Kapitel 38 - Hoffnungslos
Es war ruhig. Keine Schüsse, keine surrenden Pfeile, keine Schreie. Die Sif trieb ruhig im Wasser und es sah auf den ersten Blick aus, als hätte nie ein Kampf stattgefunden. All die Kämpfer waren verharrt und warteten auf einen Befehl. Viggo aber beobachtete schweigend seine Tochter, die wiederum versteinert in den Himmel blickte. Auch Ohnezahn neben ihr sah leise klagend hinauf.
Das traurige Summen des Drachen schmerzte Maila und sie zog langsam ihre Finger von der Brüstung zurück. In der Ferne wurden die Reiter immer kleiner. Doch es war fast so, als würde sie ihre Blick noch immer spüren...
Sie holte tief Luft. Um sie herum hatten die Wachen einen Halbkreis gebildet, zögerten jedoch sie anzusprechen. Das Chaos war mit den Reitern vergangen, alle standen ratlos herum und beobachteten den schweigsamen General unsicher. Zwar hingen in der Luft noch immer letzte Rauchschwaden der Schüsse, doch es war als wäre der Himmel aufgeklart. All die Drachen hatten sich zurückgezogen und ohne die vielen Flügelschläge war es auf einmal unheimlich ruhig. Ohne die Anstrengung war es auch kühler, leichter Seewind spielte mit ihren Haarsträhnen und sie fröstelte. Dennoch war es als würde auch etwas anderes fehlen und sie biss sich schmerzhaft auf die Unterlippe. Unendlich viele Bilder flackerten vor ihren Augen und sie schüttelte den Kopf.
Dann wirbelte sie ruckartig herum und rannte auf Arik zu, der sich gerade erst aufrappelte. Mondblüte und Ohnezahn kamen auch zu ihnen und stützen den jungen Krieger sanft, während Maila sich besorgt neben ihn kniete. "Alles okay?" murmelte sie und Arik keuchte auf, als er leise lachte. Mit verzogenem Gesicht und einer Hand an seiner Seite sah er zu ihr auf und anscheinend direkt in sie hinein. "Das sollte ich dich fragen - deinen Tutor von einem fahrenden Schiff zu schmeißen? Wow...", erneut versuchte er zu lachen, musste allerdings husten und spannte sich ungewöhnlich an. Maila ballte unbewusst die Hand zur Faust und ihr Ausdruck verfinsterte sich. Alles andere war vergessen. "Aber im ernst - das hättest du nicht", er atmete tief durch, " - nicht tun müssen. Es ist nicht deine Aufgabe solch ein -" "Oh doch", murmelte sie und bemerkte erst, dass ihre Fäuste vor Anspannung zitterten, "... Oh doch und ich würde es jederzeit wieder tuen", fauchte sie und wandte sich schnell zu den Jägern hinter ihr herum, um seinem Blick auszuweichen.
"Helft ihm doch! Er muss sofort versorgt werden!" fauchte sie. Die Männer zuckten erschrocken zusammen und in jeder anderen Situation hätte ihr das leidgetan, doch für den Moment wirbelte ein gigantischer Sturm in ihrem Innern und sie hatte das Gefühl sich selbst nicht kontrollieren zu können. Wut und Frust kochten unaufhaltsam in ihr hoch und trübten all ihre Sinne.
Aufgebracht sprang sie auf und Mondblüte stupste sanft mit der Schnauze an ihre Hand. Versunken in dem Schleier der Wut zuckte sie zusammen, strich ihr dann aber vorsichtig über den Kopf. Seufzend biss sie sich auf die Lippe und sah sich hilflos um. Sie hatte das Gefühl jeden Augenblick explodieren zu können.
"Maila - hey", Arik hatte ihre plötzliche Wandlung bemerkt, suchte ihren Blick und sah sie aus großen Augen an, während die Jäger ihn stabilisierten, "Hör zu, ich verstehe-", er unterbrach sich und seufzte, "rede mit mir - okay?" Sie reagierte nicht. Wie sollte sie sich ihm denn anvertrauen, wenn sie selbst nicht wusste, was mit ihr los war? Sie konnte sich nicht erklären woher diese plötzliche Wut kam, doch sie schien sie völlig übernommen zu haben. Natürlich stäubte sie sich dagegen, doch das machte es nur schlimmer. Es war, als würde etwas aus ihr herausbrechen, was schon lange darauf gewartet hatte...
"Viggo Grimborn!" hallte da auf einmal ein zorniger Ruf über das Deck. "Was erlauben du und deine kleine Beschützerin sich eigentlich -" Neo sprach noch weiter, aber Maila hörte ihn schon gar nicht mehr. Das war der Punkt an dem sie es nicht mehr aushielt. Zischend wirbelte sie herum und lief zitternd vor Wut auf den General zu, doch wie aus dem nichts legte Viggo ihr eine Hand auf die Schulter. "Lass es, ihn können wir in dieser Situation -" Doch sie hörte ihm nicht zu.
Schnaubend riss sie sich los und stürmte in die andere Richtung davon. Planlos rannte sie das Deck hinab und verlief sich schon bald in den langen, völlig verlassenen Reihen großer Kisten und Truhen. Hoch ragten sie neben ihr in den Himmel und warfen dunkle Schatten herab, nur vereinzelt blitzte die Sonne durch einen Spalt. Am liebsten hätte sie geschrien, sie wusste zwar noch nicht einmal was mit ihr los war, doch im Moment machte selbst das Geräusch ihrer eigenen Schritte verrückt.
Sie war wütend und wusste nicht auf wen. Sie war frustriert und wusste nicht warum. Sie zweifelte auf welcher Seite sie stand. Sie zweifelte, was sie getan hatte. Und kaum war sie alleine brach alles zusammen, sie begann unkontrolliert zu zittern und sie rang panisch nach Atmen. Sie blieb stehen und fuhr sich durch die Haare.
"Maila!"
Erschrocken zog sie die Luft ein und fuhr herum. Ihr Sichtfeld verschwamm und ihr Herz schlug noch schneller. Mondblüte sprang aus dem nichts von einer der Kisten herab, stupste sie an und beobachtete sie eindringlich aus ihren großen Augen . Das Blau leuchtete ihr entgegen und sie schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht -", hauchte sie und Tränen stiegen ihr in die Augen. Eine gewaltige Welle aus Hoffnungslosigkeit und Schmerz stürzte über sie herein und sie war plötzlich so vollkommen hilflos.
Doch da war Arik auch schon bei ihr und ergriff sanft ihr Hand, sie aber zuckte zurück. Zitternd holte sie Luft. "Nein bitte - ich kann nicht... ich - ich will nicht..." Stolpernd machte sie Schritte zurück, doch ihr Cousin folgte ihr, humpelnd, noch immer eine Hand fest an seine Seite gedrückt, doch sanft lächelnd.
Ohne Vorwarnung zog er sie schließlich in seine Arme und legte schützend den Kopf auf ihren. "Keine Sorge", murmelte er leise, "Ich bin hier. Du - du stehst kurz vor einem Nervenzusammenbruch, atme tief durch... Ich bin hier. Ich bin hier und ich lass dich nicht los. Das wird schon wieder." Maila nickte, holte zitternd Luft und Tränen strömten über ihr Gesicht. Alles brach über sie herein. "Ich - ich" - "Du kannst dich selbst nicht mehr leiden", lachte er leise und sie spürte die sanfte Vibration in seiner Brust. "Niemand erwartet von dir, dass du das aushältst", murmelte er anschließend und strich ihr beruhigend über den Rücken, während sie nur das Gesicht in seinem Mantel vergrub.
Er hatte recht, sie kannte sich selbst nicht mehr. Es war, als hätte sie sich verloren. Sie wusste nicht auf welcher Seite sie stand. Zu wem sie halten sollte. Und was sie tuen sollte. All die Bilder flackerten wieder vor ihrem inneren Auge und sie schluchzte auf. Hicks, wie er hinunter fiel und Fiona, wie sie sich ins Wasser stürzte. Ihre Blicke so voller Angst und Sorge - und falscher Hoffnung. In Hicks Augen hatte sie für einen furchtbaren Moment sogar einen Funken Verrat aufblitzen sehen. Sie fürchtete sich, dass das nicht einfach von dem Schreck kam, sondern das er wirklich so dachte. Denn sie tat es, sie kam sich schrecklich vor und das einzige, was sie zusammenhielt waren Ariks und Mondblütes Nähe. Er drückte sie fest an sich und ihre treue Partnerin schmiegte sich ebenfalls unterstützend an ihre Seite. Wie hatte sie nur denken können das alles zu schaffen, bevor sie von Arik wusste? Und wie hatte sie nur jemals ohne Mondblüte auskommen können?
Blinzelnd schielte sie über ihre Schulter und strich Mondblüte liebevoll über den Kopf. "Schon - schon witzig oder?" murmelte sie leise und Arik hob seinen Kopf, sodass sie ihren herumdrehte und ihn ansah. "Ich kenne dich erst seit wenigen Tagen - aber es fühlt sich nicht so an", sie lachte leise und auch er lächelte warm. Durch die Bewegung begann er allerdings erneut zu husten und zog sich von ihr zurück, doch sie war sofort alarmiert an seiner Seite und stützte ihn.
"Tut mir leid - schon seltsam, ja", wiederholte er und sie blinzelte ernst. "Arik, nein. Es tut mir leid. Wie konnte ich nur... Ich bin dir unglaublich dankbar, aber das ist einfach egoistisch von mir, du musst sofort versorgt werden und du - du musst dir auch nicht mein albernes -" Ihr Cousin aber schüttelte nur heftig den Kopf, ließ sich allerdings dankbar von ihr stützen. "Niemand hat gesagt, dass du da alleine durch musst, das bist ganz allein du selbst", wiederholte er, doch sie war nicht überzeugt.
"Aber du bist furchtbar verletzt! Und ich - ich weiß nicht einmal was mein Problem ist." - "Du hast kein Problem", unterbrach er sie, "Es ist ganz natürlich und dein gutes Recht, Schwäche in solch einer Situation zu zeigen. Das müsste Viggo dir sicherlich auch schon gesagt haben. Das wegschließen von Emotionen bringt selbst die tapfersten Männer um den Verstand. Und... das das - lasse ich nicht zu." - "Na dann sollten wir froh sein, das ich kein Mann bin, oder?" scherzte sie, aber er zog nur auffordernd die Augenbrauen hoch.
"Ich meine das todernst, Maila. Teil dieser zerbrochenen Familie zu sein ist schon in sich hart - und du -" Er stockte und sie seufzte schwer. "Eben. Genau das ist es, verstehst du, ich - ich will nicht mehr schwach sein. Ich will nicht beschützt werden müssen. Es war schon mein ganzes Leben lang so und ich will einfach nicht, dass ihr - und dass du -" Jetzt lächelte er doch. "Aber das wollte ich doch gar nicht sagen." - "Ich will - Moment?" - "Du bist nicht schwach. Ich sagte du bist die stärkste und mutigste Person, die ich je getroffen habe - und ich bin froh, dass du jetzt an meiner Seite sein kannst. Aber du bist unerfahren wenn es zu diesem Leben hier kommt. Und davor werde ich dich sehr wohl beschützen. Es hat mir bereits den ganzen Rest meiner Familie gekostet und das werde ich nicht wieder zulassen. Du gibst uns Hoffnung und einen Plan. Bringst uns endlich hier raus... Du weißt nicht wie lange ich in meinem Leben nach einer Bestimmung gesucht habe, es war immer so, als wäre ich in meinem Umfeld nicht willkommen. Und deswegen bin ich abgehauen, meinem Vater hinterher. Ich war nie glücklich hier, doch ich wusste auch keinen anderen Weg. Und auch wenn ich die Reiter persönlich nie mochte, spüre ich, dass sie dir lieb sind. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Und vielleicht ist auch diese Familie nicht ganz so schlecht, oder?"
~*~
Undefinierbare Zeit später fand Maila sich hoch oben in den Wolken wieder. Mondblüte und sie trieben wohl schon seit Stunden in der Dämmerung, während sie endlich Zeit hatte all ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte Arik doch noch zur Ruhe gezwungen, doch er hatte ein seltsames fremdes, neuartiges - aber zugleich angenehmes Gefühl hinterlassen. Und es war weder seine Wärme oder die sanfte Berührung, es war Dankbarkeit und sogar ein Funken Stolz - für ihre Familie.
Sie hatte inzwischen so viele Geschichten gehört und sogar mit eigenen Augen gesehen was ihre Familie - Viggo und Arik - alles für sie auf sich genommen hatten. Angefangen bei ihrer bedingungslosen Unterstützung am heutigen Tage.
Das einzige Problem war, dass es sie innerlich zerriss diese Gedanken zu haben. Ein Teil von ihr sträubte sich so heftig gegen dieses neue Gefühl, dass es ihr beinahe das Herz brach. Urplötzlich tauchten Bilder in ihrem Kopf auf, wie sie und ihre Mitschüler alle zusammen im Gras lagen und sich die Sterne ansahen, oder an kalten Tagen gemeinsam in der großen Halle saßen. Oder alte, längst vergessene Erinnerungen aus dem Jägerkrieg, als sie noch ein Kind gewesen war. Es war als würden ihre Gewissenshälften sich gegenseitig aufhetzten und am liebsten auseinanderreißen.
Der Funken an Verständnis, der damals in Viggos Zelle entfacht war, war inzwischen zu einer soliden Vertrauensbasis herangewachsen. Und während der heutige Angriff dies zuerst zurückgedrängt hatte, verstärkte er das Gefühl nun. Sie hatten kein Recht, sich Reiter des Inselreichs zu nennen, hatte Arik gesagt. Diese Worte hatten ihr die Augen geöffnet und aber etwas in ihr zerbrochen. Sie bewegte sich gegen ihre Freunde... gegen ihre Familie. Sie wusste nicht mehr auf welcher Seite sie wirklich stand. Dennoch hatte sie Hicks, der ihr im letzten Jahr zur Vertrauensperson geworden und schon immer ihr Vorbild gewesen war, ohne zu zögern über die Brüstung geschubst, um Arik zu retten. Doch in erster Linie hatte sie es getan, um ihn selbst zu retten. Erst später war ihr bewusst geworden, dass sie sich in diesem Moment für Arik und gegen Hicks entschieden hatte.
Inzwischen vermutete sie auch, dass es sich bei dem undefinierbaren Gefühl, das sie so wütend auf sich selbst gemacht hatte, um einfaches Entsetzen gehandelt hatte. Sie hatte es nie auf diese Weise gesehen und nie darauf geachtet, doch Arik so grob angegriffen zu sehen, hatte sie völlig aus der Fassung gerissen. Ohne zu zögern hatte Sturmpfeil ihn weggestoßen und das mit so einer Kraft, dass es ihn hätte schlimmer erwischen können. Tief in ihrem Inneren wollte sie es noch immer nicht glauben, aber ihre heile Welt hatte nun doch einen heftigen Sprung erhalten, der sich gefährlich weit zog und sich jederzeit ausweiten könnte.
Und dennoch war sie hier. Sie versuchte die Reiter zu beschützen, das Inselreich, alles was sie kannte vor einer gewaltigen Bedrohung zu bewahren. Im einen Moment war sie so furchtbar wütend auf die Reiter, im nächsten empfand sie nichts als Verständnis. Wüsste sie es selbst nicht besser, würde sie sich selbst auch nicht vertrauen. Keiner von ihnen konnte ahnen das es in diesem Spiel nicht nur zwei Seiten gab. Sie konnten nicht wissen, dass Neo der Feind war, dass sie nur versuchte zu helfen. Sie sollten nicht gegeneinander kämpfen müssen. Doch trotzdem war sie hier. Allein. Voller Heimweh und Sehnsucht, Hass und Verzweiflung. Mondblüte und Arik waren ihre Rettungsanker, doch es war nicht das selbe wie früher. Sie hatte weder Fiona noch Nico, ihre beiden besten Freunde, noch die anderen Schüler oder Reiter an ihrer Seite mit denen sie sich im vergangenen halben Jahr so sicher gefühlt hatte. Gerade Fiona und Nico vermisste sie so sehr, dass sie nachts nicht schlafen konnte. Sie hatte das Gefühl, alleine keine
Sie vertraute jedem einzelnen ihr Leben an und es brach ihr das Herz, sie anzulügen.
Dennoch stellte sie momentan alles in Frage. Sie war als Beschützerin aufgezogen worden, die auch nicht mit den Reitern klarkommen sollten. Sie hatte Mondblüte als Ei an sich genommen, niemand hatte ihr das Recht dazu gegeben. Aber die Beschützer taten es - sie kamen mit den Reitern klar. Und Mondblüte war ihre beste Freundin. Die Reiter konnten nicht schlecht oder gar böse sein - dennoch war ihr Vertrauen gebrochen. Nicht in sie selbst, doch in ihre Werte und Methoden. Und nun vertraute sie zwei Menschen, die ihr vor wenigen Tagen und Wochen noch völlig fremd gewesen waren - das konnte doch ebenfalls nicht richtig sein?!
Seufzend fuhr sie sich mit den Händen über das Gesicht. Welchen Grund hatte sie, ihnen zu vertrauen? Hatte sie denn irgendeinen Grund? Einen Grund alles hinter sich zulassen? Noch nie in ihrem Leben hatte sie daran geglaubt, dass gemeinsames Blut die stärkste Bindung sein sollte. Und sie glaube es immer noch nicht. Ihre Verwandtschaft zu Viggo mache es einfach noch schwerer. Objektiv gesehen, hatte er immer noch recht mit seinem Vorhaben und ihn zu unterstützen war Mailas erste Entscheidung gewesen, die sie letztendlich hierhergebracht hatte. Wieso nur hatte sie ihre Aufgabe so sehr unterschätzt? War sie zu leichtsinnig gewesen? Oder hatte Hicks ihr wirklich ein falsches Weltbild eingeredet? Täuschte er sich so sehr? Nein. sie glaubte daran. Und gleichzeitig stellte sie es in Frage.
Sie stand wahrhaftig zwischen den Fronten. Es könnte alles so leicht sein, sie alle hatten in Neo einen gemeinsamen Find und vereint es wäre ein Leichtes auch den Jägerkopf ausfindig zu machen, doch stattdessen musste alles so kompliziert sein. Sie hatte sich schon tausende Szenarien ausgemalt, wie es hätte anders sein können, in der sie alle vereint sein konnten. Viggo schien allerdings recht zu behalten, es sollte wohl einfach nicht sein. Sie fand keine Lösung.
Doch das war nicht einmal alles.
Vor einiger Zeit war Ohnezahn an ihnen vorbeigetrieben und er wirkte noch gebrochener als sie. Er hatte hier, im Gegensatz zu ihr, nichts gefunden. Nicht neues - nichts gutes. Er war gefangen und wünschte sich nichts sehnlicher als zurück zu kommen. Dennoch schien er ihre Gedanken zu spüren, wenngleich nicht verstehen zu können. Er spürte was in ihr vorging, doch seine Loyalität zu den Reitern war unerschütterlich. Maila verstand ihn und es machte sie fertig, ihm das alles antuen zu müssen. Seine traurigen Augen reflektierten und verstanden ihren eigenen Schmerz, doch es war noch so viel schlimmer. Maila kam sich furchtbar weinerlich und egoistisch vor. Für ihn war alles so viel schlimmer...
Seither sprach sie all ihre Gedanken aus, rede stundenlang mit Mondblüte und ließ sie an ihr teilhaben - so wie sie es früher immer getan hatte. Sie hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen - das Gefühl, ihre herzenstreue Partnerin zu vernachlässigen oder sogar auszunutzen. Ihr war klar geworden, dass sie hier nicht alleine feststeckte und dass es ihre Aufgabe war, auch über die Drachen zu wachen, so wie sie es seit jeher für sie taten.
Doch zu ihrem Glück war ihre Partnerin die beste Seele unter der Sonne und begegnete ihr mit nichts als Verständnis. Ihr Blick schien fast wiederzugeben, was Hicks einmal über Ohnezahn gesagt hatte. Gemeinsam und vereint könnten sie es mit der gesamten Welt aufnehmen, solange sie nur auf der selben Seite standen. Aber da war wieder das Problem! Jede Figur in diesem Spiel handelte aus eigenen, so individuellen Beweggründen, dass sie nicht einmal mehr klare Seiten formen konnte!
Sie hatte wahrhaftig das Gefühl, dass ihr Kopf unter dem gewaltigen Gedankensturm explodieren könnte. Und zeitgleich spielte sich in ihrem Herzen ein aggressiver Gewissenskonflikt ab. Außerdem fürchtete sie sich vor dem, was Viggo ihr damals erzählt hatte, sie fürchtete, sich zu verändern. Nicht mehr die selbe zu sein und sich zu verlieren. Sie kam sich noch immer furchtbar vor, auf diese Weisen von ihren Freunden zu denken, hatte allerdings auch Vertrauen zu ihrer leiblichen Familie gefasst. Natürlich stand sie auch loyal zu ihren Drachen und versuchte so eine Lösung für alle zu finden, die vielleicht nicht einmal existierte. Was war also richtig? Auf welcher verdammten Seite stand sie?!
Seufzend setzte sie sich auf und strich Mondblüte über den Kopf, die neugierig zu ihr zurück sah. "Willkommen zurück in der Realität", murmelte sie sich selbst zu und sah missmutig zu der Sif hinunter. Viggos Drachen kehrten soeben von ihrem Kontrollflug zurück und segelten geräuschlos durch das Fenster. Erste Fackeln waren auf den Decks entzündet worden, während über ihnen bereits die ersten Sterne leuchteten. Ihr Licht war nur blass, gerade erst tauchte in der Ferne die Sonne im Meer ab und sandte angenehm warmes Licht über das Inselreich. Der Wind strich ihr durch die Haare und trug immer wieder eine Strähne mit sich, doch Maila konnte es nicht genießen.
"Nur diesen einen Feind, Süße", flüsterte sie, den Blick immer noch auf die gewaltigen Schiffe gerichtet. "Nur diesen einen und dann - dann finden wir endlich eine Antwort für alles."
- 3188 Wörter - School of Dragons - Honigmuesli - 01.11.2019 -
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