Kapitel 5.3 - Das Schloss von Windsor
Die drei Kutschen fuhren den Zufahrtsweg hinab. Die Beauforts mit Rickard und ihrem Gepäck waren im vordersten Gespann, gefolgt von der Kutsche in der Isabella, Dustin und Elaine sassen. In der letzten Kutsche sass Alice allein, bewacht von Alfred auf dem Kutschbock, Alec und einem weiteren seiner Soldaten, welche das Gespann flankierten. Bevor sie die Kurve erreichten, zügelte Alec Arac und warf einen Blick auf das Herrenhaus seiner Eltern. Er wusste, dass er jederzeit zurückkehren könnte, um es zu sehen. Merkwürdig, als ihn die Pflicht hierher verbannt hatte, hatte er sich in diesem Haus eingesperrt gefühlt, aber nun verband er nicht mehr die verhasste Zeit nach dem Tod seiner Mutter damit, sondern die Kindheitserinnerungen und die wunderschöne Zeit in den letzten Monaten. Dustin war hier geboren worden und dies war mitunter das schönste Erlebnis, das er je erlebt hatte. Arac stampfte mit dem linken Vorderhuf und holte Alec aus seinen Gedanken. Die Kutschen waren bereits hinter der Kurve verschwunden. Alec lockerte die Zügel. Sein wundervoller Araber sprintete in einen Galopp und holte die Reisenden binnen weniger Minuten wieder ein.
Am frühen Abend passierten sie das Schlosstor in Windsor Castle und die Diener entluden ihre Kutschen.
„Mylord, ich bin erfreut Euch wieder zu sehen", sagte Mister Tattles und machte eine tiefe Verbeugung. „Mister Ferris wird Sie erneut als Kammerdiener begleiten Mylord, falls Sie damit einverstanden sind."
„Selbstverständlich", sagte er erfreut und nickte Ramsey zu. „Ist der Marquess of Derby schon hier?"
„Oh ja Mylord, ebenso wie der Duke of Pembroke und der Duke of Cornwall. Fast alle sind bereits eingetroffen Mylord." Hinter ihm hörte er, wie Isabella mit einem schreienden Dustin aus der Kutsche stieg.
„Sch... sch", murmelte sie.
„Was benötigt er?", fragte er fürsorglich.
„Ich glaube er hat Hunger." Sie wiegte ihn in ihren Armen hin und her.
„Mylady", sagte Mister Tattles machte eine Verbeugung.
„Können Sie uns eine Amme besorgen Mister Tattles?", fragte Alexander. Der Dienstbote nickte:
„Natürlich Mylord. Ich werde eine in Ihre Gemächer schicken. Ramsey, zeig den Herrschaften ihre Gemächer." Ramsey nickte eifrig und brachte sie ins Schloss. Elaine erhielt ein Gemach ganz in der Nähe. Ramsey öffnete die Tür und liess Isabella eintreten.
„Eine Wiege steht schon bereit Mylord, Mylady", erklärte Ramsey. „Ihre Kammerzofe wird bald hier eintreffen Mylady." Isabella legte Dustin in die Wiege und liess sie schaukeln.
„Wir benötigen eine Kinderfrau für Dustin", erwiderte sie an Ramsey gewandt.
„Mylady, die Duchesse of Cornwall liess ausrichten, dass Master Dustin ins Kinderzimmer von Lady Annabeth und Lady Sophie gebracht werden soll, wenn es von Nöten ist." Isabella bedankte sich und Ramsey verliess ihr Gemach. Alec begann sich zu entkleiden und lief ins Ankleidezimmer:
„Morgen müssen wir einen Schneider finden, der uns einkleidet. Hier ist der gesamte englische Adel versammelt und die Krönungsfeier wird äusserst pompös und förmlich sein." Isabella lächelte ihn an:
„Dann bin ich beruhigt, denn leider besitze ich fast keine vornehmen Kleider mehr." Sie kam zu ihm und legte ihre Arme um seine Hüften „Und ich fürchte, obwohl die Kleider deiner Mutter hübsch sind, so würden sie hier am Hof wohl keine positive Resonanz erhalten." Alec strich ihr die Haare zurück:
„Wohl war meine Rose."
„Ich wüsste auch schon, welche Schneiderin ich wählen würde." Alec legte sie in seine Arme und beugte sich zu ihr hinab:
„Ach ja", hauchte er an ihrem Hals und knabberte sanft an ihrer weichen Haut. Erfreut begann sie zu lachen:
„Jaa... sie hat mir meine beiden Dienstbotenkleider genäht."
„Ich kann mich schwach erinnern", sagte er mit einer tiefen Stimme. Isabella lächelte und er senkte seinen Mund auf ihren. Er überwältigte sie und zog sie mit sich.
Alexander hatte dafür gesorgt, dass Elaine und seine Frau richtig eingekleidet worden waren. Isabella hatte ihm Miss Beyron vorgestellt. Die Schneiderin hatte sich noch gut an sie erinnert. Im Nu hatte sie für Isabella und Elaine eine Garderobe zusammengestellt, die einer Königin würdig gewesen wäre. Alexander hingegen benötigte keine neuen Kleider. Er würde, wie jeder Soldat, der an den königlichen Eid gebunden war in seiner Montur, mit dem Emblem seines Hauses, an der Feier teilnehmen. Als sie die Einkäufe erledigt und noch kurz in einer Buchhandlung Halt gemacht hatten, war Isabella vor der London Bridge stehen geblieben. Alexander schloss sie in seine Arme und hatte wissen wollen, was sie so erschütterte. Nach längerem Schweigen gestand sie ihm, dass sie hier für ein paar Wochen unter der Brücke genächtigt hatte. Die Neuigkeit hatte tief in ihm für Unruhe gesorgt. Wenn er daran dachte, was seine Frau alles erlebt und wie alleine sie sich durchgekämpft hatte, schwoll die Wut auf Talbot und seine Familie erneut in ihm an. Auch als sie hinabstiegen und Alec ihren Schlafplatz gesehen hatte, besserte sich seine Laune kaum. Ihr Pergament lag nicht mehr unter dem Ziegelstein, so wie sie es vermutet hatten. Alec hatte sie schützend in seine Arme genommen und von der Brücke weggeführt. Er stieg mit den beiden Damen in ihre Kutsche und sie holperten in den Palace of Westminster zurück.
Alexander stand vor dem grossen Standspiegel, während Ramsey ihm die Kleidung anlegte. Isabella sass auf einem kleinen Hocker vor einer Frisierkommode und ihre Kammerzofe behängte sie soeben mit einer strahlenden Kette aus sattroten Rubinen. Ihr Haar wurde oben durch glänzende Kämme zusammengehalten, während ihre wilden Locken prachtvoll hinunter hingen. Ihr Kleid hatte einen viereckigen Ausschnitt, der reich bestickt war. Die langen Ärmel waren luftig und endeten in einem goldenen Bündchen an ihren Handgelenken. Das Dunkelrot des Kleides war mit goldenen Fäden durchzogen, welche ein Muster ergaben. Sie wandte ihren Kopf hin und her und betrachtete ihr Erscheinungsbild. Alexander hatte seine Ehefrau noch nie in solch eleganten Kleidern gesehen.
„Mylord?", fragte Ramsey und Alec richtete seinen Blick wieder auf seine Erscheinung. Ramsey schnürte ihm soeben die Schuhe und legte ihm einen Umhang um die Schultern. Er besah sich seiner Erscheinung und wandte sich dann um:
„Danke Ramsey." Dieser verneigte sich. „Ramsey", begann Alec. Der Junge horchte auf. „Ich habe mich gefragt, ob du nicht Interesse hättest mein Kammerdiener auf Carlisle Castle zu werden? Ich weiss selbstverständlich, dass der Hof des Königs allerlei interessante Zerstreuungen bietet, aber"
„Es wäre mir eine Ehre Mylord", unterbrach ihn Ramsey hastig und strahlte über sein gesamtes Gesicht. Alec musste sein Grinsen unterdrücken:
„Das freut mich sehr, wenn das so ist, würde ich mich mit Mister Tattles unterhalten."
„Sehr gerne Mylord." Ramsey und die Kammerzofe verliessen ihr Gemach und Isabella trat auf ihn zu:
„Einen Kammerdiener? Auf Carlisle?", schmunzelte sie. Alec seufzte:
„Der Junge hat ein gutes Herz... Auch wenn es nur eine Burg ist und ich bisher nicht viel Wert auf Etikette gegeben habe, so habe ich nun dich." Er küsste ihre Hand galant: „Eine Dame der höheren Gesellschaft und wir haben einen Sohn. Wenigstens einer auf meiner Festung sollte wissen, wie man sich zu Kleiden und zu benehmen hat, wenn einmal ehrwürdiger Besuch bei uns erscheint", lachte er und Isabella stimmte mit ein. An diesem Abend erfüllte Alexander seine Pflicht und stellte seine Ehefrau offiziell in der Peerage vor. Alle waren sie neugierig auf seine schottische Braut und sie umgarnten sie, sehr zu seinem Leidwesen. Er stand abseits und liess seine Augen auf ihr ruhen. Der würzige Wein erfrischte seinen Gaumen und er liess seinen Blick schweifen. Rickard und Penny wirbelten tanzend an ihm vorbei. Ihre Verlobung war das neue Ereignis der Woche. Alle Matronen und Anstandsdamen hatten nun ein besonders waches Auge auf die beiden frisch Verliebten. Seine Augen fanden Elaine. Sie sass zwischen Marie Beaufort und Margareth de Ferres. Er sah, wie sie sich bemühte, dem Gespräch aufmerksam zuzuhören, doch er kannte seine Schwester. Die letzten Wochen hatten ihr zwar Zeit gegeben den Schock zu verarbeiten, aber die zugefügte Wunde war tief. Er konnte nur hoffen, dass sie in Carlisle den nötigen Abstand erhielt und sich rasch wieder erholte. Der Thron des Königs war, wie es üblich war, leer. Erst wenn der König vereidigt wurde und von den Räten angenommen, so konnten er und seine Gemahlin den Thron besetzen. Er stellte sein leeres Weinglas auf das Tablett eines vorüberhuschenden Dieners und schlenderte zu seinem Freund hinüber. James und seine Brüder, Howard und Edward, schienen sich gerade zu amüsieren. Sie grinsten schelmisch und hörten nicht, dass Alec sich ihnen näherte. „Was ist so amüsant?", fragte er neben ihnen und liess sie zusammenzucken. Alle verstummten, als hätte er sie bei etwas Verbotenem erwischt. Die Zwillinge glotzen ihn überrascht an und James brummte:
„Ach Alec, was schleichst du dich so an?", er kippte sein Glas die Kehle hinunter. „Man könnte glauben, du bist immer noch im Krieg." Alec sah ihn mit erhobener Augenbraue an. Seufzend erklärte James: „Deine Frau ist ein äusserst charmantes Geschöpf", und etwas säuerlich fügte er an, „ich bin fast neidisch, dass ich dies nicht schon in Cornwall erkannt habe." Das hätte seinem Freund wohl gefallen.
„Nun ja, du hättest sie selbst dann nicht für dich gewinnen können", lachte Alec und die Zwillinge prusteten lauthals los. James verzog seine Miene als wäre sein Wein äusserst bitter gewesen. Als sich die Zwillinge wieder beruhigt hatten, fügte Alexander hinzu: „Soso meine bezaubernde Frau ist also euer Gesprächsthema... sollte ich mich sorgen?", stichelte er in gespielt erstem Ton.
„Natürlich nicht!", meinte Howard sofort und sein Lachen erstarb. Nur Alexanders engste Vertraute erkannten seinen trockenen Humor und seine durchaus zynische Ader. Aussenstehenden fiel dies deutlich schwerer.
„Wir hatten nur die Befürchtung, sie könnte bei all dem Ansturm beinahe untergehen und benötigt unsere Hilfe" grinste James und benetzte seine Lippen mit dem Wein.
„Und dann wärst du ihr zu Hilfe geeilt?" fragte Alexander spitz. Sein Freund nickte und machte einen ausladenden Knicks:
„Immer zu Diensten bei Ladies in Nöten." Alec schüttelte den Kopf:
„Wenn jemand sie rettet, dann bin wohl ich derjenige", schmunzelte er und liess seine Freunde stehen. Er schlenderte hinüber zu seiner Frau, machte eine kurz angedeutete Verbeugung: „Verzeihung meine Damen, ich muss nun meine bezaubernde Ehefrau für den nächsten Tanz entführen." Die Matronen nickten mit dem Kopf und die etwas Jüngeren begannen hinter ihrem Handfächer zu kichern. Ihre Hand bettete er in seine Armbeuge und führte sie auf die Tanzfläche.
„Danke", hauchte sie an sein Ohr. Ausgelassen und fröhlich absolvierte er mit ihr einige Tänze. Alexander genoss es ausserordentlich seine Ehefrau in der Peerage herumzuführen, doch er war ebenso sehr erleichtert, dass sie fortan ganz weit im Norden in Carlisle lebten und er seine Isabella für sich ganz alleine hatte. Als sie beide ausser Atem waren geleitete er sie zur Seite. Er reichte ihr ein Glas von dem erfrischenden Würzwein und sie stürzte ihn hastig hinunter. Ihre Wangen waren gerötet, aber sie lächelte glücklich. „Es hat unglaublich Spass gemacht", schwärmte sie, „aber nun bin ich erschöpft, ich fürchte ich muss in unser Gemach zurückkehren", dann sagte sie in einer weicheren Stimmlage, „und Dustin möchte ich holen. Ich kann nicht ohne ihn einschlafen."
„Dann lass uns heimlich von hier fortgehen", meinte er und zog sie von ihrem Stuhl. Am Rande des Saales führte er sie an all den Stühlen und Tischen vorbei, bis sie den Korridor erreichten. Isabella beschleunigte ihre Schritte und rannte Alec davon. Am Ende der Abzweigung hielt sie an und wandte sich um. Dicht war er ihr gefolgt und sie unterdrückte einen Aufschrei, weil sie nicht damit gerechnet hatte. Mit glänzenden Augen sah sie zu ihm auf und ihre Lippen waren köstlich gerötet. Er packte sie um ihre Taille und presste sie an sich. Seine Lippen fuhren nieder und er küsste sie. Voller Sehnsucht und Leidenschaft liess sie ihn gewähren, doch dann stemmte sie sich von seiner Brust ab:
„Lass uns Dustin holen und in unser Gemach gehen." Bevor er Etwas erwidern konnte war sie weiter den Korridor entlang gehastet, um zu ihrem Sohn zu gelangen. Den restlichen Abend verbrachten sie zufrieden zu dritt in ihrem Gemach.
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