Nur 7844km entfernt
Vor ungefähr zwei Jahren:
„Kannst du dich noch an Elise erinnern?", fragt Dora Julie.
„Elise? Sie ist doch einer deiner Freude?", antwortet Julie und starrt dabei weiterhin an die Decke ihres Zimmers.
Julie und Dora sind Freunde seit Kindheitszeit.
Dora nickt. „Genau. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich sie ebenfalls an das Neujahrsfest eingeladen habe? Sie bringt auch noch eine Freundin mit, vielleicht versteht ihr euch ja gut."
Julie dreht ihren Kopf zu Dora.
Jährlich veranstaltet ihre Schule eine Neujahrsparty, wo auch andere Schulen herzlich eingeladen sind. Dora und Julie besuchen diese Party seit Jahren. Bis zu diesem Jahr wollte Dora, aber noch nie eine andere Freundin dabei haben.
Auch wenn Julie der Gedanke an einer solchen Zusammenkunft missfällt, setzt sie ein Lächeln auf und schüttelt den Kopf.
„Natürlich. Ich freue mich darauf Elise endlich einmal kennenzulernen."
Neujahr vor 2 Jahren:
Julie starrt auf den mit Glitzer und Konfetti bedeckten Boden. Dora wirbelt währenddessen um ihre Freundin herum und lächelt über beide Ohren.
„Freust du dich so sehr Elise wieder zusehen?", missbillig sieht Julie zu ihrer Besten Freundin auf.
„Ich bin mir sicher du wirst sie mögen. Und nein, ich bin nicht wegen ihr so nervös."
„Weshalb denn?"
Dora beginnt sich am Ohr zu kratzten, worauf Julie direkt aufmerksamer wird. „Wer?"
„Dora!", erklingt eine laute Mädchen Stimme. Julie dreht sich um. Das Licht der Discokugel blendet sie sogleich, weshalb sie die beiden Mädchen vor ihr nicht richtig erkennen kann.
Dora schliesst neben Julie hervor und umarmt das Mädchen.
Nachdem sich die beiden Freunde wieder voneinander getrennt haben, sieht Elise zu Julie.
„Hallo. Du bist Julie, richtig? Ich freue mich dich endlich kennenzulernen."
Nur schwer erkennt Julie, dass Elise sie anlächelt.
„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite", lügt Julie.
Elise entfährt ein seltsames Grunzen und sie dreht sich etwas zur Seite. Mit ihrer Hand deutet sie auf die Person neben ihr.
„Darf ich euch Antonia vorstellen? Sie kommt aus England und ist hier für ein Jahr, Austauschschülerin."
Julies Blick gleitet über die gestallt des Mädchens. Auch wenn Julie immer noch nicht viel erkennen kann, erkennt sie doch wie wunderschön diese Frau vor ihr zusein scheint.
Dunkelbraune Loken fallen ihr spielerisch über die Schultern, bis ungefähr dem Ende ihres Brustkorbs.
Antonia trägt ein weisses Kleid, welches keiner anderen so gut gestanden hätte.
„Hallo zusammen", begrüsst Antonia Dora und Julie. Ein Lächeln umspielt sogleich ihre Lippen. Julie hält für einen Moment den Atem an. Das Licht wird etwas dunkler, wodurch Julie, Antonias Lächeln in voller Pracht betrachten kann.
Sie glaubte nie an: Liebe auf den ersten Blick, aber wenn sie diese Antonia nur ansieht, scheint ihr Herz einen Marathon zu rennen und in ihrem Bauch Schmetterlinge zu erwachen.
Eine Woche nach der Neujahrsparty:
Julie rutscht auf ihrem Stuhl hin und her. Sie sollte nicht so nervös sein, ist sie aber.
Am Neujahrsabend kam sie nicht wirklich mit Antonia ins Gespräch und jeden Tag von diesem Abend an wünscht sie sich, mehr mit dieser Schönheit gesprochen zuhaben.
„Sehe ich eigentlich gut aus?", fragt Julie, Dora und streicht derweilen ihr graues T-Shirt zurecht.
„Warum?", fragt Dora. „Wir gehen nur zusammen essen. Und dies in einen Burgerladen."
„Ich weiss", antwortet Julie Schroff.
„Wann kommen Elise und Antonia?"
Dora zuckt mit ihren Schultern und schaut Julie aus zusammen gezogenen Augen an.
„Was ist los bei dir?"
Bevor Julie antworten kann, werden die Flügel der Tür aufgeschoben und Antonia betritt gemeinsam mit Elise den Raum.
Julie erstarrt bei dem Anblick von Antonia. Als sie aus ihrer Starre wieder aufwacht, streicht sie sich hastig über ihre Haare. Dabei fällt ihr nicht mehr Doras misstrauischer Blick auf.
Nach dem Essen, beschliessen die vier Mädchen zusammen einen Spaziergang zumachen.
Als Antonia alleine vor Julie läuft, versucht Julie sich den Mut zufassen mit der Engländerin zusprechen.
Leider will ihr der Mut nicht kommen und sie scheint ihn immer mehr zu verlieren.
„Na los sprich mit ihr", flüstert ihr plötzlich eine Stimme ins Ohr. Aus Gedanken gerissen, zuckt Julie zusammen und sieht zu Elise.
„Wie bitte?"
„Ich bin nicht blind. Antonia gefällt dir. Was hält dich also noch zurück mit ihr ein Gespräch zu beginnen? Sie spricht sehr gut deutsch, wenn es das ist", als Elise ihre Ansage beendet hat dreht sie sich zurück zu Dora und verwickelt jene in ein Gespräch.
Julie atmet ein und aus und schreitet dann endlich zu Antonia vor.
Eineinhalb Jahr zuvor:
Antonia lächelt Julie an und hält ihr die Packung Chips unter die Nase.
„Liebesfilme sind so kitschig und unrealistisch", beschwert sich Antonia.
„Das unrealistische lässt die Leute träumen", antwortet Julie und blickt zu Antonia hin.
„Was wäre, wenn ich einen Schwarm habe und diese Person mich im Regen aufheitern würde", Julies stimme wurde mit jedem Wort leiser, bis sie gar einem hauchen wich.
„Was wäre, wenn dich nun jemand fragen würde, ob du mit der Person auf ein Date gehen würdest. Was würdest du sagen?", wispert Antonia.
„Kommt ganz auf die Person an und ob sie mir mit Blumen ihre Liebe gestehen würde", antwortet Julie mit einem frechen Lächeln auf den Lippen.
Antonia runzelt die Stirn und ihr Blick huscht zu der Vase mit Rosen auf dem Couchtisch.
Julie bleibt mit diesem Blick der Atem stehen. Antonia würde doch nicht...?
Antonia beisst sich auf ihre Lippe und streckt ihre Hand zu den Rosen aus.
„Ich wusste nicht, dass du so hohe Ansprüche hast, aber was wäre, wenn die Person ich bin?"
Julies Augen werden gross. Ihr Herz scheint ihr jeden Moment aus ihrer Brust zuspringen.
„I like you, Julie!"
Ungefähr ein Jahr zuvor:
Eine Träne kullert über Julies Wange. Sie spürt Antonias starke Arme um sich und wünscht sich diese für ewig spüren zu können. Dieser Wunsch ist aber so weit von ihr entfernt, wie der Wunsch, Antonia würde in Deutschland bleiben.
Ihr Austauschjahr ist zu Ende.
Julie kann Antonia nun ihre feste Freundin nennen, verliert sie aber genau jetzt wieder.
„Bitte weine nicht", schluchzt Antonia.
„Es sind nur 7844km. Vergiss dies nicht..."
Eine Woche zuvor:
„Ich vermisse dich", sagt Antonia.
„Ich dich auch."
Seit dem Tag an dem Antonia zurück nach England geflogen ist, telefonieren die Beiden täglich.
Julie freut sich jeden Tag, wenn sie von Antonia hörte und sie über das Handydisplay sehen kann.
„Nur 7844 Kilometer...", wispert Julie. Es klingt wie eine Aufheiterung, welche aber kläglich scheitert. Sie macht beide traurig, gehört aber zu jedem Gespräch dazu.
Vor drei Tagen:
Julie geht nervös in ihrem Zimmer hin und her. Sie hat Antonia schon über zehn mal versucht zu erreichen. Diese hat bis dahin aber keinerlei Lebenszeichen hinterlassen.
„Wo bist du?", flüstert Julie.
Im nächsten Moment ergreift sie erneut ihr Handy und wählt dieses Mal eine andere Nummer.
„Julie?", fragt Dora auf der anderen Seite.
„Dora! Hast du etwas von Antonia gehört?", sprudelt es sogleich aus Julie heraus.
„Antonia? Nein. Wir haben nicht wirklich Kontakt. Weshalb?"
„Sie geht an keinen meinen Anrufe und antwortet auch nicht auf meine Nachrichten."
„Vielleicht hat sie irgendetwas wichtiges vor? Hat sie nie etwas erwähnt?"
Diese Frage bringt Julie zum nachdenken.
„Nein... Nein hat sie nicht."
„Versuche nicht deinen Kopf zu verlieren. Antonia wird dir bestimmt bald wieder schreiben", versucht Dora ihre Freundin aufzumuntern.
„Aber...", beginnt Julie, als ihr ein furchtbarer Gedanke in den Sinn kommt. „Was ist... was ist wenn sie einen Unfall hatte? Ihr etwas schlimmes zugestossen ist?"
„Bestimmt nicht", beruhigt Dora sie.
„Wie willst du dir dabei so sicher sein? Oder was ist wenn, ich etwas falsches gemacht habe und sie mich nun hasst?"
„Julie stop! Antonia ist nicht jemand die den Kontakt so einfach abbrechen würde, und dass weisst du. Lass ihr noch etwas länger Zeit."
Julie versucht sich an Doras Rat zuhalten, bekommt die Zweifel aber nicht mehr aus ihrem Kopf.
Würde Antonia doch nur 7km entfernt sein. Julie wäre direkt zu ihr gegangen...
Jetzt:
Julie tritt über die Türschwelle in das Haus von Dora. Sie hatte die letzten Tage immer noch nichts von Antonia gehört, dies macht sie fertig.
„Wie siehst du denn aus?", begrüsst Dora sie.
„Ich habe nicht so gut geschlafen", antwortete Julie.
Dora nimmt ihre Freundin in den Arm. „Alles gute zum Geburtstag!"
Julie versucht den ganzen Tag über, ihren Geburtstag zu geniessen, schafft es aber nicht da ihre Gedanken immer wieder zu Antonia abschweifen.
Am Abend sitzt sie auf einer Bank. Dora meinte sie solle hier kurz auf sie warten, währenddessen sie etwas einkaufen geht.
Erneut schweifen Julies Gedanken zu Antonia.
„7844 Kilometer...", erklingt eine Stimme hinter Julie. Julie dreht sich um. Doch dort steht niemand. Bildet sie sich nun schon ein, Antonia zuhören?
„Drei Meter... zwei Meter... Einen Meter..."
Julie dreht sich erneut um. Dort steht sie. Gesund und immer noch so wunderschön wie zuvor. Antonia.
Julie springt auf und umarmt ihre feste Freundin. In diesem Moment bemerkt sie auch wie echt Antonia ist. Sie steht wirklich, wahrhaftig vor ihr.
Leichter Regen prasselt auf die beiden herab und verleiht ihnen eine wahrhaftige Filmszenen.
Was sie in diesem Moment nicht wahrnehmen, ist der Regenbogen über ihnen, die Sonne die leicht über den Horizont blickt und Dora, welche die Beiden mit einem strahlenden Lächeln betrachtet.
„Null"
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