Kapitel 5


Nach der Mittagspause verzogen sich die beiden wieder in ihre Abteilungen vor die Bildschirme. Beziehungsweise: Kate verzog sich an ihren Schreibtisch und steckte die Nase in einen großen Haufen Papiere, die eingekommen waren. Mira konnte den ganzen Tag kaum noch an etwas anderes denken, als an das, was Kate ihr gesagt hatte. Die komplette Konzentration auf die Arbeit war demnach auf dem Nullpunkt.
 Mira biss sich durch, so gut es ging. Nahm Telefonate entgegen und beendete sie mit zufriedenen Kunden, obwohl sie wenige Sekunden später schon gar nicht mehr wusste, worüber es in diesem Gespräch ging. Mira gab neue Datensätze ein, schrieb E-Mails, beantwortete wichtige Nachrichten und kümmerte sich um das schwarze Brett im Foyer. Mit allem, was sie tat, erzielte sie 100%-ige Leistung, war aber meistens nur halb dabei. Als sie um 17 Uhr dann endlich Feierabend machten, freute Mira sich eigentlich darüber, einfach in den Bus zu steigen und nach Hause zu fahren, aber Kate fing sie auf.
"Wohin so eilig?" Rief sie, noch bevor sie bei Mira angekommen war, und Mira drehte sich zu ihr um. Wartete, dass sie bei mir ankam.
"Feierabend? Nach Hause." Mira strich sich eine Strähne hinter das Ohr und zog ihren Schal weiter über die Nase.
"Planänderung. Feierabend - und ich lade dich ein. Was sagst du?"
"Oh. Sehr spontan."
"Ja. Sehr spontan. Und? Bist du dabei?"
"Worauf einladen?"
"Ich koche. Und du kommst mit und isst bei mir zu Abend", sie streichelte Mira sanft über den Arm, "Ein wenig Aufmunterung könntest du gut vertragen." Mira nahm ihre Berührung sehr bewusst wahr und sah ihr in die Augen. Sie wusste nicht warum, aber irgendwas in Kates Blick schien ihr etwas mitteilen zu wollen. Es lag mehr darin, als üblich. Mehr als nur Freundschaft. Mehr als... Mira presste die Lippen aufeinander, war hin und her gerissen. Nach kurzem Überlegen hatte sie schließlich eine Entscheidung getroffen.
"Ich glaube, ich sollte vorher noch einmal nach Hause." Kate schenkte ihr ein Lächeln. Eines ihrer Schönsten. Dieses sah man sehr selten. In ihren Augen lag Mira etwas völlig Unbekanntes. So hatte Kate sie noch nie angesehen. Kate hatte viele Emotionen. Ihr Gesicht war mehr als lebendig. Ihre Augenbrauen unterstrichen jedes Gefühl, das gerade in ihr vorging, ihre Augen sprachen mehr als tausend Worte. Manchmal hatte Mira das Gefühl, mehr mit ihrem Gesicht zu kommunizieren, als mit den Sätzen, die sie zu ihr sprach und Mira konnte gerade durchaus verstehen, wozu Kate sie aufforderte.
Sie verstand nur nicht, weshalb. Mira kannte Kate, wie gesagt, noch nicht besonders lange, aber dafür kannten sie sich verdammt gut. Mira wusste zum Beispiel, dass Kate eher zu älteren Frauen tendierte. Wie hatte sie einmal gesagt? "So ein bisschen Falten um die Augen und um den Mundwinkel sind schon ziemlich sexy, oder? Natürlich vögel ich nicht mit irgendwelchen Omas. Selbst ich habe da eine Schmerzgrenze."
"Wohl eher ein Verfallsdatum", hatte Mira darauf gemurmelt und Kate damit zum Lachen gebracht. Mira glaubte, Kates älteste Romanze war 41 gewesen. Eine wunderschöne Frau, die sie ihr einen Abend davor noch vorgestellt hatte. Aber Mira durfte nicht viel urteilen. Die älteste Frau, mit der sie selbst geschlafen hatte, war 38. Trotzdem: Was wollte Kate nun von ihr? Manchmal hatte Mira sogar das Gefühl gehabt, sie wolle ihr ganz deutlich mitteilen, dass Mira sich auf gar keinen Fall Hoffnungen machen sollte, weil sie ausschließlich auf ältere Frauen stand. Was sollte dann diese Einladung? Oder sendete Kate ihr gerade bloß ambivalente Zeichen? Fasste Mira ihre Einladung falsch auf?
"Dann komm." Sie streckte Mira ihre Hand entgegen. Nach kurzem Zögern legte sie ihre Hand in Kates und fuhren zu Mira nach Hause.

Mira war komplett durcheinander. Sie lief drei Mal in das Bad rein und wieder raus, um zu überprüfen, ob sie ihre Haarbürste und Zahnbürste dabei hatte. Sie schaute drei Mal in ihre Tasche, ob sie frische Unterwäsche eingepackt hatte und vier Mal kontrollierte sie ihren Geldbeutel, ob alles drinnen war. Kate beobachtete sie die ganze Zeit mit einem leisen Grinsen um den Mundwinkel, bis sie auf Mira zuging und Miras Hände in ihre nahm.
"So. Ist gut jetzt. Du bist nur für eine Nacht weg."
Mit rasendem Puls seufzte Mira und fuhr sich über das Gesicht. Wie konnte man nur so hektisch sein?
"Okay...okay." Mira sah sich noch einmal in der Wohnung um, warf sich die Tasche über die Schulter und verließ mit Kate die Wohnung.
Als sie bei Kate Zuhause ankamen, war es 19 Uhr und sie stellte sich direkt hinter den Herd, um zu kochen. Mira war noch nie vorher in Kates Wohnung gewesen. Sie hatten sich immer nur außerhalb der eigenen vier Wände verabredet. In Cafés, Bars, Kinos. Manchmal auch einfach zum Spazieren oder Eis essen.
Aber hier bei ihr Zuhause zu sitzen... irgendwie war das wieder etwas komplett anderes. Mira fühlte sich ihr viel Näher, viel persönlicher, viel verbundener. Sie hatte das Gefühl, gewissermaßen in ihre Seele zu blicken. Die Wohnung sagt so viel über einen Menschen aus. Kaum, dass man durch die Schwelle tritt, hat man eigentlich schon einen ganz persönlichen Bereich betreten. Der Duft. Bei Kate roch es einfach nach... Kate. Der Gang hatte einen zarten Duft von Lilien. Vielleicht bildete Mira sich das nur ein, vielleicht aber auch nicht. Aus dem Keller schlich ein sanfter Hauch von frisch gewaschener Wäsche. In ihrem Wohnzimmer roch es warm. Heimelig. Es war eine Mischung aus etwas Süßem und Fruchtigem. Überhaupt nicht penetrant. Viel mehr schmeichelnd und angenehm. Sie war ein ordentlicher Mensch. Legte viel Wert auf Details und sie mochte dunkles Eichenholz. Die meisten ihrer Möbel bestanden aus diesem Material. Mira stand an Kates Bücherregal und sah sich gerade ihre Bücher an. Wenn sie alle diese Bücher gelesen hatte, musste sie eine wahnsinnig gebildete Frau sein.
Eine halbe Stunde später half sie Kate beim Tisch decken. Sie legten ein weißes kleines Tuch in die Mitte des Tisches. Darauf stellten sie eine einfache, weiße Kerze und Kate drückte Mira ein Feuerzeug in die Hand. Sie sagte nichts zu ihr, lächelte sie nur kurz an und ging wieder in die Küche, um zu servieren. Mira wendete kurz das kleine schwarze Ding in ihrer Hand, dann zündete sie die Kerze an und legte das Feuerzeug auf das Fensterbrett. Sie wollte zu Kate in die Küche, um ihr beim Servieren zu helfen, aber sie schüttelte den Kopf, drückte Mira sanft am Rücken wieder raus zum Tisch und bat sie, sich zu setzen. Mira setzte sich. Als sich Kate ihr gegenüber setzte und das Besteck in die Hand nahm, sah sie Mira an.
"Was ist? Du bist so ruhig. Bist du nervös?" Sie sagte es mit einem Unterton, als gäbe es überhaupt keinen Grund dazu. Mira nahm ebenfalls das Besteck in die Hand, schaute in ihren Teller und schüttelte den Kopf.
"Was genau hast du da gekocht? Es riecht köstlich." Natürlich war Mira nervös. Sie war noch nie bei Kate Zuhause gewesen und die Kerze in der Mitte des Tisches machte es nicht gerade leicht für Mira, sich nichts einzubilden.
"Khao Pad Gai. Ich hoffe, du hast nichts gegen Garnelen und ein wenig Experimentalisch."
"Experimentalisch?", Mira lachte und betrachtete den Reis auf ihrem Teller. Sie konnte ungefähr alles darin finden. Von Obst bis Gemüse bis Tier. Garnelen. Und ein paar Hähnchenbruststreifen. Ananas, Apfel, Bohnen, Mais, Karotten. Es sah toll aus.
"Wenn es so gut schmeckt, wie es aussieht, dann fall ich vom Glauben ab."
"Von welchem Glauben?", scherzte Kate, nahm ihr Glas mit dem Rotwein und stieß mit Mira an, die erst zögerlich einen kleinen Schluck von dem süßen Rotwein trank das Glas dann wieder abstellte. "Ich muss dich enttäuschen, wenn du vorgehabt hast, mich abzufüllen. Ein Glas reicht bei mir nicht."
"Ich will dich nicht abfüllen." Kate nickte ihr zu, als Zeichen, dass sie es sich schmecken lassen soll und Mira steckte sich eine gehäufte Gabel in den Mund. Es schmeckte unglaublich!

Nach dem Essen und zwei Rotwein saßen sie mit vollen Bäuchen auf der Couch und redeten und redeten. Sie redeten wirklich über alles. Sie machten sich über einige komische neue Leute in ihrer Firma lustig oder über sich selbst. Als Mira merkte, dass ihr der Alkohol langsam aber sicher in den Kopf stieg, konnte sie sich nun wirklich über jede Kleinigkeit amüsieren.
"Mit zwölf Jahren hatte ich Monstertitten", sagte sie irgendwann und verzog das Gesicht, weil sie sich das Lachen verkneifen musste. Kate zog eine Braue in die Höhe und lachte: "Ich habe mir deine Brüste noch nie so genau angesehen, um darüber zu urteilen."
"Ich sage ja: mit zwölf. Nach meinen hundertundein Diäten sind sie geschrumpft."
"Selber Schuld." Kate lachte leise und kniff Mira versöhnlich in die Hüfte. Dann starrte sie ihr alles andere bescheiden auf die Brüste. Mira lief rot an. Sie konnte die Hitze in ihren Wangen spüren.
"Ich finde, sie haben eine perfekte Größe. Aber mal ehrlich, was haben eigentlich alle mit diesen Brüsten? Es sind doch einfach nur... Möpse." Kate versuchte ernst zu bleiben, aber schließlich entwich ihr ein "Pfft" und sie musste lachen.
"Nein. Keine Ahnung. Ich kann es dir nicht sagen", ging Mira in ihren Scherz mit ein. Sie hatte zwei Gläser Rotwein getrunken und jetzt klammerten ihre Finger um die dritte Runde. Sie war schon leicht angeheitert, wusste aber noch durchaus, was sie sagte. Kate nahm den letzten Schluck von ihrem Glas und stellte es auf dem Couchtisch ab. Dann zog sie die Beine auf die Couch und rückte näher an Mira heran. Ihre Knie berührten Miras Oberschenkel. Mira lehnte sich mit einem Seufzen in die Couch zurück. Sie merkte, dass Kate ihr die letzten Stunden immer ein wenig nähergekommen war, was ihr aber nicht viel ausmachte. Sie mochte es, wenn Kate sie berührte. Gerade konnte sie allerdings nicht einschätzen, was dieses komische Kribbeln in ihrem Bauch war. Miras Blick wanderte durch Kates Wohnung. Sie versuchte die kleinen Bilder an der Wand zu erkennen. Es waren Fotos. Von ihr. Und von ihrer Familie. Auf dem einen Bild durfte sie ungefähr neun Jahre alt sein. Der kleine Junge in ihren Armen ungefähr halb so alt wie sie. Ihr Bruder. Sie hatte ihn ein einziges Mal erwähnt, aber nie von ihm erzählt. Mira hatte nur einmal nachgefragt, aber Kate hatte nie eine konkrete Antwort auf Familienfragen gegeben, deshalb hatte Mira nach einiger Zeit aufgegeben. Irgendwann spürte Mira, dass Kate sie anstarrte.
Sie konnte ihren Blick spüren und sie fühlte mich nackt. Es war nicht das Gefühl von Scham oder Unbehagen. Es war viel mehr die Gewissheit, dass sie alles von ihr wusste, dass sie manchmal einfach ihre Gedanken lesen konnte.
"Hat dir schon einmal jemand gesagt, wie schön du aussiehst, wenn du beschwipst bist?" Ihre Stimme war so dicht an Miras Ohr, dass sie ihren Atem spüren konnte. Sie sagte es leise, aber in dieser Stille hörte es sich unnatürlich laut an und Mira hatte das Gefühl, dass sich ihr Magen verknotet. Ihr Herz machte einen unsicheren Satz und sie lachte leise in sich hinein. Beschwipst war gut. Sie war nicht mehr nur noch leicht angetrunken. Sie war an der Grenze einer Bewusstseinsstörung.
"Ja. Du. In genau diesem Moment", gab sie genauso leise zurück und sah sie an. Mira war verwundert über die Intimität, die in ihrer Stimme mitschwang. Kate lächelte ein schiefes Lächeln, bei dem Miras Herz höher schlug und im selben Moment dachte sie darüber nach, ob das okay war, was hier geschah. Sie konnte allerdings keinen rationalen Gedanken fassen. Ihr ging so viel durch den Kopf. Warum tat sie das? Wollte sie sich mit Kate nur trösten? Nur ablenken? Oder schlimmer: Sich selbst beweisen, dass sie ganz sicher nichts von Männern wollte? Oder waren das gerade echte Gefühle in ihr? Spielte ihr der Alkohol etwas vor? Oh Gott...
"Nein", flüsterte Kate und legte eine Hand auf Miras Knie. Die Wärme spürte sie durch ihre Jeans hindurch.
"Das ist mein Ernst. Du hast rote Wangen. Und deine Augen glitzern. Deine Lippen sind rot. Du siehst... fast ein wenig verrucht aus." Mira bemühte sich die Fassung zu bewahren. Die verlor sie nämlich gerade. Sie spürte, wie ihr heiß wurde. Richtig heiß. Kates Hand wanderte langsam Miras Bein nach oben, streichelte ihren Bauch und nahm ihr sanft das halbleere Weinglas aus der Hand. Sie stellte es neben ihres.
"Weißt du, was man mit roten Lippen macht?" Mira sah sie an. Es war ein flüchtiger Blick, aber sie konnte erkennen, dass Kate nicht einmal angetrunken war. Ihre Augen waren klar. Sie waren so klar! Sie wusste genau, was sie tat. Sie wusste genau, was sie sagte.
"Ich... ja", sagte Mira leise und hielt ihrem Blick stand. Er war voller Sex. Einfach nur Sex.
"Dann sag es mir."
"Ich weiß, was du mit roten Lippen machst." Ein ganz leises, kurzes Lachen, welches sie in sich hinein schluckte und die Augen schloss. Das Lächeln auf ihren Lippen aber blieb.
"Dann sag mir, was ich mit roten Lippen mache."
Sie öffnete die Augen. "Du wirst sie küssen."
"Ganz richtig." In dem Moment beugte sie sich zu Mira herüber, schloss ihre Hände um ihr Gesicht und legte ihre Lippen auf Miras. Es war ein wahnsinniges Gefühl. So wahnsinnig, dass Mira sich nicht sicher war, ob sie das Richtige tat. Als sie allerdings Kates Zunge in ihrem Mund spürte, schaltete sie ihren Kopf ab. Sie schaltete einfach ab, und ließ sich gehen. Es war ihr sowas von scheißegal, was richtig war und was nicht. Sie wollte einfach nur Kate. Mira stöhnte an ihren Lippen, als Kate anfing, mit ihren Händen unter ihre Bluse zu gleiten und ihre Haut berührte. Mira ließ mich von ihr verführen. Mira ließ zu, dass sie ihr von der Couch half und sie ins Schlafzimmer führte, ließ zu, dass sie ihr die Hose auszog und die Bluse aufknöpfte. Mira genoss jede einzelne ihrer Berührungen. Jede einzelne Fingerspitze, die ihre nackte Haut berührte, jeden Moment, an dem Kates Lippen ihren Hals liebkosten oder ihre Zunge Miras Dekolleté entlang fuhr. Und sie genoss vor allem den Moment, an dem sie mit ihrer Hand zwischen ihre Beine wanderte, und sie berührte. 

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