3. Cats Vision

Mrs Chatfield redete lange über die Klassenfahrt des dritten Jahrgangs und über die Informationen hinsichtlich des Bändigerwettkampps. Sie besprach mit ihnen die Ausflüge und Vorprüfungen und der zweite Jahrgang langweilte sich schrecklich. Cat rutschte immer wieder nervös auf ihrem Stuhl herum, als hätte die erste Mathestunde schon heute begonnen, Coral hatte den Kopf in den Nacken gelgt und starrte zur Decke und Kiki wickelte sich eine Haarsträhne immer und immer wieder um den Finger und beobachtete sie, wie ein seltenes Schmuckstück. Ich verkniff mir gerade ein Gähnen, als sich Mrs Chatfield endlich an uns wandte.
"Jetzt aber genug von den ganzen bevorstehenden Terminen. Wir sollten uns nun der Überraschung widmen", leitete die Schulleiterin die Rede ein. Coral beugte sich nun auf ihrem Stuhl nach vorne und Kiki sah hektisch auf. Ihr Blick glitt nach vorne und beäugte die Gegend.
"Im Angesicht der Tatsache, dass, wie ich schon sagte, viele Oberstufenschüler im letzten Jahr... umgekommen sind, haben wir uns dazu entschlossen, einen Schüleraustausch anzubieten", rückte Mrs Chatfield schließlich mit der Sprache heraus. Im Saal entstand neugieriges Getuschel. Von allen Seiten her hörte man die Stimmen ihre Meinungen flüstern. Cats Augen wurden sogleich größer und in Kikis Augen entdeckte ich ein bekanntes Funkeln. Irgendwie wusste ich genau, dass sie sich im Kopf gerade ausmalte, wie sie als Austauschschülerin in ein anderes Land flog, um dort die Kultur näher kennen zu lernen.
"Lass mich raten", fing ich an, bevor sie es laut aussprechen konnte,"du willst sicher mitmachen." Kiki drehte sich zu mir um und nickte heftig, sodass ihre Haare auf und ab sprangen.
"Auf jeden Fall! Das ist meine Chance", antwortete sie und strahlte mich an wie ein Honigkuchenpferd. "Natürlich kommt es auch auf das Land an", fügte sie noch hinzu. Ihr Gesicht erhellte sich zunehmend. Ich runzelte jedoch die Stirn.
"Es muss nicht sein, dass es ein Land ist. Vielleicht liegt die Schule ja auch innerhalb dieses Landes", gab ich zurück. Doch Kiki ließ sich von meinen Antworten nicht aus der Ruhe bringen und schüttelte nur den Kopf.
"Zwei Elementschulen in unserem Land? Könnte schon sein, aber ich glaube, mich zu erinnern, dass uns die Gründer letztes Jahr gesagt haben, dass es in jedem Land nur eine Elemava- Academy gibt. Es wäre ein Traum, wenn es klappen würde", entgegnete sie und befand sich auch schon wieder in ihrer eigenen Welt.
Mrs Chatfield wartete, bis sich das Geflüster kurz gelegt hatte und fuhr fort: "Die Elemava-Academy ist sozusagen unsere Partnerschule. Sie liegt in Melbourne in Australien und wir hoffen für alle, die sich nicht bewerben, dass ihr gut mit ihnen auskommen werdet." (Kikis Lächeln wurde immer breiter bis...)
"Natürlich kommen die Austauschschüler alle aus einem Jahrgang. Wir haben uns darauf geeinigt, diesen Schüleraustausch daher dem dritten Jahrgang anzubieten." Noch während sie das sagte, verrutschte Kikis hoffnungsvolle Miene und sie blickte fassungslos zu Boden. Da hatte man endlich mal die Möglichkeit seinen Traum leben zu können und seine Vorstellungen wurden zerbrochen.
Ich legte Kiki einen Arm um die Schultern, um sie ein wenig zu trösten, aber sie konzentrierte sich nicht wirklich auf mich. Sie blieb stumm und weigerte sich, nocheinmal aufzuschauen. Coral streichelte ihr den Rücken, weil auch sie genau ahnte, wie viel Kiki diese Reise bedeutet hätte. Mrs Chatfield war aber noch nicht ganz fertig.
"Der zweite Jahrgang brauch nicht den Kopf hängen zu lassen. Auch wenn ihr diese Möglichkeit nicht habt, könnt ihr euch als Gehilfe melden. Wir als Lehrer werden nicht wirklich Zeit haben, die australischen Schüler mit allen Informationen zu versorgen, denn Mr Gaster und ich werden im November in Asien gebraucht." Sie warf einen Blick zu ihren Kollegen und wandte sich wieder zu ihrem Mikrofon um. "Die neuen Schüler brauchen ihren Stundenplan und sollten in einem Zimmer mit freiem Bett untergebracht werden. Ihnen müssen die Öffnungszeiten der Cafeteria und die Ganztagsangebote vorgestellt werden und es wäre gut, wenn sie sich hier etwas zurechtfinden könnten.
Aus diesem Grund haben wir überlegt, dass sich alle Schüler aus dem zweiten Jahrgang in die Liste am schwarzen Brett eintragen können, sofern sie es wollen."
Kiki hob jetzt zwar den Kopf, schien darüber aber kein bisschen begeistert zu sein. Also würde sie sich wohl nicht eintragen und ich hatte sowieso zu viel mit meinen Pflichten als Avatr zu tun. Cat hatte bestimmt auch keine Lust in der Zeit, in der sie Mathe lernen könnte, einem Austauschschüler zu helfen und Coral war lieber allein. Alice könnte es vielleicht machen. Apropos Alice, sie war noch immer nicht aufgtaucht...
Mrs Chatfield winkte uns nocheinmal zu, verabschiedete sich von uns und wünschte uns ein erfolgreiches Schuljahr. Damit erklärkte sie die Sache für abgehakt. Mich beunruhigte allein die Sache, dass sie nicht angekündigt hatte, wann die beiden Gründer aus Asien zurück sein würden und was sie dort tun würden. Verdächtigerweise brach auch ihr aufgesetztes Lächeln ab, als sich die ersten Schüler erhoben hatten. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Kiki stupste mich an und deutete mir aufzustehen, damit sie sich nicht an mir vorbeiquetschen musste. Also folgte ich Cat in den Mittelgang und wir vier liefen hinter den anderen Schülern zum Ausgang.
"Irgendwie hatte ich schon vermutet, dass das mit den Gehilfen kommen würde. Woran sollten wir aus dem zweiten Jahr sonst unseren Anteil an der "Überraschung" haben? ", meinte Kiki genervt und betonte das Wort Überraschung mit einem genervten Unterton. Ich konnte ihre Enttäuschung natürlich nachvollziehen, aber ich fand auch, dass das Thema nun geklärt war. Meine Gedanken rasten noch immer um die Gründer, weswegen ich Kikis eingeschnapptem Gerede nur mit halbem Ohr zuhörte. Was mochte wohl der Grund für die Reise der beiden Gründer sein?
Wir quetschten uns mit den anderen durch die breite Tür. Etwas abwesend starrte ich beim Gehen zu Boden. Cat schien meine Konzentration aufzufallen.
"Alles in Ordnung?", wollte sie wissen. "Du siehst so nachdenklich aus. Dich beschäftigt doch was, etwas das nichts mit Christian zu tun hat, das merke ich." Ertappt blickte ich sie an. Wie immer hatte sie einen guten Riecher, was meine Gefühle anging. Natürlich hatte sie mit ihrer Vermutung wieder genau ins Schwarze getroffen. Aber anstatt ihr von meinen Sorgen zu berichteten, schüttelte ich den Kopf.
"Nein, es ist alles gut", teilte ich ihr mit, obwohl es das überhaupt nicht war.

Cat anzulügen ist nichts was man wiederholhen möchte. Das wusste ich aus Erfahrung, denn dieser Fehler war mir schließlich schon einmal unterlaufen. Doch zu dieser Zeit hatte ich ihr etwas viel wichtigeres verheimlicht und was mich besorgte, waren mehr oder weniger dunkle Vorahnungen über die ich ersteinmal selbst nachdenken wollte.
Am Abend nach dem Essen warfen wir nich einen kurzen Blick auf das schwarze Brett, das links neben dem Essenssaal an der Wand angebracht war. Die Liste war randvoll, sodass unten noch einige Bewerber ihren Namen hingequetscht hatten und die Schulleitung zwei weitere Listen dazuhängen musste. Kiki klappte der Unterkiefer herunter, als sie die vollen Listen sah. Selbst wenn sie sich eintragen dürfte, wäre es beinahe unmöglich, dass man ihr einen Austauschschüler zuwies.
"Mund zu, sonst kommen die Fliegen rein", neckte sie Coral. Unglücklich schaute Kiki sie an und klappte den Mund zu.
"Das darf doch nicht wahr sein", hauchte sie ungläubig. Ich seufzte und stellte mich vor das schwarze Brett, damit sie es nicht weiter beglotzen konnte.
"Lass es doch einfach sein! Vielleicht bietet sich im nächsten Jahr eine neue Chance und dann könntest du dein Glück auch versuchen. Es läuft dir ja nicht davon", versicherte ich ihr. Kiki war nicht überzeugt, aber was hätte ich auch anderes sagen sollen. Ihre Miene ähnelte einem Kind, das keinen Mittagsschlaf halten wollte.
In diesem Moment wurde ich grob von einem anderen Schüler weggedrängt. Fassungslos wandte ich mich zu ihm und blitzte ihn wütend an. Doch er schien das nicht wirklich war zunehmen, schnappte sich den Stift und schrieb sich in die Liste ein, womit Kikis Kinnlade erneut herunter klappte. Ich stöhnte, verdrehte die Augen und zog meine Freundin am Arm von der Liste weg. Dann legte ich ihr, wie sie es schon von mir kannte, mütterlich die Hände auf die Schultern. Sie biss sich auf die Unterlippe und wich meinem Blick aus, als erwartete sie eine lange Rede. Doch darauf konnte sie lange warten. Ich wusste ganz genau, wie sie die Unterprima beneidete, aber das Leben musste schließlich weitergehen. Deshalb versuchte ich, ihr den Schüleraustausch nicht auszuschlagen, sondern sie aufzuheitern.
"Weißt du, ich finde wir sollten uns freuen, dass wir uns wiedersehen. Es sind drei Monate vergangen und schon ziehst du eine Schnute, als wären sieben Regentage vergangen. Wir könnten es uns ja im Zimmer gemütlich machen und uns auf die Betten lümmeln. Vielleicht gibt es ja ein anderes Gesprächsthema als den Schüleraustausch", bot ich ihr an und merkte selbst, dass ich das richtige gesagt hatte. Kiki schien nur kurz zu überlegen, dann gingen ihre Mundwinkel leicht nach oben. Hoffentlich dachte sie bei dem anderen Gesprächsthema nicht an Jungs. Da würde ich wohl kein Wörtchen mitreden können. Eigentlich hatte ich Christian versprochen, ihn gleich am ersten Tag nach den Ferien zu besuchen, was ich jetzt wohl streichen konnte. Dann musste das halt bis morgen warten. Hauptsache, meine Freundin war glücklich.
"Ich habe Schokokekse und Apfelsaft dabei", meldete sich Cat zu Wort, die unser Gepräch natürlich mitgehört hatte. Ich verbannte Christian in meinen Hinterkopf und freute mich schon auf den gemeinsamen Abend. Allerdings wurde es doch nicht ganz so perfekt wie gedacht.

Tatsächlich saßen wir abends alle auf Kikis kleinem Bett zusammen und unterhielten uns über das nächste Schuljahr, was sich sogar als ganz interessant herausstellte, da wir nun auch unsere Stundenpläne kannten.
"Also ich finde es gut, dass wir Mrs Bluelight wieder in Wassertraining haben. Ich finde, sie hat mir das Wasserbändigen auf jeden Fall beigebracht. Obwohl es komplett neu war, hat sie es mir mit Geduld so lange gezeigt, bis ich es drauf hatte", erzählte Cat gerade. Ihre Augen blitzten kurz auf, als sie sich an das letzte Schuljahr erinnerte. Coral griff in die Kekspackung, sodass es leise knisterte.
"Musst du gerade sagen. Du bist im Wasserbändigen ein Naturtalent. Mir fällt ja schon Heilen schwer", verriet sie und lehnte sich zurück, sodass ihr Kopf über die Bettkante hing. Wir anderen vier saßen im Schneidersitz in einem Kreis zusammen und hatten Kikis kleine Nachtlampe angeknipst. Wir hätten auch eine Runde Rommé spielen können, aber nach diesem Tag, wollten wir alle nicht mehr. Wir waren schließlich ganz schön lange gefahren, bis auf Coral, die ja schon hier gewesen war. Wunderlich war, dass Alice noch immer nicht hier war und draußen wurde es langsam dunkel. Sollte ich darüber besorgt sein?
Ich sprach dieses Thema jetzt nicht an, weil ich unsere gute Stimmung nicht vermiesen wollte. Schließlich war Alice nicht gerade unsere Freundin.
"Und wie läuft es mit dem Luftbändigen?", wollte Kiki interessiert von mir wissen. Es war klar, dass diese Frage von ihr kam, denn sie war sehr neugierig und deswegen konnte ich mir auch gut vorstellen, dass sie später einmal als Wissenschaftlerin arbeitete oder die Welt bereiste. Ich schluckte meinen Keks henunter.
"Hmm, ich habe mich schon an einigen Übungen versucht, ...", berichtete ich," aber irgendwie will es einfach nicht funktionieren. Bis jetzt kann ich mich nur in Luft verwandeln, das wars dann aber auch." Ja, wenn mir Mrs Chatfield nicht noch Extrastunden mit Mr Gaster zugewiesen hätte, würde ich es vielleicht nie lernen. Natürlich war es für Mr Gaster eine Ehre den Avatar trainieren zu dürfen, trotzdem wünschte ich mir Szu zurück. Sie wusste genau, wie sie mir ein Element am besten beibringen konnte. Zu blöd, dass sie nicht mehr in der realen Welt weilte. Und man musste dazu sagen, dass Mr Gaster mich ab November nicht mehr unterrichten würde, da er ab November mit Mrs Chatfield nach Asien reiste, warum auch immer.
"Naja, in Luft verwandeln kannst du dich schon", sprach sie es an. "Du weißt, dass es zur höheren Luftbändigermagie gehört." Darauf konnte ich nur nicken. Ja, das wusste ich.
"Mädels, ich glaube, ich gehe schlafen. Der Tag war lang und irgendwie bin ich müde. Keine Ahnung was los ist", schwindelte ich und rutschte von der Bettkante. In Wahrheit wollte ich nur nicht, dass sich das Gespräch um mich und meine Avatarfähigkeiten drehte und ich brauchte mal Zeit zum Nachdenken.
Cat neigte verständnisvoll den Kopf, packte die Kekspackung zusammen und stand auf.
"Sie hat recht", stimmte sie mir zu und seltsamerweise hörte es sich ganz so an, als wüsste sie, dass ich nur versucht hatte, das Gespräch abzubrechen.
Coral setzte sich nun auf, wischte ein paar verbliebene Kekskrümel von Kikis Bett und erhob sich auch. Wir dutschten uns nacheinander und putzten uns rasch die Zähne, bevor wir mehr oder weniger ermüdet in unsere Betten fielen. Kiki knipste das Licht aus und schneller als ich Gute Nacht sagen konnte, waren Kiki und Coral eingeschlafen. Cat lag noch etwas länger wach und raschelte aller dreißig Sekunden mit der Bettdecke. Irgendwann kam die Zeit, in der es mich ein wenig nervte, da ich deswegen selbst einfach nicht einschlafen konnte. Da ich nicht unhöflich sein wollte, schwieg ich vorerst, stand auf und trat an ihr Bett heran. Langsam setzte ich mich auf die Matratze, damit sie keinen Schreck bekam. Als sie sich nicht regte flüsterte ich leise fragend: "Cat?"
Keine Antwort. Es blieb still, bis sie sich doch auf meine Seite herumwälzte, die Bettdecke über den Kopf gezogen. Ich runzelte die Stirn und schob die Bettdecke vorsichtig bei Seite. Angstvoll taumelte ich zurück. Cats Augen waren blutunterlaufen und weit aufgerissen. Ihr Mund stand offen, als wollte sie schreien, doch sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Lippen wirkten blau und selbst im Dunklen konnte ich ihr kalkweißes Gesicht erkennen. Ich bemerkte auch, dass sie leicht zitterte und berührte zaghaft ihr Handgelenk. Ihr Puls raste. Erschrocken zog ich die Hand zurück.
"Cat?", hauchte ich nocheinmal leise. Nichts passierte. Ich näherte mich dem Bett erneut und legte ihr meine Hand auf's Herz. Vielleicht ließ sich mit Heilkräften ja etwas machen. Bevor ich allerdings Heilkraft anwenden konnte, packte sie blitzschnell mein Handgelenk und drückte fest zu. Fast hätte ich aufgeschrien. Stattdessen versuchte ich mich von ihrer Hand zu befreien, doch sie ließ nicht locker. Erst als ich kurz davor war, die anderen beiden zu wecken, wurde ihr Blick wieder klar. In die himmelblauen Augen kehrte die Farbe zurück, aber blass war sie noch immer. Ihr Atem ging schnell und sie blickte mich besorgt an. Erst jetzt ließ sie mein Handgelenk los. Es schmerkte und ich hatte das Gefühl, dass morgen an dieser Stelle alles rot sein würde.
"Cat, was ist passiert?", fragte ich sorgenvoll, setzte mich erneut auf das Bett und nahm sie in den Arm. "Es war kein Traum oder?"
Cat schüttelte atemlos den Kopf und lehnte sich gegen meine Schulter. "Nein, es war eine Vision."

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