Kapitel 3 - Berk

Es war ein komisches Gefühl auf einem Drachen zu fliegen, doch Sturmpfeil schien zu wissen, dass sie noch nie zuvor geflogen war. Denn während die Lichter unter ihnen immer kleiner wurden, schlug sie langsam und ruhig mit den Flügeln, sodass Maila sich erst einmal an das Fliegen gewöhnen konnte. Die Beschützerin versuchte sich an die Bewegung des Flügelschlages anzupassen und fand schnell das Gleichgewicht zu dem rhythmischen Bewegungen. Auch Sturmpfeil schien das zu merken, sie krächzte leise und spähte zu ihnen nach hinten.

Bald schon war ihre Insel kaum mehr zu erkennen, selbst der große Vulkan verschmolz mit der Dunkelheit. Doch sie riss ihren Blick los und sah nach vorne zu Hicks und Ohnezahn, die sie in ihr neues Leben führten und lächelte stumm.

"Hast du dich schon etwas an das Schaukeln gewöhnt?" fragte Astrid, die sich gerade erst hingesetzt hatte. Denn während sie selbst sich fest am Sattel festhielt hatte die Drachenreiterin noch einmal mit dem Gepäck gesehen.

"Es ist schon etwas komisch," gab sie zu, "Aber es wird mir schon etwas vertrauter und irgendwie ist es ein schönes Gefühl" Sie lächelte über ihr Schulter und Astrid erwiderte das Lächeln amüsiert. "Das stimmt! Je öfter du fliegst, desto mehr gewöhnst du dich daran. Und wenn du deinem Drachen vertrauen kannst, dann brauchst du dich vor nichts zu fürchten." - "Ich hoffe ich verstehe mich mit meinem Drachen..." murmelte Maila, doch Astrid schüttelte nur grinsend den Kopf. "Keine Sorge, das wirst du, Jungdrachen binden sich sehr schnell an Menschen, es ist meist für die Schüler schwerer einen Drachen anzunehmen, den sie vielleicht nicht unbedingt wollten. Aber wie auch immer, bist du bereit etwas schneller zu fliegen?"

Sie nickte schulterzuckend, woraufhin Astrid sich etwas nach vorne lehnte und ihr sagte, sie solle sich gut festhalten. Damit jagten sie an Ohnezahn vorbei, wo Hicks nur lachend den Kopf schüttelte, sein Visier nach unten klappte und zu ihnen aufholte.

Der Wind pfiff in ihren Ohren und sie musste einige Male blinzeln, doch das Gefühl war unbeschreiblich, es fühlte sich gar schwerelos an. Sie hätte erwartet Angst zu haben, doch es machte einfach nur Spaß. Das rauschende Meer unter und der helle Sternenhimmel über ihnen ließen das Ganze wie einen einzigen Traum wirken.

~*~

Nach mehreren Stunden übernahm Ohnezahn wieder die Führung und sie wurden langsamer, die Flügelschlage des Nachtschatten wurden immer träger. Die ganze Nacht waren sie schon geflogen, die Sterne über Hicks verblassten bereits wieder und der Horizont hellte sich allmählich auf.

Seufzend lehnte er sich zurück und strich Ohnezahn über den Flügel. Als er sich streckte knarzte seine lederne Rüstung, durch den kalten Wind war sie wie eingefroren. Er und Astrid trugen ihre neu entwickelten Anzüge, doch für Maila musste es kalt sein, auch nachdem er ihr seine alte Sturmmaske geliehen hatte.

Er sah für einen Moment zurück und beobachtete wie die beiden Wikingerinnen dem Sonnenausgang entgegen sahen. Maila schlug sich gut, dafür, dass sie das erste Mal flog. Und er war froh, dass zumindest eine so kurzfristig zugesagt hatte. Von den zehn Kindern die sie sich ausgesucht hatten, war sie die einzige, die sofort mitgekommen war. Das Mädchen von den Berserkern, bei denen er noch gewesen war, sowie fünf weitere Kinder hatten ihm versichert heute Abend selbstständig nach Berk zu kommen, falls sie Interesse hätten. Der Rest hatte bereits abgesagt, ob von den anderen alle erscheinen würden war auch unsicher.

Würden sie zu wenige sein, müsste er noch einige junge Wikinger finden müssen, die nachkämen. Jedoch würde er sehen müssen wie viele es am Ende tatsächlich waren. Eine kleine Gruppe brachte schließlich auch Vorteile mit sich, gerade jetzt, wo auch seine Reiter ihren eigenen Weg suchten. Bald waren es fünf Jahre seit der großen Schlacht um Berk. Fünf Jahre in denen er seinen Platz als Oberhaupt gefunden hatte und kontinuierlich an Berk und dem Frieden mit Drachen arbeitete. Seine Reiter und Freunde standen im noch immer zur Seite, suchten sich dennoch ihren eigenen Weg und er konnte sie nicht dazu zwingen, sich einem Schüler anzunehmen.

Nachdenklich ließ er seinen Kopf zur Seite fallen und sah zu Ohnezahn, der sich nach hinten gedreht hatte. Dieser begann leise zu brummen, in seinem Blick lag so viel Vertrauen und Treue, wie in keinem anderen. Lächelnd richtete Hicks sich auf und strich ihm über den Kopf. "Hast ja recht, Kumpel, hast ja recht..." Die letzte Gruppe Schüler hatte sich hervorragend entwickelt und war nun aufgebrochen, den Frieden im Inselreich zu sichern und Drachen zu schützen. Auch diese Generation würde sich bestimmt gut eingewöhnen.

~*~

Weiter hinten blinzelte Maila müde gegen das morgendliche Licht, es fiel ihr schwer die Augen offen zu halten. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen, während dem Flug ohnehin nicht. Doch jetzt wurde es bereits wieder heller. Es war nebelig, sie sah kaum weiter als einen Steinwurf, jedoch leuchteten die Nebelschwaden angenehm in rosa-orangenem Licht. Bald würde die Sonne aufgehen. Ihr wurde erst klar wie lange sie überhaupt geflogen waren und lächelte unwillkürlich. Es war zwar anstrengender, doch auch viel aufregender auf einem Drachen zu fliegen, als gedacht. Sie hatte sich schnell daran gewöhnt und hielt sich inzwischen nicht einmal mehr fest. Dennoch war sie froh, bald absteigen zu können - zumindest hoffte sie das zu können.

Vor ihnen erkannte sie Ohnezahns Umriss, der immer noch ruhig und gleichmäßig mit den Flügeln schlug, jedoch wirkte er genau wie Sturmpfeil erschöpfter als noch vor einigen Stunden. Selbst die Reiter waren ruhiger geworden, Hicks flog schon seit einiger Zeit vor ihnen und Astrid und Maila unterhielten sich kaum mehr, sondern hingen ihren eigenen Gedanken nach.

Eine geschlagene weitere Stunde dauerte es aber letztendlich, bis wieder Bewegung in die Gruppe kam. Hicks ließ sich nach hinten fallen und nickte Astrid zu. Diese richtete sich auf und auch Maila erwachte aus ihren Gedanken. Sein Blick fiel kurz auf sie, er nickte ihr zu und seine Augen funkelten abenteuerlustig. "Wa-" setzte sie an, aber Ohnezahn tauchte unter ihnen hindurch, nur um weiter vorne wieder auf zu steigen. Maila lehnte sich nach vorne und folgte ihnen mit interessiertem Blick, sah kurz zu Astrid und dann wieder nach vorne. Die Sonne war bereits vollständig aufgegangen, allerdings hing noch immer der Nebel in der Luft und ihre Augen wanderte aufmerksam durch die weißen Maßen, während sie auf das Folgende wartete.

In ihrem Augenwinkel erschien dann plötzlich ein schwaches Licht und schon bald erkannte sie die riesigen Signalfeuer, die sich gegen den Nebel hervorhoben. Es dauerte kurz bis ihr bewusst wurde, was das bedeutete. In diesem Moment war sie schlagartig hellwach. Gleichzeitig registrierte sie auch Bewegungen im Nebel um sie herum und war so damit beschäftigt fasziniert den Kopf herum zu drehen, dass sie völlig von Ohnezahn überrascht wurde, als er einen lauten Ruf ausstieß. Sie zuckte zusammen und für einen kurzen Moment herrschte Stille.

Doch dann antworteten sogleich hunderte Drachen auf den Ruf ihres Alphas. Von überall her schlossen sie sich ihnen an und innerhalb weniger Sekunden hatte sich ein riesiger Schwarm gebildet. Es schien als würde die Luft unter der Macht ihrer Rufe erzittern. Ein Schauer jagte ihr über den Rücken, während sie nur gefesselt hin und her sehen konnte. "Wow..." murmelte sie zum wiederholten Mal in kurzer Zeit und Astrid kicherte leise.

"Bereit?" fragte sie grinsend und auf ein Zeichen hin stieg Sturmpfeil auf. Sie kämpften sich an die Spitze des Schwarms und nur wenige Sekunden später durchbrachen sie dann die Nebelbank.

Beim Anblick von Berk stockte ihr nun wirklich der Atmen. Was früher einmal eine kleine, spärlich besiedelte Insel gewesen war, war nun eine riesige, bunte Ansammlung von Gebäuden. Baumhoch ragten sie in die Lüfte und nicht nur Wohnhäuser! Auch Futterspender, Landevorrichtungen, Zielscheiben und noch vieles mehr. Jeder verfügbare Platz wurde genutzt, sie erkannte kaum mehr, wo die Insel aufhörte und die Gebäude begannen. Selbst auf den anliegenden Inseln hatte der Bau weiterer Häuser begonnen. Dennoch war die ganze Insel für die Drachen angepasst worden, welche sich - wo sie auch hin sah - in großen Scharen tummelten. Sie erkannte sogar einige am Fuße der Steilklippen, wo die Wellen an die Insel rauschten.

Doch trotz des ganzen Chaos wirkte die Insel friedlich und besaß ihre ganz eigene Schönheit. Es gab so viel zu sehen, dass sie sich kaum losreißen konnte.

"Und?" fragte Astrid lachend, woraufhin sie doch für einen Moment den Blick abwand. "Wow", war das einzige was sie in diesem Moment sagen konnte. "Na dann, weiter geht's!"

Maila hatte nicht einmal bemerkt, dass Sturmpfeil in der Luft verharrt hatte, während sie sich umgesehen hatte, doch nun schlossen sie wieder zu Hicks großer Gruppe auf, die sich bereits entfernt hatte. Sie drehten eine Runde über dem Dorf, wo sie bereits mit Jubel begrüßt wurden. Zu ihrer Überraschung drehte die Drachenschar allerdings wieder ab und kehrte an die Grenzen zurück, während Ohnezahn und Sturmpfeil in der Dorfmitte landeten. Sie setzen auf einer Landevorrichtung auf, die sie langsam nach unten wandte und sie schließlich auf dem Boden absetzte. Maila blinzelte nur immer wieder fasziniert.

Augenblicklich kamen duzende Wikinger angestürmt und begannen auf Hicks einzureden, ohne, dass er überhaupt abgestiegen war. Er allerdings nahm den Ansturm ganz gelassen, streifte seine Maske ab und rief den Bewohnern direkt Anweisungen zu, woraufhin einige sofort wieder losliefen und in dem Trubel verschwanden, der auf dem Platz herrschte. Wo man auch hinsah eilten Wikinger umher, tauschten ihre Waren oder unterhielten sich. Es starteten und landeten Drachen und zwischen all dem spielten die Kinder und Jungdrachen, auch andere Tiere wurden über den Platz gejagt.

"- du kümmerst dich um Maila? Du bist die beste, wir sehen uns!" war das letzte was sie im Hintergrund von Hicks noch hörte. Kaum war sie wieder aufmerksam geworden und hatte sich herumgedreht, war er schon wieder verschwunden. Ohnezahn, der sich neben Sturmpfeil hingelegt hatte brummte grimmig, rappelte sich auf und steckte sich für einen Moment, bevor er seinem Reiter hinterher lief. Als sie Wikingermassen ihn kommen sahen wichen sie zur Seite, Ohnezahn wurde schneller und als er Hicks einholte sprang dieser im Laufen zurück in den Sattel. Bevor Maila blinzeln konnte rauschten sie auch schon davon.

"Nicht einmal vier Tage können wir weg bleiben!" schimpfte Astrid und schüttelte ratlos den Kopf, lächelte allerdings gleich wieder. "Aber du musst das gewohnt sein, oder?" richtete sie sich wieder an die junge Schülerin. "Nicht in dem Ausmaß, nein", erwiderte sie und lachte überwältigt. "Wir müssen uns erst noch an das Leben mit den Drachen gewöhnen, aber Hicks ist ein guter Anführer, Berk hat sich sehr verändert", erklärte Astrid, wank dann aber ab, "Wie dem auch sei, ich bringe dich hinunter zur Anlegestelle, dort sollten die anderen Schüler eintreffen - Sturmpfeil, geh und ruh dich ein bisschen aus, ja?" Ihr Drache krächzte freudig und schmiegte den Kopf an ihre Reiterin, bevor auch sie sich in die Luft schwang.

"Weiter draußen ist nicht mehr so viel los wie hier, da kommen wir dann auch zu Fuß gut voran", erklärte die Reiterin und Maila folgte ihr einfach durch das Getümmel hindurch. Tatsächlich wurden die Wege ruhiger, je weiter sie sich von der Dorfmitte entfernten, was ihr nach all der Aufregung irgendwie gut tat. So weit abseits war Berk überraschend ruhig, zwar gingen auch hier Bewohner ihrem Alltag nach und Drachen waren natürlich auch zu finden, doch war es nicht lauter als in ihrem eigenen Dorf.

"Astrid!" hörte sie nach einer Weile einen Ruf und zuckte kurz zusammen. Überrascht sah sie nach links und recht, doch Astrid blickte nach oben. Auch daran würde sie sich noch gewöhnen müssen...

Ein riesiger Drache zog über sie hinweg und landete etwas entfernt auf einem der Häuser. Einige Holzschindeln rutschten ab, doch hielt der große Drache sich beinahe anmutig auf dem kleinen Dach. Die Reiterin kletterte geschickt an ihrem Drachen hinab auf den Boden und begann schnell auf die Häuptlingsfrau einzureden, während ihr Partner, den Kopf schief gelegt, von dem Haus herunter sah und Maila musterte. Seine Augen funkelten und er stellte neugierig seine flügelartigen Ohren auf. Sie konnte sich erinnern, einen vierflügligen Drachen wie diesen schon einmal gesehen zu haben, allerdings musste sie noch sehr jung gewesen sein. Ein Sturmschneid - so nannte man sie, glaube Maila. Und sie waren sehr selten.

"Nun gut, es tut mir leid, dass ich euch unterbrochen habe", hörte sie gerade und wandte sich wieder den beiden Reitern zu. Die zweite Wikingerin wandte sich ihr zu und lächelte. "Ich bin Valka, Hicks Mutter", stellte die Frau sich nun vor. "Ich bin Maila", antwortete sie lächelnd. "Eine der Schülerinnen, richtig? Ich muss noch mit Hicks reden, aber ich wünsche dir schon einmal viel Glück, wir werden uns sicher noch einmal sehen - Komm, Wolkenspringer!" Sie lächelte noch einmal, bevor sie sich zu ihrem Drachen herauf zog und beide wieder davon flogen.

Astrid seufzte lächelnd. "Es tut mir leid für all das Chaos - und dir steht noch einiges bevor heute." - "Nein, nein! Ich finde es toll hier! Es ist viel mehr los, als ich es von uns kenne!" Astrid nickte. "Wenn du dich aber doch ausruhen willst, dann -"

Doch sie wurden von einem lauten Horn unterbrochen, dass nicht weit von ihnen erklang. "War das-?" fragte Maila und ihre Augen weiteten sich. Astrid nickte lachend. "Die Anlegestelle, ja. Das heißt dann wohl, dass unsere restlichen Schüler hier sind."

- 2209 Wörter - School of Dragons - Honigmuesli - 12.04.2019 -

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