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Manuel

"Wohnst du direkt in Sao Paulo?", fragt sie mich, während sie noch immer die Skyline der Stadt anschaut.

"Auch das geht dich nichts an, Pequenina.", gehe ich ihrer Frage aus dem Weg.

Ihr leises Lachen irritiert mich.
"Was bist du denn? Bist du in der Mafia?"

Als ich nicht antworte, lacht sie noch lauter.
"Hör auf mich zu verarschen."

"Ich habe doch gar nichts gesagt.", erwidere ich und lache mit, um von ihrer Frage abzulenken.

"Ich kriege schon noch heraus, was du beruflich machst.", kichert sie leise, als sie sich wieder beruhigt hat.

Lieber nicht, Kleine.
Lieber nicht.

"Viel Spaß.", schmunzel ich und halte vor dem kleinen Cafe am Stadtrand von Sao Paulo.

Als sie sich abschnallt, halte ich sie auf.
"Bleib sitzen, ich mach das schon."

"Ich weiß aber gar nicht, was es hier zu essen gibt.", runzelt sie die Stirn und lässt den Gurt los.

"Ich bringe dir was mit und ich bin mir sicher, dass du es lieben wirst.", nicke ich und steige aus dem Wagen.
Ich merke ihren unsicheren Blick in meinem Nacken, doch ignoriere sie. Ich kann einfach nicht riskieren, dass sie mit mir gesehen wird. Ohnehin ist es schon viel zu gefährlich, dass sie in meinem Auto sitzt und ich sie alleine zurücklasse.

Während ich an der Kasse warte, um meine Bestellung aufzugeben, frage ich mich, was ich hier eigentlich vorhabe.
Ich fahre mit einer Minderjährigen durch die halbe Stadt, um uns Frühstück zu holen.

Wofür?

Im Kühlschrank im Club steht Käse und Butter, Brot liegt im Schrank.
Und warum zeige ich ihr überhaupt mein Auto?
Seit wann habe ich so viel Mitleid mit Kindern?

Es ist nicht meine Aufgabe, dass sie versorgt wird.

"Manuel, lange nicht gesehen. Wie immer?"
Rosa erscheint hinter dem Tresen und lächelt mich warm an.

"Viel zu tun, du weißt ja.", erkläre ich ihr.

"Ich kann's mir denken.", nickt sie und nimmt eine Papiertüte zwischen die Finger.

"Diesmal für zwei Personen.", beantworte ich ihre Frage und zücke mein Portemonnaie, um ihr schonmal das Geld auf den Tresen zu legen.

"Wer ist die Glückliche?", fragt sie lächelnd und zwinkert mir zu.

Schnell drehe ich mich um, nur um festzustellen, dass sie ja gar nicht ins Auto schauen kann und vermutlich nur geraten hat.
Als ich etwas erwidern will, unterbricht sie mich direkt.
"Leugnen ist zwecklos, du hast dich verraten, als du dich umgedreht hast."

Ich beiße mir kurz auf die Unterlippe, während ich die Tüte an mich nehmen.
"Nur eine Nutte aus meinem Club. Ich bringe sie woanders hin.", lüge ich die alte Frau an und wende mich ab.

"Bis dann, großer.", ruft sie mir nach.

Ich hebe kurz die Hand, um mich zu verabschieden und schnell den Laden zu verlassen. Stumm setze ich mich in den Wagen und reiche Kiara erst die Tüte, nachdem ich die Tür geschlossen habe.
"Nicht im Auto essen."

"Hatte ich nicht vor.", murmelt sie, während sie in die Tüte schaut.

Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee, dann klingelt mein Handy. Ohne auf den Display zu schauen, weiß ich wer anruft. Es war nur eine Frage der Zeit.

"Ja."

"Manuel, sag mir nicht, dass das wahr ist.", ertönt die Stimme von meinem Onkel.

"Wenn du mir sagst, worüber du sprichst, kann ich dir helfen.", erwidere ich und steige wieder aus dem Wagen aus, weil Kiara dieses Gespräch nichts angeht.

"Du hast in Kolumbien einen Polizisten umgelegt?", zischt er und scheint sich stark beherrschen zu müssen.

"Er hat sich mein Geld eingesteckt.", murmel ich und verteidige mein Handeln. Genervt laufe ich vor dem Auto auf und ab.

"Und dein zweiter Name ist Samariter?", schnauzt er mich an und haut anscheinend auf seinen Tisch.

"Nein, aber hätte ich das durchgehen lassen sollen?", zicke ich zurück und lehne mich an die Motorhaube.

"Muss ich dir erklären, wie man Geschäfte abwickelt?", faucht er und macht mir klar, dass er keine Antwort von mir erwartet.

"Ich kriege das schon hin.", beruhige ich ihn und schaue auf meine Lackschuhe.

"Ich hoffe es. Wenn du in drei Wochen kommst, will ich, dass das Thema erledigt ist."
Er wartete nicht mehr auf meine Antwort, sondern legt direkt auf. Brummend stecke ich mein Handy in meine Hosentasche und steige wieder in den Wagen.

"Stress?", fragt mich Kiara und schaut mich mitleidig an.

"Nichts, was dich angeht.", murmel ich und starte den Wagen.
"Du hilfst mir gleich wieder beim Sortieren."

Kiara

"Die Bar muss geputzt werden.", versuche ich mich vor seinen Aufgaben zu drücken.

"Die Bar wird von anderen geputzt.", kontert er frech und bremst einmal ruckartig, sodass ich mich vor Schreck am Armaturenbrett festhalten will.

"Musste das sein?", verdrehe ich die Augen und setze mich wieder gerade hin.

"Das war das Zeichen, dass das Thema beendet ist.", grinst er und fährt vom Parkplatz in Richtung Highway.

"Hätte ich auch so verstanden.", brumme ich und schaue aus dem Fenster. Einige wenige trauen sich am Stadtrand zu joggen, aber es sind nicht viele. Der Rest erholt sich vermutlich von einer langen Nacht mit viel Drogen und Alkohol.

"Dann weiß ich fürs nächste Mal ja Bescheid."
Manuel fährt sich zwar mit der Hand über den Bart, dennoch kann ich erkennen, dass er sein Schmunzel versucht zu verstecken.

"Das wegen gestern, also-", beginne ich, doch finde nicht die richtigen Worte.
"Ich weiß auch nicht, normalerweise küsse ich nicht."

"Normalerweise küsst du nicht?", wiederholt er meine Worte ungläubig, bevor er einen Schluck Kaffee trinkt.
"Dann sollten wir das ändern, oder?"

Abrupt steigt mir die Röte in die Wangen und die Hitze in den Kopf.
Was sagt er da?

"Ich mach nur Spaß.", lacht er leise.
"Ich küsse schon, ab und zu. Aber eben keine Kinder."

"Ich bin ja auch gar kein Kind.", brumme ich und verschränke die Arme vor der Brust. Er weiß das, aber er versucht mich damit aufzuziehen.

"Ich werde 24 und du bist Minderjährig. Egal, wie du dich verhältst. Ich komme in Teufelsküche, wenn ich mich nicht daran halte. Ganz davon abzusehen, dass ich überhaupt gar nichts von dir will."

Seine Worte verpassen mir einen Stich in der Brust.
"Ich will auch überhaupt nichts von dir, das war nur aus Reflex."

"Dann ist ja alles in Ordnung.", beendet er das Thema und spielt nebenbei am Handy herum.

Ich wäre ihm sehr verbunden, wenn er bei dieser Geschwindigkeit seinen Blick auf der Straße hätte, aber ich will nicht mehr mit ihm reden. Er würde mir sowieso einen Spruch drücken und genau das Gegenteil von dem tun, was ich verlange.

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