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Manuel

"Miguel, das ist Kiara. Sie arbeitet hier als-", ich stoppe, weil ich es nicht aussprechen will.

"Als Nutte.", beendet Miguel.

"Nein, nein. Sie hilft mir bei den geschäftlichen Sachen.", kläre ich ihn auf. Er muss nicht wissen, dass sie eigentlich genau das sein wollte.

"Aha. Und wie ist das passiert?", will er plötzlich doch wissen und wedelt mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht herum.

Stumm schaue ich sie an, weil ich nicht weiß, ob ich es erwähnen soll.

"Das warst doch nicht etwa du?"
Mein Onkel hat die Augenbrauen hochgezogen und sieht mich abwartend an.

"Quatsch, nein.", schüttel ich vehement den Kopf.
"Ich wollte gerade Desinfektionsmittel holen, aber dann standest du ja plötzlich da."

"Desinfektionsmittel wollte er holen.", wendet er sich spottend an Kiara.
"Hatte ich nicht heute morgen noch gefragt, ob du Samariter bist?", witzelt er und klopft mir mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.

"Kamillentee ist besser. Hol den.", fügt er an und wirft mich schon fast aus meinem Büro. Ich zögere, weil ich Kiara eigentlich nicht mit ihm alleine lassen will. Während ich noch einen Augenblick im Büro stehen bleibe, geht er langsam auf sie zu und beugt sich zu ihr herunter.

"Wer hat dir das angetan?", fragt er ruhig und begutachtet ihr Gesicht, ohne sie anzufassen.

"Mein Vater.", flüstert Kiara.
Absichtlich drehe ich mich um, weil ich die Schmerzen in ihren Augen erkennen kann.

"Brauchst du Hilfe?", höre ich ihn noch fragen, bevor ich rüber gehe in die Küche und Wasser für den Kamillentee aufsetze.
Es wundert mich, dass er überhaupt mit ihr spricht. Normalerweise kommt er wegen dem Geschäft vorbei und nicht, weil er sich mit irgendwelchen Angestellten unterhalten will.

Während das Wasser zu kochen beginnt, nehme ich einen Eisbeutel aus dem Eisfach und gehe zurück zu meinem Onkel und Kiara.
"Hier."

Dankend nimmt sie mir den Beutel ab und hält ihn an ihre dicke Lippe.

"Dir ist klar, dass du sie hier nicht lassen kannst.", merkt mein Onkel an und richtet sich wieder auf.
Ich bleibe vor meinem Schreibtisch stehen und lehne mich an.

"Wo soll sie sonst bleiben?", schüttel ich irritiert den Kopf.

"Hier nicht. Entweder du besorgst ihr ein Hotel oder sie kommt mit zu dir."

Es ist nicht so, als hätte ich darüber noch nicht nachgedacht, aber ich gebe zu, dass ich diesen Gedanken schnell wieder verworfen habe. Wenn ich eine Sache von meinem Onkel gelernt habe, dann die, dass man niemals irgendwen mit nach Hause nimmt, der nicht zum Geschäft gehört.

Es ist gefährlich und kann dazu führen, dass diese Person für immer an uns gebunden ist. Mein Onkel macht sich manchmal noch immer Vorwürfe, dass er das Leben seiner Frau damit zerstört hat.

Ich will nicht den gleichen Fehler begehen.

"Du weißt, dass ich sie nicht mit zu mir nehmen kann.", spreche ich leise, obwohl Kiara sowieso alles hören kann.

"Dann such ihr ein Hotel und gib Julio Bescheid, dass er aufpasst.", fordert Miguel mich auf und zieht sich einen Stuhl heran, um sich zu setzen.

"Sie kommt mit zu mir.", ändere ich meine Meinung.

Miguel lacht leise.
"Diesen Julio kannst du wirklich nicht abhaben oder? Ist er wirklich so schlimm? Ich denke, dass du sich da reinsteigerst."

"Er ist unangenehm. Ganz einfach.", brumme ich.

"Ich kann hier bleiben, das ist wirklich kein Problem.", mischt sich Kiara nun ein und schaut unsicher zwischen uns her.

"Nein, nein. Schon gut, du kannst mit zu mir kommen.", lehne ich ihren Vorschlag ab.

"Und deine Frau? Der gefällt das bestimmt nicht.", lässt sie nicht locker. Miguel runzelt die Stirn und auch mir ist nicht bekannt, wen sie meint.
Was für eine Frau soll ich haben?

"Du hast eine Frau?", fragt mein Onkel überrascht und schaut mich intensiv an.

"Das wüsste ich auch gerne.", schnaube ich belustigt und schaue Kiara danach fragend an.

"Die brünette, junge Frau, die heute hier war. Ist sie nicht deine Frau? Ihr tragt beide den Ring-"

"Das ist meine Tochter.", mischt sich Miguel ein.
"Ich hoffe für Manuel, dass er sich nicht an meine Tochter ranmacht."

"Sie ist meine Cousine, entspann dich.", lache ich laut.

"Oh.", flüstert Kiara peinlich berührt und versucht ihre roten Wangen zu verstecken. Sie drückt den Eisbeutel wieder auf ihre Lippe, um gleichzeitig ihr Gesicht zu verstecken.

"Also, warum bist du überhaupt hier und nicht in Mexiko?", frage ich ihn nun endlich und erhoffe mir eine eindeutige Antwort.

Kurz schaut er zu Kiara herüber, die gedankenverloren auf den Boden schaut.
"Besprechen wir morgen. Du solltest mit ihr nach Hause fahren. Wir treffen uns dann morgen zum Frühstück bei dir."

"Gut, in Ordnung. War Celeste deshalb hier? Um für dich zu spionieren, wo ich mich aufhalte?", frage ich ihn, während ich meinen Laptop einpacke.

"Nenn' es, wie du willst.", zuckt er mit den Schultern.

"Spi-o-na-ge.", betonte ich jede Silbe absichtlich, woraufhin er sich ein Lachen nicht mehr verkneifen kann.
"So nenne ich das.", füge ich schmunzelnd an und ziehe mir den Mantel über.

"Komm, wir holen deine Sachen und dann fahren wir.", wende ich mich an Kiara, die noch immer nervös auf der Couch sitzt.

"Das mit deiner Lippe und dem Kamillentee machen wir dann bei mir.", füge ich hinzu und schiebe sie aus meinem Büro.

"Ich fahre dann ins Hotel, wir sehen uns, mein Junge.", teilt Miguel mir mit und schaltet das Licht hinter sich aus.

"Ja, bis morgen.", verabschiede ich ihn und laufe mit Kiara den Flur entlang. Ich frage mich, warum niemand anderes das mitbekommen hat. Hier läuft doch ständig jemand herum, merken die alle nichts?

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