Kapitel 21- Geisterbuch

Ich stand auf und ließ meinen Blick umherschweifen. Es war wirklich, wie als würde ich in einen Spiegel sehen. Ich sah unser 5er Mädchenzimmer, nur spiegelverkehrt und im Chaos versunken. Überall lagen irgendwelche Sachen rum, mal hier mal da, auf dem Bett, den Schreibtischen oder unter dem Bett. Die Schranktüren standen offen, ebenso wie einige Schubladen der Nachtschränke. Auf dem Fensterbrett häufte sich der Müll, während im Papierkorb ein einziges Bonbonpapier lag. Dieses Zimmer war das genaue Gegenteil vom Übungsraum. Unverkennbar, der Geheimgang führte nicht nur in ein Schummelzimmer und ein Übungszimmer, sondern auch noch in ein Jungenzimmer. Und da wir die Flamme als Code eingegeben hatten, musste dieses Zimmer wohl den Jungen der Feuerbändigerklasse gehören. Cat beäugte das Zimmer kritisch, hob vom nahegelegenen Bett eine stinkende Socke hoch und hielt sich die Nase zu.
"Eklig, wo sind wir denn hier gelandet?", wollte sie wissen und ließ die Socke fallen. Ich zuckte mit den Schultern und ging zum Schreibtisch. Darauf lag ein Heft mit dem Namen Chris Mousceen. Der Name sagte mir nichts. Auf dem Schreibtisch daneben lag noch ein Heft. Dieser Junge kannte wenigstens das Wort Ordnung. Er hatte seine Bücher und Hefte fein sortiert auf einen Stapel aufgestapelt und nur ein Heft lag in der Mitte. Ich klappte es zu und warf einen Blick auf den Namen. Christian Deas. Wir waren also in Christians Zimmer gelandet. Interessant. Ich wusste gar nicht, wie pfleglich und ordentlich er war. Alle Bücher trugen einen Einband. Er machte natürlich auch Latein. Die Schatten hatten beim Ritual immerhin lateinisch gesprochen. Ich schlug es wieder auf der richtigen Seite auf, damit er bei seiner Rückkehr nicht bemerkte, dass es jemand angefasst hatte. Mein Blick fiel auf die Worte die dort standen. Mors venit. Keine Ahnung was das jetzt wieder bedeutete. Ich hatte ja noch nicht so lange Latein und das Wort mors kam noch nicht dran. Venit hieß kommt. Aber mors? Und vor allem, wer kam? Merkwürdig! Ich lief zum ordentlich gemachtesten Bett. Das musste dann wohl Christians sein. Vielleicht konnte ich ja etwas herausfinden über ihn. Etwas, was er mir verschwieg. Ich wüsste es zu gern. Ich durchsuchte zuerst sein Bett. Etwas im Nachtschrank zu verstecken war übelst langweilig. Zumindest für einen Elementbändiger wie Christian. Doch im, unter oder auf dem Bett fand ich nichts. Ok, dann hatte ich Christian eindeutig falsch eingeschätzt, denn als ich eine Schublade des Nachtschrankes öffnete fand ich zuerst nichts, doch in der unteren befand sich etwas, dass ich gesucht hatte. Christian meinte, er könnte sich das Buch 283 jederzeit aus der verbotenen Abteilung ausleihen. Und damit hatte er nicht gelogen, denn hier lag das Buch. Auf dem Buchrücken klebte ein Aufkleber. VA (verbotene Abteilung) und 283 fùr die Buchnummer. Ich nahm das Buch aus dem Fach. Der Einband sah aus wie neu, aber als ich es auf einer Seite aufschlug schwebte mir eine Staubwolke entgegen. Die Seiten waren vergilbt. Weil ich wegen des Staubs so husten musste, klappte ich das Buch schnell wieder zu und drückte es an mich. Ich stahl das Buch ja nicht. Es gehörte nicht Christian und er hatte nicht das Recht es für sich zu behalten. Ich schaute zu Kiki und Coral, die sich wegen irgendwas stritten und gesellte mich zu ihnen.
"Sebastian ist voll süß. Du hast keine Ahnung von Jungs. Und du kennst Sebastian doch noch nicht einmal", behauptete Kiki empört.
"Ach was, ich hab ihn neulich auf dem Gang gesehen. Manche behaupten, dass er sich nur vier Mal die Woche duscht", verteidigte sich Coral.
Cat lachte sich schlapp und wäre fast rücklings auf das ungemachte Bett geplumst. Wenn keiner diesen Streit beendete, konnte das noch lustig werden. Kiki verschränkte die Arme vor der Brust.
"Das reicht doch. Bestimmt duscht er sich öfter als du. Basti ist außerordentlich sauber", entgegnete Kiki. Coral stöhnte.
"Mein Gott Kiki, hast du dir mal sein unordentliches Bett angesehen? Da liegen überall Lollipapiere rum und auf seinem Schreibtisch liegen die Hefte alle versreut. Außerdem dusche ich mich jeden Tag mit dem lilanen Duschbad mit dem frischen Blumenduft. Und Sebastian kriegt jetzt also schon einen Spitznamen von dir. Der sollte wohl lieber Spasti lauten", kicherte Coral.
"Er ist kein Spast und seine Freunde dürfen ihn so nennen", erwiderte Kiki. Cat wischte sich die Lachtränen ab und fing gleich wieder an zu lachen. Ich konnte mich so langsam auch nicht mehr halten. Spasti. Woher hatte Coral denn das so schnell aufgreifen können.
"Also bezeichnest du dich als seine Freundin. Ich wette er reibt seine Lippen immer mit dieser Cremé ein, damit sie besonders weich bei einem Date aussehen. Dabei steht draußen vor der Schule doch ein Schild: Vogelscheuchen verboten", konterte Coral gelassen und hielt eine Tube mit einer Cremè hoch. Nun verkniff sich Kiki nicht mehr das Grinsen. Wir vier lachten herzlich.
"Gib die her!", forderte Kiki und machte einen Schritt auf Coral zu. Diese wich geschickt aus und hielt die Tube hoch.
"Vergiss es Kiki, da kommst du nicht ran."
"Oh doch du wirst schon sehen", rief Kiki, sprang aufs Bett und warf Coral die Tube aus der Hand.
"Leg dich lieber mit jemandem in deiner Größe an", riet Coral und ließ sich aufs Bett plumsen. Cat und ich setzten sich neben sie auf die Bettkante und Kiki holte die Tube zurück und warf sie auf das Bett. Da saßen wir und lachten über den nicht ernst genommenen Streit. Kiki behauptete, sie hätten nur diskutiert. Das ließ ich mal so stehen. Wir hörten erst auf zu lachen, als sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Erschrocken sprang ich auf. Ich musste das Buch in Sicherheit bringen. Zum Glück waren die Jungen nicht gerade schlau und drehten den Schlüssel in die falsche Richtung zur Tür hin. Das verschaffte mir genügend Zeit, um den Code zu drücken und das Buch durch die Geheimtür zu werfen.
"Es ist zu wenig Zeit, als das wir schnell hindurchkriechen würden. Siebemerken uns sowieso", sagte ich, während sich die Gehimtür schloss.
"Und was sollen wir denen deiner Meinung nach sagen, wie wir hier reingekommen sind. Durchs Fenster oder was? Das glauben die uns niemals und ich glaube nicht, dass es schlau ist, ihnen von unserem Geheimgang zu erzählen. Wir dürften noch nicht einmal im Feuergang rumspazieren. Das ist verboten", protestierte Cat. In diesem Moment öffnete sich auch schon die Tür und die Jungs stürmten lachend herein, doch als sie uns auf dem Bett sitzend sahen, verging ihnen das Lachen und sie musterten uns eindringlich. Christian erschien mit seinem Kumpel, wahrscheinlich Chris, als letzter im Türrahmen und rempelte die anderen vier Typen fast an.
"Was machen die denn hier?", fragte einer mit rötlichen Haaren, noch bevor Christian fragen konnte was los war. Der Rotschopf knurrte uns an.
"Und wie sind die überhaupt hier rein gekommen? Die Tür war verschlossen." Christian schwieg zuerst, vermutlich weil er sich fragte, ob wir, genau wie er, durch Wände gehen konnten. So lautete nämlich meine Theorie wie er sich das Buch immer aus der verbotenen Abteilung schnappte. Aber Erstens waren wir keine Luftbändiger und Zweitens gehörte diese Luftbändigertechnik zu den Profis. Natürlich auch nur vermutet. Er trat vor.
"Ich kenne eine von denen", gestand er tonlos und Chris nickte.
"Ja ich auch, die mit den dunkelblonden Haaren", erzählte er und deutete auf mich. Die Augen des Rotschopfs verengten sich zu Schlitzen.
"Was wollt ihr hier?", fragte er weiter. Sein Blick ließ mich schlucken.
"Wow, wow, wow, die sind eine Stufe unter uns. Die können keiner Fliege was zu Leide tun. Und Dunkelblondi ist außerdem in Ordnung", meinte Chris. Obwohl ich genau wusste, dass er mich meinte, sah er nicht mich, sondern Cat an. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ich schaute zu ihr, doch sie blickte neutral und schien den Blick von Chris gar nicht wahrzunehmen. Sie starrte den Rothaarigen an. Dessen Miene hellte sich etwas auf.
"Na wenn du meinst", murmelte er wenig begeistert. Die anderen drei Typen hielten sich da raus. Dieser Rotschopf hatte hier wohl so einiges zu sagen. So sympatisch war der gar nicht. Was fanden die nur an dem? Christian grinste plötzlich.
"Wenn ihr es in unser Zimmer geschafft habt, ohne dass euch jemand gesehen hat, seit ihr willkommen", sagte er. Chris legte ihm einen Arm auf die Schultern.
"Kommt doch am Freitag in zwei Wochen nochmal her. Vielleicht könnten wir mal wieder ne Party feiern", schlug er vor und schaute noch immer Cat an. Wenn ich es nicht anders wüsste, würde ich sagen..., aber nein. Das durfte nicht wahr sein. Wahrscheinlich eh nicht.
"Das entscheide immer noch ich", brummte Rotschopf. Wir sahen ihn abwartend an. "Meinetwegen", sagte er nach einer Weile. Ich lächelte und guckte zu den Mädels. Kiki hatte den Blick auf diesen einen Typen gerichtet. Ob der Sebastian war?
"Gut, wir kommen um Neun", stimmte ich zu. Dann drängelte ich mich am Rotschopf vorbei und wir vier verließen den Raum. Als ich an Christian vorbei auf den Gang trat, packte er mich am Arm.
"Ich hoffe für dich, dass du nichts angefasst hast", sagte er kalt. Seine Auzen durchbohrten mich und sein Lächeln von gerade eben war verschwunden. Seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. Und auf einmal wirkte er größer als sonst. Ich riss mich los und schaute ihm in die Augen. Darin lag nur Kälte und auch um mich herum war Kälte, die langsam verschwand. Doch ich presste nur die Lippen aufeinander, drehte mich um und folgte meinen Mädels den Feuerbändigergang entlang, damit ich endlich aus dem Staub kam.

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