Kapitel 44- Entscheidung

Mein Blick war noch immer geradeaus gerichtet. Cats Augen wirkten so glasig wie noch nie. Sogar aus der Ferne konnte ich das Beben ihrer Lippen sehen. Sie fiel auf die Knie und rüttelte an Chris' Körper. Christian hatte einen emotionslosen Ausdruck aufgesetzt, was mich nur noch mehr aufregte. Dabei konnte ich noch glücklich sein, weil sich auf seinem Gesicht kein Grinsen abzeichnete. Langsam bewegte ich mich auf die beiden zu. Von weit her vernahm ich Cats Stimme.
"Chris, nein. Bitte, du darfst nicht sterben", schluchzte sie. Ihre Schluchzer gingen im Kampflärm beinahe unter. Doch ich wusste, dass sie die Kämpfe um sich herum längst ausgeblendet hatte. Ich sah, wie ihre Hand zitterte, als sie sie auf seinen Körper legte, in dem sich ein großes Loch gebildet hatte. Chris hob kurz seine Hand, ließ sie aber gleich darauf wieder sinken. Cat presste ihre Hand auf seinen blutenden Körper. Chris sah schrecklich aus. Sein Gesicht war kalkweiß geworden. Auf der linken Seite seines Bauches klaffte ein großes, blutiges Loch. Am liebsten hätte ich nicht hingesehen, als sich unter ihm eine große Blutlache bildete. Ich wusste genauso gut wie Cat, dass es um ihn geschehen war. Er verlor zu schnell zu viel Blut. Er würde es nicht schaffen. Cat drückte ihre Hand auf sein verbranntes Fleisch. Sie versuchte es weiter. Währenddessen hob Chris seine Hand ein letztes Mal. Sie zitterte in der Luft und es kostete ihn viel Kraft sie überhaupt nochmal anzuheben. Er strich mit seinem Handrücken über ihre Wange. Ein paar Meter vor ihnen blieb ich stehen. Diesen Moment wollte ich Cat noch schenken.
"Du weißt, dass ich dich nie vergessen werde", krächzte er und fasste sich gleichzeitig mit der einen Hand an die Kehle. "Bitte Cat. Ich habe dich gerettet. Zeige mir, dass es sich wenigstens für einen von uns gelohnt hat." Cat sah auf und hielt inne.
"Was sprichst du da? Bist du verrückt? Dann wäre ich halt gestorben, du kranker Depp", wisperte sie. Am Ende des Satzes wurde ihre Stimme zunehmend leiser.
"Du weißt, dass ich tatsächlich krank bin. Ich liege im Sterben", scherzte er, doch Cat war nicht nach Scherzen zu Mute. Die Tränen rannen ihr in Ströhmen über die rot glühenden Wangen. "Cat", erhob er nocheinmal die Stimme. "Sterben ist etwas was sich nicht vermeiden lässt, aber du hast die Chance von mir Abschied zu nehmen. Bitte lass sie nicht einfach so verstreichen. Ich liebe dich", murmelte er hastig und ich sah wie seine Hand langsam und kraftlos zu Boden sank. Cat wartete nicht länger. Sie beugte sich zu ihm hinunter, bettete seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn. Ihre Tränen tropften auf sein Gesicht, doch das schien ihm nichts auszumachen. Nur seine Füße zuckten kurz. In diesem Moment erschlaffte sein Körper vollkommen. Als sich Cat wieder aufsetzte, hatte er die Augen geschlossen und lag reglos am Boden. Cat schlug sich die Hände vor das Gesicht und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Sie wäre ein ausgesprochen gutes Angriffsziel gewesen, doch ich erschuf eine Schutzblase um sie und hoffte sie würde so lange halten, wie es ging. Sie bemerkte die Blase nicht einmal, sondern legte ihren Kopf auf seinen Körper und murmelte leise etwas Unverständliches. Ich verstand lediglich einen Satz.
"Wäre der Avatar hier, hätte er diesen Krieg beenden können, bevor er angefangen hätte!"
Ich schluckte und drehte mich zu Christian um. Sein emotionsloses Gesicht wirkte fast gespenstisch. Er trat zwei Schritte auf mich zu, wobei er eine Blume zerquetschte, die unter seinem Schuh zu Asche wurde. Wütend starrte ich ihn an. Ich nahm an, dass er sich bewusst war, dass er Cat mit Chris' Tod viel mehr verletzen konnte, als mit einem Feuerball.
"Ist dir klar was du ihr damit angetan hast? Du wolltest meine Freundin umbringen! Und Chris war dein Freund", brüllte ich ihn an.
"Du solltest die Betonung etwas mehr auf war legen",korrigierte er mich, steckte seine Hände in die Hosentaschen und schlenderte auf mich zu. Ich ignorierte sein gutes Aussehen und konzentrierte mich nur auf seine Tat.
"Ich hätte dir niemals vertrauen dürfen, niemals!", keifte ich und ging zielstreibig auf ihn zu. Er wich vor mir zurück, doch das war mir nur recht so.
"Ich habe dir vertraut", wiederholte ich. "Und selbst als ich wusste, dass du auf der Seite der Schatten stehst, habe ich immer daran geglaubt, dass in dir eine positive Seite steckt. Dass ich das geglaubt habe, kann ich jetzt schwer glauben. Wie konnte ich mich in einem Menschen so irren wie in dir. Hätte mich jemand am Anfang gefragt, ob ich dir vertrauen kann, dann hätte ich ihm ohne zu zögern mit Ja geantwortet."
Meine Wut trieb mich in den Wahnsinn. In mir brodelte es, wie in einem blubbernden Kochtopf. Unglaublich, dass er immer weiter zurückweichen konnte und sich alle Kämpfenden aus dem Weg schoben.
"Ich habe meine Gefühle für jemanden wie dich offen dargelegt, dabei wolltest du mich nur um den Finger wickeln für deine eigenen Pläne", schmetterte ich ihm entgegen. Verdutzt blieb er stehen, aber ich ließ mich davon nicht beirren. "Ich bin nicht an allem schuld. Du bist ebenfalls an dieser ganzen Sache schuld. Vielleicht sogar mehr als ich. Ich hätte mir das alles nie einreden sollen." In diesem Moment hatte mein Wutanfall seinen Höhepunkt erreicht. Die Wut schoss aus meinen Fingerspitzen und ich spürte, dass in mir alles explodierte. Hitze breitete sich in Wellen von mir aus. Die Augen zu Schlitzen verengt, sah ich mit an, wie sich Christian ein Schutzfeld vor sich aufbaute, doch selbst das half so gut wie gar nicht. Nach mehreren Sekunden, die ich ihn feindselig gemustert hatte, versagte sein Schutzschild und er wurde von der gewaltigen Feuerwand zu Boden geworfen. Erst jetzt merkte ich, dass es genug war und das ich, ohne es zu wollen, unkontrolliert mein Element Feuer offenbart hatte. Erschrocken sah ich mich um. Außer Christian und einem Schatten schien niemand in den Umkreis der Explosion gekommen zu sein, aber von Erleichterung konnte ich auch nicht wirklich sprechen. Jetzt wusste es jeder. Cats Schutzblase war zerplatzt und während alle anderen ihren Blick auf mich gerichtet hatten, stand sie auf und schaute mich mit fassungslosen Augen an. Das Kribbeln in meinen Fingerspitzen verschwand. Ich ließ die Hände sinken und mein wutverzerrtes Gesicht verwandelte sich wie auf Knopfdruck in eine angstvolle Miene. Ich blinzelte kurz. Ich hätte gern irgendetwas gesagt, sowas wie: "Es ist nicht das wonach es aussieht."
Nur leider war es genau das wonach es aussah.
Neben mir stöhnte Christian auf. Geschockt drehte ich mich um. Hatte ich etwas übertrieben? Natürlich hatte Christian seinen besten Freund umgebracht, doch ich wäre nicht besser, wenn ich das Gleiche mit ihm täte. Ächzend kam er auf die Beine. In seinem Gesicht spigelten sich Überraschen und gleichzeitig auch Misstrauen. Sein T-Shirt war vollkommen verdreckt.
"Du bist mächtiger als ich dachte", keuchte er, sodass nur ich es verstehen konnte. Ich ignorierte seinen Kommentar und wandte mich wieder den beiden Kampftruppen zu. Nun löste sich Cat aus der Menge und trat direkt auf mich zu. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht vor ihren Worten fürchtete. In ihren Augen sah ich kurz den Schmerz aufblitzen. Wenn sie mir bei dem Unfall mit dem Spiegel noch nicht sauer gewesen war, dann war sie es spätestens jetzt. Ich musste an ihre Worte von vorhin denken.
Wäre der Avatar hier, hätte er den Krieg beenden können, bevor er angefangen hätte. Die Wucht dieses Satzes traf mich mitten ins Herz und ich konnte nicht verhindern, dass mir ein eisiger Schauer den Rücken hinunterlief. Die Kälte schoss in meine Glieder. Sie hatte mal wieder recht gehabt. Sie wusste nun, dass ich der Avatar war und wäre ich meinen Pflichten nachgekommen, wäre Chris womöglich nie gestorben.
Dann stand Cat vor mir. Die blutverklebten Haare hingen ihr ins Gesicht und sie hatte sichtbar Mühe die Tränen zurückzuhalten.
"Du warst es die ganze Zeit", flüsterte sie. "Und du hattest nicht den Mut es deiner besten Freundin zu sagen?" Ich wich ihrem Blick aus. Ich hätte ihr nun das Gleiche wie Coral antworten können, dass ich nur versucht hatte, sie zu beschützen, aber ich wollte es nicht noch schlimmer machen und schwieg vorerst. Die Tränen glitzerten in ihren Augen.
"Ist dir klar, was du mit deiner Verschwiegenheit angerichtet hast? Der Avatar hat Pflichten. Eine davon ist es, andere zu beschützen und stattdessen reitest du sie in den sicheren Tod!" Diesen Satz schrie sie schon fast über die Wiese. "Sieh dir an, wie viele Elementbändiger deinetwegen gestorben sind! Und Chris. Chris hat für mich sein Leben gelassen." Ihre Stimme brach. Sie holte tief Luft. "Alle wären sie noch am Leben, wenn du es gleich beendet hättest. Du weißt nicht, wie nahe uns Chris und ich standen und du wirst es nie wieder gut machen können",schluchzte sie. Cat hatte genau ins Schwarze getroffen. Das was sie sagte, war wahr, alles. Leider.
"Ich hatte vor es dir zu sagen", fing ich zaghaft an. Ich spürte die Unsicherheit in meiner Stimme. "In der Kapsel, in der wir eingeschlossen waren, wollte ich es dir sagen. Aber dann kam ich nicht mehr dazu. Und ich weiß, dass ich als Avatar komplett versagt habe. Ich werde dir Chris nie zurückgeben können. Es tut mir ausgesprochen leid. Ich kann es absolut nachvollziehen, wenn unsere Freundschaft jetzt beendet ist." Meine Stimme versagte. Cats Lippen bebten.
"Es tut mir leid? Ist das das Einzige, was du mir zusagen hast? Davon kommt Chris auch nicht wieder!" Ich biss mir auf die Lippe, bis sie fast blutete. Ich hatte mich falsch entschieden, doch ich konnte mich immer noch richtig entscheiden. Ich spürte, wie der Schattenherr hinter seiner Maske grinste. Christian trat an meine rechte Seit, als wüsste er, was jetzt kam.
"Ich, der Avatar, bin meinen Pflichten als solcher nicht nachgekommen", sagte ich mit einer unglaublich kraftvollen Stimme. "Ich kann die vielen Tode nicht rückgängig machen, aber ich kann versuchen weitere Tode zu beenden. Daher komme ich dem Wunsch der Schatten nach und werde mit ihnen gehen. Allerdings müssen sie mir ihr Wort geben, dass der Kampf beendet ist, sobald die Forderung erfüllt ist." Ich setzte mich in Bewegung und schritt mit klopfendem Herzen auf den Schattenherrn zu. Die Schritte hinter mir gehörten Christian. Er folgte mir, bestimmt um sicher zu gehen, dass ich nichts Unüberlegtes tat. Einige Schritte vor dem größten Schatten blieb ich stehen. Ich sah auf in sein Maskengesicht und hoffte, dass ich diese Entscheidung nicht bereute.
"Geben Sie mir ihr Wort, dass Sie die Elementbändiger in Frieden lassen, wenn die Forderung erfüllt ist?" Einen Moment lang entstand eine beklemmende Stille. Ich wagte mich nicht nach Cat umzusehen. Ich konnte ihre Verzweiflung spüren. Der Schattenherr reichte mir seine Hand. Ohne zu zögern, ergriff ich sie. Sie war kalt, kälter als ich gedacht hatte. Seine spitzen Fingernägel gruben sich in meine Hand und seine Finger schlungen sich eng um sie.
"Ich gebe dir mein Wort", versprach er. Ich musste unwillkürlich schlucken, mahnte mich jedoch, dass ich keine Schwäche zeigen durfte. Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als er meine Hand wieder losließ. Sekunden, Minuten? Als ich mich ein letztes Mal umsah, um noch einen Blick auf Cat zu erhaschen, versperrte man mir die Sicht. Schatten umringten mich.
"Passt auf, dass sie nicht wegrennt", kommandierte der Schattenherr, wandte sich um, sodass sich sein schwarzer Umhang im Wind aufbauschte und stolzierte auf den Schattenwald zu. Um ganz ehrlich zu sein, fürchtete ich mich jetzt schon vor dem was noch kommen würde. Christian lief stumm neben mir. Ich schaute mich nicht nocheinmal nach Cat oder den anderen Elemtbändigern um. Ich war mit dem Schattenherr einen Pakt eingegangen und ich hatte ebenso versprochen, meinen Teil von der Abmachung zu erfüllen. Ich seufzte. Letzten Endes hatte ich es also doch getan. Für Cat. Und die anderen. Ich war mir sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich wagte einen Blick nach rechts. Christian neben mir strahlte eine überraschende Ruhe aus, als wir im Schattenwald verschwanden. Die Bäume standen außerdem so dicht, dass uns die Elementbändiger spätestens jetzt nicht mehr würden sehen können. Eine Weile hörte ich nur die Schritte neben mir und blendete die abgestorbenen Bäume neben mir aus. Etwas mehr Grünzeug und ein paar Vögel würden diesem hässlichen, grauen Wald auch nicht schaden. Die vielen Äste, die über unseren Köpfen ein Dach bildeten und einem jegliche Sicht auf den Himmel versperrten, schienen nach mir greifen zu wollen. Wir waren noch nicht weit gekommen, da blieb der Schattenherr plötzlich stehen. Angst kroch in mir hoch.
"Schatten, ihr wisst was jetzt zu tun ist. Enttäuscht mich nicht", sprach er zu den Schattenwesen. Verwirrt sah ich, wie sie sich vor ihm verneigten und in die Richtung der Schule ausstoben. Entsetzt sah ich ihnen nach. Nein! Der Schattenherr brach soeben seinen Pakt.
"Sie haben mir ihr Wort gegeben, dass sie den Elementbändigern nichts antun", brüllte ich ihm zornig entgegen. Der große Schatten lachte hinter seiner Maske. Die Schatten wandten sich zu mir in den Kreis und kamen bedrohlich näher. Auf Christians Gesicht zeichnete sich eine bòsartige Fratze ab. Er verließ den Kreis und gesellte sich zu seinem Herren.
"Nein. Ich habe dir versprochen die Elementbändiger in Frieden zu lassen. Sobald sie tot sind werden sie ihren Frieden haben. So gesehen habe ich den Pakt nicht gebrochen. Ich halte die Abmachung ein", erklärte der Schattenherr mit einem zufriedenen Unterton. Unterdessen kamen die Schatten immer näher. Ich hätte mit ihm niemals diesen Deal eingehen dürfen. Meine Vermutung hatte sich bewahrheitet. Wie dumm konnte man sein, wenn man in eine Falle der Schatten tappte? Der erste Schatten schnellte nach vorn. Ich erschuf einen glühenden Stein und zertrümmerte damit seinen Kopf. Er zerfiel zu Staub. Die anderen Schatten schossen pfeilschnell auf mich zu. Noch rechtzeitig erschuf ich ein Schutzschild, aber diese Schatten waren stärker, als die, gegen die ich vorhin gekämpft hatte. Sie durchbrachen das Schutzschild und einer von ihnen, schlug mir heftig gegen die Schläfe. Schneller als ich denken konnte, nahmen mir schwarze Flecken die Sicht. Jetzt war eigentlich nicht der richtige Moment um ohnmächtig zu werden. Mein letzter Blick galt Christian, der mich hasserfüllt und abweisend beäugte. Dann wurde alles schwarz.

Ach ja, der berühmte Satz beendet mal wieder ein Kapitel. ^^ Ich hoffe, was in diesem Kapitel passiert ist, war nicht all zu vorhersehbar. Es werden noch ungefähr 5-6 Kapitel folgen, vielleicht auch mehr. Dann ist dieses Buch offiziell beendet :) Bis dahin werden noch ein paar Überraschungen auftauchen. Jedenfalls wollte ich euch mal fragen, welche Lieblingsbücher ihr so habt oder was ihr gerade lest (von echten Autoren). Ich bin mit meinem jetzigen Lesestoff bald fertig und habe gehofft, ihr hättet noch ein paar Tipps für mich.

Ich lese im Moment die Plötzlich Fee Reihe von Julie Kagawa, die mir von jemandem empfohlen wurde ^^

Meine Lieblingsbücher (stehen eigentlich schon in meinem Infotext) sind House of Night, Akademie der Dämmerung, Isola, Die Tribute von Panem, Selection und Silber. Für Vorschläge bin ich immer offen. Habt ein schönes Wochenende ;)
LG EmFantasybook

PS: Dieses Kapitel widme ich nebelschreiberin, einer meiner ersten Leserinnen, die dafür verantwortlich ist, dass dieses Buch fertig wird. Ohne sie, hätte ich vielleicht längst aufgegeben. So sind mir aber noch so viele Ideen gekommen. Dankeschön ♥



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