Schreibblog: Kräfte - Tiefe gegen Breite (10.08.22)

Herzlich willkommen bei einem weiteren Schreibblog.

Ist ja etwas her, dass ich so ein Ding geschrieben habe.

Diesmal geht es um etwas, was vor allem die Fantasy, Übernatürliches oder Superhelden-Autoren betrifft, die nicht wissen, wie sie einem Charakter interessante Fähigkeiten oder Superkräfte geben können.

Wer dieses Kapitel hier zeitnah zu seiner Veröffentlichung liest, wird eventuell schon auf meiner Pinnwand gesehen haben, dass es um die Breite und Tiefe von Kräften geht, und welche Vor- und Nachteile beide Optionen haben.

Aber, ich sollte erstmal erklären, was für mich persönlich "Breite und Tiefe"  bedeuten, damit jeder weiß, wovon genau ich hier rede.

Ein breites Kraftspektrum beschreibt ein vielzahl von Kräfte, die nicht direkt voneinander abhängig sind. Charaktere mit breiten Superkräften wären zum Beispiel Helden wie Superman, welche Fliegen, Laseraugen etc besitzen, oder Zauberer aus Harry Potter, welche prinzipiell für alles Erdenkliche einen Spruch haben. Eventuell fällt euch ja auch ein Charakter ein, der irgendwie gefühlt 10 Fähigkeiten hat, die auf den ersten, zweiten und sogar zweiundvierzigsten Blick nicht zusammengehören oder einander betreffen.

Es ist wie ein Supermarkt, der zwar alle möglichen Produkte hat, aber von  jedem nur eine Sorte. Nur eine Sorte Essiggurken. Nur eine Sorte Duschgel. Nur eine Sorte Müsli. Aber dafür alles, was man Braucht.

Tiefe Kraftsysteme zeichnen sich dadurch aus, dass es eine maßgebliche Kraft gibt, die alle einzelnen Fähigkeiten bedingt.
Beispiele hierfür wären Helden wie Spiderman, der alle möglichen Kräfte hat, solange wie sie zum Thema "Spinne" gehören, aber auch gewöhnliche Bändiger aus 'Avatar, the last Airbender', welche zwar nur ein Element haben, aber komplette Freiheit, wie sie dieses Nutzen. Sandbändiger z.B. sind Erdbändiger, die sich auf Sand spezialisiert haben. Wasserbändiger können Eis und Dampf kontrollieren, weil das immernoch nur Wasser ist.

Man stelle sich ein Fachgeschäft vor, das nur ein Produkt führt, aber dafür alle Sorten, Stile und Packungsgrößen. Bäcker zum Beispiel, die verschiedenste Backwaren in allen erdenklichen Formen führen, aber nun mal keine Essiggurken und kein Waschmittel.

Diese Worte kann man auf ein ganzes Universum, aber auch auf einzelne Charaktere anwenden.

So, ich glaube jetzt ist die Grundidee einigermaßen klar. Natürlich sind diese Erklärungen keine absoluten, eindeutigen Einteilungen, sondern haben auch Spielraum. Beide Dinge existieren immer nebeneinander.

Man kann schmal und flach sein, wo man nur eine Art von Kraft mit nur einem Nutzen hat.

Breit und flach, mit vielen Optionen, aber nur wenigen Anwendungen für jede davon.

Schmal und tief, wo es nur wenige verschiedene Kräfte gibt, aber dafür jeder Nutzer diese Kraft auf eine einzigartige Art verwenden.

Oder breit und tief, was kompliziert ist, aber massive Optionen bereitstellt.

Und diese Einteilungen sind auf Spektren. Zum Zweck der Argumentation, überspitze ich die Begriffe "breit und tief".

Da es hier um sehr weitgegriffene Konzepte geht, können wir die Vor- und Nachteile und die Interpretationen dieser Systeme jetzt zumindest oberflächlich betrachten.

Ich möchte hier nochmals anmerken, dass ich kein Literaturstudent, kein professioneller Autor oder sonst irgendeine Autorität in diesem Themenbereich bin.
Was ich hier sage, kommt aus der Perspektive eines Hobbyautors und Zuschauers/Lesers. Andere Ansichten oder Interpretationen sind absolut gerechtfertigt und man sollte mich nicht als wissenschaftliche Quelle zitieren.

Beginnen wir mit "B R E I T"

Vorteile von breiten Systemen sind, dass man als Autor viele Optionen hat, Situationen und Probleme anzugehen. Man kann seine Leser immer wieder damit überraschen, wie die Machtsysteme in der Welt funktionieren.

Es ist leichter, sich aus einer weniger durchdachten Situatiom wieder herauszuschreiben. Es wird immer "irgendeine Kraft" geben, die zur Situation passt.

Man hat mehr Freiheiten, was Powerscaling und Eigenheiten der Kräfte angeht, da man nicht "zu tief" auf jede Fähigkeit eingeht.

Diese Vorteile führen damit aber sehr oft zu den wichtigsten Nachteilen:

Inkonsistenz. Man hat dadurch als Leser nämlich zu wenig Einblick darauf, wie genau die Kräfte funktionieren oder was man erwarten soll.

Und - logischerweise - mangelnde Tiefe. Leute verstehen gerne, wie solche Dinge funktionieren und welchen Regeln die Welt folgt. Wenn man nur neue Kräfte einführt, ohne zu erklären, wie sie funktionieren etc. oder, wenn jede Kraft nur ein "One-Trick-Pony" ist, die nur genau eine Sache tut, kann das sehr umbefriedigend sein. Kräfte werden zum Plot-device.
Und, mit diesem Punkt verbunden, vor allem bei ungeübten oder sehr jungen Autoren führt das dazu, dass Charaktere nur mit hirntoten Fähigkeiten vollgestopft werden und zur Mary Sue verkommen.

In Sachen Interpretation gehe ich auf meine Beispiele Superman und Harry Potter ein:

Bei Superman sagen seine Kräfte nichts über ihn aus, sondern über das was er ist: Ein Gott unter Sterblichen, der seine Kräfte (unabhängig davon, was sie genau sind) verantwortungsvoll nutzt. Das Sinnbild für "Macht führt zu Verantwortung"

Im Harry Potter Universum spielen sie in Sachen Interpretation wohl weniger eine Rolle, sondern zeigen wie anders das Worldbuilding in der Wizarding World ist. Wie sich die Leute auf Magie verlassen, statt auf Technologie, einfach, weil es möglich ist. Natürlich gibt es einzelne Sprüche, wie Patronus oder die Verbotenen, die aber speziell herausgehoben werden.

Ich würde das "Große/Weite Konzepte" nennen. Es geht hierbei nicht  um einzelne Details oder Leute, sondern um die Welt, Kultur oder Ideen.
Wie beim sinnbildliche Supermarkt bekommt man sehr viel mit wenig "Substanz".

Auf der anderen Seite stehen tiefe Systeme. Diese fokussieren sich auf bestimmte Aspekte und führen diese weiter aus.

Der offensichtlichste Vorteil ist hierbei, dass man viel zu erzählen hat. Viel, das man dem Leser mitgeben kann. Viel Spielraum für Kreativität innerhalb eines Konzepts. Und das macht jede Kraft zu etwas besonderem.

Ein weiterer Vorteil ist, dass man mehr Übersicht über die Funktionen und Machtverhältnisse hat. Durch die Details ist es leichter objektive oder rationale Entscheidungen darüber zu treffen, welche Kraft was und wie stark tut. Das lässt einen mit Erwartungen spielen, aber hilft auch Konstant zu bleiben.

Der - meiner wertlosen Meinung nach -  wichtigste Vorteil, und der Grund, warum tiefe Systeme für mich in 90% der Fälle besser sind ist.... Trommelwirbel bitte...

Die Aussagekraft und der Interpretationsfreiraum. Was ein Schocker, ich weiß.
In einem gut geschriebenen tiefen System kann mam sehr viel über einen einen Charakter lernen, in dem man sich seine Kraft ansieht.
Passt seine Kraft zu ihm?
Welche Möglichkeiten kennt er?
Welche Möglichkeiten nutzt er?
Welchen Problemen steht er wegen der Kraft gegenüber?

Die Menge an subtilen Informationen, die man dadurch erhalten kann, ist ein sehr wertvolles Gut.

Aber, gleichzeitig muss man bedenken, dass Tiefe auch Probleme bereiten kann...

Es ist schwieriger zu schreiben. Wie mit allem, bringen mehr Details und mehr Optionen gleichzeitig mehr mögliche Lücken. Während man bei breiten, aber flachen Systemen, vieles aufgrund des Aufbaus einfach akzeptieren kann, sorgen Details für mehr mögliche Fehler und mehr Dinge, die man im Blick behalten muss.

Das zweite Problem, dass ich sehe, liegt darin, dass man teilweise weit über den Tellerrand sehen muss, was zur Folge hat, dass man - beim Versuch neue Aspekte zu integrieren - sich irgendwelche Kräfte aus dem Arsch ziehen könnte. Und das kann ziemlich in die Hose gehen.

Bei Interpretation verweise ich auf meinen Lieblingsvorteil. Es gibt so viele Interpretationen, wie es Leute gibt, die die verschiedenen Aspekte einschätzen.

Allein die Möglichkeiten, die ATLA mit seinen Bändigern aufzeigt, ist gewaltig. Es gibt viele Videoessays auf Youtube, die erklären, wie man die Elemente und ihre Nutzung interpretieren kann. Und wie man sie vergleichen kann.
Es gibt zu viele Avatar-Videos...

Und trotz dessen, dass das hier mein Schreibblog ist, werde ich nicht auf Chaos City eingehen. Ich will euch ja nicht meine eigenen Interpretationen über die Kräfte ins Ohr setzen. Jetzt müsst ihr es selbst lesen. Das ist das Gesetz.

Danke für eure Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Schreibblog. Tschüsi.

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