18 - Die purpurne Ranke (1)

Ein pochender Schmerz hinter ihrer Stirn begann sie von dem Augenblick an zu peinigen, als sie ihre Augen wieder öffnete. Wie lange war sie nicht bei Bewusstsein gewesen und, was viel wichtiger war, wie war es dazu gekommen, dass sie von einem Moment auf den anderen auf ihrem Wühlerfell liegend aufwachte, ohne auch nur zu wissen, wie sie dahingekommen war?

Einzig eine Flut undefinierbarer Bilder rauschte an ihrem inneren Auge vorbei, als sie versuchte sich die Geschehnisse wachzurufen, die zu jener Lücke in ihrer Erinnerung geführt haben könnten.

Doch fiel es ihr schwer sich zu konzentrieren, wenn sie dabei das Gefühl hatte, als würde eine Herde Hornböcke durch ihren Kopf stürmen.

Sie sah wie Boko, in sich zusammengesunken, gegen die Wand ihrer Hütte gelehnt saß und vor sich hin schlummerte. Es war ihr erster schöner Gedanke, dem sie sich bewusst wurde, nachdem sie wieder inmitten des Hier und Jetzt zu sich gekommen war.
Die treue Seele ihres Vaters würde nicht von ihrer Seite weichen, wenn sie es nicht verlangen würde. Auf seine Knie war der ehemalige Kaymo niedergegangen und hatte ihr geschworen, sie zu beschützen. Vor was, erwähnte er dabei jedoch nicht. Suki war sich sicher, dass sie seinen Schutz nicht wirklich benötigte. Sie war schließlich nicht in Gefahr, oder?

Trotz des unablässlichen Wummerns in ihrem Kopf konnte Suki sich langsam wieder daran erinnern, was vor ihrer Ohnmacht passiert war, was schließlich auch zu jener Sache führte, die sie letztendlich ausgelöst hatte.

Wo war der junge Kumaro abgeblieben? Und wie war doch gleich sein Name gewesen?

Ihr Blick wanderte unweigerlich zu ihren beiden Handflächen, die sie genauestens musterte, so als würde sie etwas darin vermuten. Zunächst fiel ihr Blick lediglich auf eine rotglühende Wunde, die sich quer über ihre komplette rechte Handinnenseite zog, doch dann blitzte es wieder auf. Sie erinnerte sich. Dieses Leuchten. Etwas in ihrer Hand hatte geleuchtet, bevor sie vom Schwarz umhüllt wurde. Nur war da nun nichts mehr. Ihre beiden Hände waren leer.

Auch wenn es keine gute Idee gewesen war sich auf die Seite zu drehen, ihr Kopf fühlte sich an, als stünde er kurz vorm Zerbersten, so ließ sie dennoch aufgeregt ihren Blick über den Boden schweifen, in der Hoffnung sie könne dort jenes undefinierbare Objekt erspähen, welches sich mutmaßlich für alles verantwortlich zeichnete, was seither mit ihr geschehen war.

Wenn doch diese Schmerzen im Kopf nur nicht gewesen wären. Wie gerne hätte sie ihre Suche intensiviert, doch würde ihr Körper sie wohl nur wieder zurück in ihre traumlose Welt schicken, wenn sie sich überanstrengen sollte. Sie entschied sich dazu sich wieder auf den Rücken zu drehen und versuchte die Fragmente ihrer Erinnerung wieder zusammenzusetzen.

Kwuzu'u lautete der Name des Jungen. Es war das erste entfallene Bruchstück, welches sie aus den Tiefen ihrer Gedanken wieder hervorkramen konnte. Verängstigt hatte er gewirkt, als er ihr jenes leuchtende Ding in die Handfläche gedrückt hatte.

Als nächstes erinnerte sie sich an ein seltsames Gefühl, das ihren Körper durchfuhr. Am ehesten konnte man es mit den Streicheleinheiten des heißen Wasserdampfes aus der Weltenwunde vergleichen, die sie zuletzt noch mit Di zusammen besucht hatte. Nur das sie es nicht auf der Haut verspüren konnte, sondern eher darunter.

Immer wieder kamen ihr Umrisse von Bildern in den Sinn, die sie jedoch nicht wirklich erfassen konnte. Kaum das sie glaubte, etwas erkennen zu können, war das Gesehene auch schon wieder vor ihrem Auge verschwunden. Ihr Kopf schmerzte nur noch mehr, je stärker sie versuchte sich zu erinnern.

„Gara, Gara", hörte sie auf einmal Kwuzu'u in ihrem Kopf rufen und als hätte sie die Worte soeben selbst laut ausgesprochen, regte sich Boko geräuschvoll. Er schien aufgewacht zu sein und so schnell, wie er sich wieder auf die Beine hievte, glaubte Suki auch nicht daran, dass es ein freiwilliges Schläfchen gewesen war, welches er dort abgehalten hatte.

Aufgeregt kam er zu ihr herüber und kniete sich vor ihren Schlafplatz nieder.

„Geht es dir gut? Kann ich dir irgendetwas bringen?", fragte er prompt und wirkte dabei beinahe so aufgelöst wie ihre Tante Aneka. Zumindest wenn diese denn im Körper eines Mannes stecken würde, hätte in diesem Moment akute Verwechslungsgefahr bestanden.

Suki deutete auf eine Schale Wasser, die ihr der Kaymo schließlich reichte.

Schon alleine das Aufrichten, um einige Schluck zu sich zu nehmen, ließ ihren Kopf derart dröhnen, dass sie um ein Haar in ihre Ausgangslage zusammengeklappt wäre, hätte Boko sie nicht an ihrem Rücken abgestützt.

Zwar fühlte sie sich nach dem Genuss des frischen Wassers ein wenig besser, doch noch immer zu schwach um Boko eine Antwort zu geben.

Behutsam legte dieser ihren Kopf zurück auf die Felldecke und schien sichtbar erleichtert, als Suki ihm ein Lächeln schenkte und ihm damit signalisierte, dass er sich nicht um sie sorgen müsse.

„Du warst beinahe eine Wachzeit weg. Ich wusste, dass du deine Verletzungen nicht auf die leichte Schulter hättest nehmen sollen, aber in dieser Hinsicht warst du schon immer ganz dein Vater", erzählte er, wobei es ihm ebenfalls die Mundwinkel ein wenig in Richtung seiner Ohren zog, als er jene Gemeinsamkeit von Vater und Tochter erwähnte.

Doch in einem Punkt hatte Boko Unrecht. Es waren nicht ihre Wunden gewesen. Auch wenn die Behandlung mit dem Wundwurz schmerzhaft und anstrengend gewesen war, so hatte es sich doch damit erledigt gehabt, war sie sich sicher.

Nein, ihre Kopfschmerzen waren einzig und allein die Ursache dieses klumpenförmigen Dings, welches Kwuzu'u ihr überreicht hatte.

Suki hob ihren rechten Arm, öffnete und schloss ein paar Mal ihre Faust und versuchte so den grauen Krieger nach dem Verbleib jenes Geschenks des Kumaro zu fragen. Es dauerte nicht lange, bis dieser die richtigen Schlüsse aus ihren Bewegungen zog, er aufstand und etwas von dem nahestehenden Tisch klaubte, welchen Suki an die Wand neben der Eingangstüre geschoben hatte.

Als er zu ihr zurückkam, hielt er es in seiner rechten Hand und Suki vor die Nase.

Sie nickte und begutachtete das durchsichtige Etwas, dass eher wie ein Splitter, denn wie ein Klumpen aussah, genauestens. Wovon es möglicherweise abgesplittert sein könnte, konnte sie jedoch nicht sagen, denn nie zuvor hatte sie etwas Vergleichbares gesehen. Kein Stein, keine Pflanze und auch sonst nichts, dass ihr bekannt gewesen wäre. Am ehesten hätte man es als ein festes, unverformbares Stück Wasser bezeichnen können, doch war ihr selbst klar, wie unsinnig das klang.

„Ich muss zugeben", brummte Boko mit nachdenklicher Stimme, „dass ich so etwas noch nie gesehen habe."

Immer wieder ließ er sein Handgelenk kreisen, begutachtete den Gegenstand dabei von allen Seiten und ließ ihn schließlich in seiner geschlossenen Faust verschwinden. Suki hatte jede seiner Bewegungen genauestens verfolgt, doch das Erwarten eines neuerlichen, von dem Splitter ausgehenden, Leuchtens blieb unerfüllt.
Es verwunderte sie zudem, dass Boko absolut nichts dabei zu empfinden schien, als er ihn in Händen hielt. Zu gerne wäre sie dem Gedanken ausgewichen, doch musste sie sich unweigerlich fragen: War oder wurde sie möglicherweise verrückt?

Sie erinnerte sich prompt an die Geschichte von Venka, einer alten Frau, die lange vor Sukis Geburt in ihrer Siedlung lebte. Nachdem man ihren Mann den letzten Flammen übergeben hatte, vertraute sie sich dem damaligen Kaysu Leko an und erklärte diesem, ihr toter Geliebter würde aus dem Nebel zu ihr sprechen. Sie fing an sich selbst zu verletzten, kratzte sich die Haut blutig und riss sich die Haare aus, dies immer damit erklärend, die Ahnen würden ihr Bilder von einer erschreckenden Zukunft zeigen und das diese nicht zu verhindern wäre.

Die Erzählungen, sofern sie überhaupt derart ausführlich vorgetragen wurden, endeten zumeist abrupt damit, dass Venka starb.

Nur die Wenigsten, so auch ihre damalige Freundin Asa, erzählten die Geschichte in all ihren Einzelheiten bis zum Ende. Suki wusste bis heute nicht, wer Asa wiederum die vollständige Erzählungen vorgetragen hatte.

Die alte Frau beschloss irgendwann, gepeinigt von den Stimmen und Bildern in ihrem Kopf, jene Zukunft, vor der sie sich so fürchtete, zu verändern. Sie zog mit einem angespitzten Stock los und ermordete den Jungen, der ihren Mann den Flammen übergeben hatte. Auch dessen Schwester, ein Mädchen, welches noch nicht groß genug war eine Fackel zu tragen, musste sterben. Ebenso ein drittes Kind, auch ein Mädchen, welches schwer verletzt wurde, so dass ihm das Glück eines schnellen Todes verwehrt blieb. Erst nach längerem Leiden durfte auch sie endlich ihre Augen für immer schließen.

Dabei sprachen manche noch von einer Erlösung und vergaßen dabei, dass es fast schon eine Beleidigung darstellte, angesichts eines Mordes, noch von einer Erlösung zu sprechen.

Bevor Venka noch weiteren Schaden anrichten konnte, überwältigten einige beherzte Bewohner der Siedlung die Frau und übergaben sie dem Kaysu, der sie zum Tod durch die „Purpurne Ranke" verurteilte.

Dabei wird dem Todgeweihten der hochgiftige Saft der namensgebenden Pflanze unter die Haut geritzt, was dazu führt, dass einem innerhalb eines Augenblickes das Herz stehen bleibt und sich der Körper anschließend purpurn verfärbt. Und erst wenn die Käfer und Maden sich an dem Toten sattgefressen haben, wird der Körper schließlich den Flammen übergeben, auf das dieser gezeichnet vor die Ahnen treten muss.

Natürlich spürte Suki nicht das Verlangen jemanden umzubringen, doch in ihren schemenhaften Erinnerungen waren ebenfalls leise murmelnde Stimmen zu vernehmen. Ob diese zu ihr sprachen konnte sie nicht sagen. Ja, sie wusste ja nicht einmal sicher, ob es wirklich Stimmen waren, die sie glaubte zu hören oder ob sie, wie das in manchen Träumen eben üblich war, nur Traum und Wirklichkeit miteinander vermischte und somit jene Geräusche wahrgenommen hatte, die sie zu jener Zeit gerade umgaben. Sicher war es Letzteres gewesen. Der Nebel sprach schließlich nicht mit einem. Er war schon immer stumm gewesen. Und Venka war nichts weiter, als eine kranke, alte Verrückte. Eine Kindsmörderin.

Und die letzte Person, die durch das Urteil eines buranischen Kaysu hingerichtet wurde.

„Was möchtest du damit machen, Suki? Willst du es um den Hals tragen oder soll ich es für dich verwahren?", platzte Boko inmitten ihrer kleinen Träumerei.

„Immerhin war es ein Geschenk an deinen Vater", schob er hinterher. Ebenfalls ein scheinbar wichtiges Detail, welches Suki entfallen war. Der Kumaro hatte von einem Geschenk des großen Mannes aus dem Wasser gesprochen, welches er ihrem Vater überbringen sollte. Was bedeutete das? Wer war dieser Mann gewesen, von dem er dieses Ding bekam? Und welchen Zweck sollte es erfüllen? Die Fragen brannten förmlich auf ihrer Zunge, doch gehorchte diese nicht mehr ihrem Willen. Ihre Augenlider waren so schwer, als wären sie aus Stein. Das Verlangen nach Ruhe und Schlaf war stärker. Ihr eigener Körper obsiegte über ihren, nach Antworten dürstenden, Geist und ließ sie erneut in ihre Traumwelt gleiten.

Sie bewegte sich durch diese fremde Welt, welche gefüllt war mit merkwürdigen Dingen, die sie nicht verstand. Eine Welt, die so grell vor ihr erschien, dass ihre Augen dabei schmerzten. Zwar wartete dort das Leben, doch am Ende nur der Tod. Ähnliches galt für die nächste Welt, in die ihre Gedanken sie zu entführen schien. Dunkelheit lautete hier der Name des Kayken. Über ihm loderten Flammen. Der Nebel war das Feuer. Sie schwamm orientierungslos in dem schwarzen See, der sich ihr beim Blick nach unten offenbarte. Diese Welt war nichts weiter als ein riesiger, geifernder Schlund. Ein gestaltgewordener Alptraum, der sie zu verschlucken gedachte, ehe sie in eine dritte Welt geriet.

Sie fühlte endlich wieder Wärme auf ihrer Haut. Ein beinahe schönes Gefühl.

Die Angst, die jene zweite Welt in ihr geweckt hatte, schien ihr hier durch sämtliche Poren zu entweichen. Jedoch vermischte sie sich lediglich mit der Angst, die hier ohnehin schon in der Luft lag.

Es roch hier förmlich danach. Nach Angst und ebenso wenig Erfreulichem. Auch wenn sie nicht sehen konnte, spürte sie, dass sich etwas Beunruhigendes näherte. Etwa eine Herde Hornböcke? Nein, die Erde erzitterte. Keine Hornbockherde nahm ein solches Ausmaß an, welches nötig gewesen wäre um dieses Beben hervorzurufen. Panik mischte sich mit dem ohnehin schon unappetitlichen Geruch um sie herum. Was auch immer hier näher kam, das blinde Mädchen würde es nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Was Suki als nächstes sah, als sie ihre Augen wieder aufschlug, war das kugelrunde Gesicht ihrer Tante Aneka. Und sofort spürte sie deren Hände mit den kleinen Stummelfingern an ihren Wangen: „Was hast du nur wieder gemacht, Kind? Schau dir nur deine Arme und Beine an", brachte sie mit ihrer wieder einmal außerordentlich aufgeregt klingenden Stimme hervor.

Glaubte sie denn ernsthaft, ihrer Nichte wäre entgangen, dass sie mit Schnittwunden übersät war?

„Ich sagte doch schon", übernahm Boko die Antwort für sie, „dass sie am großen See ausgerutscht und in das Schilfdickicht gefallen ist. Wir haben ihre Wunden umgehend versorgt. Du musst dir keine Sorgen um Suki machen. Wir passen da schon auf."

„Ich sehe, wie ihr aufpasst", quiekte die rundliche Frau mit den gekräuselten Haaren, die sich schon wieder so sehr in diese Sache hineingesteigert hatte, dass sie ihre Stimme zu verlieren drohte. Das war oft die Folge davon, wenn sie ihrer so manches Mal übertrieben fürsorglichen Art nicht mehr Einhalt gebieten konnte. Man brachte es auch nie wirklich übers Herz ihr dafür böse zu sein, denn sie meinte es ja nur gut mit einem, doch so langsam sollte auch sie endlich eingesehen haben, dass Suki kein kleines Mädchen mehr war.

„Was tust du überhaupt noch hier, Boko?", wandte sich Aneka nun an den alten Krieger. Um ihm immerhin halbwegs in die Augen blicken zu können, musste Sukis Tante ihren Kopf weit in den Nacken legen.

„Ich möchte nicht, dass du ständig die Nähe zu meiner Nichte suchst. Ich fühle mich unwohl dabei, wenn ihre einzige Gesellschaft ein alter Mann ist, dessen einzige Aufgabe im Leben es war, sich ständig für Gewalt bereitzuhalten."

Sichtbar irritiert wusste Boko zunächst nicht, was er darauf erwidern sollte und schien daher den Boden der Hütte, mit seinen Augen, nach einer Antwort abzusuchen.

Auch Suki war zuerst überrascht von den ungewohnt harschen Worten. Recht schnell wurde ihr allerdings klar, dass Aneka hier nur das wiedergab, was Peseo ihr in den Kopf gesetzt hatte. Die Abneigung ihres Mannes gegenüber dem ehemaligen Kaymo war spätestens in jenem Moment durchgebrochen, als Boko sich zwischen Suki und ihren Onkel stellen musste, nachdem Letzterer sie geschlagen hatte.

„Ich möchte nur helfen", war das Einzige, was er vorbringen konnte.
Und er sah dabei schon wieder so alt aus. Fast wie aufrecht zusammengesunken. Sein Blick gen Boden gerichtet. Er hatte dort keine passende Antwort gefunden. Viel mehr als sein beinahe entschuldigendes Gemurmel war ihm auf die Schnelle anscheinend nicht eingefallen.

Ihre Tante hingegen stand da, Suki den Rücken zugedreht, mit einer Körperhaltung, die man eigentlich eher von einem Kaymo erwarten durfte. Beide Hände in die ausladenden Hüften gestützt und die übergroße Oberweite weit rausgestreckt: „Suki braucht deine Hilfe nicht. Sie ist nicht in Gefahr. Der Attentäter ihres Vaters ist tot und die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen werden, sobald wir wieder einen Kayken haben."

Oh, Suki wusste genau, wer diese vermeintlichen Verantwortlichen sein sollten.

Die komplette Geschichte um die vielen Ermordeten, schließlich musste nicht nur ihr Vater sterben, war undurchsichtig und ergab an so einigen Stellen wenig bis keinen Sinn.

Es war noch nicht lange her, da hegte Peseo lediglich einen Verdacht, doch hörte es sich nun, aus dem Munde seiner Frau, eher so an, als wäre der Schuldige oder die Schuldigen bereits gefunden.

Auch Suki verdächtigte eine bestimmte Person, zumindest seine Finger im Spiel zu haben. Da sie dies jedoch nicht beweisen konnte, maßte sie sich auch nicht an, ein endgültiges Urteil zu fällen.

Ihr Vater hätte ebenfalls besonnen gehandelt. Niemals hätte er voreilige Schlüsse gezogen. Aber er hätte alles dafür getan die Wahrheit auszugraben.

Was aber im Moment wichtiger war und just wieder in ihrer Erinnerung auftauchte: Natürlich brauchte Suki Bokos Hilfe. Irgendjemand hatte sie schließlich attackiert, als sie im großen See geschwommen war. Wer und Warum, darauf konnte sie sich zurzeit noch keinen Reim machen. Ihr war jedoch klar, dass sie die Siedlung ohne ihren treuen Freund nicht mehr verlassen würde. Aneka durfte ihn daher nicht einfach so wegschicken. Doch wie sollte sie ihre Tante vom Gegenteil überzeugen? Würde sie ihr ernsthaft erzählen, was dort am See vorgefallen war und woher ihre Wunden somit wirklich stammten, würde sie wahrscheinlich krank vor Sorge werden und das wollte sie ihr nun wirklich nicht antun.

Ein schwaches „Nein" quälte Suki aus ihrer Kehle heraus. Ihre Kopfschmerzen waren immerhin bei Weitem nicht mehr so schlimm wie noch vor ihren wunderlichen Träumen. Vorsichtig hievte sie sich in eine aufrechte Sitzposition. Umgehend war ihre Tante herumgewirbelt und hätte sie beinahe unter sich begraben, so schnell war sie auf ihre Knie gefallen, um nach ihr zu sehen.

„Hast du Schmerzen, Liebes?", fragte sie mit leicht bebender Stimme. Ganz offensichtlich war Aneka wieder kurz davor die Fassung zu verlieren, was in nahezu allen Fällen mit einem Ausbruch in Tränen endete. Alleine um das zu vermeiden, setzte Suki ein Lächeln auf, auch wenn ihr gerade immer noch nicht danach zu Mute war und antwortete mit einem neuerlichen „Nein".

Auch Aneka lächelte daraufhin und rieb sich kurzerhand die schon wieder vor Feuchtigkeit schimmernden Augen trocken.

„Boko bleibt", sprach Suki schließlich klar und mit fordernder Stimme aus, was erneute Schmerzen in ihrem Kopf verursachte.

„Überrascht" war die passendste Bezeichnung des darauf folgenden Gesichtsausdrucks der kleinen Frau. Unter großer Anstrengung wuchtete sie sich wieder vom Boden auf und blickte zwischen ihrer Nichte und dem ehemaligen Kaymo hin und her. Suki versuchte, trotz ihrer Schmerzen, mit ernster Miene ihren Worten Nachdruck zu verleihen, während Boko mindestens ebenso entgeistert dreinblickte, wie ihre Tante.

Dachte er wirklich, wenn auch vielleicht nur für einen Moment, dass sie, Suki, ihn nicht verteidigen würde? Hatte er das wirklich geglaubt?

Mit einem beinahe resignierend klingenden Seufzer entließ Aneka die Luft aus ihrer Lunge.

„Du bist ein gutes Mädchen, Suki", begann sie ihre Antwort, hielt jedoch kurz inne, um die scheinbar richtigen Worte, die noch folgen sollten, sorgfältig auszuwählen.

„Dein Onkel ist gewillt sich Volk und Nebel als neuer Kaysu zu empfehlen", erklärte sie, als ob dies eine Neuigkeit für Suki darstellen sollte.

„Es gibt noch zwei weitere Männer, die die Nachfolge deines Vaters antreten möchten. Wie die Tradition es verlangt, werden die Anwärter mitsamt ihrer Familien, unter den Augen der Ahnen, zusammen Tisch, Speis und Trank teilen, bevor sie zu Konkurrenten werden." 

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