10
Samuel hielt vor dem imposanten Anwesen seiner Eltern, einem weitläufigen Herrenhaus mit hohen Fenstern und einem perfekt gepflegten Garten. Lichterketten funkelten in den Bäumen, und durch die großen Fenster konnte Valerie bereits die elegant gekleideten Gäste sehen, die sich mit Sektgläsern in den Händen unterhielten. Die Szenerie war wie aus einem Film – perfekt inszeniert, makellos.
Samuel stieg aus und eilte um das Auto herum, um Valerie die Tür zu öffnen. Sie schmunzelte. „Ganz der Gentleman."
Er zwinkerte ihr zu. „Natürlich. Ich muss doch den perfekten Freund spielen."
Sie legte ihre Hand in seine, als sie ausstieg. Ihre Finger berührten sich nur kurz, aber es reichte, um eine ungewohnte Wärme durch ihren Körper zu jagen. Valerie schluckte und schob den Gedanken beiseite. Das war ein Spiel. Nichts weiter.
„Denk dran, wir müssen überzeugend sein", murmelte Samuel leise, als sie gemeinsam auf die Eingangstreppe zugingen.
„Keine Sorge", erwiderte sie mit einem schiefen Lächeln. „Ich bin eine ausgezeichnete Schauspielerin."
Kaum waren sie durch die Tür getreten, wurden sie auch schon von der feinen Gesellschaft begrüßt. Samuels Mutter, eine elegante Frau mit strenger Haltung, kam sofort auf sie zu.
„Valerie, mein Schatz!" Ihre Stimme war warm, doch ihr Blick musterte Valerie prüfend. „Wie schön, dass du wieder hier bist."
Valerie setzte ihr bestes Lächeln auf. „Danke für die Einladung. Es ist immer wieder beeindruckend, was für wunderbare Bälle Sie veranstalten."
Samuels Mutter nickte wohlwollend. „Nun, wir geben uns Mühe." Dann wandte sie sich an ihren Sohn. „Samuel, dein Vater möchte dich sprechen. Es geht um die Geschäftszahlen dieses Quartals."
Er seufzte kaum merklich. „Natürlich. Ich bin gleich da."
Dann beugte er sich leicht zu Valerie. „Bleib in meiner Nähe, okay?"
Sie nickte kaum merklich, während er sich durch die Menge entfernte.
Valerie griff nach einem Glas Champagner vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners und atmete tief durch. Sie wusste, wie diese Abende liefen – Small Talk, höfliches Lächeln, perfekt inszenierte Freundlichkeiten. Doch als sie sich in dem Raum umsah, spürte sie, dass etwas anders war.
Ein seltsames Gefühl überkam sie, als würde jemand sie beobachten. Unauffällig ließ sie ihren Blick durch die Menge wandern. Und dann sah sie ihn.
Samuel stand neben seinem Vater und unterhielt sich mit einer anderen Frau, ungefähr in ihrem Alter. Sie wusste nicht warum, aber ein Stich der Eifersucht durchfuhr sie, als die Frau ihn leicht am Ellbogen berührte.
„Keine Angst, sie wird ihn dir schon nicht wegnehmen." Simon hatte sich unauffällig neben sie gestellt.
Valerie zuckte zusammen und drehte sich zu Simon um, der sie mit einem amüsierten Lächeln betrachtete.
„Ich bin nicht eifersüchtig", entgegnete sie schnell und nahm einen Schluck Champagner, als könnte das ihr plötzliches Unbehagen hinunterspülen.
Simon hob eine Augenbraue. „Oh, wirklich? Dann erklär mir doch, warum du sie gerade fast mit Blicken erdolcht hast."
Valerie schnaubte. „Hör auf, dir irgendwas zusammenzureimen. Es interessiert mich nicht, mit wem Samuel spricht."
Simon musterte sie einen Moment, bevor er mit gesenkter Stimme sagte: „Du vergisst wohl, dass ich dich besser kenne, als du denkst."
Das reichte. Sie drehte sich vollends zu ihm und funkelte ihn an. „Ach ja? Und was genau glaubst du zu wissen, Simon? Dass ich mich an dieses dumme Spiel gewöhnt habe? Dass ich so tue, als wäre ich in Samuel verliebt? Ich hasse es, zu lügen. Das hier ist nur ein verdammtes Arrangement, mehr nicht."
Simon verschränkte die Arme. „Also war es doch von Anfang an ein Spiel."
Sie ballte ihre Finger unbewusst zur Faust, bevor sie realisierte, was sie gesagt hatte. „Gott, du bist so ein Mistkerl."
Er lachte leise. „Und du bist so verdammt blind. Valerie, wenn du dir selbst etwas vormachen willst, bitte. Aber verschon mich mit deiner Show. Ich sehe es in deinen Augen. Du fühlst etwas für ihn."
„Und wenn schon?" Ihre Stimme war jetzt schärfer, und sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Das ändert nichts! Er... Er sieht mich doch nicht einmal so. Für ihn ist das alles hier nur ein verdammtes Spiel."
Simon schüttelte den Kopf, sein Blick wurde ernst. „Bist du sicher? Denn ich habe Sam noch nie so gesehen. Nicht einmal mit jemandem, mit dem er tatsächlich zusammen war."
Valerie wollte ihm widersprechen, wollte ihm sagen, dass er Unsinn redete. Aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Simon trat einen Schritt näher, seine Stimme nun fast sanft. „Ich sag dir das nicht, um dich zu ärgern, Valerie. Ich sag es dir, weil ich nicht will, dass du dir selbst wehtust. Wenn du so weitermachst, wird das hier irgendwann eskalieren. Und ich weiß nicht, ob du darauf vorbereitet bist."
Sie starrte ihn an, ihr Herz raste.
„Du hast keine Ahnung, was ich fühle", sagte sie schließlich mit leiser, aber fester Stimme.
Dann drehte sie sich um und verschwand in der Menge, ohne Simon noch eines Blickes zu würdigen.
Sie rannte auf den Balkon und schnappte nach frischer Luft. Scheiße... sie hatte sie verraten. Sie wusste nicht, was Simon tun würde. Sie hatte ihm gebeichtet, dass es nur ein Spiel war. Er hatte zwar schon eine Ahnung gehabt, aber trotzdem. Tränen bahnten sich ihren Weg ihre Wange herunter. Warum lief ihr Leben so drunter und drüber?
„Valerie?"
Die tiefe Stimme ließ sie zusammenzucken. Hastig wischte sie sich über die Wangen, bevor sie sich umdrehte. Samuel stand in der Tür zum Balkon, die Stirn leicht gerunzelt.
„Was machst du hier draußen?" Seine Stimme war ruhig, aber sein Blick glitt prüfend über ihr Gesicht.
„Ich brauchte nur etwas frische Luft", erwiderte sie hastig und zwang sich zu einem Lächeln. „Hier drinnen ist es einfach... stickig."
Samuel trat näher, seine dunklen Augen ließen sie nicht los. „Simon hat mit dir geredet, nicht wahr?"
Valerie biss sich auf die Unterlippe. Natürlich wusste er es. Samuel war nicht dumm.
„Er hat nur versucht, mich zu verunsichern", murmelte sie und wandte den Blick ab. „Und... und ich habe aus Versehen gestanden, dass das hier nur ein Spiel ist."
Samuel schwieg für einen Moment, dann spürte sie, wie seine warme Hand sanft an ihrem Arm entlangstrich. „Valerie..." Seine Stimme klang anders als sonst – weniger spielerisch, fast zögernd.
Sie drehte sich langsam zu ihm um, ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment war da nur Stille, nur die kalte Nachtluft um sie herum und der leise Klang der Musik aus dem Ballsaal.
„Bist du dir sicher, dass das hier nur ein Spiel für dich ist?" Seine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern.
Ihr Herz hämmerte. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Und das machte ihr mehr Angst als alles andere.
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