Realität oder Phantasie

Schreibwettbewerb von: Thedarkheart123
Anzahl Wörter: 2008
Thema: "Die Welt der Realität hat ihre Grenzen, die Welt der Phantasie ist grenzenlos." Jean-Jacques Rousseau

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Müde lässt sich Rona auf ihr Bett fallen. Die letzten Tage waren zu viel. Viel zu viel. Als ihr Kopf das Kissen berührt, fällt sie sofort in einen tiefen Schlaf.

Das Schliessen der Augen wird zu einer Erlösung. Sie nimmt die Welt um sich herum nicht mehr wahr, alles um sie herum wird still. Langsam lösen sich ihre Kopfschmerzen.

Ein Zwitschern einiger Vögel reisst sie sachte aus ihrem tiefen Schlaf. Langsam öffnet sie ihre Augen und versucht, sich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. Als sie sich daran gewöhnt, schaut sie in einen strahlend blauen Himmel. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen, als sie das Kitzeln von Gras wahrnimmt. Eine grüne Wiese erstreckt sich vor ihr. Sie zieht die fast schon süsse Luft in ihre Lungen und geniesst das Gefühl von Frische. Schon lange hat sie sich nicht mehr so geborgen gefühlt wie in diesem Moment.

Doch dann, ganz langsam, fast als möchten ihre Gedanken sie nicht erschrecken, kommt die Erinnerung an die letzten Tage zurück.

Stress.

Nervige Mitarbeiter und ein Boss, der zu viel fordert. Wie sie es doch nur satt hat, in dieser Agentur zu arbeiten.

Leider bleibt ihr nichts anderes übrig, wenn sie sich über Wasser halten will.

Müde schliesst sie erneut ihre Augen. «Der kann mich mal», flüstert sie und stellt sich ihren Chef vor, wie er vor ihr steht und weitere Dokumente auf den Tisch legt. Sie hört sogar seine Stimme: «Bis Morgen möchte ich das alles korrigiert ist, schau, ob alles gut ist. Ach, und vergiss deine anderen Aufgaben nicht.»
Rona schnaubt, wobei ihr ein Grashalm leicht an der Wange kitzelt.
Sie wünscht sich, immer hier aufzuwachen, bei dem Zwitschern der Vögel, dem leise raschelnden Gras und den warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut.

Erneut atmet sie die klare Luft ein, dabei fällt ihr aber etwas ein. Wie ist sie überhaupt hierhergekommen? War sie nicht eben noch in ihrem Bett?

Schnell richtet sie sich auf und schaut auf das weite Grün, welches sich am Ende mit dem Blau des Himmels vermischt.

Spielt es überhaupt eine Rolle, wie sie hierhergekommen ist? Sollte sie es jetzt nicht einfach geniessen?

Sie beschliesst, sich nach einer Weile die Ruhe einfach einmal zu geniessen und das typische Kinderbuchfeld etwas besser anzuschauen. Ein Schmetterling fliegt neben ihr umher.
«Suchst du Nektar?», fragt Rona den Schmetterling leise. Mit einem leichten Lachen macht sie sich über sich selbst lustig. Warum spricht sie mit einem Schmetterling?

«Sonst ja, aber heute nicht», hört Rona plötzlich eine Stimme. Erschrocken zuckt sie zusammen und schaut sich ängstlich um.

«Höre ich nun schon Stimmen in meinem Kopf?», haucht sie leise.

«Du hast nicht ganz unrecht», antwortet die Stimme wieder.
Rona erblickt aber nirgends jemand. Langsam gleitet ihr Blick zurück zu dem Schmetterling. Wäre es möglich, dass...?

«Nein. Schmetterlinge können nicht sprechen. Sie können nur fühlen und diese Gefühle senden sie mir weiter.»

Rona zuckt zusammen, als diese Stimme auf ihre Frage antwortet, obwohl sie dies nur gedacht hat.
«Schau mal nach unten. Da bin ich!»

Rona schaut sofort zu ihren Füssen und erblickt ein Mensch, der sehr klein ist. Sie schreckt zurück und schaut auf die kleine Gestalt. Der Mensch ist etwas grösser als der Schmetterling.
«Träume ich?», fragt Rona nach einer Weile, in der sie den Menschen angestarrt hat.

«Möglich wäre es», erwidert der Mensch und leuchtet plötzlich hell auf.
Rona dreht sich Weg und kneift ihre Augen zusammen.

Nachdem sie bemerkt, dass das Licht verschwunden ist, öffnet sie ihre Augen langsam wieder. Als sie sich wieder zu der Stelle dreht, schaut sie auf ein schwarzes Gewand. Rona stolpert rückwärts und fällt fast wieder ins Gras zurück, schafft es aber noch knapp sich zu fangen. Der junge Mann, der wie durch Zauberhand vor ihr aufgetaucht ist, macht einen besorgten Schritt auf sie zu. «Pass auf!»

Ronas Augen gleiten über den Körper des Mannes. Er trägt einen schwarzen Mantel und hohe schwarze Schuhe. Ein leichtes Grinsen erhält sein Gesicht und seine braunen Haare stehen in alle Richtungen ab.

«Wer bist du? Und wo ist dieses Ding von vorhin hin?», fragt Rona.

Der Mann runzelt kurz seine Stirn, lächelt dann aber wieder. «Ich bin Jack Avenir und dieses Ding war ich.»

Rona lacht trocken auf. Doch als sie dem Mann und seine silberglänzenden Augen mit ihrem Blick begegnet, verstummt sie.

«Wie ist das möglich?»
Jack schenkt ihr ein noch wärmeres Grinsen und verbeugt sich. «Ich habe keine Ahnung, aber bin sehr entzückt, dich zu sehen. Hier passiert nie etwas und wenn, dann nicht viel.»
Rona versucht, ihm ebenfalls ein warmes Lächeln zu schenken, was am Ende aber eher gequält wirkt.

«Und warum warst du vorhin so klein und nun so...», Rona denkt einen Moment nach und schaut zu dem Mann hoch, «so gross?»

«Dies ist meine Fähigkeit, ich kann so gross wie eine Giraffe sein, oder so klein wie ein Käfer, wenn ich möchte. Und was ist deine?»

Rona schaut ihn lange an, ohne etwas zu sagen. Sie fühlt sich wie in einem Traum, aber die Situation, die sich ihr bietet, scheint ebenso real zu sein. Ein seltsames Gefühl, welches ihr Angst macht und sich doch so gut anfühlte.

«Ich habe keine Fähigkeit», antwortet sie dann.
Jack schüttelt leicht den Kopf. «Das kann nicht sein. Jeder hat eine Fähigkeit, ob sie für den Menschen real scheint oder nicht.»
Verwirrt schaut Rona den Jungen an, lächelt aber. Sie hat keine Ahnung, was Jack ihr gerade mitteilen wollte, aber sie findet, dass es schön klingt, weshalb sie es als Kompliment annimmt.

«Was kannst du denn gut?», fragt Jack.
Rona zuckt mit den Schultern. «Ich... kann gut Aufgaben erledigen. Ich glaube, aus diesem Grund gibt mir mein Chef immer mehr Aufgaben als den anderen.»

«Das ist doch auch schon eine Fähigkeit. Du beherrschst die Magie des schnellen Arbeitens», sagt Jack und streckt seine Arme in die Luft.

Mit einem müden Lächeln sieht Rona ihm dabei zu.

«Wie heisst du eigentlich?», fragt Jack.
«Rona White.»
«Freut mich, Rona. Darf ich dir meine Welt zeigen und dich in neue Abenteuer entführen, weg von deinem Alltag und deren die dir nur Stress aufbrummen?», fragt Jack übertrieben und hält ihr seine Hand hin.

«Liebend gerne», antwortet auch Rona übertrieben zurück. Sie ergreift seine Hand. Sie ist warm und weich.

«Lass meine Hand nicht los», befiehlt Jack ihr, mit einer plötzlichen Ernsthaftigkeit in seiner Stimme. Rona erzittert kurz, bevor eine weitere Lichtquelle auftaucht. Sie schliesst sofort ihre Augen und spürt im nächsten Moment einen Sog, der sie mit sich reisst...

Als Rona ihre Augen wieder öffnet, lächelt Jack sie mit seinem warmen Grinsen an. Ronas Blick gleitet zur Seite, wodurch die Umgebung sichtbar wird.

Sie befinden sich nun in einem Wald. Aber dieser Ort ist kein normaler Wald. Die Pilze sind viel zu gross und auf den Ästen springen kleine Kreaturen herum. Auch andere Menschen, die wie Jack gekleidet sind, gehen ihre Wege über das Geäst hin zu einem grossen Holztisch.

«Wo sind wir hier? Und wie sind wir hierhergekommen?», fragt Rona, die den Blick nicht von der Menge an Getümmel abwenden kann.

«Du bist hier im Wald der Phantasie», meint eine fremde Stimme. Rona dreht sich zu der Stimme um und sieht einen Menschen mit goldenen Augen an.
«Ich bin Jean. Schön, jemanden Neues kennenzulernen», der blondhaarige Junge lächelt sie freundlich an.

«Rona White, mein Name. Aber wie bin ich hierhergekommen? Was mache ich hier?», fragt Rona. Die Fragen wollen nicht aufhören, mehr zu werden, und sie spürt das dringende Verlangen nach Antworten.

«Magie», meint Jack.

Rona sieht von Jean zu Jack. Sie ist nicht glücklich mit dieser Antwort, sieht Jack aber an, dass er keine weiteren Fragen beantworten wird.
«Warum du hier bist, wissen wir auch nicht. Aber wir haben heute Abend ein Feier. Du kannst kommen, wenn du willst», sagt Jean.

«Ich würde mich freuen. Leider muss ich nun aber schon weiter, es gibt noch einiges zu tun. Du passt auf sie auf, richtig?», fragt Jean zu Jack gewandt. Dieser nickt als Antwort nur.

«Eine Feier?», fragt Rona, als Jean hinter einem Baum verschwindet.

«Ja. Es gibt noch eines, was mein Volk mehr liebt als Besucher, und das sind Partys. Meine Angelegenheit sind Partys eigentlich nicht, aber sie helfen zur Entspannung und ich denke, dir könnte dies guttun», erwidert Jack ehrlich.

Entspannung.

Dieses Wort scheint Rona in den letzten Tagen so fern gewesen zu sein, dass sie zu diesem Wort gar nicht mehr Nein sagen kann.

«Entspannen würde ich liebend gern.»

«Gut. Bis am Abend geht es noch eine Weile, komm, ich zeige dir unser Dorf», sagt Jack und ergreift Ronas Hand. Rona stolpert Jack hinterher und staunt über die Landschaft.

Alles ist in den Farben des Waldes, die Leute, die dort leben sind sehr gastfreundlich und Rona fühlt sich schnell wie zu Hause.

Die Zeit vergeht schnell und der Abend bricht herein. Jack führte sie zu einer Lichtung, auf der noch ein grösserer Holztisch steht. Er ist nicht gerade, sondern führt in Schlangenlinien ins Dickicht. Lichter schweben wie Glühwürmchen durch die Luft und das Licht des Mondes spiegelt sich im Teich wider.

Rona öffnet ihre Augen so weit wie möglich und schaut sich erstaunt um.

«Wow», flüstert sie in die Stille der Nacht. Jack lächelt sie von der Seite aus an. «Und gefällt es dir?», er flüstert ebenfalls.

«Wie soll mir so etwas Atemberaubendes nicht gefallen?», fragt Rona und kniet sich zum Teich nieder.

Ihre Hand versinkt in dem schimmernden Tiefen des Wassers. Einen Moment geniesst Rona die Kälte des Wassers, bis sie ihre Hand wieder herauszieht.

«Ist es nicht eine wundervolle Magie, wenn der Mond sich auf der Wasseroberfläche spiegelt?», fragt Jack.

Rona nickt.

«Warte, ich will dir etwas zeigen.»

Jack bückt sich ebenfalls dem Boden zu, erhebt aber nur einen kleinen Kieselstein und wirft ihn ins Wasser.

Mit einem leisen Platsch! teilt sich das Wasser in zwei. Die Tropfen, welche aufspritzen, tauchen aber nicht zurück ins Wasser, wie es bei normalem Wasser gewesen wäre, sondern steigt in die Luft und schwebt dem Mond entgegen.

Rona sieht den Tropfen gespannt zu, bis sie so klein sind, dass Rona sie nicht mehr entdecken kann.

«Das ist wirkliche Magie», keucht sie erstaunt.

«Ja, es ist wundervoll», bestätigt Jack. «Komm, lass uns etwas essen gehen.»

Erst in diesem Moment fällt Rona auf, dass alle am Tisch sitzen und sie gespannt anschauen.

Rona nickt schnell: «Ja, lass uns essen.»

Zusammen mit Jack setzt sie sich zu Jean, welcher sie glücklich anlächelt.
«Und, wie findest du Jacks Wassertrick?»

«Umwerfend», antwortet Rona und beisst ein Stück ihres Brotes ab.

Der Geschmack des knusprigen Brotes geht in ihrem Mund auf.
«Das ist das Beste, was ich je gegessen habe», brummt Rona noch mit vollem Mund.

Rona geniesst ihr Essen und beantwortet dazu Fragen, die ihr Jack, Jean und ein paar andere Bewohner fragen.

Danach setzen sich manche der Bewohner an Instrumente und spielen eine fröhliche und zugleich entspannende Musik.

Rona dreht sich und hüpft fröhlich mit den anderen Bewohnern herum. Sie wünschte sich in jedem Augenblick, dass dieser Abend nie enden wird. Doch genau dies tut er zu schnell.

Als sich alle Dorfbewohner in ihre Pilze begeben, bleibt Rona alleine mit Jack zurück.

«Ich danke dir. Das war der schönste Tag meines Lebens.»
«Echt?», fragt Jack mit trauriger Stimme.
«Was ist los?», fragt Rona und sieht Jack besorgt an.
«Vergiss nicht, was Jean-Jaques Rousseau sagte. Die Welt der Realität hat ihre Grenzen, die Welt der Phantasie ist grenzenlos», antwortet Jack, ohne Rona in die Augen zu sehen.
«Wie meinst du das?», fragt Rona. Sie versteht, was er meint, will es aber nicht wahrhaben.

«Du meinst, dies passiert nicht wirklich?»

«Nicht in der Realität, aber in deiner Phantasie ist es die Wirklichkeit.»

«Ich glaube, ich verstehe. Trotzdem will ich dir danken», sagt Rona und schaut auf das Wasser. Ihre Augen sind kurz davor, zuzufallen.

«Vergiss nicht, jeder hat Fähigkeiten, auch du», meint Jack.

Rona fallen die Augen zu und sie bekommt nichts mehr von ihrer Umgebung mit...

Als Rona am nächsten Morgen die Augen öffnet, sieht sie auf ihren Wecker. Sie hat lange geschlafen, aber genau dies hatte sie nötig.

Sie steht auf und macht sich bereit, um nach draussen zu gehen. Irgendwie hat sie das Gefühl, dass ihr dies guttun würde. Und das tut es auch. Sofort fühlte sie sich lebhafter, als sie die Luft in ihre Lunge zieht.

Sie kann sich nicht mehr an letzte Nacht erinnern, aber unterbewusst bleibt der Tag doch vorhanden.

Sie ist bereit für eine nächste stressige Woche.

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