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Kiara

Den ganzen Vormittag putze ich den Club, auch wenn es eigentlich schon längst nichts mehr zu putzen gibt. Hauptsache ich kann Manuel aus dem Weg gehen.

Manchmal höre ich ihn laut schimpfen, wenn er telefoniert und hin und wieder höre ich seine Schritte im Flur, wenn er in den Hinterhof geht, um zu rauchen. Aber gesehen habe ich ihn seit heute morgen nicht mehr.

Gut so, denke ich mir.
Um ehrlich zu sein, möchte ich ihn gar nicht mehr sehen.

Als er erneut durch den Flur zum Hinterhof läuft, um zu rauchen, stelle ich den Besen an die Seite und mache mich fast auf Zehenspitzen auf den Weg in mein Zimmer. Kurz bevor ich meine Tür öffnen kann, steht Manuel in der Tür zum Hinterhof.

"Fertig?", ruft er mir zu, bevor er an seiner Zigarette zieht.

"Noch nicht.", lüge ich ihn an und bleibe wie versteinert im Flur stehen.

Er schnaubt belustigt und dreht sich kurz weg, um die Asche seiner Zigarette auf den Schotter im Hinterhof zu klopfen.
"Willst du den Boden also noch ein viertes Mal wischen?"

"Ich habe noch gar nicht gewischt.", lüge ich weiter.

"Auch wenn ich nicht immer überall bin, kriege ich mit, was hier passiert. Also lüg mich nicht an. Du gehst mir aus dem Weg, warum?", ruft er mir zu und wirft seine Zigarette in den Hinterhof.

Mit einem lauten Knall, lässt er die Tür hinter sich zu fallen und kommt auf mich zu, während ich mich unsicher umschaue, ob auch niemand seine Worte gehört hat.

"Ich gehe dir nicht aus dem Weg.", flüstere ich und lasse meine Türklinke los.

"Dann bilde ich mir ein, dass du schon drei Mal die Theke geschrubbt, drei Mal den Boden gewischt und zwei Mal alle Gläser entstaubt hast?", fragt er arrogant mit verschränkten Armen, bevor er dicht vor mir zum stehen kommt.

Sein glänzender Ehering fällt mir direkt ins Auge, weil seine Hand genau passend in meinem Sichtfeld liegt. Kurz betrachte ich mein Spiegelbild in dem teuren Silber an seinem Finger, dann schaue ich an ihm vorbei.
"Ich mache meine Arbeit eben sehr gründlich."

"Deine Gründlichkeit in allen Ehren, aber hier gibt es noch andere Dinge zu tun.", erwidert er mit provozierendem Unterton und schaut von oben auf mich herab.

"Akten sortieren?", zicke ich ihn an und erwarte eigentlich keine Antwort von ihm, doch er wäre nicht Manuel, wenn er nicht kontern würde.

"Beispielsweise.", nickt er mit zuckenden Mundwinkeln.

"Manuel?", ruft eine weibliche Stimme, die ich nicht identifizieren kann.
Manuel schaut stirnrunzelnd an mir vorbei, bevor ich mich ebenfalls umdrehe, um sehen zu können, wer nach meinem Chef ruft.

"Manuel?", ertönt es nochmal.
Passend zu der hellen, aber trotzdem beruhigenden Stimme, knallen Absätze rhythmisch auf den teuren Marmorboden. Zuerst erkenne ich einen Schatten auf dem Boden, dann erkenne ich teure High Heels aus Lack, dünne Beine in einer schwarzen, halb durchsichtigen Strumpfhose gefolgt von einer schmalen aber trotzdem kurvigen Hüfte in einem dunkelgrünen, kurzen Kleid.

Es ist kurz, aber nicht zu kurz.

Einfach genau passend für diese atemberaubende Figur.

Über dem grünen Kleid, trägt die junge Frau mit den braunen Haaren einen schwarzen, knielangen Mantel; über dem rechten Arm hängt eine teure Handtasche aus Leder. Die roten Lippen und die blauen Augen stechen mir direkt ins Augen. Die glänzenden Haare liegen in großen Wellen über ihre linke Schulter.

"Was machst du hier?", reißt mich Manuels tiefe Stimme aus meiner Trance.

Die junge Frau kommt anmutig auf uns zu und bleibt neben mir stehen.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, streckt sie ihre Hand zu mir aus.
"Celeste.", stellt sie sich vor.

Celeste.

Der Name ist genau so atemberaubend wie ihr ganzes Auftreten.

Ich hebe meine Hand und will nach ihrer greifen, als ich den goldenen Ring um ihren Finger erkenne. Den selben Ring, den Manuel auch trägt. Ich stocke in meiner Bewegung, weil mir klar wird, wer hier vor mir steht.

Manuels Ehefrau.

"Kiara.", flüstere ich heiser und spüre das kalte Gold ihres Ringes an meiner Hand. Eine Gänsehaut huscht durch meinen Körper und scheint gar nicht mehr verschwinden zu wollen.

"Kiara, ein schöner Name.", macht sie mir ein Kompliment und wendet sich dann von mir ab, nachdem sie mir langsam ihre Hand entzogen hat.
Lächelnd schaut sie zu Manuel, der sie undefinierbar ansieht.

"Störe ich?", fragte Celeste plötzlich und schaut zwischen mir und ihm hin und her.

"Stören? Quatsch nein, wir waren fertig.", winke ich ab und gehe einen Schritt zurück. Sie soll bloß nicht denken, dass Manuel und ich mehr sind, als wir sein sollten. Sie soll bloß nicht denken, dass ihr Mann-

"Ich habe nicht mit dir gerechnet.", räuspert sich Manuel und zieht sie in seine Arme, um ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Sein Blick trifft meine Augen, als seine Lippen die makellose Haut an ihrer Wange treffen.

Schnell greife ich nach der Türklinke und verschwinde in meinem Zimmer. Ich höre die beiden noch kurz sprechen, dann scheinen sie aus dem Flur zu verschwinden.
Wie konnte ich denken, dass Manuel auf Frauen wie mich stehen konnte?

Natürlich ist sein Frauengeschmack eine ganz andere Liga.
Vermutlich hat er sie auf einem Ball kennengelernt und sie ist die Tochter eines reichen Unternehmers.
In den Favelas erzählt man sich, dass die meisten nur heiraten, um die Unternehmensnachfolge zu sichern.

Und wenn ich ehrlich bin, kommt mir das bei Manuel gar nicht mal so abwegig vor.

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