Kapitel 2

Am nächsten Morgen wurden Fanny und Vladi sehr unsanft aus dem Schlaf gerissen. Konrad hupte zwei Mal ganz laut und beide Azubis waren mit einem Ruck auf den Beinen, Vladi fiel sogar fast vom Bett. "Macht den Camper und euch reisebereit und ich hol uns noch einen Kanister Benzin.", Konrad verließ den Wagen und knallte die Tür zu. Fanny war es gewohnt, früh aufzustehen, sofort schnappte sie sich Anziehsachen aus dem Schrank über ihr und zog sich blitzschnell in der Nasszeile um. Als sie wieder raus kam, war auch Vladi fast fertig angezogen, er war gerade dabei sich einen Sweater überzuziehen. Sie putzten sich die Zähne über der Küchenspüle und danach fragte Vladi: "Was genau meinte Konrad mit reisbereiter Camper." Fanny musste sich sehr beherrschen, um nicht zu lachen: "Ganz einfach. Thermomatten runter, alle losen Gegenstände fixieren oder in die Schränke tun und diese Schränke gut zumachen." Jeder packte seine eigenen Sachen weg, die von Konrad schauten sie nicht einmal an. Danach packten sie die Thermomatten in eine Kiste und verstauten die unter Vladis Bett. Kaum war die Kiste darunter verschwunden, öffnete sich die Tür mit Karacho und Konrad stiefelte rein: "Man, ist die Schlange lang!" Kritisch musterte er das Fahrzeug von innen, er nickte leicht und ließ den Kanister vor den beiden Azubis fallen: "Packt den weg." Konrad ging rüber zur Fahrerkabine und setzte sich in den Fahrersitz.   

Nachdem Fanny und Vladi auch den Benzinkanister unter Vladis Bett verstaut hatten, setzten sich sich auf die zwei Beifahrersitze. Konrad startete das Auto: "Ihr habt beide einen Führerschein, richtig?", fragte er ohne den Blick von der Straße zu wenden. "Mit 14 bin ich zum ersten Mal alleine mit unserem Dorftraktor gefahren.", verkündete Fanny stolz. Konrad schmunzelte ironisch: "Ist der Traktor noch ganz?" Fanny beschloss die Sache lieber mit Humor zu nehmen: "Nein, aber das lag nicht an mir, vor zwei Jahren hat der Werner ihn kaputtgefahren als er hackedicht war. Seitdem rostet er an der Einfahrt zum Dorf." "Hm." machte Konrad, "Und du?", wand er sich an Vladi. "Ich hab doch genickt.", sagte Vladi. "Ich muss auf die Straße gucken, also mach den Mund auf und antworte, wenn ich dich was frage.", wurde Konrad lauter. Vladi benetzte seine Lippen mit der Zunge und sagte ganz laut deutlich: "Ja, ich habe einen Führerschein." "Gut.", kam es von dem Ausbilder, "Unsere erste Station ist die Nordsee. Aber wir machen unterwegs einen Abstecher nach Buxtehude." Hier prustete Fanny laut los: "Buxtehude! Meine Mutter hat immer gesagt, das etwas in Buxtehude liegt, wenn sie sagen wollte, dass etwas ganz weit weg ist! Buxtehude gibt es wirklich!" Sie lachte noch lauter, bis Konrad sehr trocken feststellte: "Ja, Buxtehude gibt es wirklich un da fahren wir jetzt hin." 

Die Fahrt dauerte nicht sehr lange. Der Camper fuhr in einen Hof ein. Fanny las das Schild an der Einfahrt, da stand was von einem Alten- und Pflegeheim. Konrad parkte den Wagen und machte sich bereit auszusteigen: "Also ich werde für eine Weile da rein gehen. Ihr geht solange in den Supermarkt und kauft uns Proviant für die erste Zeit. In einer Stunde seid ihr wieder da." Er holte Geld aus seiner Brieftasche und reichte es nach kurzem Überlegen Vladi. Dann kehrte er den beiden den Rücken zu und marschierte in Richtung des Gebäudes. "Warte! Sollen wir was bestimmtes kaufen?", rief ihm Fanny hinterher. "Mir egal!", rief der Ausbilder zurück. Er drehte sich noch einmal um und sah, dass die Azubis noch am Camper standen. "Wartet ihr auf eine schriftliche Einladung? Schwärmt aus!"

Fanny und Vladi waren jetzt allein. "Du bist hier auch zum ersten Mal?", fragte Fanny und ihr Kamerad nickte. Das Mädchen seufzte: "Dann wollen wir jemanden nach dem Weg fragen." Energischen Schrittes lief sie auf die Straße raus, Vladi folgte ihr. Draußen sahen sie gleich eine hochgewachsene Frau, die mit einem Hund spazieren ging. "Entschuldigen Sie bitte!", sprach Fanny sie an, "Wir müssen in den Supermarkt. Sie wissen nicht zufällig, wo einer ist." "Ja...", die Frau schaute sich um, "Da müsst ihr die Straße hoch und dann nach links." Fanny bedankte sich und lief in die vorgegebene Richtung, Vladi trottete ihr hinterher. Sie befolgten die Angaben der Frau, allerdings war kein Supermarkt zu sehen. Ratlos schauten die Azubis sich um. "Wo hat die Tante und hingeschickt?", murmelte Vladi. Fanny zuckte mit den Schultern und suchte nach einer neuen Person, die man fragen könnte. 

Es dauerte einige Zeit, bis ein kleiner Junge auftauchte. Fannys Augen leuchteten auf: "Hey, junger Mann! Kannst du uns sagen, wo hier der Supermarkt ist?" Der Junge nickte bestimmt: "Da lang" und zeigte die Straße runter. Vladi runzelte die Stirn: "Und da bist du dir ganz sicher?" Der Junge nickte. "Danke, schönen Tag dir", verabschiedete sich Fanny und lief los. Vladi folgte ihr lustlos: "Ich hasse es wenn Leute, die keine Ahnung haben, einen eine falsche Wegbeschreibung geben! Machen die das absichtlich?" Fanny nickte zustimmend: "Ja, das ist wirklich sehr nervig. Ich denke aber nicht, dass die Frau uns absichtlich in die Irre führen wollte. Vielleicht ist sie nicht von hier und kennt Buxtehude...", hier musste sie ein Lachen unterdrücken, "noch nicht so gut." "Dann soll sie es uns sagen und uns nicht ans andere Ende der Welt schicken!", maulte Vladi. Fanny wechselte das Thema, sie hielt das für besser. "Was wollen wir überhaupt kaufen?", fragte sie Vladi. Dieser antwortete nur mit einem Wort: "Konserven." "Ja, genau. Aber wir brauchen noch Kartoffeln, Nudeln, Zucker, Mehl, Zwieback, Brot hält sich nicht so lange, und für die ersten Tage noch Milch und Eier.", zählte sie auf. "Und Konserven.", kam es von Vladi. Als sie endlich den Laden erreichten, teilten sie sich auf. Sie trafen sich an dem Einkaufswagen. Fanny alles, was sie aufgezählt hatte reingelegt, Vladi dagegen brachte einen Haufen verschiedenster Konserven mit. "Warte, hast du normale Milch gekauft ?", fragte er und holte die Milchflasche raus. "Ja, die schmeckt wenigstens etwas nach Milch.", sagte Fanny. Vladi schmunzelte ironisch: "Nimm doch lieber Kondensmilch, die hält sich ewig." Fanny verschluckte sich fast an ihrem Speichel: "Das ist ja noch schlimmer!" "Jetzt sei nicht so empfindlich. Wer weiß wie lange wir unterwegs sein werden. Je länger die Sachen haltbar sind desto besser" Fanny überlegte kurz: "Was hältst du davon, wenn wir die haltbare Milch kaufen? Dann sind wir doch beide zufrieden." Auch Vladi dachte kurz nach: "Das ist okay.", meinte er und wollte schon zur Kasse gehen, aber Fanny hielt ihn auf: "Warte, wir brauchen noch was fürs Frühstück, vielleicht Haferflocken und Trockenfrüchte und..." Vladi unterbrach sie: "Mit anderen Worten Müsli." Fanny lachte: "Ja im Grunde ist das Müsli." 

Fertig mit allen Einkäufen traten sie aus dem Supermarkt und Vladi wollte schon in die Richtung laufen, aus der sie gekommen waren. "Moment, wo willst du hin?", fragte Fanny. "Zum Camper.", antwortete Vladi entgeistert. "Wir sind vorhin voll den Umweg gelaufen. Nehmen wir doch jetzt den Direktweg.", schlug Fanny vor. Er legte den Kopf schief: "Du warst doch noch nie hier. Du kennst den Ort doch gar nicht." "Das stimmt schon. Schau wir sind zuerst geradeaus, dann nach links und dann scharf nach rechts.", sie zeichnete den Weg mit dem Fuß auf dem Asphalt nach, "Also liegt unsere Camper in der Richtung." Sie nickte mit dem Kopf schräg nach rechts, die Hände hatte sie voll mit Einkaufstaschen. Vladi verdrehte die Augen: "Das mag ja sein, aber den Weg kennen wir schon und da verlaufen wir uns ganz sicher nicht." "Wenn wir direkt laufen, auch nicht, vertrau mir!", versicherte Fanny. Aber Vladi redete unbeirrt weiter: "Außerdem sind wir schon spät dran. Ich will keinen Ärger mit Konrad haben." "Das ist es ja! Der direkte Weg ist kürzer. Wir werden früher da sein!", versuchte es Fanny noch einmal. Vladi verdrehte nur die Augen und lief in die Straße, aus der sie gekommen waren: "Jedes verrücktes Abenteuer beginnt mit den Worten "Ich kenne Abkürzung"" "So ein Dickschädel!", flüsterte Fanny und folgte ihm, Teammitglieder verließen sich gegenseitig nicht.

Wie erwartet, kamen sie mit einer Verspätung an. Konrad stand an den Camper gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. "Was macht ihr denn so lange rum?", fragte er. "Siehst du, ich hab gleich gesagt, wir hätten den Direktweg nehmen sollen!", flüsterte sie Vladi zu. Danach wand sie sich an Konrad: "Zuerst wurde uns der Weg falsch gewiesen und danach wollte Vladi unbedingt diesen Umweg zurücklaufen." "Ich habe mich nur drum gesorgt, dass wir pünktlich ankommen und uns nicht verlaufen!", verteidigte sich ihr Kamerad. Konrad machte eine wegwerfende Bewegung: "Ist jetzt auch egal! Wir müssen uns jetzt beeilen, wenn wir pünktlich bei der Nordsee ankommen wollen." Schnell räumten sie die Einkäufe in die Schränke und die Kühltruhe. Danach setzte sich Konrad auf einen der Beifahrersitze und meinte: "Ich möchte mal sehen, wie du, Fanny, Auto fährst. Wollen wir mal sehen, was das Traktorfahren dir beigebracht hat." Bei Fanny verursachte das keine Nervosität, sie liebte es am Steuer. Es war schön, zu spüren wie das große Fahrzeug, genau das tat, was man wollte. Als Fahrerin konnte sie bestimmen, wie schnell sie fahren werden und in welche Richtung. Merkur hörte auf sie wie ein Hund, an den neuen Camper musste sie sich erst gewöhnen. Der Wagen, in dem sie jetzt saß, war empfindlicher als der von ihrem Vater. Deswegen gab es einen unsanften Ruck, als Fanny aus der Parklücke rausfuhr. Die Fahrt durch Buxtehude war zunächst etwas holprig, aber mit jeder Sekunde freundete sich Fanny immer mehr mit dem Wagen an und nach der Ausfahrt aus dem Städtchen ging die Fahrt geschmeidig wie durch Butter. Auf der Autobahn meldete sich Konrad: "Gut. Hast dich schnell mit dem Wagen angefreundet. Halt dich in Richtung Wilhelmshafen, unser Ziel ist da in der Nähe." "Alles klar!", sagte Fanny und sauste über die Autobahn.

"Ward ihr schon Mal an der Nordsee?", fragte sie in die Runde und schaute kurz zu ihren Teammitgliedern. "Schau auf die Straße!", rief Konrad, "Und ja ich war schon mehrere Male an der Nordsee." "Und du, Vladi?", hackte Fanny nach. "Ja.", antwortete Vladi nur. "Und? Fandet ihr es schön?", gab das Mädchen nicht auf. Vladi beschränkte sich wieder nur auf ein: "Ja" Konrad dagegen holte aber zum ersten Mal weit aus: "Als Wildpolizist bin ich da oft gewesen, ich war da in der Nähe zuständig. Vor zwanzig Jahren gab es da sehr viel Wilderei, damals waren Taschen, Gürtel und anderes Zeug aus Hippocamphäuten modern und die armen Tiere wurden schonungslos gejagt. Bald wurde der Verkauf der Häute verboten und kurz darauf auch die Jagd, aber die Wilderer hat das wenig interessiert. Damit die Wilderei weniger intensiv läuft mussten wir sehr viel arbeiten. Jetzt ist Rate schon weit runter gegangen. Zum Glück. Ich gehe ja hoffentlich bald in den Ruhestand, dann seid ihr dran." "Wir werden uns große Mühe geben!", versicherte Fanny, "Stimmt's Vladi?" Vladi reagierte nur mit einem unbestimmten Grunzen. Wieder war es eine Weile still. "Sagt mal.", wand sich Fanny ihre Kameraden, "Seid ihr eigentlich Team Nordsee oder Team Ostsee?" "Nordsee", murrte Vladi fast vor sich hin, "Das ist mehr Platz und weniger Menschen." "Ich mag die Nordsee auch mehr. Die hat irgendwie mehr Wumms, mehr Kraft und Energie.", erklärte Konrad. Fanny lachte: "Zum Spazieren ist die Nordsee toll, zum Baden die Ostsee, auch wenn es da immer viele Leute sind und man sich wie in einer Sardinenbüchse fühlt."

Dann verstummte das Gespräch wieder, das einzige, was noch zu hören war, was das Autoradio. Später lotste Konrad sie zu der Küstenstation. Sie stand sehr weit abseits von Häusern, weiter draußen im Wasser auf vier Pfälzern. Es gab nicht einmal einen richtigen Parkplatz, Fanny ließ den Camper einfach auf dem Deich stehen. "Wir sind da", verkündete Konrad und ließ seine Azubis aussteigen. Fanny atmete die kalte salzige Luft tief ein. Der Wind schlug ihr ins Gesicht und sie war heilfroh, dass sie ihre dunkelbraunen Haare kurz trug. Um keinen Sand in die braunen Augen zu bekommen, kniff sie diese ganz eng zusammen. Sie schaute zum Meer. Die Wellen warfen sich an den Strand, sie waren leider nicht blau, sondern etwas dunkler als der graue wolkenbedeckte Himmel. Der starke Wind brauste so sehr in den Ohren, das Fanny die Mütze aus der Tasche zog und sie sich auf den Kopf setzte. "Nicht trödeln!", hörte sie Konrads Stimme, er und Vladi waren schon in den Dünen. Sie rannte, um sie einzuholen.

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