stühle, die um den langen Glastisch herum stehen. Während Manuel um den Tisch herum geht und sich mir gegenüber niederlässt, knöpft er die obersten Knöpfe seines weißen Hemdes auf, sodass ich einen Blick auf seine silberne Kette erhaschen kann.
"Ich muss gleich nochmal telefonieren, aber du kannst dir einen Film anschauen.", bietet er mir an und legt sein Handy weg, dass er kurz vorher herausgeholt hat.
"Ich kenne keine Filme.", flüstere ich peinlich berührt.
Woher auch?
Anstatt zu lachen und sich darüber zu amüsieren, denkt er nach.
"Hm, du solltest dir Pacific Rim anschauen. Der ist gut."
Unsicher nicke ich, weil ich keine andere Antwort finde. Ich kenne den Film nicht und ich weiß nicht, was mich erwartet.
"Silvia?", ruft Manuel laut und beugt sich etwas vor, um in die Küche zu schauen.
"Ist Celeste nicht hier?"
"Ihr Onkel ist auch hier in Sao Paulo. Sie sind in einem Hotel. Ihre Tante ist auch hier.", erklärt die dunkelhaarige Frau, als sie ihren Kopf durch kleinen Türspalt steckt.
"Ja, ich hatte bereits mit ihm gesprochen. Sie kommen morgen zum Frühstück. Sorg bitte dafür, dass morgen um halb zehn alles gedeckt ist.", trägt er ihr auf und beendet das Gespräch, in dem er wieder zu mir schaut.
"Wie kommt es, dass du unbedingt strippen wolltest? Nur wegen dem Geld?"
Das Gesprächsthema, dass er er so nüchtern anschneidet, ist mir unangenehm. Eigentlich will ich nicht mit ihm über sowas sprechen.
"Ich habe früher in einer Ballettschule getanzt, bevor wir aus der Stadt ziehen mussten. Ich habe es immer vermisst, schätze ich."
"Ballett also. Versteh mich nicht falsch, aber die Stange beim Ballett ist doch eher eine Nebensache. Anders als beim Strippen."
Seine Mundwinkel zucken leicht, wie immer, wenn er zweideutige Gedanken hat.
"Nur lässt sich in dem Bereich, in dem ich Ballett tanze, kein Geld verdienen."
Provozierend wackle ich kurz mit den Augenbrauen, doch sein Blick liegt nicht auf ihnen, nein. Er fokussiert erst meine Lippen, dann wandert sein Blick über mein Kinn zu meinen Schlüsselbeinen.
Seufzend umfasst er mit seinen Fingern die goldenen Gabel vor ihm.
"Dann hättest du dich anstrengend müssen."
Er meint seine Worte nicht ernst, das erkenne ich an seinem Gesichtsausdruck. Er will mich ärgern, provozieren.
Und auch wenn ich seinen Worten nicht so viel Bedeutung beimessen sollte, glaube ich, dass es seine Art ist mit mir zu flirten.
"Das tue ich ja jetzt. Beim Strippen.", gehe ich auf seine Provokationen ein.
Schnell hebt er seinen Blick, bevor sein intensiver Blick auf meinem Gesicht ruht.
"Das letzte Wort habe immer noch ich."
"Was willst du machen, wenn ich auf diese Bühne gehe? Ich bringe dir Geld und Kunden, ich denke, das solltest du nicht aufs Spiel setzen."
"Du willst lieber nicht wissen, was ich dann mache.", flüstert er mit rauer Stimme und steht auf, während der Stuhl über die Marmorfliesen kratzt. Er bleibt einen Augenblick in seiner vollen Größe vor dem Tisch stehen und kramt sein Feuerzeug und seine Zigarettenschachtel aus der Anzughose, während sein Blick provokant auf mir ruht.
Er sagt nichts, aber trotzdem sagt er mir, dass ich besser nichts mehr erwidern sollte.
Stumm steckt er sich eine Zigarette zwischen die vollen Lippen, dann wirft er lässig die leere Packung auf den Tisch vor mir.
Mein Blick liegt auf seinem Hosenbund, der sein weißes Hemd verschlingt.
Nicht, weil ich freiwillig dort hinschaue, sondern weil er genau auf Höhe meiner Augen ist. Außerdem traue ich mich nicht, meinen Blick abzuwenden, geschweige denn mich anderweitig zu bewegen.
Nervös presse ich meine Oberschenkel zusammen und schiebe meine zitternden Hände unter meine Oberschenkel, während ich seine nächsten Bewegungen abwarte.
"Lass es besser nicht drauf ankommen, Pequenina."
Nachdem diese Worte seinen Mund verlassen haben, geht er durch das große Wohnzimmer auf die Terrasse und steckt sich im Laufen bereits die Zigarette an. Still lehnt er sich gegen den Pfeiler aus Kalksandstein und fischt sein Handy aus der anderen Hosentasche, während er genüsslich an der Zigarette zieht.
Auch wenn seine Worte mich warnen sollten, will ich wissen, was passiert, wenn ich nicht auf ihn höre.
Was wird er tun wollen?
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