Kapitel 6
Als Fanny und Konrad endlich zu Vladi geführt wurden, öffnete er erschöpft die Augen einen Spalt breit. "Moin!", sagte er leise. Fanny setzte sich auf sein Bett: "Wie fühlst du dich?" "Ich will andauernd schlafen... Die Schwerstern spritzen mir so ein Zeug gegen die Schmerzen. Aber davon werde ich immer so müde.", erklärte er und atmete tief durch. Konrad klopfte ihm ganz leicht auf die Schulter, öffnete den Mund und verharrte einen Moment so. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.", gestand er. Vladi lächelte schwach: "Ist schon gut." Es herrschte eine Weile Schweigen im Krankenzimmer. "Bitte entschuldigt mich.", murmelte schließlich Vladi und ihm fielen die Augen zu. Leise verließen Fanny und Konrad den Raum. "Es wird ihm bald besser gehen.", ermutigte Konrad Fanny, die nervös an ihrer Unterlippe spielte.
Auch die Kriminalpolizei stattete Vladi einen Besuch ab, als er sich etwas fitter fühlte. Seine Angaben waren tatsächlich sehr hilfreich für die die Kripo und für die Wildpolizei. Vladi gab an, dass er auf seiner Route auf ein Zeltlager gestoßen war, drei Zelte auf dem Boden und eins auf der Ladefläche eines Trucks. Es waren mehrere Männer da, er hatte bei dem Durcheinander nicht sicher sagen können, ob es sieben oder acht waren. Wahrscheinlich dachten sie, er sein alleine unterwegs, und machten sich keine Mühe, leise zu sein, während sie Vladi übel zurichteten. Als sie hörten, dass Vladi keineswegs alleine war, packten sie eilig die noch aufgebauten Zelte auf die Ladefläche des Trucks und zwängten sich dazu. Über den Pfad machten sie sich aus dem Staub und ließen Vladi liegen. Die Autonummer konnte er sich natürlich nicht merken, aber zumindest nannte er die Farbe der Zelte und des Trucks, alles Camouflage.
Fanny erzählte Konrad und den Krimanalpolizisten von dem grünen Mercedes, der üppigen Blondine und dem lockigen Mann. Konrad und die Polizisten meinten, dass es wirklich sehr verdächtig war, wenn man das Gespräch an der Nordsee und das Einhornmassaker betrachtet. Allerdings ist die bloße Anwesenheit der beiden in Naturschutzgebieten per se nicht illegal. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sagen, dass sie nur zufällig da waren, wenn man sie fragt. "Aber der Lockenkopf hat sich doch so sehr erschreckt, als er erfuhr, dass ich von der Wildpolizei bin.", versuchte es Fanny. "Ja.", meinte Konrad, "Das Verhalten dieser zwei ist sehr verdächtig. Aber leider ist es noch kein Grund nach ihnen zu fanden." Fanny seufzte. "Ich werde aber die Zentrale anrufen, sie sollen die Infos an die Wägen weitergeben, dann können auch unsere Kollegen die Augen nach den zwei offen halten. Die sind echt komisch.", versprach Konrad, als die Kripo abgefahren war, "Bei der Gelegenheit werde ich gleich melden, dass wir mindestens vier Wochen arbeitsunfähig sind."
Zum Glück musste Vladi nicht diese vier Wochen im Krankenhaus bleiben, nach ein Paar Tagen wurde er entlassen, und musste nur noch hin und wieder zur Kontrolle zum Arzt. Also zog Wagen Nummer 14 auf einen Parkplatz am Rand der kleinen Stadt. Es wurde aber schnell langweilig, Konrad und Fanny gingen manchmal zusammen in ein kleines Wäldchen, wo er ihr das eine oder andere beibrachte, aber sie konnten Vladi zuerst lange nicht mitnehmen. So waren diese kleinen Exkursionen selten. Aber als Vladi sich etwas gesünder fühlte, kam auch er mit, sie konnten aber immer noch keine stark sportlichen Aktivitäten machen.
Als sie von einem dieser Trips zurückkamen, stand ein zweiter Wagen auf dem Parkplatz. Er sah aus, wie einer von der Wildpolizei. Bevor das Dreierteam sich den Camper genauer anschauen konnte, rannte hinter ihm ein Hund hervor und stürzte sich auf Fanny, sodass sie fast umfiel. Ihre zwei Begleiter waren überfordert, wie sollten sie reagieren? Aber die Verwirrung löste sich im nu auf. Fanny kraulte den Hund mit beiden Händen hinter den Ohren und redete mit ihm in etwas höherer Stimmlage: "Servus Bonnie! Servus Bonnie! Wo ist der Papa? Ja wo ist denn der Papa?" Der ließ auch nicht lange auf sich warten. Er kam hinter dem Camper hervor: "Bonnie! Du sollst doch keine Fremden belästigen!" "Wir sind keine Fremden!", rief ihm Fanny zu und lief ihm entgegen. Sie umarmten sich und Fanny küsste ihren Vater auf die unrasierte Wange. "Wie kommst du hierher?", fragte sie. "Ich habe von Kollegen gehört, was passiert ist. Dann habe ich mich zu euch durchgefragt.", erzählte er. "Und deine Kollegin? Ist die okay damit?", wollte Fanny wissen. Ihr Vater lächelte verlegen: "Hat sich herausgestellt, dass sie schwanger ist. Sie wurde aus dem Fahrdienst entfernt." Fanny prustete. "Hoffentlich nicht von dir.", stupste sie ihn an. "Wo denkst du hin! Sie hatte Urlaub vor unserer Reise und sie war bei ihrem Mann. Naja, im Moment habe ich keinen Partner und kann so nicht arbeiten. Aber bald bekomme ich einen neuen und dann geht es weiter. Es dauert nur, bis ich einen bekomme." "Personalmangel?", fragte Fanny und schaute zu Konrad rüber.
Vladi und Konrad standen daneben und schauten zu. Beide schwiegen. Keiner rührte sich. Sie standen nur da und schauten zu, wie sich Vater und Tochter unterhielten.
"Und das hier ist mein Team!", stellte Fanny ihre Kameraden vor, "Unser Ausbilder Konrad und Vladi." "Schön euch kennenzulernen!", Fannys Vater reichte beiden die Hand, "Was haltet ihr von einem gemeinsamen Abendbrot? Ich war auf dem Weg einkaufen." Fannys Kameraden schauten sich gegenseitig an und danach zu Fanny die intensiv nickte. "Warum nicht?", meinte Konrad, "Können wir aber draußen essen, ich habe eine Hundehaarallergie." "Aber natürlich! Bonnie! Hierher!", rief Fannys Vater die Hündin zurück.
Konrad und Vladi staunten, als Fanny und ihr Vater einen Grill rausholten. "Wie um alles in der Welt hast du den denn untergebracht?", fragte Konrad mit weit aufgerissenen Augen, "Ich wollte schon immer einen Grill mitnehmen. Hatte aber nie Ahnung, wie und wo ich ihn transportieren soll!" Fanny Vater lächelte: "Das werde ich dir noch alles zeigen. Könnt ihr ihn schonmal aufbauen?" Zusammen mit seiner Tochter ging er rein und schaffte die Kühlbox und die Kohlen raus. Konrad und Vladi bauten den Grill zusammen auf, Vladi konnte sich endlich wieder flexibel bewegen, ohne bei jeder Tätigkeit zu stöhnen und zu ächzen. Danach schafften sie noch die Tische und Stühle aus beiden Campern raus und machten sich ans Kochen. Bevor Fannys Vater die Würste auf den aufgeheizten Grill legte, schaute sie sich diese genau an: "Sind die aus dem Supermarkt?" "Nein die habe ich bei einem Bauer unterwegs gekauft.", versicherte ihr Vater. Fanny nickte zufrieden: "Dann ess' ich auch zwei." Sie machte sich an den Salat, Vladi saß auch schon an einem der Tische und schnitt das Gemüse und den Salat. Bonnie lief die Spucke aus dem und sie schaute gierig zu dem Grill rüber, jedes mal erntete sie einen strengen Blick von Fanny Vater, wenn sie sich dem Grill näherte. Fanny bot ihr aber eine Ablenkung, Vladi wollte die Hündin sehr gerne streicheln und sie machte die beiden bekannt, so konnte er Bonnie vom Grill fernhalten. Als alles fertig war, setzten sich die vier Wildpolizisten an die zwei Tische, Bonnie bekam einen rohen Wurstzipfel und eine Schüssel Wasser. Fanny saß neben ihrem Vater und lehnte sich hin und wieder an seinen Oberarm und Schultern, während sie an der Wurst kaute. "Die ist okay. Aber nichts gegen die von Werner und Renate." Ihre zwei Kameraden lachten laut und ihr Vater fragte: "Hat sie euch auch schon von Werner und Renate erzählt?" Die beiden nickten und lachten weiter. "Ja was denn!", rief Fanny, "Werner und Renate haben aber eben die beste Wurst in Deutschland, da kann mir keiner was sagen!" Das Lachen wurde von Bonnie unterbrochen, sie war mit ihrer Portion fertig und setzte sich unter den Tisch. Sie legte ihren Kopf auf Vladis Knie und schaute ihm ins Gesicht. "Lass dich bloß nicht von ihrem Bettelblick nicht rumkriegen!", warnte Fanny und rief die Hündin zu sich. Das Essen wurde mit einer Packung Kekse beendet. Fanny saß mit einem glückseligen Lächeln an ihren Vater gelehnt, kaute an einem Keks und streichelte mit der anderen Hand Bonnie. Konrad und Vladi scheuten zu den beiden und kauten langsam und nachdenklich an ihren Keksen. Fanny bemerkte es und setzte sich wieder gerade hin.
Bei Einbruch der Dunkelheit packten die vier alles wieder zusammen, Fanny Vater zeigte Konrad dabei, wie und wo er den Grill im Van unterbrachte. Danach wollten sich alle in die Camper zurückziehen, es wurde langsam kalt. Fanny wollte bei ihrem Vater schlafen und sie kletterte auf ihren Schlafplatz über der Fahrerkabine. Der war immer für sie reserviert, wenn ihr Vater einen Partner mit an Bord hatte, schlief er auf dem zweiten Bett hinten im Wagen.
Am nächsten Morgen fuhren Konrad und Vladi mit dem Wagen Nummer 14 weg. Vladi musste zu seiner letzten Kontrolle ins Krankenhaus, die würde entscheiden, ob er nun weiter mit der Ausbildung und Arbeit fortfahren konnte. Auch Fannys Vater musste langsam den Parkplatz verlassen. Die Zentrale hatte ihm einen neuen Partner gefunden und er musste ihn noch am gleichen Zag in der nächsten größeren Stadt abholen. Fanny half ihm den Wagen wieder fahrtbereit zu machen. Am Abend davor hatten sie alles etwas schlampig verstaut.
Während Vater und Tochter mit dem Packprozess beschäftigt waren, hielt ein Van auf dem Parkplatz. Fanny schaute aus der Tür raus und ihre Augen wurden groß und rund. Es war der selbe Van, wie der an der Nordsee, der Van des lockigen Mannes. Er war inzwischen ausgestiegen und faltete eine Karte auf der Motorhaube auseinander. Fanny zog sich einen Moment zurück, um sich zu sammeln. Der Van ihres Vater sah nicht aus wie der normale Wildpolizeiwagen. Das war gut, also würde er hier keine Gesetzeshüter vermuten. Außerdem hatte er sie auf der einen Straße in der Rhön nicht wikrlich gesehen, sie war ja schon fast im Wald verschwunden. Wenn er sie gesehen hatte, dann nur von hinten und an dem Tag hatte Fanny eine Mütze an, das wusste sie noch ganz genau. Somit konnte sie hoffen, dass er sie nicht erkennen würde, wenn sie sich denn natürlich benahm. Sie atmete durch, nahm alle ihre schauspielerischen Fähigkeiten zusammen und lief auf den Lockenkopf zu. "Servus, Kamerad!", begrüßte sie ihn so freundlich sie konnte, "Kommst du zurecht?" Der Mann drehte sich zu ihr und schaute ihr mit seinen braunen Augen direkt ins Gesicht. Fanny schickte ein Stoßgebet zum Himmel, er sollte sie bitte nicht erkennen! Das Gesicht des Mannes verklärte sich zu einem Lächeln und ließ eine Reihe makellos weißes Zähne sehen. "Nein nicht wirklich. Ich muss nach München und weiß nicht, was der beste Weg ist..." Fanny setzte auch ein Lächeln auf: "Da fragst du genau die richtige! Ich war so viel in diesem Land unterwegs! Ich kenne, ungelogen, jede Straße hier!" Zusammen beugten sie sich über die Karte. Mit dem Finger spurte sie die Straßen nach, die den Lockigen schnell zu seinem Ziel führen würden. Als sie fertig waren, bedankte er sich sehr herzlich bei Fanny. "Ich habe echt Hilfe gebraucht! Wie heißt du?" Fanny witterte eine Möglichkeit Informationen aus dem Lockenkopf zubekommen: "Fanny", antwortete sie und fragte direkt weiter, "Und du?" "Joshua", Fanny wusste das zwar schon, aber jetzt kannte sie ihn ohne Angst aufzufliegen beim Namen nennen. Er wollte schon wieder einsteigen, aber dann zögerte er. Fanny bekam schon Bammel, dass sie sich verraten hatte ohne es zu merken. Aber Joshua wollte war ganz anderes: "Du, Fanny. Ich möchte nach München un das Alpenresevat. Du kennts es bestimmt. Das mit den Greifen..." Natürlich kann Fanny es, keine zwanzig Kilometer weiter befand sich ihr Heimatdorf. Sie nickte. "...Könntest du mir auch dahin eine schnelle Route empfehlen?" Fanny erleuchtete es plötzlich. Wieder Wesen! Jetzt war sich Fanny ganz sicher, dass er mit den Wilderern gemeinsame sachen machte. Und jetzt wollte er wieder an einen Ort, wo Wesen lebten. Diesmal sollte er nicht davon kommen! Fanny hoffte dass diese Überlegung nicht auf ihrem Gesicht zu sehen war und beugte sich wieder über die Karte. Sie zeigte ihm aber mit Nichten den schnellste und bequemsten Weg, auch wenn sie ihn gut kannte. Nein, sie führte ihren Finger über die kaputtesten und überwuchertesten Straßen, die es in der Umgebung gab. "Wann willst di denn dahin?", fragte sie in dem unschuldigsten Ton, zu dem sie fähig war. "In zwei Wochen. Wieso fragst du?", Joshua hob seinen Blick und schaute das Mädchen forschend ins Gesicht. Fanny fand schnell eine Erklärung: "Die Brutzeit läuft noch eine Woche, also wird das Naturreservat noch zu haben." Sie war sich nicht einmal sicher, ob das stimmte. Aber für den Moment reichte es, Joshuas Gesichtszüge entspannten sich wieder und Fanny konnte innerlich erleichtert aufatmen. "Wirklich vielen Dank!", er schüttelte ihr die Hand, "Ohne dich hätte ich jetzt ein Problem!" Die beiden verabschiedeten sich und Joshua fuhr weg.
"Mit wem hast du da geredet?", fragte Fannys Vater aus dem Wagen. Sie rannte auf ihn zu und erzählte ihm alles, was sie wusste. Ihr Vater stimmte ihr, aber auch den Krimanalpolizisten zu. Jetzt aber konnte aber die Zentrale mit diesen Informationen zumindest einen Großeinsatz im gefragte Gebiet planen. "Soll ich die Kommunikation übernehmen?", fragte er. Aber Fanny schüttelte den Kopf: "Nein, ich wollte das noch mit Konrad und Vladi besprechen und es dann selber machen." "Okay.", meinte ihr Vater, "Kann aber sein, dass du viel Überzeugungsarbeit leisten musst, ja nach dem, wer am Telefon sitzt." Dann klingelte sein Wecker. "Ich muss jetzt los." Die Beiden musste sich jetzt "Auf Wiedersehen" sagen. Sie umarmten sich und Fanny streichelte Bonnie zum Abschied. Bis der Wagen hinter der Kurve verschwand winkte sie ihnen noch zu.
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