Kapitel 7
Er ließ mich liegen. Er zog seinen Schwanz aus mir heraus, zog die Hose an und ließ mich liegen. Dieser elende, dreckige Bastard. In meinem Leben hatte ich mich noch nie so schmutzig und verbraucht gefühlt. Und noch nie hatte ich mich so sehr danach gesehnt, einfach tot zu sein, um nichts zu spüren. An meinen Beinen klebte Blut, mein Rachen tat weh, obwohl er mich nicht lange dazu gezwungen hatte, ihm eine zu blasen. Aber er war so brutal gewesen. Das Kleid hatte ich an diesem Abend weg geworfen.
"HUHU! MIRA!"
Mira erschrak so sehr, dass sie die Maus auf den Tisch schlug und sie kaputt ging.
"Scheiße!", fluchte sie lautstark und wurde von ihren Kollegen, die ein Büro mit ihr teilten, erschrocken angesehen. Sie zogen sich gerade Jacken um die Schultern und kramten in ihren Taschen herum. Mira hatte die Zeit vergessen. Es war Mittag.
"Wow. Sorry", entschuldigte sich Melly hastig und starrte die kaputte Maus mitleidig an.
"Galt das jetzt dem kaputten Ding oder mir?", fragte Mira sarkastisch und sammelte verzweifelt die Einzelteile vom Boden auf.
"Ich denke, die Maus hatte mehr zu leiden", murmelte Melly mit ernsthaft berührt. Mira boxte ihr scherzhaft in den Arm und legte die Teile auf ihren Schreibtisch.
"Hast du überhaupt gearbeitet?", fragte Melly schließlich, als sie Miras Monitor anstarrte. Auch ihr fiel erst jetzt auf, dass er immer noch gesperrt war. Verdammt. Wie konnte sie so sehr mit den Gedanken abdriften?
"Puh", machte Mira erschöpft und pustete sich dabei eine Strähne aus dem Gesicht.
"Jetzt tu nicht so, als hättest du hart geackert", grinste Melly und stemmte die Hände in die Hüften, "Ich wollte eigentlich fragen, ob du mit in die Mittagspause möchtest, aber ich bin mir gerade nicht ganz so sicher, ob du schon eine gemacht hast..."
"Jetzt hör schon auf. Ich habe nachgedacht", schnaubte Mira, nahm ihre Jacke und zog sie an, "Sowas kann durchaus anstrengend sein."
"Ja", räusperte sich Melly und verbiss sich ein Lachen, "Für jemanden wie dich vielleicht schon." Mira verdrehte die Augen, musste dann aber schließlich doch in Mellys Lachen mit einstimmen. Ihre trübe Stimmung war verfolgen.
Mira hatte Kate in der Mittagspause nicht gesehen. Melly und sie hatten im Pub ihre Pause verbracht, weil Melly sich etwas zum Mittagessen bestellt hatte. Hunger hatte Mira nicht, deshalb hatte sie sich einfach nur einen Cappuccino gemacht, aber Mira war sich nicht sicher, ob es vielleicht daran lag, dass ihr Kopf so voll war. Spätestens am Abend würde ihr Magen sowieso knurren und sich beschweren. Ein altbekannter Prozess in Stresssituationen. Aber so schlimm fand das Mira nicht. Dann konnte sie ihre vier überflüssigen Kilos auch verlieren. Sie hatte mal irgendwo gelesen, dass für ihre Größe ein Körpergewicht von 54 kg das Idealgewicht wäre. Konnte nicht schaden. Nachdem sie dann ihren Cappuccino getrunken hatte, stützte sie den Kopf in ihre Hände und sah Melly beim Essen zu. Sie war eine langsame Esserin. "Und", sagte Melly, während sie sich eine große Gabel Reis mit Gemüse in den Mund schob, "Erzähl. Wie wars?"
"Was war wie?", fragte Mira verwirrt und beobachtete sie beim Kauen.
"Na, jetzt tu nicht so. Die Nacht. Der Sex." Sie schluckte und schnitt etwas vom Fisch ab. Dann sah sie Mira an und zog die Brauen erwartungsvoll in die Höhe. Sie witzelte eigentlich nur, denn dass Mira wirklich Sex gehabt hatte, konnte Melly gar nicht wirklich wissen. Hätte Kate heute Morgens nichts gesagt, dann wäre Melly nie auf den Gedanken kommen. Danke, Kate. Mira runzelte die Stirn und machte mit einem Halbgrinsen: "Pffft. Ich hatte kein Sex."
"Ja klaaaaaar", prustete Melly los, kaum dass sie geschluckt hatte, "Das war der Witz des Jahrehunderts." Dann nahm sie die Gabel und kreiste mit ihr vor Miras Nase herum "Ich sehe dir an, wenn du Sex hast."
"Ganz sicher nicht", lachte Mira und schob Mellys Hand von ihrem Gesicht weg. Sie aß weiter.
"Ganz sicher doch. Also?"
Mira seufzte.
"Ja, ich weiß. Du bist so arm. Und jetzt spuck's aus."
"Du wirst sowieso keine Ruhe geben, oder?"
"Du kennst mich." Sie zog die Schultern in die Höhe und grinste in ihren Teller hinein.
"Du bist ein Arschgesicht. Und neugierig. Das weißt du."
"Ja", wieder zuckte Melly die Schultern und bemühte sich, nicht zu lachen, "Aber nur so kommt man im Leben weiter."
"Indem man die Nase in anderer Leben steckt?"
"Ja, wie sonst? Ich erweitere meinen Horizont."
"Ach. Schön, dass mein Sexleben deinen Horizont erweitert." Mira lachte. Melly sah sie an und grinste: "Also hattest du Sex. Ich wusste es."
"Puuuh. Ja. Vielleicht."
"Nein, nein. Details bitte." Sie pickte haargenau mit einer Gabelzacke ein Maiskorn auf und streckte ihn Mira entgegen. Eine Augenbraue in die Höhe gezogen.
Mira verdrehte die Augen und fuhr sich über das Gesicht.
"Es war gut. Jaaa", grinste sie, "Vielleicht der geilste Sex meines Lebens."
"Uiuiui. Gefühle oder keine Gefühle?" Mit der Frage hatte Mira nicht gerechnet. Sie spürte, wie ihr Herz einen kleinen Sprung machte und dann wie in Zeitlupe weiter schlug. Für eine kurze Sekunde verlor sie die Kontrolle über ihre Gesichtszüge. Wieso wollte Melly das wissen? Wieso war diese Frage wichtig? Mira wusste natürlich, dass diese Frage wichtig war. Sex ohne Gefühle war einfach Sex. Aber mit jemandem zu schlafen, für den man etwas empfindet – eine tiefe, unerklärliche Zuneigung... Scheiße. Sie hatte keine Antwort.
"Du überlegst zu lange. Also Gefühle." Melly nahm das Maiskorn in den Mund und kaute langsam auf ihm herum, starrte Mira an. Irgendwann hörte sie auf zu kauen und zog die Augenbrauen zusammen.
"Oh. Okay. Ernstes Thema. Habs verstanden. Wer ist die Glückliche?" Melly wusste, dass Mira auf Frauen steht. Eigentlich wusste das fast jeder. Sie hatte es nie geheim gehalten, weil es für sie selbst kein Geheimnis war. Es war weder etwas Verwerfliches, noch etwas Außergewöhnliches. Sie hatte sich mit zehn Jahren so festgelegt, als sie sich das erste Mal in eine Lehrerin verknallt hatte.
"Es gibt keine Glückliche", murmelte Mira und starrte in ihre leere Tasse, "Es gibt überhaupt niemanden. Es war einfach Sex."
"Du bist eine verdammt schlechte Lügnerin. Ich fühle mich fast beleidigt." Mira schwieg. Was sollte sie auch sagen? Sie hätte ihr keine Antwort geben können. Mira hätte selber erst darüber nachdenken müssen. Sie war sich nicht sicher. Natürlich gab es Gefühle. Kate war ihre beste Freundin! Hatte man mit der besten Freundin Sex? Mira wurde klar, dass das ein Fehler gewesen war. Wie hatte sie denken können, dass sie mit einer so tollen Frau wie Kate ins Bett hüpfen und sie dann weiterhin eine "beste Freundin" nennen konnte? Das war sie nicht. Nicht mehr. Die Gefühle, die Mira für Kate hatte, waren keine freundschaftlichen Gefühle. Sie waren voller Zuneigung, voller Anziehung, voller... Leidenschaft. Sie spürte eine wohlige Wärme in ihrem Bauch, als sie an Kate dachte und biss sich auf die Unterlippe. Gefühle hin oder her. Sie hatte einen großen Fehler gemacht. Auf einmal hatte Mira das dringende Bedürfnis, vom Tisch aufzuspringen und Kate zu suchen, um mit ihr darüber zu reden. Das musste aus der Welt gebracht werden.
"Mira?" Melly griff über den Tisch und piekte Mira in die Backe. Mira piekte zurück. Melly piekte zurück.
"Warum schaust du so?"
"Wie?", fragte Mira.
"Keine Ahnung. Als wäre jemand gestorben."
Es ist etwas gestorben. Eine Freundschaft.
Mit einem lautlosen Seufzen schüttelte Mira den Kopf und sah sie an "Alles okay. Ich war nur in Gedanken."
"Schon wieder. Du hast doch den ganzen Vormittag damit verbracht, nachzudenken. Was denkt man denn so nach?" Sie sah Melly an und dann auf ihren Teller. Er war noch halbvoll, aber sie machte nicht den Eindruck, als würde sie noch etwas essen. "Hast du keinen Hunger mehr?", fragte Mira.
Sie sah auf ihren Teller, dann wieder in Miras Gesicht: "Du lenkst ab."
Mira konnte nicht mit ihr reden. Das ging einfach nicht. Sie konnte Melly nicht erzählen, dass sie mit Kate im Bett gewesen war. Vielleicht wäre es etwas anderes gewesen, wenn Kate nicht hier arbeiten würde - wenn sie Kate nicht kennen würde, aber nicht so. So konnte Mira es ihr einfach nicht erzählen.
"Ich habe einen Fehler gemacht."
"Was denn?"
"Ich... kann dir das nicht sagen. Aber... scheiße."
"Okay, ich verstehe", Melly sah sich kurz im Raum um, "Du brauchst Ablenkung."
"Wir müssen in 15 Minuten weiter arbeiten."
"Ja klar", lachte sie, "So wie du den ganzen Vormittag auch gearbeitet hast?" Mira warf ihr einen bösen Blick zu, der nicht ernst gemeint war, dann stand Melly vom Tisch auf und wartete, dass sie es ihr gleich tat.
"Was hast du vor?", fragte Mira und blieb eisern auf dem Stuhl sitzen. Melly warf einen Blick aus dem Fenster.
"Es schneit. Und wir gehen jetzt raus, spazieren."
"Oh wow. Das lenkt mich sicherlich ab", sagte Mira sarkastisch, stand aber auf.
"Glaub mir."
Sie zogen sich ihre Jacken und Kapuzen an und gingen raus.. Es schneite so sehr, dass sie in wenigen Minuten aussahen wie lebendige Schneemänner. Der Schnee blieb am Boden liegen und sehr bald war die ganze Welt einfach nur weiß. Weiß und schön. Sie spazierten um das Gebäude herum, schlenderten im Schnee. Melly zog Mira auf eine Fläche, auf der noch niemand gelaufen war, damit sie Spuren hinterließ. Melly trat in ihre Fußstapfen und Mira sah immer wieder zu ihr zurück, um grinsend den Kopf über sie zu schütteln. Melly war zwar genauso alt wie sie, verhielt sich aber manchmal wie ein Kind. Vielleicht war aber auch gerade das, was Mira an ihr so gerne mochte. Sie brachte sie mit ihrer nicht verloren gegangenen Kindlichkeit immer zum Lachen. Manchmal riss sie Mira sogar mit. Sie sprang mit einem Satz auf Miras Seite und wäre beinahe ausgerutscht, hätte Mira sie nicht festgehalten. Sie lachten. "Erzähl mal", sagte sie, "Wie ist das eigentlich? Sex mit 'ner Frau, meine ich."
Mira sah sie entgeistert an, dann starrte sie in den Schnee vor ihren Füßen.
"Ich nehme an, du willst Details", schlussfolgerte Mira amüsiert.
"Ich sage ja. Du kennst mich." Auf ihrem kleinen Gesicht ein fettes Grinsen.
"Okay", Mira holte Luft, "Lass mich überlegen, wie ich es christlich ausdrücken kann."
"Ich will hier knallharte Fakten. Details bis in die Pussyhärchen."
"Ich habe keine Pussyhaare", grinste Mira sie an.
"Guter Anfang, Miss", grinste sie zurück, "Sind alle Lesben kahl geschoren?"
"Ich hatte noch nicht mit allen Lesben Sex. Aber alle Lesben, mit denen ich bisher etwas hatte - ja."
"Mit wie vielen hattest du?"
"Sex?"
"Was sonst?" Sie sah Mira an, als sei sie komplett bescheuert. Mira lachte leise.
"Drei."
"DREI?!" Melly sah sie ungläubig an, dann lachte sie lauthals, "Okay. Das war ein guter Witz. Ich hätt's dir fast geglaubt."
"Das war kein Witz." Mira zog eine Augenbraue in die Höhe.
"Du willst mir nicht erzählen, dass du erst mit drei Frauen Sex hattest? Plus der von gestern?"
„Vier", Mira zog die Schultern in die Höhe und ließ sie dann kraftlos wieder sinken.
"Okay", sie war sichtlich aus den Socken, "Und Männer?"
"Null."
"Null? Du bist also durch und durch vom anderen Ufer?"
"Sieht so aus."
Melly blieb stehen und sah Mira von oben bis unten an.
"Ähm. Nein. Du siehst ganz sicher nicht so aus."
Mira war ebenfalls stehengeblieben, sah Melly an und lachte. Gut, in dem Fall hatte sie Recht. Wenn man es optisch in Betracht zog, dann sah es wirklich nicht so aus. Mira war alles andere, als diese typische Klischee-Lesbe. Kate aber auch nicht. Kein Mensch wäre jemals auf die Idee gekommen, dass sie auf Frauen stand. Wie oft hatten Männer schon versucht, sie anzugraben! Und es hörte nicht auf. Wie oft hatte sie den Spruch gehört, dass Lesben doch immer kurze Haare haben und rumlaufen wie Cowboys, die gerade vom Pferd gestiegen sind. Mira konnte inzwischen über solche Kommentare nur noch die Augen verdrehen.
"Okay. Ich gebe zu. Ich seh' nicht aus wie eine Lesbe. Aber es gibt nichts, womit du mich schneller verjagen kannst, als mit Schwänzen." Melly kam wieder an Miras Seite und runzelte die Stirn: "Völlig absurd. Sex ohne Schwanz. Das ist doch das Beste an der ganzen Sache!"
Mira zuckte die Schultern, schlenderte mit ihr weiter und behielt die Uhrzeit im Auge. Fünf Minuten noch.
"Du hast mir jetzt allerdings immer noch nicht gesagt, wie das so funktioniert. Benutzt ihr Dildos?"
"Ja klar. Schwänze sind scheiße, aber Dildos sind völlig okay", rief Mira euphorisch und zeigte ihr dann den Vogel, damit sie beide lachten. Als sie sich wieder beruhigt hatten, drehten sie um, damit sie rechtzeitig wieder in die Arbeit kamen.
Der Rest des Tages verlief ereignislos. Mira hatte sich relativ früh am Abend im Bad fertig gemacht und dabei noch einmal ihre Hand betrachtet. Sie sah furchtbar aus und sie erinnerte sich wieder an die zwei Leute, die ihr geholfen hatten. Sie fragte sich schon wieder, ob sie heute vielleicht an ihr vorbeigelaufen waren. Seufzend schüttelte Mira den Kopf und zog ihr T-Shirt an, das sie immer zum Schlafen benutzte. Komisch, dass sie diese komischen Gefühle nicht vergessen konnte. Die Geborgenheit war eine Sache, aber die andere war auch noch diese große Traurigkeit und Verzweiflung, die in dem Moment gekommen waren, in dem der Mann sie festgehalten hatte. Festhalten. Das war es, was ihr fehlte. Ein Halt. Irgendein kleiner, verdammter Halt.
Im Bett konnte sie dann noch lange nicht schlafen. Erst dachte sie eine halbe Stunde über die zwei Leute und ihren Zusammenbruch nach und zerbrach sich den Kopf, wie sie die Beiden ausfindig machen konnte und als sie merkte, dass es keinen Sinn ergab und sie eigentlich nur hoffen konnte, dass sie die Zwei irgendwie durch Zufall mal wieder traf, fingen ihre Gedanken an um Kate zu kreisen und Mira verfluchte sich dafür. Kate würde ihre beste Freundin bleiben. Punkt. Sie steigerte sich gerade so dermaßen in eine Sache hinein, die komplett sinnlos war, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Es war bloß Sex gewesen. Kate war nun einmal eine hinreißende Frau. Eine furchtbar hinreißende Frau. Aber mehr war da nicht. Mira liebte sie, weil sie ihre Freundin war. Alles andere war reine Fehlinterpretation.
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