👻 Die Buchbranche und ihre Figuren
Um in dieses Buch einzusteigen, möchte ich ein kleines Gedankenexperiment mit dir wagen. An was denkst du zuerst, wenn du dir einen Autor vorstellst?
Der alte Kauz
Ist es vielleicht ein eigenbrötlerischer alter Kauz vor einer Schreibmaschine, die noch älter als er und definitiv museumsreif ist? Er hackt auf die Tasten ein, bis er sich einen Schluck Whisky oder Bourbon (was beides Whiskys sind, aber unterschiedlicher Herkunft und Machart) genehmigen muss, weil er einen gewissen Alkoholspiegel braucht, um im sogenannten "Schreibflow" zu bleiben bzw. nicht mit der traurigen und harten Realität konfrontiert zu werden. Die würde seinen mehr angestrengten als wirklich locker-flockigen Schreibflow nämlich ganz und gar hemmen.
Um ihn herum herrscht ein apokalyptisches Chaos an aufgeschlagenen Büchern, Notizen, zerknüllten Blättern (an denen er gerade eben noch gearbeitet hat) und Gegenständen, die er über die Jahre hinweg gesammelt hat. Ob man es glauben möchte oder nicht: für ihn ist alles an seinem Platz. Wehe dem, der irgendetwas durcheinanderbringt. Passend zu seinem Profil ist er verwitwet, geschieden oder ein überreifer Junggeselle, deshalb hat er auch niemanden, der sich um das längst erloschene Feuer im Kamin kümmert. Oder dass er etwas isst. Der alte Kauz strebt nach Perfektion und ist seiner Zeit weit voraus. Aus diesem Grund findet er niemanden, der seine Texte verlegen möchte.
Das perfekte Manuskript
Der alte Kauz ist dir zu deprimierend? Vielleicht hattest du dich schon einmal selbst vor Augen, wie du in einem kleinen gemütlich eingerichteten Strandhaus sitzt und in aller Seelenruhe an deinem Manuskript arbeitest. Eine laue Brise bauscht die Vorhänge vor den offenen Fenstern auf. Es duftet nach Sommer und Meer. Gleichmäßiges Wellenrauschen dringt an deine Ohren, während dir die Worte nur so aus den Fingern fließen. Schon bald bist du mit deinem Buch fertig. Du verschwendest keine Zeit mit Korrekturlesen, da du weißt, dass du ein Meisterwerk kreiert hast, das seinesgleichen sucht.
Anders als der alte Kauz hast du es nicht einmal nötig, dich an einen Verlag zu wenden, weil die das nämlich schon für dich erledigt haben. Auf telepathische Art und Weise ist ihnen zu Ohren gekommen, dass du ein Buch schreibst und damit genau den Zeitgeist triffst. Alles geht ganz schnell, nachdem du "Ende" unter dein Manuskript gesetzt hast. Ehe du dich versiehst, bist du der neue Bestsellerautor, dessen Werke in keinem Bücherregal fehlen dürfen. Weil jeder das braucht, was du geschrieben hast.
Der Deadline-Junkie
Das perfekte Manuskript ist dir zu utopisch? Ah, ich merke schon, du bist etwas realistischer unterwegs. Kein Problem. Ich habe da noch ein paar Szenarien, mit denen du dich vielleicht schon eher identifizieren könntest. Wie wäre es denn mit einem Autor, der mitten im Leben steht? Er hat seinen Traum zum Beruf gemacht und hetzt nun von einer Idee zur nächsten. Ständig sitzt ihm eine Deadline im Nacken. Eine freie Minute nur für sich mit einer Tasse Tee oder Kaffee? So etwas kennt er nicht. Er kennt nur tippen, tippen, tippen. Ab und zu mal recherchieren - das war's.
Obwohl dieser Autor durchaus diszipliniert ist, braucht er einen gewissen Kick. Zusätzlich tut er sich schwer, die richtigen Worte zu finden. Deshalb sitzt er kurz vor Abgabeschluss - nicht selten bis tief in die Nacht - in seinem Büro, starrt abwechselnd den berühmten blinkenden Cursor auf seinem Bildschirm an und malträtiert seine Tastatur. Jedes Mal aufs Neue kämpft er mit der Angst zu versagen und gegen den Druck an, der ihn dazu zwingt, erst innezuhalten, wenn das aktuelle Projekt abgeschlossen ist. Immer wieder ist er kurz davor aufzugeben, weil er denkt, dass er es doch nicht schafft. Aber immer wieder geschieht ein Wunder, und er wird in allerletzter Sekunde fertig.
Mit rot geäderten Augen, dunklen Augenringen, besorgniserregend blassem Hautton und zu Berge stehenden Haaren vom Haareraufen, aber einem zutiefst erleichterten und selbstzufriedenem Lächeln auf den Lippen, knallt er seinem Chef die Arbeit am nächsten Morgen auf den Schreibtisch, und macht sich gleich darauf an die nächste. Diesmal mit dem Ziel, wirklich früher anzufangen und dementsprechend früher fertig zu werden. Unnötig zu erwähnen, dass er diesem Teufelskreis niemals entkommt.
Die perfekte Idee
Hustlen (dt. "hetzen" oder "eilen") ist nicht so dein Ding? Macht nichts. Vielleicht gehörst du ja zu den Autoren, die eine phänomenale Idee, aber keinen blassen Schimmer haben, wie zum Teufel man dieses Monstrum auf Papier bannen und in schriftlicher Form bändigen kann. Du verbringst Stunden, Tage, Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre damit, zu planen, zu verwerfen, von neuem zu planen und wieder zu verwerfen.
Vielleicht gehst du auch mal einen Schritt weiter und fängst einfach mal an zu schreiben, kommst aber nie über den Anfang hinaus, weil du weißt, wie viel Arbeit du noch vor dir hast. Zu viel. Und dann passiert es: Du hast eine neue Idee. Sofort bist du Feuer und Flamme. Wieder beginnst du zu planen. Und wieder kommst du nicht über den Anfang hinaus. Dabei wünschst du dir nichts sehnlicher, als ein einziges Mal "Ende" unter einem Manuskript zu setzen.
Der ausgebliebene Musenkuss
Wie? Du hast eigentlich ein ganz anderes Problem? Du bist davon überzeugt, dass du, wenn du mal eine Idee hast, sie dann auch bis zum bitteren Ende verfolgst und erst danach etwas Neues anfängst. Allerdings lässt die pefekte Idee noch immer auf sich warten. Es fühlt sich fast wie ein unerfüllter Kinderwunsch an. Jeder in deinem Umfeld ist dazu in der Lage, sich damit "unsterblich" zu machen. Nur du bleibst kinderlos. Allein. Die Einsamkeit frisst dich von innen auf.
Der nörgelnde Leser
Nicht zu verwechseln mit dem Leser, der alles besser weiß und alles besser machen könnte. Die Betonung liegt bei "könnte", da er lacht aber nicht macht. Dass man als Autor zwangsläufig Fehler macht und es nie jedem recht machen kann, ist für ihn unverständlich. Weiß er doch, wie der Hase läuft. Man muss eben nur so schreiben, wie er sich das vorstellt. Also bleibt ihm nichts anderes übrig als zu kritisieren. Schließlich ist er ein Mann vom Fach. Mit seinen Anmerkungen habe er schon Bestsellerautoren geformt.
Dass seine rein subjektiven Ansichten und die Gefühlslage, in der er sich beim Verfassen seiner gut gemeinten Rezensionen befindet, den Fokus seiner Kritiken bilden und somit absolut unbrauchbar für den Autor sind, um sich "verbessern" zu können, wird ihm wahrscheinlich niemals einleuchten. Er habe es ja nur gut gemeint. Wer das nicht versteht und exakt so umsetzen kann, ist als Autor ungeeignet.
Der originelle Kopierer
Jetzt fehlt nur noch einer: Der Leser, der sich von seinem Autorenidol inspirieren lässt. Er ist ein begeisterter Leser, verschlingt ein Buch seines Lieblingsschriftstellers nach dem anderen. Je nachdem, wie er seine Bücher behandelt, knickt er vielleicht Seiten ein, schreibt Bemerkungen an den Rand, markiert und liest ein Buch so oft, bis sich unzählige Leserillen im Buchrücken bilden oder der Buchrücken durchbricht. Er kennt beinahe jeden Satz in- und auswendig. Am laufenden Band zitiert er Stellen aus den Büchern. Das macht er bei Nachfrage, zumeist aber ungefragt.
Die Figuren sind ein fester Bestandteil seines Lebens. Von echten Menschen kann er sie schon lange nicht mehr unterscheiden. Für ihn sind sie echt. Da ist es nur naheliegend, dass er über sie schreibt. Schließlich kennt er sie besser als sich selbst. Sich selbst muss er natürlich auch mit in seine Geschichten schreiben - er ist immerhin der Protagonist ("Hauptprotagonist" gibt es übrigens nicht, das ist doppelt gemoppelt - wusste ich tatsächlich bis vor kurzem selbst nicht und habe es dementsprechend oft falsch verwendet). Ohne ihn gäbe es keine Geschichte. Er ist der Dreh- und Angelpunkt. Allgemein handeln seine Geschichten davon, dass er mit seiner Lieblingsfigur zusammenkommt. Was eigentlich wichtig für eine gute Geschichte ist, ist für ihn völlig nebensächlich.
Er ist der geborene Fan-Fiction-Verfasser. Ganz gleich, ob sein Lieblingsschriftsteller das gut findet oder nicht, veröffentlicht er auf eigene Faust seine Geschichten und ist der festen Überzeugung, dass er etwas Eigenes, ja sogar Originelles geschaffen hat. Wie der Autor mit dem perfekten Manuskript, ist auch er der neue Bestsellerautor, über den die ganze Welt spricht. Die Werke seines Idols stehen nun in seinem Schatten.
Vielleicht ist dir die Ironie zwischen den Zeilen nicht entgangen. Ich habe mir nämlich ganz bewusst ein paar Klischees herausgepickt. Archetypen sind im Grunde nichts anderes als Klischees. Nahezu jeder kann sich darunter etwas vorstellen. Gerade als ich frisch mit dem Schreiben angefangen habe, aber auch jetzt noch, erkenne ich immer wieder Teile eines Archetypen oder mehrere zusammen in mir wieder, aber auch in anderen Autoren und Lesern.
Archetypen
Der Archetyp beschreibt die Urform oder auch das Urbild bestimmter Charaktere oder Geschehnisse. (...) Er steht für Bilder, die der Leser sofort wiedererkennt. (...) Anders als es das Wort vermuten lässt, steht das Wort Archetyp nicht nur für Typen, Charaktere oder Menschen, sondern auch für Ereignisse oder Erfahrungen. Zu diesen Urerfahrungen gehören beispielsweise die Charakteristika männlich oder weiblich, die Geburt, Kindheit und Pubertät oder aber auch die Wandlung und der Tod. Beim Archetypen handelt es sich also um ein psychologisches Konzept, das man erlernen kann.
Wenn du dich jetzt schon für die Archetypen im Roman interessieren solltest, kannst du dir den Blogbeitrag gern auf der Seite https://www.nonsensente.de/schreiben/archetyp komplett durchlesen.
Da dieses Kapitel ohne vernünftige Lösungsansätze für die jeweiligen Schwächen eines Archetyps äußerst unbefriedigend wäre, habe ich mir nicht nur Gedanken zu den möglichen Archetypen in der Buchbranche gemacht, sondern auch, wie man dem einen oder anderen begegnen kann.
Der alte Kauz - Fazit & Lösung
Laut dem alten Kauz muss man als Autor alt, erfahren sein und viel erlebt haben. Es ist ein gängiges Klischee, dass man erst in seinem Lebensabend etwas für seine Nachwelt hinterlässt. Familiengeheimnisse, Rezepte und Anekdoten zum Beispiel. Man sagt, dass mit zunehmendem Alter die Weisheit kommt. Aber was ist, wenn man nicht so lange warten kann oder will?
Für mich steht fest, dass man auch - oder gerade - in jungen Jahren schreiben kann und sollte, wenn man den "Drang" dazu verspürt. Schreiben kann neben der beruflichen Ausführung auch ein Hobby sein, um Dampf abzulassen, Dinge zu verarbeiten oder Welten zu erkunden, die es in der Realität nicht gibt.
Außerdem kann man nie wissen, was die Zukunft für einen bereithält. Vielleicht wird man krank und hat dann keine Kraft mehr, um auch nur aufrecht zu sitzen. Im Alter lässt die Konzentration und Sehstärke nach. Und was ist mit Alzheimer? Da nützt einem irgendwann die beste Notiz nichts mehr, wenn man sich nicht mehr daran erinnern kann, wer man eigentlich ist und wie die einfachsten Dinge funktionieren.
Vom Weltgeschehen ganz zu schweigen. Wer weiß schon, ob - sagen wir mal in 50 Jahren - die Welt und unsere Gesellschaft noch genau so existieren, wie wir sie jetzt kennen? Was ist mit dem Klimawandel? Wird vielleicht doch noch ein dritter Weltkrieg ausbrechen? Oder eine viel schlimmere Pandemie als Corona? Ist Warten mit solchen (äußerst negativen, aber durchaus möglichen) Aussichten wirklich sinnvoll? Für mich jedenfalls nicht.
Schreiben ist zudem wie ein Muskel, den man trainieren kann. Je früher man damit anfängt, desto kräftiger ist er bei regelmäßigem Training und umso länger hat man etwas davon. Mein Fazit zum Thema Alter lautet also ganz klar, dass man jederzeit mit dem Schreiben anfangen kann. Hör auf dein Bauchgefühl und nicht darauf, was andere gerade von jungen Autoren halten. Es ist nur eine Vermutung meinerseits, aber vielleicht ärgern sie sich über sich selbst, dass sie gewartet haben - so würde ich zumindest denken, wenn ich das Gefühl hätte, etwas verpasst zu haben. Zugegeben, ich wäre verdammt neidisch.
Dass Alkohol bzw. Drogen generell nie eine Lösung sein sollten, muss ich eigentlich nicht erwähnen, oder? Vielleicht sind Ideen im Rausch besonders originell oder verrückt, somit etwas Neues und Aufregendes, und vielleicht ist man beim Schreiben weniger gehemmt, aber auf Dauer schadet man sich damit nur selbst. Ich würde es jedenfalls nicht empfehlen. Ich empfehle mit klarem Kopf zu schreiben.
Was man ausprobieren kann, um die Hemmschwelle möglichst niedrig zu halten: kurz vor dem Einschlafen oder nach dem Aufstehen schreiben. Wenn der Verstand im Halbschlaf und der innere Kritiker nicht mehr so oder noch nicht so aufmerksam ist. Diese Methode wäre meiner Meinung nach tatsächlich eine Überlegung wert. Aber definitiv nicht der Griff zum Glas oder gar zur Flasche. Oder was auch immer.
Womit sich der alte Kauz noch herumschlägt, ist die Einsamkeit. Ich muss zugeben, dass ich kein besonders großer Fan von Social Media bin, aber man kann sich dort ziemlich schnell mit Gleichgesinnten vernetzen. Vorausgesetzt man weiß, wo man nach diesen Gleichgesinnten suchen soll. Nehmen wir mal an, der alte Kauz ist nicht freiwillig allein. Wenn er das möchte, kann er sich mit Autorenkollegen auf der ganzen Welt austauschen, die sehr wahrscheinlich ähnliche Probleme haben.
Man muss seine Ideen keinem bis ins kleinste Detail erzählen, wenn man das nicht möchte. Aber ein anderer Blickwinkel könnte vielleicht dazu beitragen, dass sich ein sogenanntes "Plothole" (dt. "Handlungs-Loch") schließt und sich somit alles logischer zusammenfügt. Auch können sich durch den Austausch von Ideen, die Ideen besser entwickeln und entfalten. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen rohen und ausgereiften Ideen. In jedem Fall kann ein Austausch mit anderen Autoren und Lesern sehr bereichernd für das eigene Schreiben sein. (Wichtig ist hierbei vor allem gegenseitiges Vertrauen.)
Was das "seiner Zeit (weit) voraus sein" betrifft, so ist man heutzutage nicht mehr unbedingt von einem Verlag abhängig. Wenn man es sich leisten kann und möchte, kann man seiner Kreativität im Selfpublishing nahezu ungehindert freien Lauf lassen. Dieses Thema vertiefen wir an einer anderen Stelle aber noch genauer, keine Sorge.
Wer seine Texte sowieso nie kommerziell veröffentlichen möchte, dem sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt. Diese "Grenzen" gelten hauptsächlich in der Zusammenarbeit mit Verlagen. Aber auch darauf kommen wir noch zu gegebener Zeit zu sprechen.
Das perfekte Manuskript - Fazit & Lösung
Ein Manuskript, das in kürzester Zeit, ohne viel Aufwand und dann auch noch ohne Korrekturlesen/Überarbeitung "perfekt" ist, ist für mich tatsächlich utopisch. Egal, wie viel Mühe man sich gibt, man macht immer Fehler. Allein diesen Text habe ich vor dem Veröffentlichen mehrmals auf Fehler und Logik überprüft, und trotzdem wird mir sehr wahrscheinlich der eine oder andere (Logik-)Fehler entgangen sein. Warum? Gerade bei den eigenen Texten/Fehlern wird man schnell "betriebsblind", wie es so schön heißt.
Vielleicht ist dir schon mal aufgefallen, dass dir in anderen Texten, die nicht von dir sind, die Fehler fast sofort ins Auge springen, dich das zwar stört, du aber niemals so hart mit der Person ins Gericht gehst, wie mit dir, wenn etwas bei dir angemerkt wird. Wie konntest du nur diese echt dummen und vermeidbaren Fehler einfach übersehen?
Tief durchatmen. Kein Grund zur Panik. Weißt du auch warum? Weil es dieses Perfekt gar nicht gibt. Es ist nichts weiter als eine Illusion, eine Wunschvorstellung, ein Ideal oder wie auch immer du es nennen möchtest. Schaut man nur genau hin, entdeckt man überall Fehler: in Büchern, Filmen, Serien, auf Internetseiten (z.B. Wikipedia) usw. Nichts wird je perfekt sein. Und das ist auch gut so. Fehler machen uns zu dem, was wir sind: menschlich.
Wer so große Angst davor hat, etwas falsch zu machen, fängt vielleicht niemals mit etwas Neuem wie z.B. dem Schreiben an. Dabei sollten wir Fehler nicht als etwas Schlechtes ansehen. Sie können uns helfen. Durch sie lernen wir. Durch sie entwickeln wir uns weiter. Durch sie werden unsere Texte besser. Wenn wir wissen, wo unsere Fehler sind, natürlich.
Selbst wenn du dich nun von dem perfekten Manuskript befreien konntest, werden dir wahrscheinlich nicht immer die Worte aus den Fingern fließen. Der Schreibflow ist wie die Kreativität ein launisches Biest, das nicht immer das macht, was du von ihm verlangst. Mal fühlt sich das Schreiben wie das natürlichste der Welt an, aber dann gibt es auch immer wieder diese Phasen, in denen du um jedes neue Wort ringst.
Mal fügen sich die Sätze mit Leichtigkeit ineinander, mal stehen sie völlig zusammenhangslos nebeneinander und wollen sich nicht verbinden lassen. In diesen schwierigen Phasen zweifelst du an deiner Geschichte und vor allem an dir und deinem Können. Was, wenn deine Geschichte nicht gut genug ist? Was, wenn du nicht gut genug bist?
Auch hier: keine Panik und kein Grund aufzugeben. Ich wage zu behaupten, dass jeder Autor genau diese Gedanken mindestens einmal gedacht hat. Was dagegen hilft? Dieses Thema hat vor allem mit Motivation zu tun, womit wir uns sehr bald noch ausführlicher beschäftigen. Aber vorweg kann ich schon mal sagen, dass du dich mit der Frage beschäftigen kannst, warum du schreibst und warum du genau diese Geschichte/n schreiben möchtest. Wenn du eine Antwort darauf hast, fällt es dir vielleicht wieder leichter weiterzumachen.
Dass Verlage auf telepathische Art und Weise wissen, dass du gerade ein Buch schreibst, ist natürlich vollkommener Schwachsinn. In der Regel musst du dich an einen Verlag wenden, und das passiert heutzutage fast nur noch über eine Agentur, bei der du dich mit deinem Manuskript bewirbst.
Wenn man einen Text im Internet veröffentlicht (z.B. hier auf Wattpad), kann es passieren, dass man denkt, jeder wird sich genau diesen Text durchlesen. Theoretisch ist es möglich, deshalb ist es nicht falsch so zu denken. Aber praktisch wird es nicht passieren. Selbst wenn du ein Meisterwerk geschrieben hast. Es gibt einfach zu viele Bücher auf Plattformen wie Wattpad und Co. und auf dem Markt. Wenn du nicht aktiv darauf aufmerksam machst, dass es etwas von dir zum Lesen gibt, weiß niemand, dass es etwas von dir zum Lesen gibt.
In der enormen Masse an Inhalten geht man schlicht und einfach unter, wenn man sich nicht darum kümmert, dass man gesehen wird. Aber auch Werbung bzw. Marketing will gelernt sein. Das hier und jetzt zu vertiefen, würde allerdings den Rahmen sprengen, deshalb befassen wir uns damit in einem anderen Kapitel.
Der Deadline-Junkie - Fazit & Lösung
Unter Druck zu schreiben, weil man eine Frist einhalten muss, ist der Antrieb, die Motivation des Deadline-Junkies. Ohne den Druck würde er nie etwas schreiben. Aber was, wenn man unter Druck gar nichts zustande bringt? Ich persönlich würde diese Art kreativ zu werden weder in den Himmel loben noch verteufeln. Ob man dem Druck standhält oder nicht, ist reine Typsache.
Wenn du noch nie eine Deadline hattest und dementsprechend gar nicht weißt, ob du überhaupt der Typ dafür bist, dann setz dir doch einfach mal selbst eine Deadline. Du könntest dir beispielsweise einen Zeitraum festlegen, in dem du eine bestimmte Wortanzahl geschrieben haben möchtest. In einem konkreten Beispiel vielleicht 500 Wörter in einer Stunde. Oder bis zum Wochenende ein Kapitel. Wenn du dir regelmäßig solche Ziele setzt, kannst du dir unter Umständen eine sogenannte "Schreibroutine" aufbauen.
Aber keine Sorge, wenn das überhaupt nicht dein Ding ist und es dir allein beim Gedanken an eine Deadline kalt den Rücken runterläuft. Nur weil man in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Wörter beisammen hat, sagt das noch lange nichts über den Inhalt und die Qualität eines Textes aus. Wenn du auf Knopfdruck nicht kreativ werden kannst, bringt es also überhaupt nichts, sich trotzdem dazu zu zwingen. Vielleicht schreibst du phasenweise und brauchst zwischen den Phasen immer mehrere Tage Abstand. Das bedeutet nicht, dass du als Autor versagst.
Wie heißt es so schön? Alle Wege führen nach Rom. Wenn du so an dein Ziel - dem Ende deiner Geschichte - kommst, ist es egal, wie dein Weg aussieht. Der Weg kann übrigens auch das Ziel sein. Was nichts anderes bedeutet als: Schreiben sollte Spaß machen. Wenn du dafür einen Wettlauf mit der Zeit brauchst - go for it. Wenn du dafür in Stimmung sein musst - auch hier: go for it. Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Es gibt nur den Weg. Deinen Weg.
Die perfekte Idee - Fazit & Lösung
Bei diesem Szenario hast du bereits den wichtigsten Punkt abgehakt: Du weißt, über was du schreiben möchtest. Jetzt geht es nur noch darum, wie du das, was du dir vorstellst in die richtige Form bringst. Dass du nie über den Anfang hinaus kommst, liegt vielleicht daran, dass dir nicht ganz klar ist, wohin dich die Reise führt.
Das beste Mittel, um genau dieses Problem zu lösen ist, erstens dein Ziel zu kennen und zweitens Struktur in dein Gedankenchaos zu bringen. Wenn dir deine Idee wie ein unbezwingbares Monstrum erscheinen sollte, kann es hilfreich sein, es in Etappen zu unterteilen. So kannst du beispielsweise zuerst die Charaktere erstellen bzw. kennenlernen, die wichtig für die Handlung sind. Dann die Welt bzw. das Setting oder das Umfeld, in dem die Charaktere agieren. Und dann, was eigentlich passieren soll.
Von hier aus kannst du mit dem Aufteilen weitermachen. Die Handlung kann in mehrere Akte unterteilt werden, die Akte wiederum in Kapitel und die Kapitel in Szenen. Und mit den Szenen kannst du anfangen zu schreiben. Sobald du eine Etappe (wie eine Szene zu beenden) geschafft hast, wirst du ein kleines Erfolgserlebnis verspüren, das dir eventuell Motivation für die nächste Etappe schenkt.
Das große Ganze durch das Plotten zu kennen und auf ein Ziel hinzuarbeiten kann auch für Autoren hilfreich sein, die lieber beim Schreiben entdecken. Man muss schließlich nicht alles bis ins kleinste Detail festlegen. Für deinen Plot reichen beispielsweise auch Stichwörter. Ein Plot sollte sich nie wie ein "Gefängnis" anfühlen, sondern wie eine Anleitung oder eine Schatzkarte - er leitet dich auf deinem Weg zum Ziel. (Und kann bei einer Überarbeitung lebensrettend sein.)
Was aber, wenn du von einer neuen Idee gepackt wirst, obwohl du eigentlich ein anderes Projekt verfolgst? Insofern sich die Idee nicht mit deinem aktuellen Projekt vereinbaren lässt, kannst du sie in jedem Fall notieren und für später verwahren. Eine Idee muss nämlich nicht gleich ein neues Projekt sein. Sie kann Teil davon sein. Manchmal ist es besser, eine Idee im Hintergrund heranreifen zu lassen, als sie sofort umzusetzen. Dafür gibt es Notizbücher, oder du legst dir ein Dokument nur mit Ideen an. Ich für meinen Teil liebe es, in alten Ideen zu schmökern und mir die eine oder andere herauszupicken, wenn ich mal dringend eine brauche. Es gibt für mich nichts schöneres, als wenn eine jahrealte Idee dann doch noch erzählt wird. Nur halt zu einem späteren Zeitpunkt.
Und was ist, wenn du mitten in einem Projekt feststeckst und an allem zweifelst? Wenn du bei den leisesten Anzeichen von Zweifeln das Handtuch schmeißt, wirst du niemals "Ende" unter einem Manuskript setzen. Nie ein Projekt zu Ende zu bringen ist äußerst unbefriedigend und kann zu einem Teufelskreis werden. Deshalb ist es wichtig, dass du mindestens einmal das Gefühl erlebt hast, wie es ist, wenn du etwas beendet hast. Frage dich, was du ursprünglich mit der Idee bezwecken wolltest. Entfache die Liebe - das Feuer - zu dieser Idee von Neuem.
Sollte das alles nichts helfen, vor allem wenn du nicht mehr hinter der Idee stehst, dann bringt es nichts, noch daran festzuhalten. Grundsätzlich geht es darum, Spaß beim Schreiben zu haben. Verspürst du keinerlei Aufregung und Freude mehr beim Schreiben, ist es nur noch ein Kampf und du musst dich dazu zwingen, ist es für dich und das Projekt sehr wahrscheinlich das beste, wenn ihr Abstand voneinander gewinnt.
Das gilt aber nicht für einen schlechten Tag. Es gibt einfach Tage, die weniger gut laufen. Jeder hat neben dem Schreiben auch noch ein Leben, andere Probleme, die sich in den Vordergrund drängen. Nicht zu vergessen: Schreiben ist kein Wettbewerb. (Außer du nimmst an einem teil.) Du hast aus einem ganz bestimmten Grund damit angefangen. Du wolltest etwas erzählen. Erinnere dich daran. Finde zurück zu deinem "Warum". Das kann Wunder bewirken.
Der ausgebliebene Musenkuss - Fazit & Lösung
So, wie der Autor mit der perfekten Idee und vielen weiteren fast schon zu kämpfen hat, hat der Autor mit dem ausgebliebenen Musenkuss damit zu kämpfen, dass er überhaupt mal eine Idee hat. Wenn du dich mit fehlenden Ideen oder Ideen, die dir nicht gut genug erscheinen herumschlägst, möchte ich dich auch hier fragen, warum du den Drang verspürst, etwas schreiben zu wollen. Was ist es, das dich am Schreiben fasziniert? Hast du darauf eine Antwort, kannst du mit dem nächsten Schritt weitermachen. Frage dich: "Was wäre, wenn ...?"
Was wäre, wenn ein bedeutendes Ereignis in der Vergangenheit gar nicht stattgefunden hätte? Sagen wir so etwas wie die Industrialisierung. Wie sähe unsere Welt jetzt aus? Hätten wir trotzdem mit dem Klimawandel zu kämpfen? Wie würden wir leben? Was für Kleidung würden wir tragen? Oder vielleicht nichts Weltbewegendes. Was wäre, wenn du eine Entscheidung in deiner Vergangenheit anders getroffen hättest? Welche Folgen hätte das für deine Gegenwart oder Zukunft? Die Frage "Was wäre, wenn ...?" kann man auf so gut wie alles beziehen. Dabei möchte ich dich daran erinnern, dass es nicht zwingend notwendig ist, das Rad neu zu erfinden.
Eine Idee muss nicht wahnsinnig spektakulär daherkommen. So kannst du dich auch bei verschiedenen "Tropes" (dt. "Motive" oder "Klischees"; Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Trope_(literature)) und Archetypen bedienen. Wenn du weißt, was man als Leser in dem Genre erwartet, in dem du schreibst, kannst du mit genau diesen Erwartungen spielen und sie brechen. Neben solchen Wendungen kannst du mit einem originellen Schreibstil dafür sorgen, dass man als Leser das Gefühl bekommt, etwas "Neues" zu lesen, obwohl du vielleicht eine Idee verwendet hast, die zuerst gar nicht danach gewirkt hat.
Zu guter Letzt habe ich für den Autor mit dem ausgebliebenen Musenkuss noch einen Lösungsansatz, der mir persönlich sehr am Herzen liegt: Schreib für dich. Lass dich selbst überraschen oder erkunde etwas, das du im echten Leben nicht erkunden kannst. Der Fantasie sind nur die Grenzen gesetzt, die du ihr gibst. Aber eigentlich ist sie grenzenlos.
Der nörgelnde Leser - Fazit & Lösung
Beim nörgelnden Leser kann man sich genau zwei Fragen stellen. Erstens, was man als nörgelnder Leser tun kann, um sich nicht ganz so "unbeliebt" zu machen und wirklich zu helfen und zweitens, wie man dem nörgelnden Leser als Autor begegnen kann.
Wenn du als nörgelnder Leser einem Autor mit einer Rezension oder sei es auch nur mit einem Kommentar wirklich helfen möchtest, musst du dich nicht verbiegen. Du kannst ehrlich bleiben. Ich wage zu behaupten, dass jeder Autor ganz tief im Inneren dankbar für wirklich ehrliches Feedback ist. Zumindest denke ich so. Die Wahrheit ist selten schön, aber sie kann einem die Augen öffnen und zur persönlichen Weiterentwicklung beitragen. Das gilt auch für den Schreibstil und wie man eine Geschichte erzählt.
Woran man ein "nörgelndes" Feedback von einem konstruktiven unterscheiden kann? Ganz einfach. Konstruktive Rückmeldung sollte stets an Beispielen belegt sein und Lösungsansätze bieten. Behauptest du also, dass dir logische Ungereimtheiten aufgefallen sind, dann kannst du auf die gravierendsten aufmerksam machen und erklären, was daran deiner Meinung nach nicht logisch ist und wie man es besser hätte machen können.
Trifft die Kritik zu, wird man sich als Autor im ersten Moment dagegenstellen wollen. Immerhin hast du dein ganzes Herzblut, sehr viel Zeit und Arbeit in deinen Text gesteckt. In jedem deiner Texte steckt auch ein Teil deiner Seele. Diese Abwehrreaktion ist ganz normal, da man selbst genau weiß, dass es stimmt, man es aber nicht wahrhaben will.
Was du als Autor tun kannst? Sacken lassen. Niemand verlangt von dir, dass du sofort auf jede Rückmeldung reagierst. Es ist deine Entscheidung, was du mit dem Feedback machst, solange es in einem respektvollen Rahmen passiert. Rechtfertigungen sind übrigens keine Lösung, auch wenn du das Gefühl haben solltest, dass du dich erklären musst. Du hast eine Anleitung bekommen, wie du etwas besser machen kannst, da musst du nicht erklären, wie es zu dem Fehler gekommen ist. Die Zeit, die du an eine unnötige Rechenschaft verschwendest, kannst du besser in eine Korrektur investieren.
Wer nörgelt, befindet sich hingegen in den meisten Fällen auf der emotionalen Ebene. Hier geht es um Gefühle, die man während des Lesens hatte. Und weil Gefühle schwer zu greifen sind, kann man sie auch schwer erklären. Sie sind einfach da. Deshalb wird man als Autor selten von einem Nörgler erfahren, was man konkret "falsch" gemacht hat. Sehr wahrscheinlich hat man nicht mal etwas falsch gemacht.
Man hat vielleicht einen Nerv (oder "Trigger"; dt. "Auslöser") beim Leser getroffen. Vielleicht hast du beschrieben, wie es einem Charakter nach dem Tod einer anderen Figur ergangen ist. Wenn der Leser eine ähnliche Situation durchmacht und eigentlich zu einem Buch gegriffen hat, um sich auf andere Gedanken zu bringen, dann aber durch deine Beschreibungen wieder mit seiner eigenen Situation konfrontiert wird, kann er unter Umständen seine Situation auf das Buch projizieren und es dadurch insgesamt negativ bewerten. Im Grunde geht es darum, dass er etwas anderes erwartet hat. Er hat nach einer Ablenkung gesucht, und weil er diese nicht bekommen hat, lässt er seinen Frust an dir aus. Im Umkehrschluss kannst du aber auch mit genau dieser Beschreibung einem anderen Leser helfen.
Wie man als Autor mit negativem Feedback umgeht, das nicht konstruktiv ist? Du kannst versuchen, dich in die Lage des Nörglers hineinzuversetzen, um ihn besser zu verstehen. Vielleicht hat er gar nichts gegen dich, sondern ist mit seiner aktuellen Situation nicht zufrieden und braucht jemanden zum reden. Auch hier ist es allein deine Entscheidung, ob du darauf eingehst (in einem respektvollen Rahmen) oder nicht.
Beleidigungen oder ein "Das ist scheiße." muss sich natürlich niemand bieten lassen - hierbei empfehle ich allerdings weder darauf zu reagieren noch es sich zu Herzen zu nehmen. Und ein "Trifft nicht meinen Geschmack." erst recht nicht. Über Geschmack lässt sich nämlich streiten, wie es so schön heißt. Aber ob es sich lohnt, ist eine andere Frage. (In dieser Zeit kann man nämlich auch einfach sein aktuelles Projekt weiterverfolgen.) Was dem einen Leser gefällt, kann einem anderen überhaupt nicht zusagen. Das ist kein Weltuntergang. Im Gegenteil. Wenn wir alle den gleichen Geschmack hätten, gäbe es nicht so viel Auswahl.
Kurz zusammengefasst, kann sowohl der Nörgler als auch der Autor Empathie zeigen. Versetz dich mal in die Lage eines Autors, der sich mit deiner Kritik verbessern soll. Wie würdest du dich fühlen, wenn man sich über das auslässt, was du geschrieben hast? Und das ohne eine vernünftige Erklärung oder Lösung, wie man es besser machen könnte? Ist es nicht viel besser, wenn man durch Kritik etwas lernt bzw. etwas für sich mitnehmen kann?
Der originelle Kopierer - Fazit & Lösung
Ich habe nicht die Absicht, dir das Schreiben von Fan-Fictions auszureden. Wo käme ich denn da hin? Schließlich habe ich wie viele andere Autoren mit dem Schreiben von Fan-Fictions erst mit dem Schreiben angefangen. Warum auch nicht? Du kannst dich in einem vorgegebenen Rahmen ausleben und herausfinden, was du als Autor eigentlich wirklich erzählen möchtest. Du kannst beim Spinnen von eigenen Handlungen oder Charakteren zu deiner eigenen Stimme finden.
Nicht ohne Grund funktionieren die gleichen Themen wie Liebe, Tod und Gesellschaft noch immer so gut wie vor - sagen wir - hundert Jahren. Weil jeder Autor eine andere Sichtweise auf die Dinge hat. Ein konkretes Beispiel wäre hier, wenn du zehn Autoren einen "Prompt" (dt. "Schreibinspiration") vorgibst, wirst du nie zehn gleiche Geschichten erhalten. Es ist eher so, dass du zehn verschiedene Geschichten zu lesen bekommen wirst. Warum ist das so? Weil jeder Autor ein individueller Mensch ist. Und genau so individuell wie jeder Mensch ist, sind auch die Geschichten jedes einzelnen Autors.
Der Mensch als Individuum wird in der Psychologie aus zwei zusammengehörigen Perspektiven betrachtet: zum einen die genetische Anlage eines Menschen und zum anderen seine äußere Einflüsse. Bereits durch einzigartige biologische Anlagen wird der Mensch zu einem Individuum. Im Laufe des Lebens entstehen zusätzlich weitere individuelle Eigenschaften, die sich durch Einflüsse von außen entwickeln. (Quelle: https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/grundlagendisziplinen-der-psychologie/individuum/)
Dennoch sollte man den Unterschied zwischen Inspiration und Kopie kennen. Nur weil eine Idee funktioniert hat, heißt es nicht, dass du sie in der gleichen Art und Weise nochmal umsetzen kannst. Es reicht nicht aus, nur die Namen der Figuren und/oder der Orte auszutauschen.
"Die meisten von uns müssen zuerst wie alle anderen klingen, um ihre eigene Stimme zu finden." – Neil Gaiman
(...)
Falls der Begriff "Kopieren" belastet erscheint: In der Vergangenheit konnten manche Anwendungen des Konzepts nicht nur als Inspiration dienen, sondern auch als Weg zur Originalität. Wenn sich Künstler die Arbeit von anderen aneignen, müssen sie dabei moralische und rechtliche Aspekte bedenken.
(...)
"Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen" – dieses Zitat wird seit langem Pablo Picasso zugeschrieben. Wir verstehen es so, dass alle Künstler – zumindest in ihren Lehrjahren – andere Künstler kopieren, was zuweilen ziemlich offensichtlich ist. Große Künstler hingegen nehmen sich Ideen von anderen und machen komplett eigene Ideen daraus. (Quelle: https://www.ableton.com/de/blog/imitation-inspiration-and-creativity/)
Was will ich dir damit sagen? Inspiration ist immer gut, aber verwandle sie mit deinen Worten in etwas Eigenes. Was manchmal leichter gesagt als getan ist. Ich habe hierfür ja auch Zitate gebraucht. Kommen wir nochmal auf den letzten Satz vor den Zitaten zurück. Es reicht nicht aus, nur die Namen der Figuren und/oder der Orte auszutauschen.
Eines der bekanntesten Fandoms in Fan-Fictions ist "Harry Potter". Die Buchreihe ist so bekannt, dass man nur schwer daran vorbeikommt. Sie hat eine ganze Generation geprägt, für die es nicht einfach nur Bücher sind, sondern eine Zuflucht. Ein zweites Zuhause. Auch wenn das für mich nicht gilt (weil mich andere Reihen in meiner Jugend geprägt haben), kann ich nachvollziehen, dass man sich in einem fiktiven Universum mehr zuhause fühlt als in der Realität. Nicht selten passiert es, dass in Fan-Fictions alternative Enden geschrieben werden, oder dass Charaktere eine Beziehung führen, die im Original niemals zusammengekommen wären. Und manch einer schreibt sich sogar selbst in seine Lieblingsbuchwelt, um sich dann seine Lieblingsfigur zu angeln.
Versteh mich nicht falsch. Ich verurteile diese Art des kreativen Auslebens nicht. Meine Anfänge bestanden aus genau diesen Konstellationen. Ich für meinen Teil habe aber irgendwann gemerkt, dass das, was ich schreiben möchte und das, was mir im Rahmen eines bereits existierenden Fandoms an Grenzen gesetzt werden, nicht mehr übereinstimmt. Wenn du auch an genau diesem Punkt sein solltest, kann sich der Schritt in eine eigene Welt lohnen, in der allein du die Grenzen setzt.
Bleiben wir dafür doch bei einer Welt, in der es Wesen gibt, die Magie beherrschen. Diese Welt hat ihre eigene (Entstehungs-)Geschichte, Gesetze und Gesellschaft. Obwohl es an "Harry Potter" erinnert, ist es nicht verboten, deine Geschichte an einer Schule spielen zu lassen, die junge Magiebegabte ausbildet. Insofern du eigene Charaktere und eine Handlung einbringst, die aber nichts mit dem "Original" zu tun haben, hast du nichts zu befürchten. Du hast dich inspirieren lassen. Wenn ich Fan der Reihe wäre, wüsste ich an dieser Stelle vielleicht auch, wer oder was die Autorin von "Harry Potter" zu ihrer Welt inspiriert hat. Irgendwoher muss sie diese Faszination ja gehabt haben.
Bevor wir das letzte Szenario abschließen, möchte ich noch ein paar Worte zu dem Phänomen loswerden, das viele Schreibanfänger mal beabsichtigt, mal unbeabsichtigt machen: Sich selbst in ihre Geschichte schreiben. Und dann auch noch als Protagonist agieren. Wenn du eine Biografie über dein Leben schreibst, will ich nichts gesagt haben. Aber wenn du eine fiktive Geschichte verfasst, sehe ich das etwas anders. Der Protagonist und der Autor sind nicht immer zwingend ein und dieselbe Person. Ebenso der Erzähler und der Protagonist - aber darüber sprechen wir noch ganz ausführlich.
Dass du deinen Figuren die eine oder andere Eigenart von dir oder Menschen aus deinem Umfeld zuschreibst, passiert meist unbewusst und ist kein Grund zur Sorge. Es sorgt eher dafür, dass deine Charaktere lebendiger erscheinen. Was gut ist - falls das noch nicht angekommen sein sollte. Aber wenn du dich selbst mit Absicht in eine Geschichte schreibst, läufst du Gefahr, dass du dich von deiner besten Seite zeigen willst und somit einen sogenannten "Mary Sue"-Charakter erschaffst.
Definition von Mary Sue: eine idealisierte und vermeintlich perfekte Kunstfigur. Diese Figur wird oft als Wunschvorstellung des Autors wahrgenommen. Üblicherweise kann sie Aufgaben erheblich leichter bewältigen als vergleichbare Figuren mit ähnlicher Ausbildung und Erfahrung.
(...)
Heutzutage ist der Begriff fest verknüpft mit der Unterstellung einer geschönten Selbstprojektion des Autors. Ein negativer Beigeschmack entsteht hierbei dadurch, dass die Kunstfiguren als schlecht entwickelte Figuren (zu perfekt, um real und interessant zu wirken) wahrgenommen werden. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Sue)
Das Problem an Charakteren, die bereits alles können, ist, dass ihre Geschichten nicht spannend sind, weil sie keine Schwächen haben, die sie überwinden wollen und/oder müssen, um ihr Ziel zu erreichen und ihre Entscheidungen keine Konsequenzen nach sich ziehen. Was wird einer Mary Sue wohl passieren, wenn sie gegen einen vermeintlich stärkeren Gegner kämpft? Richtig: sie wird gewinnen. Der Kampf kann sich vermutlich sogar in einem Satz zusammenfassen lassen. Unter spannend und interessant verstehe ich etwas anderes. Aber dazu kommen wir auch noch, wenn es an die Charaktererstellung geht.
Damit dürftest du nun ein paar Figuren aus der Buchbranche kennengelernt haben und wie man ihnen begegnen kann. Im Laufe dieses Buches werden sicher noch mehr deinen Weg kreuzen. Ob du es bei der Länge dieses Kapitels glauben möchtest oder nicht, wir haben hier lediglich an der Oberfläche gekratzt.
Mit welcher der aufgezeigten Figuren kannst du dich am ehesten identifizieren? Oder erkennst du dich vielleicht in mehreren wieder? Und wie würdest du den Figuren jeweils begegnen?
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