Zeit
Schweißgebadet wache ich auf, nur um mich dann in meinem Zimmer wiederzufinden. Es war nur ein Traum. Mal wieder. Dieses Mädchen, es geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken und lässt mich frösteln. Ihre Augen haben mich geradezu durchbohrt. Es schien, als könnte sie in mein innerstes schauen. Als könnte sie meine Gedanken lesen.
Seufzend stehe ich auf und gehe ins Bad. Dort lasse ich Wasser in die Badewanne. Schon alleine der Dampf des heißen Wassers umhüllt mich wie ein Mantel. Welch ein angenehmes Gefühl. Während ich mich ausziehe bleibt mein Blick wie immer am Spiegel hängen. Mit der Hand fahre ich die Konturen einiger Narben nach. Es ist wirklich viel Zeit verstrichen, seit ich ein neues Leben anfangen musste. Irgendwie konnte ich Dad nie glauben, dass ich Tsuki Taylor sein sollte. Ich meine, ich hatte keinen Grund, an ihm zu zweifeln. Ich vertraute ihm. Aber in meinem Innersten wusste ich, dass er mir etwas verschwieg. Manchmal wenn er etwas sagen wollte, es jedoch nie aussprach, wurde mir klar, dass es Sachen gab, von denen ich nichts wusste.
Im Nachhinein, als ich erfuhr, wer ich wirklich bin, suchte ich in seiner Stimme nach der Lüge. Ich wollte nicht glauben, dass Tsuki Taylor nie existierte. Ich wollte es nicht wahr haben. Aber tief in meinem innersten... Da haben sich meine Befürchtungen, meine Ängste bewahrheitet.
In der Anfangszeit wollte ich mich nicht der Wahrheit stellen. Sie akzeptieren konnte ich damals noch nicht. Es kam mir so falsch vor. Nach den vielen Jahren, die alle nur eine Tarnung waren, fiel es mir sehr schwer, ich selbst zu sein. Ich glaube, wenn man immer negativ denkt, kommt man nie an sein Ziel. In der Klinik wurde mir beigebracht, ich selbst zu sein. Nach vorne zu schauen und das Erlebte zu verarbeiten und zu akzeptieren. Natürlich war auch das Leben dort genau wie jetzt eine Lüge. Yuno Taylor existierte genauso wenig. Ich bin Yuno Scarlett. Meine Eltern starben durch die Gier und den Neid der Menschen. Wären wir doch bloß eine ganz normale Familie gewesen.
Ich löse meine Augen vom Spiegelbild und steige vorsichtig in das heiße Wasser. Entspannt atme ich aus. Meine verkrampften Muskeln lockern sich auf und die Gedanken in meinem Kopf werden nach hinten geschoben. Stattdessen denke ich über das hier und jetzt nach.
Hier gehöre ich wie auch damals zu den klügsten Schülern. Nur glücklicherweise fällt sowas an dieser Schule nicht sonderlich auf. Jeder hier hat ein unglaubliches Wissen. In meiner Klasse bin ich die Beste. Direkt nach mir kommt Kyla. Trotzdem ist Mike immer noch der Jahrgangsbeste. Ich weiß nicht wie er das macht, aber er ist einfach nicht zu übertrumpfen. Es mag sein, dass ich in dem vergangenen Jahr gefehlt habe, und davor nicht wirklich am Unterricht teilnehmen konnte, aber er ist dennoch viel besser als ich es je sein werde.
In den Prüfungen, welche wir im Juli geschrieben hatten, hatte er die volle Punktzahl, während mir ein Punkt fehlte. Das hat mich ziemlich deprimiert, weil ich im Nachhinein bemerkte, dass diese Aufgabe sehr einfach war.
Ich fixiere mit meinem Blick die Decke und denke nach. Vieles hat sich verändert, aber vieles ist gleich geblieben. Ich bin froh, hier habe ich endlich einen Platz gefunden, der mir zusteht.
Als es an meiner Zimmertür klopft steige ich aus der Wanne raus und schaue auf die Uhr. Wer das wohl ist. Während ich mich in einem Handtuch einwickle laufe ich zur Tür. >>Wer ist da?<< Ich kann ja schließlich nicht einfach so halb nackt die Tür öffnen. Eine Frauenstimme ertönt. >>Ich bringe deine saubere Wäsche. << Ah ich verstehe, hier hat natürlich auch nicht jedes Zimmer eine eigene Waschmaschine. Stattdessen legen wir unsere Kleider in einen Korb neben der Tür ab. Die Zuständigen holen einen Morgen Wäsche ab, und am nächsten Morgen bringen sie die zurück.
Während ich mich hinter der Tür verstecke, öffne ich diese, damit sie rein kommen kann. Mittlerweile ist es mir nicht mehr allzu unangenehm, wenn andere Mädchen oder Frauen meine Narben sehen können. Sie kommt rein und schließt die Tür hinter sich. >>Ich stelle den Korb zu deinem Kleiderschrank<< Während sie ihrer Arbeit nachgeht nehme ich mir ein Kleid und ziehe es im Badezimmer an. Dann gehe ich zurück in mein Wohnzimmer und stelle fest, dass sie schon wieder weg ist. Die Frauen sind immer sehr gewissenhaft bei ihrer Arbeit, und schnell.
Aber schon interessant, worüber man morgens um 7 so nachdenkt. Während ich die ganzen Kleider in den Schrank hänge, betrachte ich jedes einzelne ausgiebig. Die meisten habe ich mit Kyla und Mia gekauft, während andere von der Schule sind. Natürlich sind da auch noch die, die ich zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt bekommen habe, als ich in der Klinik war. Oder die, die ich kaufte, als ich entlassen wurde.
Hach, eigentlich kann ich nicht meckern. Bis auf das Unglück jenes abends und den Problemen mit anderen Leuten habe ich ein großartiges Leben. Ich habe genug Geld, schöne Kleider und Essen. Andere sind da nicht so glücklich. Dennoch... Ich würde alles Geld geben, wenn ich sie wenigstens noch ein einziges Mal sehen dürfte. Nicht nur in meinen Träumen, sondern wahrhaftig und lebend. Welch naiver Gedankengang. Was man einmal verloren hat, wird man nie wieder erhalten. Es ist unmöglich einen Toten zurück zu holen.
Das Leben ist so kurz. Gerademal ein Wimpernschlag. Innerhalb weniger Sekunden kann man alles verlieren, was man besitzt. Ein Jammer, wie vergänglich ein Menschenleben doch ist. Wenn ich meine Augen öffne, dann war das alles nur ein böser Alptraum, welcher mich gefangen hielt. Ich werde feststellen, dass ich eine blühende Fantasie habe. Ich...
Eine Träne sucht sich ihren Weg ans Tageslicht und fällt auf den Boden. Immer mehr salzige Tropfen rollen über mein Gesicht. Ein hysterisches Schluchzen verlässt meine Lippen. Wie jämmerlich, jetzt versinke ich schon wieder im Selbstmitleid. Natürlich war das kein Traum. Ich sinke zu Boden und bleibe sitzen. Meinen Kopf lehne ich kraftlos gegen die Tür des Schrankes. Ich weiß nicht mal wie spät es gerade ist. Als es Klopft bin ich so in meinen Träumen versunken, dass ich es nicht bemerke. Auch als sich die Tür öffnet reagiere ich nicht. Viel zu tief sitzt die Trauer. Plötzlich verwandelt diese sich in Wut. Das Gesicht des Mannes taucht vor meinen Augen auf. Wenn ich weiß, wer er ist, wird er sich wünschen... nie geboren worden zu sein. Mit der Faust schlage ich gegen die Wand, bis meine Hand blutig ist. Erst als ich mich abrege, realisiere ich, dass jemand im Raum ist.
Erschrocken schaue ich auf. Meine Augen sind von den getrockneten Tränen verklebt, und lassen sich kaum öffnen. Das einzige was ich erkenne ist eine große Silhouette eines Mannes. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, herauszufinden, wer das ist. Es gibt eh nur eine Person, die nach dem ersten Klopfen gleich rein kommt.
Herr Davis Stimme ist beruhigend. >>Kyla sucht dich. Sie war besorgt, weil du nicht beim Essen unten warst. Die Zimmerhilfe meinte, du hättest dein Zimmer nicht verlassen, nachdem du dich angezogen hast. Also bin ich einfach reingekommen.<<Ich sehe ihn an. >>Danke.<< Wortlos setzt er sich zu mir, sodass ich mich bei ihm anlehnen kann. Er ist für mich wie ein Vater, oder ein großer Bruder. >>Willst du darüber reden?<< Zögernd nicke ich. >>Ich habe mich... gestern an das Gesicht eines der Mörder meiner Eltern erinnert. Ich habe es bis jetzt nur Amy, meiner Betreuerin aus der Klinik erzählt. Es erschien mir zu gefährlich, Kyla , Mike und die anderen einzuweihen. Ich will nicht, dass sie durch dieses Wissen vielleicht in Gefahr geraten. Wer weiß schon, ob diese Männer wissen wo ich bin. Vielleicht wollen sie mich und Yara auch noch töten. << Er reicht nimmt meine Zerschlagene Hand und betrachtet sie. Du solltest dir erstmal das Gesicht waschen und die hier verarzten lassen. Ich suche Kyla und sage ihr Bescheid... Übrigens... Ich lasse nicht zu, dass sie dich oder Yara töten. Es spielt für mich keine Rolle, ob nur sie mit mir Blutsverwand ist. Du bist ihre Schwester und damit auch meine Tochter. Ich werde nicht untätig zusehen, wie du kaputt gehst. << Lächelnd wische ich mir über die Augen. >>Danke. Ich werde sie zwar nicht mit Dad anreden können, aber ich sehe in ihnen auch ein Familienmitglied. Egal was kommt.<< Er schmunzelt und zieht mich auf die Beine. >>Dann musst du mich aber wenigstens mit du anreden.<< Ich stocke. >>Das... kann ich nicht. Sie sind für mich trotz allem eine Respektperson. Außerdem wäre das komisch. Es wirkt so seltsam, wenn ich meinen Direktor so ansprechen würde. << Er lacht leicht. >>Na dann. Ich mache mich jetzt erstmal auf den Weg zu deiner Freundin. Ich bin übrigens bis morgen auf einer wichtigen Besprechung. << Verstehend gehe ich ins Bad und wasche mir das Gesicht. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir, dass ich schon wieder etwas besser aussehe. Dann trage ich etwas Make-Up auf. Mit einem Tuch versuche ich ein wenig die Blutung der Verletzung zu stoppen, doch es bringt nichts. Wohl oder übel muss ich damit zur Krankenschwester.
Ich gehe aus dem Zimmer und laufe durch die Gänge. Einige Schülerinnen und Schüler gehen mit ihren gepackten Koffern nach unten. Da Montag die Weihnachtsferien beginnen, fahren die meisten jetzt am Wochenende nach Hause. Die verbringen nämlich das Weihnachtsfest bei ihren Familien. Ich bleibe hier, weil es sich für mich nicht wirklich lohnt, nach Hause zu fahren. Die Hinfahrt dauert schon Fast zwei Tage. Dann könnte ich etwas Zeit dort verbringen und müsste kurz darauf wieder hier her, um rechtzeitig in der Schule zu sein.
Stattdessen kommt Dad an Heilig Abend hier her. Das geht, weil wir selbst in den Ferien hier bleiben dürfen. Naja, der Direktor ist ja immerhin auch hier. Herr Davis ist eins mit diesem Gebäude.
Ich schaue kurz dem regen Treiben zu und klopfe an die Tür des Krankenzimmers. Als ich rein gerufen werde, betrete ich den Raum. Ein Junge sitzt auf einem Krankenbett. Die Schwester verbindet gerade ein Paar Schürfwunden an seinem Knie und schaut zu mir. >>Ah Yuno, wie kann ich dir helfen? Es ist ja wirklich selten, dass du mal von alleine und vor allem bei Bewusstsein hier her kommst. << Ich lächle leicht. Sie hat recht. Ich habe mich zu einem richtigen Problemkind entwickelt. >>Hab mir die Hand aufgeschlagen. Es tut nicht wirklich weh, die Blutung stoppt jedoch nicht. Herr Davis hat mich hergeschickt. << Sie seufzt. >>Ich hätte es mir denken können. Warte kurz Oliver, ich muss mich jetzt erstmal um diese Patientin kümmern. Wie hast du das mal wieder geschafft?<< Ich gucke weg. >>Ich bin eh..<< Die junge Frau schüttelt leicht den Kopf holt Desinfektionsmittel und einen Verband. >> Ich frag schon nicht mehr. Deine Geschichte würde ich eh nicht glauben. << Ertappt sehe ich auf den Boden. >>Tut mir leid. Ich habe... in einem Wutanfall gegen die Wand geschlagen, bis es geblutet hat. << Während sie meine Hand versorgt werde ich von dem Jungen beäugt. Er ist wohl in einem Jahr unter mir. Oder sogar zwei? Fertig verarztet bedanke ich mich und verlasse schnell den Raum. Ich hasse es hier zu sein, weil man immer alles erklären muss.
Mit meiner Tasche gehe ich nach draußen, wo bereits Kyla auf mich wartet. Sie betrachtet nur meine Hand, sagt aber nichts dazu. Auf dem Parkplatz steht bereits das Auto meines Chauffeurs, welcher kurz vor mir hier angekommen ist. Ich begrüße ihn und setze mich mit meiner Freundin ins Auto. Während wir uns über dieses und jenes unterhalten, ziehe ich auf meiner Seite den Vorhang zu. Zum Glück dauert es nicht lange, bis wir in der Stadt sind.
Wir steigen aus und verabschieden uns. >>Bis nachher<< Er nickt mir zu. >>Ich hole sie und ihre Begleitung zur vereinbarten Zeit an dieser Stelle ab. Benachrichtigen sie mich einfach, sollte sich die Zeit ändern.<< Ich lächle, und so fährt er los. Kyla streckt sich. >>Ah dieser Service ist wirklich toll. Ich bin echt glücklich, dass wir nicht mit den öffentlichen fahren mussten. Man ist so viel mehr für sich selbst, und kann über alles reden.<< Ich nicke. >>Dad wollte nie, dass ich mit den Öffentlichen fahre. Er hat echt Angst, dass mir etwas passiert. Immerhin weiß jetzt auch noch fast die ganze Welt, dass ich noch lebe. Wer weiß schon, was da für Gesindel auf mich aufmerksam wird. << Sie nickt verstehend. >>So würde ich vermutlich auch handeln. <<
Die Leute auf den Straßen kennen alle mein Gesicht. Sie haben in den Nachrichten ein Bild von mir gesehen, wie ich als Kind aussah. Und scheinbar konnte mich irgendjemand heimlich fotografieren. Diese Bilder haben sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Ich sehe, wie sind hinter vorgehaltenen Händen über mich reden. Das stört mich zwar etwas, aber es lässt sich nicht vermeiden. Immerhin will ich nicht mein ganzes Leben als eine Fremde Person verbringen.
Kyla interessiert das Ganze auch recht wenig, denn sie zerrt mich sofort in ein Klamottengeschäft. In diesem hängen Kleider über Kleider. Vom Abend- bis zum Prinzessinnenkleid gibt es hier so viele Varianten. Viele Mädchen probieren hier Kleider an, und werden dann traurig, wenn sie sich die Preise anschauen. Natürlich ist es hier drin echt teuer, aber nicht für uns.
Während die anderen Besucherinnen größtenteils Standartkleidung tragen, passen wir direkt in das Verkaufsmuster dieses Ladens. Zwei Verkäuferinnen kommen auf uns zu. >> Guten Morgen, können wir euch behilflich sein?<< Kyla und ich schauen uns an. Ich setze zum Sprechen an. >>Wir suchen nach Kleidern, die es in unterschiedlichen Farben gibt. Sie sollten an ein Ballkleid erinnern, jedoch etwas dezenter sein, immerhin wollen wir die Kleider auch an normalen Tagen tragen. << Sie nicken verstehend und Kyla spricht nun ebenfalls. >>Ich denke die Farben sollten im Bereich schwarz, silbern, golden und rot sein. << Die Frauen besprechen sich kurz. >>Ich denke, wir haben etwas, was euch zusagen könnte. Folgt uns bitte.<< Während sie vor laufen, unterhalten wir uns noch etwas. Kyla grinst. >>Mal sehen, ob wir mit den Kleidern unseren Jungs den Kopf verdrehen können<< Ich lache. >>Sicherlich haha. Mike meinte gestern so, warum wir überhaupt shoppen gehen wollen. Immerhin haben wir doch schon genügend Kleider.<<
Meine Freundin stimmt mit ein. >>Mädchen können nie genug Kleider haben hihi, das müssten die zwei doch langsam wissen.<< Vor einigen Kleidern bleiben die Verkäuferinnen stehen. >>Hier sind sie, es sind die gleichen Kleider in vier Varianten. Schwarz mit goldenen Faden, mit roten Fäden, mit silbernen und zuletzt mit blauen. Ist es das was ihr sucht?<< Wie verzaubert nicke ich. Diese Kleider sind so wunderschön, dass sie mir glatt die Sprache verschlagen. Ich schaue mich nach einer Umkleide um, und finde sie schnell.>>Ich werde es anprobieren, du auch Kyla?<< Sie nickt strahlend und so gehen wir mit zwei verschiedenen Kleidern und den Frauen im Schlepptau zu den Umkleiden.
Während ich mich umziehe fällt mir schnell ein Problem auf. Mit meiner verletzten Hand komme ich nicht richtig in das Kleid rein. >>Kyla? Kannst du mir helfen?<< Sie bejaht und schiebt sich, als sie selbst fertig ist in meine Kabine. Sofort erkennt sie, woran ich scheitere und hilft mir. >>Wie hast du das überhaupt hinbekommen? << Ich schweige. >>Ich erzähle es dir später ja?<<
Sie nickt und so stehen wir nur wenige Momente später vor einem großen Spiegel. Wie verzaubert schaue ich mein Spiegelbild an. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich Mittlerweile fast genauso aussehe wie damals, nur dass ich älter geworden bin. Noch dazu ist dieses Kleid echt hübsch. Auch Kyla scheint es nicht anders zu gehen. Ich schaue sie an. >>Es ist perfekt. Da wird Jonah aber Augen machen << Sie grinst. >>Denkst du Mike nicht? Du siehst aus wie eine Adlige. << Ich muss lachen und sie stimmt mit ein. >>Ach ja, das bist du ja auch.<< Ich nicke zu mir selbst. >>Ich nehme das Kleid, du auch?<< Kyla schaut wieder in den Spiegel. >>Diese Frage ist völlig sinnlos. Natürlich werde ich es nehmen. << Die Verkäuferinnen lächeln. >> Es freut uns, dass euch die Auswahl auf Anhieb gefällt. Ich muss schon sagen, dass ihr darin wirklich sehr hübsch ausseht. Schwarz mit einigen Akzenten kleidet euch außerordentlich gut. <<
Wir bedanken uns und gehen dann wieder in unsere Umkleiden. Diesmal schaffe ich es auch alleine, das Kleid auszuziehen und mein eigenes überzustreifen. Fertig gehe ich raus und stelle fest, dass meine Freundin bereits wartet. Ich lächle und so gehen wir zusammen zur Kasse. Dort angekommen bezahlen wir die Kleider und verabschieden uns. Mit je einer Tüte verlassen Kyla und ich das Geschäft. Der nächste Ort ist ein Schmuckladen. Schmunzelnd schaue ich mich darin um, bis ich eine Kette finde, welche für Paare oder Freundinnen ist. Es sind halbe herzen, welche mit einer Gravur versehen sind. Ich rufe meine Begleitung zu mir. Sofort strahlt sie über beide Ohren. >>Ach wie süß, ob Jonah sowas gefallen würde? << Ich lache leise. >>Ich denke schon, wieso auch nicht. Immerhin ist er völlig versessen von dir. << Sie wird etwas rot. >>Ob es die auch in anderen Formen gibt?<<
Ein alter Mann, welcher der Verkäufer ist, kommt auf uns zu. >>Guten Tag die Damen, suchen sie etwas bestimmtes? Kann ich ihnen helfen? Ich besitze fast alles an Schmuck, was das Frauenherz begeht<< Er zwinkert uns verschmitzt zu. Völlig von dieser Freundlichkeit überwältigt nicke ich. >>Guten Tag, haben sie von dieser Partnerkette auch andere Ausführungen?<< Er nickt nach einer kurzen überlegungspause. >>Wartet kurz, ich hole sie geschwind<< Mit einem Lächeln verschwindet er in einen anderen Raum und kommt nur wenig später mit einer Schachtel zurück. Diese stellt er auf einen Tisch und öffnet sie. Es kommen vier verschiedene Varianten zum Vorschein. Zum einen das Herz, einen Stern, einen Mond sowie das Ying und Yang Zeichen.>> Gefallen euch die Ketten?<< Sowohl Kyla als auch ich nicken. Vorsichtig nehme ich die in Form eines Sichelmondes in die Hand.
Kyla hat es wohl der Stern angetan. Der Mann lächelt weiterhin. >>Seid ihr Schwestern? Es kommt nicht oft vor, dass so junge Damen zusammen hier sind und dann den gleichen Geschmack haben.<< Ich verneine.>>Nein, wir sind nicht verwandt... Wir<< Ich schaue zu ihr, als sie den Satz beendet. >>Wir haben nur eine Menge zusammen durchgestanden. << Das Gesicht des Mannes wirkt überrascht, doch dann verzieht es sich wieder zu einem Lächeln. >>Ich verstehe. Wollen sie die Ketten nehmen ?<< Ich nicke. >>Ich für meinen Teil nehme sie<< Kyla schließt sich mir an. >>Ich auch, allerdings möchte ich mich noch umsehen. << Ich grinse. >> Wir könnten wirklich Schwestern sein<< Sie schmunzelt nur. >>Das wäre aber unpraktisch. Ich kann doch nicht mit meinem eigenen Cousin zusammen sein<< Kichernd geht sie zum anderen Ende des großen Raumes. Ich sehe mich hier um. Das nächste was ich sehe sind Freundschaftsarmbänder. Zusammen mit den Ketten gehe ich zur Kasse und bezahle, bevor meine Freundin bemerken kann, dass ich auch noch etwas anderes genommen habe. Die sollen nämlich für sie und mich sein. Ich sage Kyla Bescheid, dass ich schonmal rausgehe.
Nachdem ich mich bei dem netten Verkäufer bedankt habe, verlasse ich alleine das Geschäft und atme die kühle Luft ein. Der leichte Wind weht in mein Gesicht, sodass meine Haare sanft angehoben werden. Die Leute scheinen alle gehetzt zu sein. Einige haben Kinder an den Händen, andere telefonieren. Eine Gruppe Schülerinnen sitzt auf einer Bank. Sie unterhalten sich wohl über einen Laden, in den sie unbedingt rein wollen, doch scheinbar scheint es dort für sie zu teuer zu sein. Auch wenn sie sicher nicht viel Geld haben, wirken sie glücklich. Das kann ich an ihren Augen erkennen.
Wirklich beneidenswert. Ich schaue weg. Wie wäre wohl alles gekommen, wenn ich wie diese Mädchen aufgewachsen wäre. Ein normales Leben unter normalen Leuten. Als sich Kyla hinter mir bemerkbar macht, schrecke ich aus meinen Gedanken. Sie schaut besorgt. >>Yuno, ist alles in Ordnung? Du bist heute etwas blasser als sonst. Hast du dich vielleicht mal wieder erkältet?<< Ich schüttle meinen Kopf. >>Nein keine Sorge, mir geht es gut. Wirklich. << Mit einem Lächeln versuche ich sie abzulenken. Sie nickt etwas zweifelnd. >>Kannst du schonmal ins nächste Café gehen? Ich möchte schnell jemanden besuchen, den ich auf einer Shoppingtour kennen gelernt habe. Sie ist zufällig auch gerade hier in der Stadt.<< Ich bejahe und schaue ihr nach, wie sie wieder ein Stück zurück geht, und in einer Ladentür verschwindet. Dann schaue ich in den Himmel und laufe langsam los. Ich gebe zu, dass ich gelogen habe. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, aber was soll ich denn sagen?
Ja mir geht es wirklich schlecht, aber mach dir keine Sorgen? Nein, dann würde sie sich erst recht Sorgen machen. Ich werde einfach morgen früh zur Krankenschwester gehen, und mich untersuchen lassen. Seufzend betrachte ich meine Hand und suche dann das Café. Dort angekommen schreibe ich Kyla den Namen des Lokals und setze mich an einen leeren Tisch. Nachdenklich studiere ich die Karte und nur wenige Augenblicke später kommt auch meine Begleitung wieder. Bei einer jungen Kellnerin bestellen wir Kakao und Kuchen.
So reden wir eine ganze Weile über dies und das. Als ich auf die Uhr schaue, fällt mir auf wie spät es bereits ist. >>Es ist schon ziemlich spät. Wir sollten langsam zurück gehen. << Sie nickt. >>Ja, nicht dass dein Chauffeur zu lange warten muss. << Ich bezahle unter Kylas Protest alles und stehe auf.
Schweigend aber lächelnd laufen wir nebeneinander her. Als wir an einer Bäckerei vorbei laufen, bleibe ich stehen. >>Warte kurz, ich bin gleich wieder da.<< Mit diesen Worten gehe ich rein, ohne auf eine Antwort zu warten. An der Theke kaufe ich einen Becher Kaffee und ein Stück Kuchen und ein paar Weihnachtsplätzchen. Dankend gehe ich wieder raus. Kyla mustert mich nur verwirrt. >>Wir haben doch eben erst gegessen, und ist das Kaffee?<< Ich lache. >>Keine Sorge, das ist nicht für mich. Ich danke meinem Fahrer immer, indem ich ihm etwas mitbringe. Und was ist jetzt bei der Kälte besser als ein heißes Getränk? << Sie schmunzelt. >>Obwohl er sicherlich für seinen Dienst bezahlt wird, bekommt er trotz allem immer noch etwas von dir. Diese tolle Eigenschaft habe ich noch nie bei jemandem gesehen. << grinsend gehen wir weiter.
An dem Platz angekommen sehe ich ihn bereits. Er steht vor dem Auto und reibt sich etwas die Hände. Na, ich bin doch gut im Denken. Ich reiche ihm das Geschenk und lächle dabei. >>Danke, dass du uns heute gefahren hast. Ich habe dir wie immer etwas mitgebracht. << Er lächelt dankbar. >>Danke junge Lady<< Er zwinkert mir zu und öffnet mit der anderen Hand unsere Tür. Ich steige als erstes ein, dann Kyla. Als die Tür sich schließt, steigt auch unser Fahrer ein. Ich kenne Anthony schon seit ich klein bin. Er war schon immer mein Chauffeur, wenn Dad nicht Fahren konnte. Und das war durch seine Arbeit wirklich sehr oft.
Lächelnd trinkt er seinen Kaffee und fährt dann los. Anfangs wollte er meine Geschenke nicht annehmen, weil er meinte, dass mein Vater ihn ja dafür bezahlt, aber irgendwann hat er bemerkt, dass mir das völlig egal ist. Da er nicht immer Tage lang hier her fahren kann, wenn ich seine Dienste benötige, wohnt er in einem Haus ganz in der Nähe, um immer schnell hier zu sein. >>Du Anthony?<< Er schaut leicht nach hinten, konzentriert sich jedoch weiter auf die Fahrbahn. >>Ja Prinzesschen?<< Ich überlege kurz. >>Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht. Was machst du eigentlich, wenn ich dich nicht rufe. Du wirst doch sicherlich nicht den ganzen Tag rumsitzen oder?<< Er lacht. >>Naja, sozusagen schon. Ich bin wie du sicherlich schon damals mitbekommen hast, nicht nur dein Fahrer. << Ich nicke. >>Ja, du hast Vater immer bei dem ganzen Papierkram geholfen, und Telefonate getätigt, aber über diese Distanz kannst du ihm ja schlecht bei den Akten helfen. << Er betrachtet mein Gesicht im Rückspiegel und grinst verschmitzt. >>Und ob das geht. Er sendet sie mir einfach per Post oder E-Mail zu. Ich arbeite sie durch und schicke es dann zurück. Und telefonieren kann ich auch so.<< Kyla kichert. >>Also doch kein Faulenzen.<< Ich stimme ein.
Während wir drei uns unterhalten, vergeht sie Ziemlich schnell. Es ist schon später Nachmittag, als wir auf dem Parkplatz einparken. Kyla und ich steigen aus, verabschieden uns und schauen ihm nach, als er mit einem Lächeln davon fährt. Meine Freundin staunt. >>Wow, du hast echt ein gutes Band zu ihm. Wie lange fährt er schon für dich?<< Sie betrachtet mich eingehend.>>Das ist schon von Anfang an so. Ich ging ja damals noch in den Kindergarten und dann anfangs in die Grundschule. Als ich 7 war, also in der zweiten Klasse, bekam ich dann einen Hauslehrer. Dad wollte mich zwar eigentlich anfangs trotz meines Wissens auf eine Schule gehen lassen, aber da ich dort schlecht behandelt wurde, wollte er sich das nicht länger mit ansehen. Zu der Zeit hat mich Anthony auch nicht mehr gefahren. Wohin sollte ich auch gehen? Ich hatte keine Freunde, ging nicht zur Schule. Als ich dann älter wurde, fuhr er mich dann zum Schoppen. Wir waren meistens dann zusammen unterwegs, damit ich nicht verloren ging. << Bei den Erinnerungen daran kann ich mir das Lachen nicht verkneifen.
>>Das war eine lustige Zeit, denn wie du mich ja kennst, ging ich tatsächlich irgendwann mal abhanden haha. Er hat mich dann stunden lang gesucht. Als er mich fand, nahm er mich vor Freude so fest in die Arme, dass ich fast zerdrückt wurde. Er hatte damals wirklich Angst um mich gehabt. Du musst wissen, dass es damals sehr viele Gefährliche Leute in unserer Stadt gab. Und ich war damals erst 10. Da kannst du dir sicherlich zusammenreimen, was ihm zu dem Zeitpunkt durch den Kopf ging. <<
Kyla wirkt ruhig. >>Ich habe ja deinen Fahrer schon öfters getroffen, wenn wir shoppen waren, aber ich hätte irgendwie gedacht, dass er mehr so nur seinen Job macht, und sonst nichts. Aber es scheint eher so, als wäre er ein Familienmitglied. << Ja da hat sie recht, Ich habe wirklich viel mit ihm erlebt.
Während wir uns weiter unterhalten, gehen wir rein. Die Gänge sind jetzt so gut wie leer. Die meisten sind ja sowieso schon abgereist, und die anderen sitzen größtenteils gerade in der Cafeteria . Da wir keinen Hunger haben, gehen wir sofort in unsere Zimmer.
Ich räume das Kleid in meinen Schrank, und die Geschenke in eine Kiste unter meinem Bett. Kurz übermannt mich ein leichter Schwindelanfall, dann geht es mir plötzlich wieder gut. Habe ich mir das etwa nur eingebildet? Sicherlich. Ich nehme mir eine Flasche Wasser und leere sie. Dann werfe ich mich aufs Bett und schlafe sofort ein.
>> Yuno, komm zu mir, folge mir<< Ich schlage meine Augen auf und befinde mich auf einer Blumenwiese. >> Wer ist da?<< Die Stimme führt mich weiter weg. >>folge mir<< Ich laufe dem wunderschönen Klang nach, als sie zu singen beginnt. >>Wer bist du?<<
Vor mir taucht eine Frau auf, deren Gesicht mir bekannt vorkommt. >>Ich bin deine Mutter. Komm mit mir und lass uns mit den Feen tanzen.<< Ich senke meinen Blick. >>Du bist tot Mama, wenn ich dir folge, dann<< Sie lächelt. >>Ja, das stimmt. Wenn du mir folgst, wirst auch du sterben. Aber sei unbesorgt, du wirst keine Schmerzen haben<< Sie streckt ihre Hände in meine Richtung. Zögernd gehe ich einen Schritt zurück. >>Du bist nicht meine Mutter. Sie würde nicht wollen, dass ich auch sterbe. Erzähl mir keine Lügen.<< Langsam löst sie sich auf. >>Du hast es also bemerkt. Heute Nacht hast du nochmal Glück<<
Mit einem Keuchen wache ich wieder auf und berühre meine Verletzte Hand mit der anderen. Mein Blick fällt aus dem Fenster. Draußen ist alles dunkel, doch erkenne ich durch die Laternen, dass es wieder schneit. Morgen früh wird alles wunderschön weiß sein. So wie die Blumenwiese aus meinem Traum. Nein, ich werde nicht sterben. Ich muss für Mutter und Vater und für Dad, Mike, Kyla und Mia sowie für Yara, Herrn Davis und Frau Jane weiterleben. Ich darf jetzt nicht aufgeben. Immerhin ist doch das Leben viel zu kurz. Und ich bin erst 17 Jahre alt. So jung sollte ich nicht diese Welt verlassen. Es gibt Menschen, die mich lieben. Menschen die ich liebe. Menschen, die für mich da sind, egal was passieren mag.
Leise beginne ich zu singen.
I knock the ice from my bones
Try not to feel the cold
Caught in the thought of that time
When everything was fine
Everything was mine
Everything was fine
Everything was mine
Starr blicke ich an die Decke. Es gibt sicher immer etwas, das einen hält.
All the king's horses and all the king's men
Couldn't put me back together again
All the king's horses and all the king's men
Couldn't put me back together again
Run with my hands on my eyes
Blind, but I'm still alive
Free to go back on my own
But is it still a home
When you're all alone?
Wenn ich jetzt daran denke, dass ich damals niemanden außer Dad und mir selbst hatte, geht es mir heute verhältnismäßig Gut. Ich habe eine Familie und viele neue Freunde.
Is it still a home
When you're all alone?
There is a reason I'm still standing
I never knew if I'd be landing
And I will run fast, outlast
Everyone that said no
Natürlich stimmt es, dass meine eigenen, richtigen Eltern starben. Aber sie würden sicher nicht wollen, dass ich ihnen mein ganzes Leben lang hinterher trauere.
Ich muss langsam nach vorne sehen und mich aufraffen. Wenn es mir morgen nicht besser geht, werde ich erstmal zur Krankenschwester gehen. Das komische ist ja, dass ich mich nicht daran erinnern kann, jemals in meiner Kindheit so oft krank gewesen zu sein. Eigentlich war ich eher das Gegenteil. Immer energiegeladen und Gesund. Doch so oft wie ich jetzt schon im Krankenhaus oder in Ärztlicher Untersuchung war, konnte nie etwas Schwerwiegenderes erkannt werden. Meistens war es meine Schuld, weil ich mich überanstrengt, Tage lang nichts gegessen und getrunken habe, oder ich einfach mal zwischendurch eine stärkere Grippe hatte. Naja, und dann waren da noch die Zeiten, in denen ich Verletzt war.
Es muss ja etwas sein, was meinen Körper dauerhaft schwächt. Das haben zu mindestens die Ärzte gesagt, wenn sie sich meine Krankenakte ansahen.
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5031 Wörter
@BenKato und sein neuer Char ohne Namensnennung sind auch wieder drin
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