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Manuel
"Er wohnt etwas außerhalb von Sao Paulo, knapp eine Stunde Richtung Itapevi.", begrüßt mich Julio, während ich meinen Mantel auf die breite Treppe feuere und direkt in mein Büro laufe.
"War klar, dass so jemand nicht direkt in Sao Paulo wohnt.", brumme ich, weil ich nicht damit gerechnet hatte, doch so viel Zeit für ihn opfern zu müssen.
"Ich kann das auch übernehmen.", zuckt Julio mit den Schultern.
Ich hebe meinen Blick vom Schreibtisch und schaue ihn fragend an.
"Was willst du denn übernehmen? Du weißt doch nicht mal was ich vorhabe, oder?"
"Du wirst es mir ja sicherlich sagen können.", gluckst er und schließt die Glastür meines Büros.
"Sicher, aber ich wollte das spontan entscheiden. Je nachdem, wie er sich verhält."
Abwartend ziehe ich die Augenbrauen hoch.
"Julio, nur weil man dachte, ich bräuchte deine Unterstützung hier, heißt das nicht, dass du mich auch wirklich gut unterstützt. In 3 Wochen bin ich bei meiner Familie und dann entscheiden andere darüber, ob du weiterhin hier beschäftigt bleibst.", mache ich ihm klar, dass er sich hier nicht so aufzuspielen hat.
Ich und meine Familie entscheiden über seine Zukunft und kein anderer.
"Und jetzt geh schlafen, es ist schon spät. Ich bin morgen Nacht wieder da. Du kannst dich um die Lieferungen aus Kolumbien kümmern, hörst du? Montag muss das Koks über die Grenze sein.", gebe ich ihm Aufgaben, die er für mich erledigen kann.
Und nehme ein paar Akten aus meinem Schrank, die ich mit in den Club nehmen muss.
"Und mach das ordentlich, du weißt... deine Zukunft...", ich beende den Satz absichtlich nicht. Den Rest kann er sich schließlich denken.
Provokant klopfe ich ihm zwei mal im Vorbeigehen auf die Schultern und laufe in mein Schlafzimmer, um mir frische Sachen und eine Zahnbürste einzupacken.
Eigentlich müsste ich mich rasieren, aber das kann auch bis morgen Abend warten.
Ein Anruf in Abwesenheit blitzt auf meinem Handy auf, weshalb ich endlich meine Tante zurückrufe. Vielleicht ist es dringend, wenn sie so oft anruft.
"Manuel, endlich meldest du dich."
Ihre Stimme ist vorwurfsvoll und sorgt dafür, dass sich ein schlechtes Gewissen in mir breit macht.
"Ich habe viel zu tun, entschuldige.", murmel ich und schließe meine Tasche nebenbei.
"Wir wollen wissen, ob du in drei Wochen vorbei kommst. Tust du doch, oder?"
"Natürlich. Ich reise am Donnerstag an und fahre am Sonntagabend wieder zurück.", nicke ich, auch wenn sie es nicht sieht.
"Gut, gut. Das freut uns. Und bringst du jemanden mit?", fragt sie leise mit einem Lächeln auf den Lippen, dass ich förmlich hören kann.
"Werdet ihr dann sehen.", spanne ich sie auf die Folter und verkneife mir ein Lachen.
"Manuel...", ermahnt sie mich.
"Ich gebe euch rechtzeitig Bescheid, wenn ich nicht alleine kommen sollte.", gebe ich nach und verlasse zügig mein Haus. Nicht, dass in meinem Club schon längst die Hölle ausgebrochen ist und ich bin nicht da.
Wie soll ich das erklären?
"Ich muss jetzt weiter arbeiten. Bis dann und Grüße.", lege ich auf und ziehe die Haustür hinter mir zu.
Stumm drücke ich mein Auto auf, werfe die Tasche auf die Rückbank und zünde mir noch eine Zigarette an.
"Wo geht es jetzt noch hin, mein Junge?"
Carlo, einer meiner Männer, kommt langsam auf mich zu.
"Zurück nach Sao Paulo. Ich muss den Laden schmeißen, bis ich jemanden gefunden habe, der das übernimmt. Tevez musste ich aus dem Weg schaffen.", erkläre ich ihm ehrlich und puste den Rauch hinter mich, damit er ihn nicht einatmen muss.
"Was hat der Mistkerl getan?", will er wissen und lehnt sich neben mich ans Auto.
"Minderjährige Mädchen eingestellt."
"Oh, was ein Schwein.", schüttelt er den Kopf und hustet ein wenig.
"Du solltest reingehen. Hier draußen ist es zu kalt für dich. Du willst doch deine wohlverdiente Rente in 6 Monaten noch erleben, oder?", bitte ich ihn, für heute Feierabend zu machen.
Ich bin sowieso nicht hier und bei diesem Wetter geht auch keiner aus dem Haus.
"Danke, Manuel. Fahr vorsichtig.", nickt er mir zu und geht langsam über den feinen Schotter zur Haustür.
Nachdenklich schaue ich ihm hinterher. Vielleicht sollte ich ihn doch schon eher in die Rente schicken.
Seufzend schaue ich in den pechschwarzen Himmel und beobachte die kleinen Sterne, die vor Millionen von Jahren explodiert sind.
Kaum zu glauben, dass wir sie erst heute sehen können, oder?
Ich schnipse den glühenden Stumpf meiner Zigarette auf den Boden und schaue zu, wie die Glut erlischt, bevor ich mich zurück ins Auto setze und wieder in den Club fahre. Morgen muss ich die Stellenausschreibung rausbringen und den restlichen Monat planen.
Alles Dinge, mit denen ich normalerweise nichts mehr zu tun hatte, seitdem Tevez da war. Aber der Mistkerl hält sich ja aus Prinzip nicht an meine Regeln. Es war nicht das erste Mal, dass er mir Minderjährige angeschleppt hat.
Letzen Monat waren es sogar Frauen von der Grenze, die er zufällig aufgegriffen hatte.
Immer wieder hatte ich ihm gesagt, dass meine Clubs sauber sein sollen. Ich habe so viel Dreck am stecken, da muss ich meine Clubs nicht auch noch durch die Scheiße ziehen. Außerdem kommen hier die höchsten Tiere von Sao Paulo hin. Was könnte ich mir anhören, wenn der Staatsanwalt herauskriegt, dass ich 17 Jährige beschäftige?
Dann hätte er mich in der Hand und ich würde mein ganzes Geschäft aufs Spiel setzen.
Vor drei Jahren haben ich noch in der Uni gesessen und Politik und Wirtschaft studiert und jetzt fahre ich zum 300sten Mal zu meinem Club, weil ich Dinge ausbügeln muss, die andere kaputt gemacht haben.
Idiotisch.
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