Kapitel 44 - Fremder

"Hier entlang, das ist die letzte!" - "Alles klar!"

Mondblüte drehte ab und ging in den Sinkflug über, um sich eine weitere große Metallplatte zu schnappen. "Langsam, Süße - sehr gut", murmelte Maila und wank den Wachen zu, woraufhin sie die Sicherungen lösten und sie auch die letzte Platte mithilfe der Nadder und ihrem Feuer anbringen konnten.

Seufzend landeten sie wieder auf dem Hauptdeck und Maila sprang schwungvoll ab. Lächelnd kraulte sie Mondblüte, gerade als Gerhard auf sie zukam. "Schon fertig?" - "Na du kennst uns doch!" grinste sie und lehnte sich gegen ihre Partnerin. Gerhard lächelte. "Ja, das überrascht mich nicht. Ohnezahn und sein Trupp haben in der Zwischenzeit bereits die Masten wieder aufgerichtet und sobald die Segel geflickt sind können wir starten." - "Weiß Viggo schon davon?" fragte sie und er nickte düster, sein Blick wanderte aufmerksam über den Horizont. "Ihm wäre schneller lieber, aber dank der Drachen mussten wir nicht einmal zwei volle Tage hier verbringen." - "Das überrascht mich auch, die Beschädigungen der Sif waren sehr schwer", murmelte die junge Schülerin und dachte an den Angriff auf den Berserkertrupp zurück.

"Wie gesagt, wenn Viggo dir nicht erlaubt hätte zu helfen, wäre es noch langsamer vorangegangen. Ich kann mir aber vorstellen, dass er nicht sonderlich begeistert war, oder?" Maila lachte auf und Gerhard verständnisvoll. "Nein überhaupt nicht. Er zweifelt immer noch daran, dass die Insel wirklich unbewohnt ist und rechnet auch bald mit Spionen von den Reitern..." Sie schwieg kurz und biss sich dann auf die Lippe. "Vor allem aber will er, dass wir so schnell wir möglich aufbrechen, damit wir Neo zuvorkommen können", murmelte sie und Gerhards Blick verfinsterte sich. Der erste General war mit einem externen Schiff aufgebrochen, um den Rest seiner Männer zu vereinen und zu den sinkenden Klippen zu führen. Deshalb mussten sie unbedingt vor ihm dort ankommen

"Mein Vater ist vielleicht paranoid, aber er hat durchaus Recht: Je schneller wir verschwinden, desto besser." - "Keine Frage", stimmte Gerhard ihr zu und nickte nachdenklich. Die Narbe über seinem Auge kräuselte sich, als er das Gesicht verzog und Maila zog fragend eine Augenbraue hoch. Er sah auf und schüttelte abwinkend den Kopf. "Wir sind nicht mehr weit von den Klippen entfernt, wenn wir Glück haben sind es nur noch wenige Tage." - "Aber?" Er lachte geschlagen auf und ließ seinen Blick erneut über die herumlaufenden Jäger wandern.

"Ich spüre ihre Blicke. Und Viggo ist auch angespannter als sonst - Neo hat ihnen sicherlich seine Befehle gegeben, bevor er aufgebrochen ist." Maila nickte düster. "Das ist mir auch aufgefallen", sie begann noch leiser zu sprechen und machte einen Schritt zu Gerhard hin, "Aber die Drachen sind meines Erachtens nach bereit. Ich hätte schon lange zur Schule fliegen müssen aber..." Sie zögerte. Der Gedanke zu den Reitern zurückzukehren plagte sie noch immer und sie hätte sich gerne mehr Vorbereitungszeit gewünscht. All die Verzögerungen kamen ihr damit also irgendwie gelegen, doch wurde sie auf der anderen Seite mit jedem Tag nervöser. Sie wusste, das Viggo sie bald losschicken würde, spätestens, sobald die Sif wieder Fahrt aufgenommen hatte. "Wenn auf der Schule alles glatt läuft, dann haben wir nichts zu befürchten. Der Angriff hat uns doch nicht so schlimm verlangsamt wie gedacht. Aber ich habe es schon mal bereut Neo zu unterschätzen und das werde ich nicht nochmal tun - je weiter wir kommen, desto enger zieht sich die Schlinge."

Ihr Mentor lächelte sanft und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Du hast einiges dazugelernt, seit ich dich kennen lernen durfte. Hab keine Angst, ich bin zuversichtlich. Mir ist noch nie so etwas wie du und Viggo untergekommen, zusammen seid ihr nicht nur klug und stark, ihr versprüht ein Feuer, das die Kraft hat einfach alles niederzureißen", er breitete gestikulierend die Hände aus und sah lächelnd in ihre faszinierten Augen, "Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber es ist als wäre es ein Plan der Götter gewesen - und dabei glaube ich nicht einmal an so etwas. Aber bei eurer Geschichte denke ich nicht, dass euch irgendetwas jetzt noch aufhalten kann... Du hast Recht, die nächste Woche wird nicht leicht, aber uns bleibt noch etwas Zeit. Es wird schon alles klappen. Außer vielleicht wir kommen zu spät zur Besprechung, dann wirft Viggo uns vielleicht doch noch über Bord..." - "Ah, stimmt! Bei den Göttern, das hatte ich völlig vergessen, wir sollten uns beeilen! Und Gerhard - Danke."

Beide lächelten zuversitlich und machten sich dann auf zum Kartenzimmer. Auf dem Weg stießen auch Ohnezahn und Donnerschlag zu ihnen und Maila kam nicht Umhin die skeptischen Blicke der Jäger noch deutlicher zu bemerkten. Allerdings besserte sich ihre Laune, sobald sie das Kartenzimmer betrat und Arik erblickte. "Arik! Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du wieder da bist!" - "Ich kam ja auch gerade erst an!" Er drückte sie lachend an sich und bevor sie etwas unternehmen konnte hatte er schon ihre Haare zerzaust. "Hey!" - "Auch hallo!" - "Unlustig, Arik!" - "Kommt schon, ihr beiden!" unterbrach Viggo sie während Arik noch immer lachte und Maila versuchte ihre Haare zu entwirren. So bemerkte sie den besorgten Blick ihres Vaters erst, als sie aufblickte. Sofort war ihr lächeln verschwunden.

"Was ist? Gab es schlechte Neuigkeiten?" fragte sie schnell und merkte wie ihr das Herz auf einmal bis zum Hals schlug, "Oder - oder muss ich schon zu Schule?" Viggo schloss nur erschöpft die Augen und schüttelte den Kopf. "Ich wünschte es wäre so, uns läuft die Zeit davon. Aber ich kann dich jetzt nicht entbehren. Arik, weih sie bitte ein", forderte er stirnrunzelnd und ihr Cousin nickte, ebenfalls auf einmal ernst. Maila sah unsicher zwischen den beiden hin und her.

"Stimmt, du solltest erst in zwei Tagen zurück sein, oder?" wurde ihr plötzlich klar und ihre Augen weiteten sich. Arik nickte. "Deshalb hasse ich Außenmissionen, es endet immer damit, dass ich zurückfliegen muss." Er schüttelte sich gequält und Maila warf einen schnellen Blick hinüber in Viggos Zimmer. Blitzschlag war auch zurück und lag eingerollt auf der Steinplatte. Unruhig biss sie sich auf die Lippe. Das gefiel ihr nicht.

"Ich hatte gehofft, dass es diesmal nicht so weit kommt, ich sollte immerhin nur den Weg eines Jagdschiffes begleiten.", erklärte Arik und ihr Vater warf ein: "Ich schicke immer einen von uns mit diesen Trupps, weil ich Neo nicht vertraue und die Sicherheit der Drachen sicherstellen möchte." Maila nickte schnell und Arik erzählte weiter. "Es sollte problemlos verlaufen, aber wie das halt so ist, wenn man eh schon Probleme hat, hat uns eine Bande von - äh - ich weiß es nicht genau - angegriffen. Vielleicht waren es einfache Piraten, oder auch Schwarzmarkthändler. Ich habe nicht viel gesehen, unser Hauptdeck wurde schnell überrannt. Koordiniert waren sie nicht und die Gruppe ist auch nicht das Problem, es sind- " "Die Drachen..." murmelte Maila und ihr Vater nickte bestätigend.

"Ich möchte, dass du sofort losfliegst, Maila. Zum Glück ist bei nicht hier... Es ist das letzte erwartete Drachenschiff, das bei den Klippen zu uns gestoßen wäre. Wir müssen uns beeilen, Arik hat die Verteidigungsprotokolle aktiviert, es könnte also noch nicht zu spät sein. Die Besatzung sind zwar nur einfache Seeleute, aber sie werden nicht einfach aufgeben. Meines Wissens nach handelt es sich bei dieser Dracheneinheit außerdem um besonders starke Exemplare, auch sie dürften es den Angreifern nicht gerade leicht machen. Dennoch darfst du keine Zeit verlieren. Donnerschlag kann dich hinführen, sobald er ihre Fährte aufgenommen hat. Bis dahin halte dich nach Nordwesten." Ihre Blicke trafen sich für einen Moment und Viggo nickte knapp. "Verstanden!" bestätigte sie, ebenfalls nickend und wank den Drachen.

Gemeinsam eilten sie in Mailas Räume hinüber, sie zog sich mit geübten Griffen ihre Rüstung an und schnappte sich ihr fertig umgebautes Schwert, sowie die Drachenpfeife. Wenig später schwang sie sich auch schon in den Sattel. Ohnezahn und Donnerschlag sprangen sofort auf und segelten bereits aus dem Fenster, während Maila noch zögerte. Ihr Herz hämmerte heftig an ihren Brustkorb, wie immer, wenn ihr eine dieser Missionen bevorstand. Und dieses Mal hatte sie mehr zu verlieren, als nur ihre Identität, sie wollte den Drachen mit aller Macht und von ganzem Herzen helfen. "Meinst du wir können das schaffen? - Allein meine ich? Wir wissen nicht einmal was uns bevorsteht..." murmelte sie und sah ihre Partnerin hilfesuchend an. Mondblüte schüttelte sich aber nur schnaubend und sprang nervös auf und ab. "Du hast Recht Süße, keine Zeit für ein Team - fliegen wir los!"

Und damit ließen sie sich ebenfalls nach draußen fallen und fingen sich knapp über dem Meeresspiegel. Prüfend sah Maila sich um, lehnte sich dann aber in den Sattel und sah nach vorne. "Donnerschlag, finde das Schiff für uns!" rief sie dem Drachen zu, er gab ein kurzes Knistern von sich und übernahm die Führung. Sie drehten ab und entfernten sich unbemerkt von der Sif. Langsam wurden sie schneller und das Wasser begann auf beiden Seiten in die Höhe zu spritzen, während sie über das Meer jagten und sich zielsicher ihren verlorenen Drachen näherten.

Es dauerte auch nicht lange, bis schließlich ein Schiff am Horizont auftauchte und sie in Angriffsformation übergingen. Die Drachen stiegen auf und umkreisten das Schiff, dass wohl schwere Schäden erlitten hatte. Es trieb leblos im Wasser, die Segel waren zerrissen und an Bord brannten noch immer kleine Feuer, doch als sie etwas näher kamen, fiel Maila sofort auf, dass es keines ihrer Schiffe war. Skeptisch drehten sie noch eine Runde, doch noch immer fand sie keine Spur von Lebenszeichen. "Sehen wir uns das an, Süße", murmelte sie und gab den beiden anderen ein Zeichen, zurück zu bleiben.

Vorsichtig setzte Mondblüte auf der Spitze des Schiffes auf und verharrte einen Moment. Es war totenstill. So kletterten sie langsam auf das Deck hinunter. Die Planken unter ihnen knarzten leise und sie schlichen wachsam das Schiff hinunter. Angespannt sahen sie sich um.

An der Ladeluke angekommen, gab Maila Mondblüte ein stummes Zeichen, sprang ab und entfachte ihr Schwert. Mondblüte ging neben dem Eingang zum Bauchraum angriffsbereit in die Hocke und auf ihr Zeichen hin sprang Maila hinunter. Eilig wirbelte sie herum und leuchtete mit ihrem Schwert den Raum aus. Nichts.

Skeptisch sah sie sich um und entdeckte schließlich die komplette Mannschaft bewusstlos in einer Zelle. "Irgendwas stimmt hier nicht", flüsterte Maila Mondblüte zu, als sie wieder nach oben kletterte. Ihre Partnerin peitschte bestätigend mit ihrem Schweif auf und ab. Dies mussten ihre Angreifer gewesen sein. Doch irgendetwas, oder irgendjemand war ihnen mit der Rettung zuvorgekommen. "Lass uns verschwinden, suchen wir unser eigenes Schiff", beschloss Maila und sah sich noch ein letztes Mal unruhig auf dem zerstörten Schiff um.

Doch da hatten sie das Geisterschiff auch wieder verlassen und setzten ihre Suche fort. Dennoch wurde Maila dieses seltsame Gefühl nicht mehr los und sie sah sich die ganze Zeit über paranoid um. Sie wusste, das könnte eine Falle sein, doch das wäre zu einfach. Sie hatte noch immer die Drachen bei sich. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein...

Allerdings wurde das Ganze noch skurriler, als sie ihr Zielobjekt völlig unversehrt in einer Bucht treibend fanden. Die Insel war unbedeutend klein und schien unbewohnt, befand sich allerdings auch nicht auf dem Pfad der Strömung, auf dem das Schiff getrieben wäre. Es musste wohl doch noch überlebende geben.

Wiederum landeten sie und Mondblüte also zuerst, um das Deck zu sichern. Dann wank sie Ohnezahn mit sich, während Donnerschlag auf einem der Masten verharrte und Wache hielt. Die Sicherheitsverriegelungen waren noch aktiv, es war ihren Angreifern wohl nicht gelungen, das Netz zu knacken und sie fand nirgends eine Spur von einem Kampf. Allerdings gab es auch keine Spur von den Wachen.

Noch immer verunsichert und auf der Hut, entriegelte sie schließlich das Haupttor und öffnete es einen Spalt weit. Das Schwert in der Hand wank sie Ohnezahn zuerst in den dunklen Gang und folgte ihm schließlich langsam mit Mondblüte an ihrer Seite. Zischend entzündeten sie schwache Lichter in ihrem Rachen und so kämpften sie sich bis in die Lagerebene vor, wo die Drachenkäfige waren. Nachdem Ohnezahn auch diesen Bereich gesichert hatte, steckte Maila ihre Waffe wieder weg und sah sich prüfend um. 27 Drachen, genau wie Arik es gesagt hatte. Als wäre nichts passiert.

Hilflos sah sie zu ihren beiden Partnern, die noch immer angespannt auf das Knarzen des Schiffes lauschten. "Nun, der Bereich ist gesichert, aber irgendwas stimmt hier nicht. Ich würde Verstärkung anfordern und solange hier bleiben, was sagt ihr?" Mondblüte blinzelte zustimmend, während Ohnezahn erneut eine Pfote auf die Treppe setzte. "Gib mir einen Moment, ja? Wir schicken eine Nachricht zurück und dann sehen wir uns das ganze Schiff noch einmal genau an."

Ohnezahn schnaubte nachgiebig und gab sich damit zufrieden vor der Treppe auf und ab zu schleichen, während Maila versuchte mithilfe der Drachenpfeife die Drachen zu beruhigen, die in ihren Käfigen immer unruhiger wurden. Sie wussten sicherlich mehr darüber, was hier vor sich ging, doch vorerst durfte Maila sie nicht befreien. Noch war sie sich nicht sicher, ob sie das Schiff wirklich unter Kontrolle hatte.

Nachdem sie das geschafft hatte, suchte sie schnell nach einem Stück Papier und schrieb eine eilige Nachricht an ihren Vater, sodass Donnerschlag keine weitere Zeit verlor. "Wartet hier, ich -" Doch Ohnezahn sprang vor sie und schnitt ihr den Weg zur Treppe ab. Er sah ihr intensiv in die Augen und sie verstummte für einen Moment. "Wir haben den Bereich gesichert Ohnezahn, komm schon. Ich gehe nur schnell rauf und schicke die Nachricht los -" Erneut versuchte sie an dem Drachen vorbei zu kommen, doch er gab nicht nach. "Schön - dann geh du und gib ihm das. Und wir fangen schon einmal damit an nach der Mannschaft zu suchen", gab sie schließlich nach und überreichte dem Drachen widerwillig die Schriftrolle.

Schulterzuckend sah sie zu Mondblüte, doch auch sie hatte die Ohren aufgestellt und lauschte nervös die Treppen hinauf. "Vertraue deinem Drachen, er weiß es besser", seufzte Maila leise, zog wieder ihre Kapuze über und nahm ihr Schwert zur Hand. Aufmerksam schlich sie die Käfigreihen erneut entlang und kontrollierte die Drachen erneut, sowie auch die leeren Käfige und die Lagerkammern. Auf ihrem Weg zurück begann Mondblüte noch aufmerksamer zu lauschen, doch Maila hatte gerade einen orange-roten Taifumerang entdeckt. "Du kommst mir überaus bekannt vor, kann es -" Doch da ertönte ein lautes Scheppern und sie fuhr herum.

Eilig tauschte sie einen Blick mit Mondblüte, bevor sie beide die Treppe hinauf stürmten. Kaum bevor sie den Eingang wieder erreicht hatten, hörten sie auch Ohnezahns Rufe und Maila stürmte auf das Gitter zu.

Verschlossen.

"Verdammt!" rief sie und rüttelte an dem Sicherheitsgitter, doch es hatte keinen Zweck. "Ohnezahn, wer war das?" fragte sie und spürte wie Panik in ihr aufkeimte. Er fauchte auf, doch es klang mehr wie ein frustriertes Jammern. "Bei Odin...", murmelte Maila und klopfte die Wände nach einem Zugang zum Sicherheitssystem ab. Ohnezahn lief gestresst auf und ab, während Mailas Gedanken sich heftig im Kreis drehten, auf der verzweifelten Suche nach einer Lösung. "Wo ist Donnerschlag? - Donnerschlag?!" rief sie, doch Ohnezahn legte nur ratlos die Ohren an. "Das kann doch nicht war sein! Ohnezahn, du musst ihn unbedingt finden. Diese Nachricht muss zurück zur Sif, jetzt umso mehr. Ich werde nicht zulassen, dass den Drachen hier etwas passiert und wenn ich Glück habe, finde ich auch einen anderen Zugang zum System, um dich wieder herein zu lassen. Wir dürfen keine Zeit verlieren!"

Der Drache nickte schnell und schwang sich mit einem kräftigen Flügelschlag in die Luft, während Maila und Mondblüte sich herumdrehten und den Gang wieder hinunterliefen. Die junge Kriegerin entfachte ihr Schwert und schlich wachsam über den knarzenden Holzboden. Das Geräusch von Wind und Wellen war verschwunden und sie waren wieder in die beunruhigende Stille eingetaucht. Doch nun wussten sie mit Sicherheit, dass sie nicht allein waren. Irgendjemand hatte sich an Donnerschlag vorbeigeschlichen und nur darauf gewartet, Ohnezahn von ihnen zu trennen. Er hatte also doch Recht damit gehabt, sie nicht gehen zu lassen.

Das ungute Gefühl in ihrer Brust verteilte sich wie ein Gift und ließ ihr Hände zittern. Sie wusste das jemand hier auf sie wartete, vermutlich mit einer weiteren Falle, um auch Mondblüte von ihr zu trennen. Irgendwie musste sie dem Fremden zuvor kommen.

Wie aufs Stichwort erklang ein Poltern vom Ende des Ganges und als sie um die Ecke stürmten, entdeckte Maila eine halb offene Tür auf der linken Seite. Mehrere Schatten fielen auf den Gang und Maila sah unsicher zu Mondblüte hinüber. "Das ist eine Falle, Süße, meinst du nicht?" Mondblüte summte zustimmend und sah sich weiter unruhig um, während Maila angestrengt überlegte. Der Fremde wollte, dass sie durch diese Tür ging, das war klar. Die wichtigste Frage war nun, ob sie das tun sollte, oder nicht. Sie wusste nicht, wer oder was dort auf sie wartete, oder ob es eine gute Idee wäre, allein zu gehen. Immerhin wussten sie nicht, worauf ihr Angreifer es überhaupt abgesehen hatte. Ob er Informationen wollte, oder wirklich die Drachen. Doch sie würde nicht zulassen, dass irgendwas davon in fremde Hände fiel. "Mondblüte, kannst du feststellen, wer oder was hier mit uns spielt? Oder ob sie noch hier sind?"

Forschend schnupperte Mondblüte über den Boden und die Wände, drehte sich einmal um sie herum und nickte ihr dann schließlich zu. "Okay, dann müssen sie wirklich dort drin sein. Es ist das Kommandantenzimmer, da drin gibt es sicherlich einen Notschalter. Ich werde rein gehen und ich brauche dich, um mir raus zu helfen. Falls es eine Falle ist, musst du dafür sorgen, dass sie die Drachen nicht bekommen, alles klar? Ich vertraue dir Süße, auch wenn ich nicht weiß, ob ich das richtige tue."

Mondblüte warf ihr einen verzweifelten Blick zu, schmiegte dann aber aufmunternd ihren Kopf an Mailas Hand und die Reiterin lächelte schief. "Dir auch viel Glück, Kleine." Mondblüte zog sich in den Schatten zurück und wartete hinter der Ecke, während Maila mit entzündetem Schwert auf die Tür zu schlich. Sie war etwa eine handbreit geöffnet und es fiel ein Streifen Tageslicht auf den Boden. Die Schatten waren verschwunden und als Maila einen vorsichtigen Blick riskierte sah sie nur ein verlassenes Zimmer. Sie sah einen schweren Schreibtisch in der Mitte des Raumes und ein Regal an der Wand stehen. Das Fenster befand sich ihr gegenüber, das Licht fiel also tückisch.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals und das Adrenalin jagte durch ihre Adern, doch sie zwang sich ruhig durch zu atmen und sich zu konzentrieren. Gerhard hatte das mit ihr geübt, sie wusste, was sie zu tun hatte.

So festigte sie den Griff um ihr Schwert und rollte sich beherzt in die Mitte des Raumes und wand sich blitzschnell herum. Tatsächlich stürmten augenblicklich ein duzend Männer auf sie zu, die sich zuvor an der Wand versteckt hatten. Ein Hinterhalt.

Maila sprang auf und entfachte ihr Schwert, duckte dich direkt unter einem Hieb hinweg und parierte den nächsten. Weitere Gegner kamen auf sie zu und sie blockte einen Schlag nach den anderen, ohne selbst die Gelegenheit zum Angriff zu erhalten. Allerdings würde ihr schnell klar, dass das hier keine Krieger waren und sprang auf den Tisch hinter sich. Nun stand sie über ihren Angreifern und schwang schützend das brennende Schwert vor sich. Und tatsächlich wichen sie zurück.

Das nutze Maila, um ihr Schwert zu erlöschen und abwehrend die Hände zu halten. "Ihr seid die Mannschaft dieses Schiffes, richtig?" rief sie und einer der Männer trat nach vorne, mit wachsam funkelnden Augen und der Waffe auf sie gerichtet. "Wer bist du, Kind?" zischte er und Maila seufzte erleichtert, als sie seine rote Tunika erkannte. Sie sprang von dem Tisch herunter, woraufhin die Männer erschrocken zurückwichen, doch sie hob nur erneut unschuldig die Hände. "Ich wurde von der Sif entsendet, um euch beizustehen. Ich bin der dritte General - Grimborn. Aber ich muss von euch erfahren, was hier passiert ist", erklärte sie und die Männer senkten ihre Waffen, sahen allerdings nur abwartend ihren Kommandanten an.

"Du - Ihr! - Ihr, Sir, ... Ihr seid der Drachenbezwinger!", rief er und wurde kreidebleich, "Oh nein, wir haben euch eine Falle gestellt..." - "Kommandant?" hackte sie nach und hörte sich forscher an, als sie es gewollt hatte. "Wir dachten ihr wärt sie... sie - sie hat uns eingesperrt. Wir haben nur gehört, wie der Hauptzugang entriegelt wurde und haben auf Rettung gehofft, aber sie hat während unserer Besprechung die Tür verriegelt. Und dann war die Tür plötzlich wieder offen, aber wir haben Schritte gehört und - und wir dachten Ihr wärt sie, General." - "Wer, Kommandant, wer?" fragte sie, die Panik schnürte ihr beinahe die Kehle zu und sie machte einen schnellen Schritt auf den verwirrten Mann zu.

"Sie!" rief da ein anderer Soldat und sie drehten sich herum. Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte Maila eine verhüllte Gestalt im Türrahmen, doch da war die Tür schon zugeschlagen worden. Sofort stürzten die Männer hin, doch sie hörten bereits das Schaben des Riegels und Mailas Herz setzte für einen Schlag aus. "Sie, sie war es!" riefen die Jäger durcheinander, doch die junge Beschützerin kämpfte gegen eine aufkommende Panikattacke an. Ihre Hände zitterten und sie atmete hektisch, doch irgendwie schaffte sie es doch, die Kontrolle zu behalten, als die Wachen sich zu ihr umdrehten und sie fragend ansahen. Doch sie wartete nur und lauschte aufmerksam in die Stille des Schiffes.

Mondblüte war immer noch da draußen. Aber sie hörte nichts. Der Fremde musste aber in ihre Richtung gekommen sein. Unruhig begann sie auf und ab zu laufen. "Wo ist der Hauptschalter zur Deaktivierung der Systeme?" fragte sie dann und sah auf zu dem Kommandanten, der allerdings nur mit den Schultern zuckte. "Meister - äh - auch Grimborn?" - "Arik?" unterbrach sie ihn und er nickte. "Er hat die Systeme von außen aktiviert und uns hier eingesperrt. Er versprach uns, Hilfe zu schicken. Und das hat er ja auch. Aber - nun ja - es gibt duzende Abriegelungsprotokolle und sie sind dafür aufgelegt, von einem General geöffnet zu werden, sobald das Schiff sich in einem sicheren Hafen befindet", erklärte er und Maila knirschte mit den Zähnen. "Ich konnte nur die Tür öffnen und das nur von außen. Ich wurde nur zur Abwehr der Piraten geschickt, aber sie waren schon fort. Wer ist also diese Fremde?" - "Das wissen wir nicht." Maila seufzte.

"Wir müssen einfach nur hier raus!" beschloss sie und griff nach der Drachenflöte. "Ich hoffe das funktioniert", murmelte sie zu sich selbst und sendete ein Notsignal. Doch anstelle von Hilfe, hörte sie ein lautes Scheppern und das Rasseln von Ketten in den Wänden, woraufhin das Schiff ruckartig zu schwanken begann. Auch die Besatzung würde nervös "Was ist das?" - "Das hört sich nicht normal an!" - "Die Abriegelung wurde aufgehoben!" - " Nein, irgendwas stört das System." Die Jäger riefen wild durcheinander und hielten sich an den Wänden fest, während das Schiff sich langsam wieder ausbalancierte. Mailas Gedanken wirbelten wirr durcheinander, doch sie wusste genau, dass etwas nicht stimmte und dass Mondblüte und die anderen Drachen in Gefahr schwebten.

"Wir müssen hier raus! Versucht das Gitter an dem Fenster anzuheben, vielleicht sind die Ketten weit genug entlastet worden!" rief sie und tatsächlich war es möglich, die Sicherungen zu lösen und das Gitter einen Spalt weit anzuheben. "Ohnezahn? - Ohnezahn!" rief Maila und lehnte sich aus dem Fenster hinaus. "Haltet es noch offen!" murmelte sie und die Männer nickten angestrengt, während sie es mit dem Drachenruf versuchte, den Fischbein ihnen vor ewigen Zeiten beigebracht hatte. Und tatsächlich tauchte der Nachtschatten wenig später auf und schlug aufgeregt mit den Flügeln. "Ich weiß, ich weiß, Mondblüte ist da draußen, aber die Tür ist versperrt, denkst du, du kommst hier rein?" Sie machten einen Schritt zurück und die Jäger drückten das Gitter so weit in die Höhe, wie sie nur konnten. Und tatsächlich schaffe Ohnezahn es mit einer geschickten Rolle durch den Spalt herein zu kommen. Erschöpft ließen die Männer das Gitter wieder los, während Ohnezahn knurrte und mit einem gezielten Schuss die Tür pulverisierte.

"Du bist der Beste, Ohnezahn!" rief Maila und stieg durch das Brandloch in der Wand nach draußen. "Beeilen wir uns, wir müssen das Schiff sichern und verhindern, dass dieser Angreifer die Blockade überwindet und flieht!" befahl sie und stürmte ohne weitere Gedanken den Gang entlang und die Treppe hinunter.

Noch bevor sie den Lagerraum betrat hörte sie den Lärm und erblickte wenig später auch das Chaos, das dort herrschte. Die Käfige waren geöffnet worden und überall wimmelte es von Drachen. Nur ihren eigenen Partner erkannte Maila in dem Durcheinander nicht. Sie nickte Ohnezahn zu und gemeinsam liefen sie mitten in das Chaos hinein. "Mondblüte!?" rief Maila verzweifelt, während sie sich wachsam umdrehte. Doch ihr Angreifer war wieder nicht hier. "Ruhe!" schrie Maila in die Gruppe hinein und blies in die Drachenflöte, woraufhin die Drachen tatsächlich verstummten.

Endlich konnte sie Mondblütes Warnschrei aus der hinteren Zelle wahrnehmen, doch es war bereits zu spät. Die Fremde sprang von der Decke auf sie herab und Ohnezahn musste sie zur Seite stoßen, um dem Hieb auszuweichen. Sie schlugen auf dem Boden auf und dunkle Punkte tanzten vor Mailas inneren Auge.

Fauchend und die Flügel bedrohlich erhoben stellte Ohnezahn sich vor sie, während sie sich noch keuchend aufrappelte. Ihr Kopf pochte noch von dem harten Aufprall, doch sie erkannte eine in einem Umhang verhüllte Person, sowie einen moosgrünen Glattstreicher, der zuvor nicht auf dem Schiff gewesen war. Stirnrunzelnd versuchte sie das zu verarbeiten. Ein Säurespeier. Und außerdem der beste Schwimmer der Gezeitenklasse. Ein kleiner, flinker Drache. Jetzt wurde Maila klar, wie die fremde Reiterin hier rein gekommen war.

Sie hatte sich inzwischen aufgerichtet und der Fremden gegenüber gestellt, die nur spöttisch lächelte. Sie nickte zur Seite, damit Maila aus ihrem Weg trat. Oh ich glaube nicht, Schwester, dachte Maila und zog die Augenbrauen nach oben, während sie Ohnezahn ein Zeichen gab. Er sah finster von ihr zu ihrer Gegnerin, bewegte sich dann aber langsam, rückwärts den Gang entlang, um Mondblüte aus dem Käfig zu befreien. Maila währenddessen hatte den Blick nicht von ihrer Gegnerin abgewandt, die ihren Drachen allerdings nicht weg schickte. Sie nickte Maila nur erneut zu, sie wolle aus dem Weg gehen.

Die junge Beschützerin aber zog ihr Schwert und machte den ersten Schritt, woraufhin die Fremde ebenfalls ihre Waffe zog und ihren Schlag blockte. Sie knirschte mit den Zähnen und nun war es Maila die grinste, während sie sich stärker auf ihr Schwert lehnte und ihre Gegnerin nach unten drückte. Diese musste ausweichen und nutze die Gelegenheit, um ihrem Drachen ein Zeichen zu geben, doch Maila ließ ihr nicht viel Zeit.

Erneut sprang sie nach vorne und ließ einen Hagel aus Hieben auf die andere Reiterin los. Sie hatte Mühe sich dagegen zu halten, war allerdings schnell und akrobatisch und schaffte es immer wieder sich mehrere Fuß weit von ihr zu entfernen. Und während ihr Kampf immer hitziger und schneller wurde, wurden die Drachen um sie herum immer nervöser. Sie raschelten mit den Flügeln und bewegten sich wieder unruhig durcheinander. Maila könnte nur hoffen, dass Ohnezahn sie unter Kontrolle hatte. Keine der beiden Kämpfenden hatte die Zeit sich nach ihrem Drachen umzusehen, obwohl sie beide nur auf Zeit spielten.

Der Glattstreicher war letztendlich schneller, denn er hatte eine weiter Hauptkette in der Wand gefunden und mit seiner Säure durchtrennt. Klirrend zersprang sie und die zuvor angestaute Spannung brachte das Schiff erneut zum Schwanken. Maila, sowie ihre Gegnerin taumelten voneinander weg und stützten sich auf die Käfige, während au der rechten Seite die hölzernen Außenwände der Käfige nachgaben und das Tageslicht zu ihnen hereinbrach. Bei Odin, bitte nicht, dachte Maila noch, doch die befreiten Drachen brachen bereits los.

Sie strömten hektisch durch die Luken nach draußen und das Schiff erlitt eine schlimme Schlagseite. Maila musste sich mit aller Kraft an dem Gitter festhalten, um nicht abzurutschen. Im selben Zug hatte  Mondblüte allerdings wieder ihre Freiheit erlangen können und die beiden Nachtschatten stürmten bereits auf sie zu. Maila streckte die Hand aus, deutete auf Ohnezahn, dann auf die Drachen und machte eine Spirale mit ihrem Zeigefinger, woraufhin er sich dem Strom aus fliehenden Drachen anschloss, um sie zusammen zu halten.

Mondblüte aber kämpfte sich weiter zu ihr durch und sie strich ihr erleichtert über den Kopf. "Danke Süße, ich habe einen Plan" keuchte sie, während sie ihren Blick fieberhaft über die Menge wandern ließ. Es befanden sich noch über die Hälfte der Drachen innerhalb des Schiffes. Da! Da war der Glattstreicher und die Fremde war bei ihm. "Sie sind fast draußen, du musst sie aufhalten, Mondblüte!" rief sie und deutete auf das Ende des Ganges.

Ihre Parterin stürtzte wieder los und sie selbst machte sich auf die Suche nach einem Kontrollfeld. Sie klopfte die Wände ab, entfernte eine Planke aus der Wand und sah ratlos auf all die vielen Hebel. Einige hingen bereits locker herunter, da ihre Kette durchtrennt worden waren. Maila knirschte mit den Zähnen. So fing sie an zu raten und legte einen Schalter nach dem anderen um, bis endlich ein vielversprechendes Rasseln in der Wand ertönte und die Gitter der Außenluken herunterfuhren.

Panik fuhr durch die fliehende Menge und die vordersten Drachen wichen zurück, während andere weiter drängten. Hektik überkam auch ihre Gegnerin, sie hatte die Freiheit beinahe erreicht, konnte sich allerdings nicht mehr rechtzeitig aus Mondblütes Griff befreien. Nur Ohnezahn schaffe es noch knapp sich unter dem schließenden Gitter hindurch zu rollen. Donnernd verschloss es sich und Maila atmete erleichtert auf. Die Drachen verteilten sich, das Schiff balancierte sich wieder aus und die Fremde Reiterin saß wieder in der Falle. Doch damit war erst die Hälfte erledigt.

So stürzte sie auf Mondblüte zu, die noch immer mit ihren Gegnern am Ende des Ganges rang. Im Vorbeilaufen schloss sie so viele Drachen wie möglich wieder ein, doch es waren immer noch zu viele. Und sie waren zu groß. Der große Taifumerang hätte ihr beinahe die Nase gebrochen, als er versuchte sich umzudrehen und ein Sägezahn hätte sie fast an der Wand zerdrückt. Dennoch gelang es ihr zu Mondblüte vorzudringen und sie öffnete eine weitere Käfigtür.

Sie stieß einen Pfiff aus und ihre stieß den feindlichen Drachen mit einem kräftigen Tritt von sich. Maila warf die Tür hinter ihm zu und konnte sich nur knapp vor einem der Säureschüsse retten, doch das Dracheneisen in den Käfigen gab nicht nach und so konnte der Drache nicht verhindern, dass Maila und Mondblüte seine Reiterin stellten.

"Zeig mir dein Gesicht", zischte Maila und richtete ihr Schwert auf die Fremde. Doch sie ließ sich nicht einschüchtern und sah Maila herausfordern in die Augen. "Ich überlasse dir den Vorrang!"

Hallo Hallo,

Ihr seid heute Opfer meiner neuen Straight-Forward Politik geworden, wir nähern uns dem großen Drama, nur eine letzte Sache fehlt noch - und es hat mit unserem mysteriösen Angreifer zu tun :P Ob das Hicks Plan war? Oder Neos? Wir werden sehen!

Wie es aussieht werden die Kapitel jetzt auch wieder um eeeiniges länger werden hehe Also bis bald und bis dahin - wie immer - eine ganz schöne Woche :))

- 5111 Wörter - School of Dragons - Honigmuesli - 21.08.20 -

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