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Mein Beitrag zum Schreibwettbewerb von @eisbaerlady,  in der November Runde. 

Das Genre war Drama und die Aufgabe war es, sechs Stichwörter (Liebe, Blut, Versöhnung, Freundschaft, Eifersucht und Trauer) in die Geschichte einzubauen. 

Ich habe die Stichwörter im Text fett markiert. Viel Spaß beim Lesen. 


Als ich ihn damals mit ihr sah, konnte ich es nicht fassen. 

Mit ihr, statt mit mir, lief er die Straße hinab, ihre Hände in einander verschränkt. Sie, nicht mich, lächelte er an. Und wenig später waren es ihre Lippen, nicht meine, die er küsste. 

Ich hatte ihn nie darauf angesprochen, doch die Eifersucht hatte sich tief in meinem Herzen eingenistet, nun ein ständiger Begleiter in meinem Leben mit ihm. 

Ich war aufmerksamer geworden. Ich bemerkte jetzt, dass er ständig an seinem Handy war und den Bildschirm dabei immer von mir weg hielt. Ich sah nun, dass er viel öfter einkaufen ging, als unser kleiner Haushalt Dinge benötigte. Und ich hielt das kleine Lächeln, das er nach seinen Ausflügen zu unterdrücken versuchte, nicht mehr bloß für gute Laune. 

Und natürlich wusste ich auch, dass es mit uns beiden so nicht weitergehen konnte. 

Am Anfang waren wir das perfekte Paar gewesen. Es war Liebe auf den ersten Blick, als wir uns in der Uni begegnet waren. Nie hätte ich gedacht, dass eine Person, die so perfekt schien, Notiz von mir nehmen könnte. Später hatte er mir gebeichtet, dass er genau das Gleiche gedacht hatte. 

Wir hatten gemeinsam unsere Vorlesungen geschwänzt, um auf dem Pausenhof rummachen zu können. Wir hatten ausgelassene Partys gefeiert und waren danach zu ihm nach Hause gefahren. Als wir beide einen Job hatten, haben wir uns eine Wohnung zusammen gemietet, glücklich, endlich für immer zusammen leben zu können. Wir hatten uns geschworen, immer für einander da zu sein. 

Aus diesen Vorsätzen ist scheinbar nicht viel geworden. Mein Beruf beanspruchte mich und ich war selten unter der Woche zuhause. Zeit zu zweit wurde immer seltener. Und auch er lernte neue Menschen kennen, verbrachte mehr Zeit mit anderen. 

Ich konnte ihm eigentlich nichts vorwerfen. Wir hatten uns auseinandergelebt, dieser Wahrheit musste ich nun ins Gesicht blicken. Und doch wollte ich ihn nicht verlieren. 

Wir hatten neun Jahre zusammen verbracht, waren miteinander erwachsen geworden und er kannte mich so gut wie kein anderer. Nur er konnte meine Gefühle richtig deuten und war für mich da, wenn ich Hilfe brauchte. 

Nach neun Jahren wollte ich keine Veränderungen mehr. Noch vor zwei Jahren war unser Leben ein einziger Traum gewesen. 

Nicht mit ihm zu reden, ihm nicht zu erzählen, dass ich ihn gesehen hatte, zermürbte mich innerlich. Er merkte es. Oft fragte er mich besorgt, ob es mir gut gehe. 

Noch so ein Vorsatz, den wir uns damals vorgenommen haben. Einander niemals zu belügen. Trotzdem antwortete ich mit „Ja". 

Dann lebten wir für ein paar Tage weiter, ein jeder sein eigenes Leben, bis er mich irgendwann wieder sorgenvoll beobachtete. 

Wir lebten in einer Schleife, gefangen in der bitteren Realität unserer gescheiterten Beziehung, die doch keiner von uns aufgeben wollte. 

Und ich hasste es. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich nicht mit ihm redete. Ich hasste ihn dafür, dass er nicht mit mir Schluss machte. Und ich hasste uns beide dafür, dass wir einander seit Monaten vorgaukelten, alles sei gut. 

Denn das war es nicht. 

Wir waren zwei Menschen, aus Fleisch und Blut, die einander innig geliebt hatten und diese Liebe nicht aufgeben wollten. 

Tage, Wochen, Monate vergangen. 

Und hatte ich mir am Anfang eingeredet, dass wir wieder zueinander finden würden, so wurde mir nun schmerzlich bewusst, dass ich mich selbst belogen hatte. 

Schließlich war er es, dass das bittere Schweigen brach, das uns umgeben hatte. 

„Wir müssen reden."

Mehr sagte er nicht. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass es das Richtige war, doch ich hatte Angst. 

Angst, vor einem Gespräch. Angst, ihn zu verlieren. Angst vor der Trauer, die mich erwartete, wie einen guten Freund. 

Es kostete viel Überwindung, sich nicht vor dem Gespräch zu drücken. Doch ich wusste, das ich es nicht ewig aufschieben konnte. 

Wir saßen also auf dem Sofa, einander gegenüber, statt wie früher nebeneinander. Wir sahen ernst aus, nicht wie früher verliebt. 

Und wir schwiegen. Keiner von uns, wusste, was zu sagen war. 

„Ich habe euch gesehen" 

Die Worte brachen aus mir hervor, zu lange hatte ich sie zurückgehalten. 

„Es tut mir leid."

An seinen Augen konnte ich erkennen, dass er die Wahrheit sagte. 

Lange sahen wir uns in die Augen, stumm und voller Selbstzweifel. 

„Ich will dich nicht verlieren." 

Wir beide waren erstaunt, wir beide hatten diese Worte gesprochen und wir beide hatten Angst davor gehabt. 

„Ich liebe dich, wirklich. Aber weniger als meine Freundin, sondern mehr wie eine Freundin." 

Eine Freundin. Er liebte mich wie eine Freundin und mir wurde bewusst, das ich es bei ihm genauso tat. 

Ich liebte ihr wie einen Freund, jemanden, der mir Trost spendete, mich verstand und immer für mich da war. 

„Ich dich auch." 

Wir lagen uns in den Armen und es fühlte sich gut an, nicht länger wie ein verzweifelter Versuch, unsere Beziehung auf sexueller Ebene zu erhalten. 

Es war unsere  Versöhnung mit all den Lügen, die wir uns selbst erzählt hatten und mit all dem Schmerz, den wir uns bereitet hatten. 

Freundschaft. Ein viel zu kleines Wort für eine so besondere Sache. Freundschaft hatte tausende Facetten. Freundschaft war das wichtigste auf dieser Welt. 

Das hatte ich durch ihn gelernt. Unsere Beziehung mochte gescheitert sein, doch unsere Liebe zu einander hatten wir nie verloren. 

Nach ihm hatte ich keine anderen Partner mehr. Mir war klar geworden, dass ich keinen Mann an meiner Seite brauchte. Ich war alleine glücklich, und trotzdem nicht alleine, hatte ich doch den wohl tollsten besten Freund, den man sich wünschen konnte. 

Wir hatten eine wunderbare Zeit, ein wunderbares Leben. 

Jetzt stehe ich vor seinem Grab, traurig und glücklich zugleich. 

Ich denke an die besten Jahre meines Lebens, mit ihm. 

An unser erstes Date, die gemeinsame Wohnung, die Geburtstage und ausgelassenen Feiern, die Treffen als Freunde, unser Rentnerdasein. 

Wir hatten ein erfülltes Leben. Vielleicht habe ich noch ein paar Jahre, vielleicht sterbe ich in wenigen Tagen. 

Doch es ist mir egal, denn mein Leben ist bereits komplett. 

Durch ihn. 

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