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Kiara

Ich kämpfe mit den Tränen, die sich vor Wut in meinen Augen gebildet haben, während ich mir den kurzen schwarzen Rock und das glitzernde Oberteil überziehe. Da ich keine Lust auf hohe Schuhe habe, lasse ich meine weißen Sneaker an und trotte dann langsam zur Bar.

Samstag Abends ist es immer am vollsten.

In der Menge erkenne ich Manuel, der mit anderen Männern am Tisch steht und sich angespannt unterhält. Das ist definitiv kein Kumpeltreffen , sondern geschäftlich.
Die Musik dröhnt in meinen Ohren, während ich beginne die Gäste zu bedienen. Gespielt freundlich gehe ich mit den Gästen um, damit ich bloß viel Trinkgeld bekomme, doch wofür überhaupt?

Sollte ich meinem Vater überhaupt noch etwas geben?

Eigentlich hat Manuel Recht.
Es ist nicht meine Aufgabe das zu übernehmen, was mein Vater nicht schafft. Wäre er krank, wäre es etwas anderes. Aber er tut schließlich nichts dafür, von seiner Sucht loszukommen.

Sollte ich ihm also wirklich das Geld bringen und mir als Dank eine Tracht Prügel abholen?

Vermutlich kaum.

"Hey Baby, ich hab kein Geld für den teuren Whiskey, aber ich kann dir dafür was anderes geben.", zwinkert mir ein ekliger Typ zu.

"Kein Geld, kein Whiskey.", zucke ich mit den Schultern und versuche seine Worte zu ignorieren.

"Ach komm, stell dich nicht so an.", verdreht er die Augen und steht vom Barhocker auf. Erleichterung macht sich in mir breit, weil er verschwindet. Was denken sich Männer, wenn sie solche Sachen sagen?
Denken sie wirklich, dass wir Frauen auf sowas stehen?
Hat er wirklich gedacht, dass ich-

"Los komm."
Der Kerl von gerade hat seine Hand unter meinen Rock geschoben und sie auf meinen Hintern gelegt. Ekelig grinst er mich an, bevor ich ihn von mir wegschubse.

Schweratmend und sprachlos sehe ich ihn an, während er nicht einmal versteht, warum ich ihn geschubst habe.
"Oh, das Kätzchen fährt die Krallen aus."

Mit zwei großen Schritten kommt er auf mich zu und versucht erneut seine Hand unter meinen Rock zu schieben, als Manuel hinter ihm auftaucht und ihm mit einem festen Griff im Nacken von mir wegzieht.
"Raus."

"Sie wollte das.", verteidigt sich der Kerl.

Panisch versuche ich meinen Rock herunter ziehen, aber er wird einfach nicht länger. Plötzlich fühle ich mich nackt und ekelig, ich schäme mich regelrecht.

"Ich hab gesagt, dass du dich verpissen sollst.", wiederholt sich Manuel und schubst den Typen in Richtung Ausgang. Unter Schock stehend, drehe ich mich um und beginne die benutzten Gläser zu spülen, um mich abzulenken.

"Alles gut?"

Ich antworte ihm nicht. Was soll schon gut sein?

"Hey, ist alles in Ordnung?", gibt er nicht auf und umschließt meinen Oberarm.

"Ja verdammt!", schreie ich ihn an.
Langsam lässt er meinen Arm los und schaut mich verständnislos an.

"Hör auf dich in alles einzumischen! Ständig bringst du alles durcheinander, weil du glaubst, du hättest irgendeine Sorgepflicht!", kann ich mich nicht beruhigen und fuchtel mit dem Spültuch vor meinem Gesicht herum.

"Wo hat er dich angepackt?", ignoriert er seelenruhig meine Worte.

"Lass mich in Ruhe, Idiot.", zische ich und drücke ihm das Spültuch in die Hand, um die Bar zu verlassen.
Wegen ihm habe ich doch dieses Problem überhaupt erst. Ständig meint er, er wüsste was besser für mich ist. Er kennt mich doch überhaupt nicht, warum also ist er immer dort, wo ich auch bin?

Gott sei Dank läuft er mir nicht wie ein Trottel hinterher, sondern lässt mich endlich in Ruhe. Schweratmend lasse ich mich auf mein Bett fallen und versuche mich zu beruhigen. Warum kann ich nicht einmal Glück haben?

Auch wenn ich eigentlich wieder Arbeiten gehen müsste, ziehe ich mich um und schminke mich ab. Ich habe keine Lust mehr Manuel, geschweige denn überhaupt irgendeinen Mann heute noch einmal zu sehen.
Ich will mir gar nicht vorstellen, dass dieser Kerl zu Hause eine Frau sitzen hat, die ihn wirklich liebt.

Ich reiße meine Perücke von meinem Kopf und fahre mir durch die Haare, um das Brennen meiner Kopfhaut zu lindern. Doch heute ist es anders. Heute kann ich Tessa nicht einfach ablegen und Kiara sein. Die Hände des fremden Mannes haben etwas verändert.

Sie kleben nicht nur auf Tessa, sondern auch auf Kiara.

Was habe ich getan, dass ich dieses Leben führen muss?
Warum hatte ich nicht das Glück, das andere haben? Und warum müssen sich Frauen prostituieren? Wie wäre es, wenn Männer mal unsere Jobs übernehmen?

Wie gerne würde ich Manuel an der Stange tanzen sehen und zu schauen, wie er sich gegen seinen Willen begrapschen lassen muss.

Genervt schließe ich die Augen und wische mir die letzten Tränen aus dem Augenwinkel, als ich das Klackern von Manuels Lackschuhen auf dem Marmorboden im Flur wahrnehme.

3..2..1

"Ich hatte dir gesagt, dass du lieber in meinem Büro aufräumen solltest.", beginnt er und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen meine Tür.
Seufzend drehe ich mich von ihm weg und ziehe die Decke über meinen Körper.

"Jetzt ist es also meine Schuld, dass der Kerl mich gegen meinen Willen angegrapscht hat.", stelle ich fest und lache falsch.

"So meinte ich-"

"Ist ja immer so.", werde ich wütend.
"Immer ist es unsere Schuld. Hätte man sich anders angezogen, wäre das nicht passiert. Wäre man nicht geschminkt gewesen, wäre das nicht passiert."

Ich höre, wie er die Tür schließt und langsam durch mein Zimmer läuft, bevor sich meine Matratze senkt und er sich anscheinend zu mir aufs Bett gesetzt.

"Ich gehöre nicht zu der Sorte von Männern, die das Fehlverhalten solcher Schweine tolerieren und verteidigen, merk dir das. Ich bin noch nie in so einer Situation gewesen und wusste nicht, wie ich ein Gespräch mit dir anfangen sollte, nachdem du mich hinter der Bar angeschrien hast.", erklärt er sich.

"Eigentlich wollte ich noch einmal wissen, wie es dir geht und ob jemand etwas für dich tun kann.", fährt er fort.

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