Leise pochte es im Hintergrund. Es war ein regelmäßiger beruhigender Klang. Rosegoldenes, stumpfes Haar kitzelte mir im Gesicht und ließ mich unterdrückt niesen. Bereits in diesem Moment wusste ich, dass ich träumte, konnte mich aber nicht daran erinnern wann ich eingeschlafen war, oder warum ich überhaupt wusste, dass es ein Traum war.
Das Mädchen, zu welchem die spröde, filzige Frisur gehörte hätte ich, auch wenn ich sie unendlich liebte und dachte unter allen Menschen wieder zu erkennen, niemals erkannt wäre sie mir außerhalb dieser Welt begegnet.
Sie sah gebrochen aus.
Die Haare nicht mehr lang und in seidigen Wellen über ihre Schultern fallend, sondern ein kurzer, unordentlicher Bob. Die wunderschönen Augen waren leer und glasig, gleichzeitig Blut unterlaufen. Eingefallen saßen sie tief in den Augenhöhlen, hatten etwas erschreckendes und totes an sich.
Das beruhigende Pochen wurde zu einem wilden Rhythmus, der keinerlei Gleichmäßigkeit mehr hatte. Teilweise wurde er schnell und klag als würde jemand hyperventilieren und manchmal war einfach gar kein Ton zu hören und diese Stille empfand ich als noch beängstigender.
Allgemein erschrak ich vor dem Mädchen, welches ich liebte, bei diesem Schatten ihrer selbst. Sie war dünner geworden, noch dünner, als ich dachte, dass es ihr jemals möglich wäre. Die Haut schien nahezu durchsichtig lies in sie hinein gucken und doch zeigte sie nicht wie es ihr ging. Zu leer war alles an ihr.
Blut tropfte von ihren Armen und ich war mir nicht sicher, ob der Schnitt an ihrem Handgelenk tiefer ging. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie noch lebte. Vielleicht war das hier der Moment, wo Angehörige ein Gefühl bekommen, dass es etwas ganz und gar nicht stimmt. Womöglich wache ich morgen auf, erlebe einen komplett normalen Tag, der von Trauer bestimmt ist, obwohl doch alles wie immer ist, und dann klingelt irgendwann das Telefon und man denkt nur: Wäre ich doch anders gewesen und weiß schon lange bevor man es hört, was geschehen ist.
Bitte lass Kaja nicht tot sein.
Ich wollte aufwachen. Wollte den leeren Augen meiner ersten und für immer und ewig einzigen Liebe entgehen, die sie so leblos wirken ließen. Doch es ging nicht. Eigentlich wollte ich sie nur in die Arme schließen, aber das Mädchen vor mir hatte nichts mehr mit dem Mädchen zu tun, dem mein Herz gehörte. Es war nur noch eine leere Hülle. Nur noch ein Körper ohne Herz.
Kajas Körper strauchelte und sank dann wie in Zeitlupe auf den Boden zu. Ich wollte zu ihr sprinten und sie fangen, doch es war, als würde der Boden mich nicht gehen lasse. Ich musste dabei zusehen, wie ihre Augen sich mit der Bewegung schlossen. Musste Hilflos mit ansehen, wie ihr Kopf auf schlug und ein ekelhaftes knacken durch meine Ohren hallte. Eine rote Lache bildete sich um ihren Kopf. Noch immer war ich wie angewurzelt, dabei wollte ich zu ihr, doch alles half nichts und meine Beine blieben wo sie waren.
Ich wollte aufwachen. Weg von dem schrecklichen Bild. Doch ich spürte nur Schmerz.
Das Pochen war endgültig verschwunden und ich war mir sicher, dass es Kayas Herzschlag gewesen war.
Auch wenn es bloß ein Traum war begann ich bitterlich zu weinen und wusste dabei nicht ob ich erwacht war oder noch immer im Land der Träume verweilte. Ich hoffte so sehr noch zu Schlafen und mich morgen nicht mehr an den Traum und die Bilder, welche er mir zeigte zu erinnern.
Kaya ich liebe dich und ich werde alles tuen, damit ich so schnell wie möglich bei dir sein kann. Bitte halte ein wenig durch ich gebe mein Bestes. Nichts macht mir mehr Angst, als zu scheitern oder der Gedanke, dass mein Bestes nicht reichen könnte.
Und damit spürte ich erneut das Pochen, doch war es dieses mal Bedient durch Kopfschmerzen, welche die schmerzsenden Blitze durch meinen Schädel schickten. Es fühlte sich an als wäre es mein Kopf gewesen, der mit einem knacken zu Boden gegangen war. Vorsichtig schlug ich die Augen auf und blickte in das sich langsam erhellende Zimmer. Mit einen Menge Konzentration war es mir möglich die Zahlen auf meinem Handy abzulesen, welches viel zu hell meine Augen verbrannte.
Es war ein Monat vergangen seit ich hier zur Schule ging und noch immer schien dieses Zimmer so fremd. Ich hatte keinerlei Fotos oder andere persönliche Gegenstände aufgehangen, sodass es immer noch kahl und trist wirkte. Ich wollte mich in diesem Schloss nicht wohl fühlen. Wollte nicht die schöne Aussicht genießen oder glücklich sein, wenn Kira da war. Nur leider hatte ich dabei grobsinnig verloren. Die letzten Wochen waren schön gewesen. Gerade Silvester hatten unsere Streiche zu dem schönsten Neujahreswechsel gemacht, welchen ich je hatte. Mir ging es gut hier ich hatte Spaß, kam mit meinen Mitschülern gut aus und unser Plan ging stetig voran, was mich sogar ein wenig traurig stimmte. Gerne würde ich noch ein bisschen länger bei ihnen bleiben, doch die nächste Phase begann und dafür bräuchten wir so einige Materialien.
Die bisherigen Streiche waren alle sehr lustig gewesen, so hatten wir nicht nur Lehrern, sondern auch der komischen Koordinatorin, welche ich in meiner aller ersten Zeit hier hassen gelernt hatte, und dem Direktor das Leben zur Hölle gemacht.
Ein wenig war ich mir dabei vorgekommen wie die Weasley Zwillinge in den Harry Potter Filmen.
Am gestrigen Abend hatte ich mit Kira eine Einkaufsliste ausgearbeitete, welche ich an dem heutigen Freitag Abend abarbeiten sollte, während meine Komplizin sich gemeinsam mit ihrem Bruder zu einem Geschäftsessen ihres Vaters begab. Ihre Wut darüber war ungeheuer groß, so hatte sich ihr Vater das Gesamte letzte Jahr doch kein einziges Mal gemeldet und nur einen Umschlag mit Geld an ihrem Geburtstag geschickt und nun sollten seine Kinder wieder nur für geschäftliche Zwecke dienen.
"Das wird schon irgendwie." , versuchte ich sie aufzubauen und gleichzeitig eine Blumenvase vor ihrer Faust in Sicherheit zu bringen. "S-S-So ein.... arrogantes... Arschloch!", fluchte sie und schlug auf den Küchentisch in Jacks und meiner WG (in welcher inoffiziell auch die Blonde wohnte) ein.
"Ich bekomme heute schon alles, wir haben das super geplant und den Spaßigen Teil bekommst du auf jeden Fall mit.", versicherte ich ihr ein letztes Mal zuversichtlich, bevor ihr Bruder aus seinem Zimmer zu uns trat. Neugierig musterten meine Augen den anderen Jungen, welcher in einen schwarzen, eleganten Anzug gekleidet mit einem weißen Hemd vor mir stand. Seine Augen schienen sich für einen kurzen Moment in meine zu bohren und mich ebenso zu mustern, eher ein sich ein spöttischer Ausdruck auf seine Lippen legte. Ertappt sah ich weh und mein Blick glitt zu Boden. Plötzlich war das Muster für mich unglaublich interessant.
Neben Jack stand Kira in einem weißen Kleid mit Schwarzen Akzenten, welches mit dem Anzug ihres Bruders abgestimmt war. Man konnte nicht Abstreiten, dass sie Geschwister sehr gut aussagen. Als sie sich die beiden nach einer kurzen Verabschiedung, welche bei der Schwester deutlich freundlicher ausfiel, auf den Weg machten konnte ich nicht anders als Jack hinter her zu schauen. Er sah einfach zu gut aus.
Verwirrt über diese Erkenntnis wartete ich noch einige Minuten, ehe ich mich aufmachte in die Stadt zu gehen. Da das Schloss recht zentral lag reichte es ein paar Minuten zu gehen und ich stand bereits in der friedlichen Innenstadt, welche gleichzeitig ein Teil der großen Altstadt war. In bunten Fachwerkhäusern mit großen Schaufenstern standen Schaufensterpuppen und bewarben aller leih Modemarken.
Gemütlich schlenderte ich an ihnen vorbei, immerhin hatte ich alle Zeit der Welt. In einem mit Schneeglöckchen dekorierten Schaufester entdeckte ich einige hübsche Schmuckstücke und kam nicht daran vorbei einen genaueren Blick hinein zu werfen. Der Gedanke Kaya eine Kette mit zu bringen kam mir in den Sinn und ich suchte den Schmuck nach einem geeigneten Motiv ab. Immerhin sollte etwas besonderes für das Mädchen meines Herzens sein. Da es draußen immer noch recht kalt war, immerhin war es erst ende Januar, entschied ich mich in dem Juwelier ein passendes Stück zu finde, auch wenn die Preise mich leicht abschreckten, aber das war mir Kaya alle mal wert.
Langsam begannen meine Finger eine Rotfärbung anzunehmen und kribbelten unangenehm, doch störte es mich nicht daran meine Augen durch die Vitrinen voller schillerndem Metall gleiten zulassen. Alles sah so wunderschön aus, dass es unmöglich schien sich zu entscheiden und doch sprang mir ein Stück besonders ins Auge. Zwar hatte ich eigentlich eine Kette gesucht, doch ein vergleichbar schlichtes Armband aus Silber mit zarten, bläulichen Verzierungen in Form von Schmetterlingen, zog mich wie magisch an.
Ehrfürchtig glitt meine Hand aus meiner warmen Jackentasche in Richtung des Schmuckstücks und berührte nahezu zärtlich das filigrane Metall. Meine Gedanken drifteten ab. Waren bei den weichen Lippen Kayas, wie sie schüchtern ein Versprechen in mein Herz brannten und mich innerlich zum Brennen brachten. Das Gefühl puren Glücks, wie es durch meine Adern rauschte. Wie gerne ich noch einmal dort wäre. Die Zeit umdrehen würde und einfach abhauen würde. Raus in die Welt nur ich und die. Alles was ich brauchte um glücklich im Leben zu sein. Irgendwann redete ich mir ein. Irgendwann...
Leise schlich sich ein anderes Bild in meine Tagträume. Die nahe zu tote Kaya aus meinen Träumen und ich musste mich zusammen reizen nicht Tränen in den Augen glitzern zu lassen. "Ich werde sie glücklich machen, dass sie niemals dieses Mädchen sein wird", versprach ich so alleine nur in meinen Gedanken.
Und doch war im Hintergrund erneut das Knacken und ich zuckte zusammen, auch wenn es nur in meinem Kopf war. Diese Trennung machte mich kaputt. Lies mich wahnsinnig werden. Daher war es um so wichtiger endlich zu dem wirklichen Plan über zu gehen.
Immer noch verträumt stellte ich mich an die Kasse und bezahlte das Armband für die Glückliche Kaya.
Die restlichen Einkäufe waren schnell erledigt und ich hatte nicht nur die Liste abgearbeitete, sondern auch Geschenkpapier und einige Zutaten erworben. So waren die Taschen schwer auf dem Rückweg zum Schloss, auf welchem ich es eilig hatte um noch genug Zeit zu haben alles für das Morgige Mittagessen vor zu bereiten, wo ich einmal etwas anderes, als Rührei, für Kira und mich zubereiten wollte. Schließlich gab es etwas zu feiern, bevor wir uns vermutlich nie wieder sehen würden.
Dieser Gedanke schmerzte, immerhin hatte sie mir so viel geholfen und wir hatten den letzten Moment in großen Teilen zu zweit verbracht. Würde sie einsam sein ohne mich?
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